86
Und in dem Moment schien irgendwie alles in mir zu explodieren.
Die Angst, erwischt zu werden, verschwand einfach, die Sorge, wie wir es jemals hier heraus schaffen wollten, die Verwirrung über Lio und Aleyna und einfach alles.
Da war nur er. Er und seine Stimme.
»Oh mein Gott«, keuchte ich heftig blinzelnd und wollte so schnell wie möglich aufspringen, wobei ich allerdings weder mit den beißenden Kopfschmerzen gerechnet hatte, noch mit dem Feuer, das in eben jenem Moment in meinen Rippen entfachte.
»Verdammt!«, fluchte ich wütend über mich selbst, bis auf einmal ein raselndes Husten den Flur erfüllte, ein zischendes Geräusch.
Ich erstarrte.
»R...r-runa...«
Etwas in mir schrie. Etwas in mir schrie so laut, dass mein Tromelfell platzte, schrie so laut, dass ich mir sicher war, jeder konnte es hören, schrie voller Wut.
Schwach, so schwach... Er klang so unendlich schwach, so verzweifelt, so erschöpft, so müde.
Zu ihm! Jetzt geh endlich zu ihm!
»S-schon gut... alles gut, keine Angst, ich bin da... wirklich... keine Angst...«
Wieder dieses Husten, ich blinzelte heftig, musste diese vermaledeiten Tränen wegstreichen, wobei ich nicht einmal wirklich wusste, warum genau mein dummes Ich jetzt heulte.
»Ich bin da...«, murmelte ich immer noch vollkommen neben mir, während ich mich zittrig aufrichtete, den beißenden Schmerz in meiner Seite ignorierte und nicht darüber nachdachte, wie ich hier raus kommen sollte, wo sich das Loch im Boden doch wieder geschlossen hatte.
Hektisch sah ich mich um, hob den Beutel auf, während meine Augen die einzelnen Zellen entlang glitten.
Meine Hände zitterten und ich wagte es nicht zu vermuten, wohin die Dunkelheit führte, die sich an den Korridor anschloss.
Es war ein kalter Ort. Ein widerlicher Ort. Obsidian überall, es glänzte, funkelte, spiegelte meine eigene, zerzauste Gestalt wieder, wie sie da stand und sich nach dieser bestimmten Zelle umsah.
Der Boden, die Wände, die gigantischen Türen der Zellen. Alles schien aus Obsidian zu bestehen, einzig und allein unterbrochen von kleinen Fakeln, die irgendwie merkwürdig in die Wand eingelassen worden waren.
»Wo bist du?«, hauchte ich irgendwie verzweifelt, es erschien mir so, als würde dieser Ort meine Sinne benebeln, als könnte ich durch ihn nicht mehr klar denken, als würde mein Hirn einfach verpuffen.
Ich blinzelte heftig, versuchte mich auf die Zellen zu konzentrieren, die dunklen Wände und die schimmernden Türen, die erbarmungslos aufragten.
Ein Röcheln. Und meine Füße trugen mich einfach von ganz alleine, ohne, dass ich sie steuerte, ohne, dass ich überhaupt irgendetwas befahl.
Hinten.
Ein Gedanke, der mir einfach so durch den Kopf schoss, ein Gedanke, als hätte ihn jemand anderes geschickt.
Hinten Aruna...
Ich taumelte vorrwärts, mein Herz tanzte und sprang und lief und rannte und fiel und tauchte und schwebte. Und es lebte. Es war, als würde es zum ersten Mal wieder leben.
Meine Füße wurden schneller, ich hörte, wie er etwas murmelte, hörte seine brüchige, kratzige Stimme, die mich geradezu zu beflügeln schien, meine Spiegelung rannte neben mir her, es war, als würde der Korridor immer länger werden, obwohl er auf den ersten Blick so klein gewirkt hatte, ich bekam kaum mehr Luft, die Aufregung stieg immer weiter und weiter und dann...
Dann war da dieser eine, dieser bekannte Geruch.
Kiefern. Alec.
Ich blinzelte heftig, meine Augen erfasste die Tür, die Zellen hier hinten waren anders, die dicke, robuste Wand war durch lange, glänzende Gitterstäbe ersetzt worden, die einen Blick auf die kargen, kleinen Zellen ließen, während die Tür aus reinstem Obsidian immer noch glänzte und da... da sah ich ihn.
Ich keuchte auf, stammelte irgendetwas, an das ich mich im Nachhinein selbst nicht mehr erinnern konnte und dann gaben meine Knie einfach nach.
»Alec«, keuchte ich vollkommen neben mir, die große Gestalt lehnte bebend mit ihrem Kopf gegen die Gitterstäbe, völlig zusammengesunken, das lange, strähnige Haar verbarg sein Gesicht.
Und dann schlug mir der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase, der mir meinen Mageninhalt hochtrieb.
Vollkommen entsetzt zog ich mich an die Gitterstäbe heran, es kribbelte, als ich sie berührte, doch das war jetzt nicht wichtig.
»Was tust du denn da?!«, kreischte ich entsetzt, er reagierte gar nicht, aber das war auch egal.
Ohne zu zögern streckte ich meine Hände durch das Gitter, griff an seine Schultern und drückte ihn zurück, sodass das verdammte Obsidian seine Haut nicht mehr verbrennen konnte.
»Alec!«, keuchte ich, während ich mich gegen das Obsidian drückte, um ihn aufrecht zu halten und meine Knie in meiner hockenden Position unangenehm gegen die Stäbe scheuerten.
Keine Reaktion.
Es stank bestialisch, seine nackte Haut brannte sich kalt in meine Hände und ich war mir sicher, würde ich ihn nicht irgendwie halten, würde er umkippen.
Sein Kopf ruhte vollkommen erschöpft auf seiner Brust, das Haar hing in Strähnen vor seinem Gesicht, seinen Körper zierten verkrustete Wunden und seine Seite sah übel entzündet aus. Er zitterte wie verrückt, kniete da, ohne ein Wort zu sagen.
»Alec?«, hauchte ich wieder, beinahe zaghaft, musste mir erneut die dummen, dummen Tränen verkneifen, die einfach kamen. Ich wusste nicht warum. Ich wusste es ehrlich nicht.
Er sagte nichts. Warum sagte er nichts?
Verdammt sag doch etwas! Sag etwas! Du bist Alec! Du kannst nicht einfach schweigen! Rede mit mir!
»I-Ich...«
Beinahe zuckte ich zusammen, als seine kratzige, raue Stimme ertönte, die seinen gesamten Körper zum erbeben brachte, mich erschaudern ließ, während sich meine Hände immer noch warm auf seine Schultern legte.
Sein Kopf ruhte weitrerhin auf seiner Brust. Am liebsten wollte ich sein Gesicht in meine Hände nehmen, einfach, damit er mich ansah, diese grauen Augen, damit ich sah, dass tatsächlich leben in ihnen war.
»Ich... v-verbrenne... Haut... meine... H-Haut.«
Ein merkwürdiger Laut, zwischen Entsetzen, Unglauben und Grauen verließ meinen Mund, während ich alle Mühe hatte, seinen großen Körper aufrecht zu halten.
Vollkommen neben mir schüttelte ich den Kopf, beugte mich noch etwas weiter nach vorne, um meine gestreckten Arme zu entlasten.
»Aber warum?«, hauchte ich, verstand es nicht, verstand es einfach nicht.
Und da regte sich plötzlich etwas, ich spürte, wie sich jeder einzelne Muskel seines Körpers anspannte, er ächzte und dann langsam, ganz langsam hob er den Kopf, während meine Hände ihm weiterhin Halt gaben.
Das schwarze, strähnige Haar fiel ihm aus dem Gesicht, ich blinzelte heftig, erst lag es im Schatten doch dann blickte er mich geradewegs an.
Die Fackeln erleuchteten sein Gesicht, erleuchteten jeden einzelnen, eingefallenen Teil. Die Wangenknochen, die so sehr hervorsatchen wie noch nie. Und dann die Augen. Diese Augen, die ich nie kannte und dann doch besser als alle anderen.
Grau. Grau waren sie.
Aber das falsche Grau.
Kein Sturm, kein Glänzen, kein Funkeln. Nichts. Nur Grau. Stumpf.
Er blinzelte nicht einmal, während er mich vollkommen regungslos ansah, während seine Lippen vor Kälte zitterten, während er blass war, wie ich es nie erlebt hatte.
Und es schauderte mich und ich wollte mich winden und ich wollte schreien. Und es war, als würde diese eine, diese bestimmte Bestie in mir erwachen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt verdrängt hatte, die das letzte Mal damals zum Vorschein gekommen war, als der Hybrid Alec angegriffen hatte. Das erste Mal, als ich - als sie - Bane getötet hatte.
Und sie wollte sie alle töten. Jeden einzelnen von ihnen. Qualvoll, langsam, so schmerzhaft, wie sie es sich niemals vorstellen konnten. Für alles, was sie Alec angetan hatten.
Ein langer Schnitt zog sich quer über seinen Nasenrücken, das linke Auge war etwas zugeschwollen, doch die einzig frische Wunde, die ich erkennen konnte, war die verbrannte Haut quer über seine rechte Wange, die mir die Galle hochtrieb.
Sein Mund öffnete sich, zitternd, bebend, und es war, als könnte ich es spüren, als könnte ich jeden einzelnen Schmerz spüren, den er spürte, als würde sich langsam ein Schnitt über meinem Nasenrücken auftun, als würden sich seine Schmerzen siedend heiß auf mich übertragen.
Ich keuchte gequält auf, verwirrt, wusste absolut nicht, was geschah. Als würde ich leiden, schmerzen empfinden, ohne sie wirklich zu fühlen. Leiden, weil er litt.
»W-weil...«, seine Stimme brach, er blinzelte heftig, die Woge des Schmerzes schien mich immer mehr einzunehmen, es war, als würde es geschehen, bloß weil ich ihn berührte, als würde er seinen Schmerz einfach auf mich übertragen, es stach heftig, mein Herz stockte, ich ächzte auf, blinzelte heftig, konnte für einen Moment meine Augen kaum aufhalten.
Und es war, als würden seine Augen langsam klarer werden.
»W-weil es... es wehtut... Damit ich... ich weiß, dass... dass ich... noch d-da... bin.«, keuchte er mit leiser Stimme, während mich eine Welle der Übelkeit übermannte und dann auf einmal zuckte Alec nach hinten, riss die Augen auf und sobald meine Hände sich von seiner kalten Haut lösten, sobald meine Fingerkuppen sie nicht mehr spüren konnte, schien es, als würde eine unheimliche Schwere von meinem Herzen genommen, als würde jeglicher Schmerz, abgesehen von den stechenden Kopfschmerzen und den brennenden Rippen, einfach aus mir heraus gezogen werden.
Keuchend krümmte ich mich , viel zu überfordert von diesen plötzlichen Gefühlen, während sich Alec schwer atmend aufrecht hielt und mich keuchend ansah.
»W-Was?«, ächzte er, seine Brust hob und senkte sich immer schneller, bis er sein Gesicht voller Qual verzog.
»W-Was... hast...d-du getan?«
Für einen Moment erschien es beinahe so, als würden sich seine Augen jeden Moment nach hinten verdrehen, nur, um sich nie wieder zu öffnen. Doch er hielt sich. Er hielt sich oben, aufrecht, zumindest so gut wie es in diesem Moment eben ging.
Ich blinzelte heftig, meine Hände hingen halb zwischen den Obsidianstäben, die ein unangenehmes Kribbeln auf meiner Haut hinterließen.
Ja. Was hatte ich getan? Was war da gerade geschehen?
Und es war, als würde dieser Satz mit einem Mal in mir auftauchen, aufkeimen, zum leben erwachen, als hätte ihn jemand geschickt, als käme er nicht von mir.
Es war nicht meine Stimme, die dort sprach. Sie hörte sich so an. Und doch war es nicht meine.
Eine fremde, eine majestätische Stimme beinahe, viel mächtiger, als ich es jemals sein könnte.
Du hast ihm seine Schmerzen genommen. Du hast sie auf dich übertragen, Aruna, weil du in diesem Moment nichts mehr wolltest, als ihm seine Schmerzen zu nehmen. So, wie es verlaufen soll. Bald ist es so weit.
»Was?!«
Doch noch ehe ich irgendwelche Antworten bekam, die diese vollkommen verrückte Stimme in meinem Kopf mir hätte geben können, wurde meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt. Ein erschöpftes Keuchen vor mir ertönte, ein müdes Ächzen und dann sackte er einfach in sich zusammen.
»Alec!«, keuchte ich entsetzt, schnellte vor und packte ihn wieder bei seinen Schultern, während sein Kopf nach vorne wegkippte.
Und wieder geschah es. Ein unheimliches Kribbeln schien von meinen Händen, die ihn berührten, auszugehen und dann kam diese Übelkeit, unterschwelliger diesmal, leichter, als könne mein Körper es beim zweiten Mal besser verarbeiten.
Langsam ein brennender Schmerz, der sich wie ein kalter Schauer über meinen Körper zog und mein erster Reflex wollte, dass ich mich zusammenkrümmte, dem widerlichen Gefühl nachgab.
Doch ich blieb sitzen.
Ich biss mir auf meine Wange, kniff für einen Moment die Augen zusammen, als müsste ich mich sammeln und dann öffnete ich sie mit einem Schlag wieder, richtete mich im gleichen Atemzug auf.
Dann nimm ihm seinen Schmerz. Zumindest ein bisschen. Er musste es zu lange aushalten. Hilf ihm.
Ein Beben schien Alec zu durchzucken, ich konnte die Schwere in meinem Atemzug nicht verbergen und dann holte der Ven plötzlich tief Luft.
Er zitterte. Ich bebte.
Es war unheimlich. Beinahe, als würde etwas unsichtbares um uns herum glimmern, sich auftürmen, hin und her werfen, die Macht, die mir die Kraft gab, ihm seinen Schmerz zu nehmen.
Und in diesem Moment war egal, warum ich es konnte. Ich brachte es einfach zu Stande. Über alles andere wollte und konnte ich mir keine Gedanken machen.
Wieder erzitterte Alec und dann langsam, ganz langsam, hob er den Blick, während der kalte Schweiß auf meiner Stirn ausbrach und mir schwindelig wurde.
Er blinzelte heftig, als würde er versuchen, seine Sicht klarer zu machen.
Mein Herz machte einen kleinen Sprung und mit aller Kraft brachte ich es irgendwie zu Stande meine Mundwinkel hinauf zucken zu lassen, während er einfach müde, so unendlich müde, aussah.
Die tiefen Schatten auf seinem Gesicht machten dieses Bild auch nicht wirklich besser.
»Hey«, flüsterte ich und bekam wieder das Bedürfnis, einfach hier und jetzt loszuheulen, einfach, weil ein kleiner, dummer, dummer Teil in mir bereits aufgegeben hatte.
Ihn jetzt hier vor mir zu sehen, atmend und mehr oder minder aufrecht, schien mir einfach meinen letzten Funken Stolz zu nehmen, der mich anschrie, mich nicht wieder in einen heulenden Schlosshund zu verwandeln.
Er sah mich an. Blinzelte. Langsam schienen seine Augen wieder etwas klarer zu werden, auch wenn man ganz genau hinsehen musste.
Der Ven musterte mich, von den dunkelroten Locken, die wirr aus dem Zopf hingen, über das blasse Gesicht, bis hin zu meinen Augen, der Nase, dem Kinn.
»Weißt du...«, keuchte er dann plötzlich, während er sich immer weniger auf meine Hände stützte, allerdings keinesfalls gewillt schien, zurückzuweichen.
Es schien so banal. Nur wenige Zentimeter trennten uns, ich sah ihn, ich konnte ihn berühren und trotzdem schien er durch das Gitter so unendlich weit weg, so unerreichbar. Einfach nur, weil er auf der falschen Seite saß.
Alec senkte den Blick, die langen Wimpern verbargen für einen Moment seine Augen, ein Schauer lief über meinen Rücken, als sich der Geruch von Blut langsam immer weiter in meine Nase drängen wollte.
Ein Schauer. Ein Schauer, nicht mehr. Nur ein einfacher, einziger, so unendlich unwichtiger Schauer.
Konnte man sich jemals an Blut gewöhnen? Konnte man das Grauen jemals abschütteln? Ja. Anscheinend schon.
Die Zeit schien mich verändert zu haben. Die panische Angst vor Blut... Sie schien einfach... sie war einfach... weg.
»Beinahe... beinahe hätte ich es geglaubt.«
Alecs Stimme war leise. Und verbittert. Ich konnte die Verbitterung nur all deutlich hören, beinahe spürte ich sie auf meiner Haut brennen.
Verwirrt runzelte ich die Stirn, versuchte, die siedende Hitze, die in mir aufzusteigen schien, zu verdrängen und packte zur Vorsicht noch ein bisschen fester zu, als fürchtete ich, Alec hätte den Verstand verloren und würde jeden Moment aufspringen und wild kreischend im Kreis herum rennen, während er - neben dem Kreischen - alle meine Entchen schmetterte.
»Was hättest du beinahe geglaubt?«, fragte ich schließlich leise, langsam, als würde ich mit einem kleinen Kind reden.
Und da schnaubte der Ven plötzlich auf, schüttelte den Kopf, bis er ihn Stück für Stück anhob.
»Beinahe, hätte ich gedacht, du wärst tatsächlich hier. Beinahe hätte ich geglaubt du - Aruna - wäre gekommen, um mich hier raus zu holen.«
Und da trafen seine Augen mit voller Wucht auf meine, ein unterschwelliges Lodern in ihnen, während ich verwirrt inne hielt, für einen Moment wirklich nicht wusste, was ich sagen sollte.
»Was!?«, keuchte ich schließlich sehr intelligent.
Ich dachte nicht wirklich über mein Handeln nach, es war, als würde sich meine Hand von alleine bewegen.
Mit der rechten Hand, hielt ich ihn weiter fest, es schien, als könne er langsam etwas besser sitzen, meine linke Hand allerdings löste sich von ihm.
Ohne darüber nachzudenken, strich ich ihm die dunklen Strähnen von der Stirn und legte meine Hand mehr oder minder behutsam auf eben jene.
Sofort spürte ich die glühende Hitze, die von ihm ausging, eine Hitze, die mich erschaudern ließ, eine Hitze, die einen kalten Schauer in mir hervor brachte.
Unter meiner Berührung schien er sich beinahe automatisch etwas zu entspannen, vermutlich weil meine Hand so kalt war im Gegensatz zu seinem erhitzten Gesicht. Trotzdem ließ mich diese Tatsache erneut kurz den Atem anhalten.
»Du hast hohes Fieber...«, murmelte ich dann nachdenklich und blinzelte verwirrt, als Alec plötzlich einfach so seine Augen schloss.
»Es wäre schön«, murmelte er und ich hatte das Gefühl, als würde er seinen Kopf noch etwas mehr gegen meine Hand lehnen, während diese unendliche Hitze mich erschaudern ließ.
Halleluja, er benötigte dringend einen Arzt, das war klar.
Immer noch ziemlich verwirrt, von was zur Hölle er da überhaupt sprach, schüttelte ich meinen Kopf und traute mich nicht, meine Hand von seiner Stirn zu nehmen.
Vielleicht schaffte ich es auch nicht. Aber nur ganz vielleicht.
Es war, als hätte meine Hand ein Eigenleben entwickelt und keine Lust, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.
»Wovon redest du Alec?«, hauchte ich stirnrunzelnd und versuchte mit aller Macht, die aufkeimende Hitze in mir zu vertreiben.
Langsam türmte sich der Schmerz immer weiter auf. Ich versuchte ihn angestrengt zu ignorieren, was mir allerdings eher schlecht als recht gelang.
Seine Mundwinkel zuckten beinahe verbittert in die Höhe, seine Augen waren immer noch geschlossen und sein strähniges Haar kitzelte meine Hand.
»Dieses Mal hat es beinahe geklappt.«
Er schien nicht einmal zu bemerken, dass er plötzlich viel klarer reden konnte.
»Aber ich weiß, dass du nicht echt bist. Ich weiß, dass ich es mir bloß einbilde, weil ich will, dass sie hier ist. Ich weiß, dass mein Hirn versucht, mich davon zu überzeugen, dass nicht alles hoffnungslos ist, dass ich sie - dich, wie auch immer - wieder sehen werde und aus diesem verdammten Loch verschwinden kann.«
Und ab diesem Zeitpunkt verstand ich absolut gar nichts mehr.
»Alec was...«, setzte ich an, doch er unterbrach mich einfach, seufzte schwer und hielt die Augen weiterhin geschlossen.
»Das erste Mal hab ich es wirklich geglaubt. Keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, aber als du das erste Mal gekommen bist, hatte ich wirklich Hoffnung. Du standst da, an dem Morgen warst du einfach da und hast mich angelächelt. Am Ende habe ich dich angeschrien, warum du verdammt noch mal nichts tust, während du immer nur davon gesprochen hast, dass es bald so weit wäre und dass ich keine Angst haben müsse. Und irgendwann bist du verschwunden. Ich habe geblinzelt. Und dann warst du Weg. Ich weiß nicht, wie viele Ausfertigungen ich von dieser verdammten Davis gesehen habe. Aber sie ist immer verschwunden. Jedes Mal... jedes einzelne Mal... jedes...«
Halleluja er war wirklich krank.
»Al -«, wollte ich wieder ansetzen, doch dieser verdammte, verdammte Idiot ließ mich nicht zu Wort kommen.
»U-Und...«, er hielt inne, als könne er für einen Moment einfach nicht mehr sprechen.
»U-Und als du dann heute gekommen bist... da dachte ich für einen Moment... ich dachte wirklich... Das Gepolter und Gefluche... Es hätte ihr so unendlich ähnlich gesehen... diese verdammte Treppe runter zu fallen... das wäre sie gewesen... Aruna...«
Für einen Moment schien es, als würde er überhaupt keine Luft mehr bekommen, während er vollkommen im wirren Fieberwahn zu stecken schien.
Ich blinzelte heftig, mein Herz klopfte immer schneller, ein merkwürdiges Gefühl bahnte sich in mir auf, dieses Mal hatte ich allerdings nicht einmal die Chance, meinen Mund zu öffnen.
»Für einen Moment... ich dachte wirklich... und es fühlt sich so echt an... leichter... wie immer, wenn...«
Seine Stimme brach ab.
Ich war vollkommen sprachlos, wusste einfach nicht, was ich in diesem Moment sagen, geschweige denn denken sollte. Es war, als wäre mein Kopf vollkommen leer.
»Aber... ich werde... ich werde sie vermutlich niemals wieder sehen... Aruna... niemals... niemals«
Und da geschah es.
Etwas, was ich niemals gedacht hatte, jemals wieder zu sehen, etwas, was so unmöglich schien.
Etwas, was bis jetzt nur einmal geschehen war, allerdings in einem komplett anderen Zusammenhang.
Es geschah und ich konnte es nicht glauben.
Ich blinzelte heftig und mein Herz setzte aus und mein Atem stockte und mein Körper erstarrte, als meine Augen dieser einen, klaren, glänzenden Träne folgten, die erst an seinen Wimpern hängen blieb, dann von ihnen abperlte und schließlich seine eingefallene Wange in stummer Trauer hinunter rann.
Alecsander Venatores weinte.
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