84
Frustrierend.
Die nächsten Tage waren frustrierend, mehr fiel mir dazu wirklich nicht ein. Um ehrlich zu sein bestand mein Leben momentan aus einer einzigen, großen Frustration, sodass ich langsam glaubte, minimal verbittert zu werden, so verbittert, dass ich es zumeist schaffte, meine Angst in die hinterste Ecke meines Hirnes zu stopfen, immerhin hatte ich ja auch Aleyna so überzeugt versprochen, keine Heulanfälle mehr zu bekommen.
Naja, aber zurück zum Thema.
Ich hasste Falkenauge, Poppy und Asher gingen mir zusammen bestialisch auf die Nerven, obwohl Poppy alleine zugegeben ziemlich lustig war, auch wenn sie der Meinung war, jedes Mädchen müsste Kleider mögen.
Und Will hing mir verdammt noch mal aus den scheiß Ohren raus.
Durch meinen ehrgeizigen Plan, herauszufinden, wo die beschissenen Zellen waren, klebte ich quasi den ganzen Tag an ihm, obwohl man wohl eher davon sprechen musste, dass er an mir klebte.
Eigentlich musste ich mich nicht einmal anstrengen, mich an diesen verdammten, naiven Idioten zu hängen.
Bereits am Frühstück begann es, an dem ich unbedingt immer teilhaben musste...
Wie wäre es mit einem Spaziergang durch den Garten Aruna?
Ich kann dir den Ostflügel zeigen Aruna.
Magst du Bücher Aruna? Wir könnten in die Bücherrei gehen.
Die Jungwölfe haben nach dir gefragt, hättest du nicht Lust, heute mit mir zu ihnen hinzugehen Aruna?
Und weil ich einen gewissen Ven aus diesen beschissenen Zellen holen musste, für den ich erstaunlich viel tun würde - was ich natürlich niemals zugeben würde, weil es total banal klang, sah man nur auf unsere Anfangszeiten zurück - opferte ich mich jeden einzelnen Tag auf, auch wenn es mir manchmal verlockender erschien, mir eine Kugel zu geben.
Naja, nun hätte man also meinen können, dass ich, trotz all den negativen Aspekten, wenigstens etwas hätte herausfinden können, dass ich wenigstens endlich eine gute Chance hätte, ungestört etwas aus Will heraus zu bekommen.
Aber nein! Nein! Nicht einmal das!
Warum? Wegen Falkenauge.
Ernsthaft, langsam glaubte ich, sie hatte entweder mir oder Will irgendeinen Chip eingepflanzt oder so, sie war quasi überall!
Wir gingen im Garten herum - sie studierte natürlich äußerst unauffällig irgendwelche beschissenen Blumen.
Wir besuchten tatsächlich die Jungwölfe, die nebenbei gemeinsam mit Isla so ziemlich der einzige Lichtblick in diesem beschissenen Loch waren - sie musste auf einmal ganz plötzlich die zehnjährigen Trainieren.
Und natürlich verpasste sie es kein einziges Mal, mir einen tödlichen Blick zuzuwerfen. Sie hasste mich. Wirklich, diese Frau verabscheute mich.
Es war zum kotzen.
Und ich hasste es hier, von jedem Moment mehr und mehr.
Mehr als einmal war ich kurz davor gewesen, ihnen einfach mitten ins Gesicht zu schreien, dass Alec und ich einen gewissen Ihn in North Carolina zu treffen hatten, ganz zu schweigen von den Hybriden, im letzten Moment hatte ich mein aufgebrachtes, frustriertes, verbittertes Ich allerdings immer zurück halten können.
Lio hatte ich übrigens kein einziges Mal mehr gesehen, er versteckte sich vor mir und ehe ich auch nur die Chance hatte, einen Blick auf ihn zu erhaschen, rannte er einfach weg.
Ich wusste nicht, ob ich glücklich darüber sein sollte oder nicht.
Aber naja, um auf den Lichtblick meiner Zeit hier zurückzukommen.
Es war der achte Tag in dieser Hölle, ein Morgen um genau zu sein und ich lag gemeinsam mit Isla auf der Couch, während Will nach dem Frühstück irgendetwas hatte besprechen müssen.
Einerseits ein wahrer Segen, da meine Ohren so nicht wieder direkt anfingen zu Bluten, wenn er mich schon am Morgen volllaberte - Gott war ich fies geworden. Fies und verbittert und frustriert - andrerseits machte es mich fertig.
Jede Minute war eine verlorene Minute und ich hasste es, weil ich keine Zeit hatte, weil ich nicht wusste, wie es um Alec stand und weil mir ja auch niemand in diesem verdammten Drecksladen etwas sagte.
Naja, jedenfalls lagen Isla und ich also auf der großen Couch im Wohnzimmer, beziehungsweise ich lag, zumindest so halb, während Isla auf meinem Bauch hockte und sich daran probierte, meine Haare zu flechten, obwohl sie wohl eher Knoten hinein zurrte.
Aber das war mir ehrlich gesagt so ziemlich egal, Isla durfte das.
Es war vermutlich dumm, vermutlich ziemlich naiv und unvorsichtig, aber dieses kleine Mädchen...
Irgendwie hatte sie sich einen Weg in mein dummes Herz erschlichen und schien auch definitiv nicht mehr gewillt, daraus zu verschwinden.
Vielleicht lag es daran, dass sie mich so sehr an meine geliebte kleine Schwester erinnerte...
Ich hätte alles dafür getan, um meine Familie einfach wieder bei mir zu haben, die Sehnsucht wuchs von Tag zu Tag.
»Ich wünschte«, erzählte Isla, während sie konzentriert auf meine Strähnen starrte und sich gegen meine Beine lehnte, die ich angewinkelt hatte, »ich hätte auch rote Haare. Merida hatte rote Haare und die war so cool! Sie brauchte keinen dämlichen Prinzen, der auf sie aufpasst, sie hat auch so alles geschafft!«
In den Augen der Kleinen glänzte ehrliche Begeisterung auf, während ich lächelnd einen weiteren Bissen von dem Müsliriegel nahm, den Isla mir aus der Küche stibitzt hatte.
Ich hob meinen Kopf kurz von der Lehne, auf der er ruhte, damit Isla an die anderen Strähnen heran kam und bevor ich etwas erwidern konnte, plapperte sie einfach weiter.
»Weißt du«, überlegte sie und hielt in ihrer Bewegung inne, während sie mich nachdenklich musterte und die Stirn kraus zog.
»Du siehst Merida sogar sehr ähnlich, genau die gleichen Locken und ohne den Bernstein auch die gleiche Augenfarbe. Und du bist genau so mutig und selbstständig wie sie. Ich wünschte, ich wäre wie ihr.«
Das brachte mich zum lachen und ich knuffte Isla kopfschüttelnd in die Seite.
»Aber denk doch nur mal an Rapunzel. Die hatte blonde Haare, genau wie du, und sie war auch ganz schön taff und mutig. Außerdem, woher willst du denn wissen, dass ich mutig bin? Vielleicht bin ich ja auch total ängstlich und renn bei der ersten Gelegenheit davon.«
Isla runzelte die Stirn und musterte mich weiterhin nachdenklich.
»Ich weiß, dass du mutig bist«, gab sie dann einfach überzeugt von sich und sah dann an irgendeine Stelle oberhalb meines Schlüsselbeins.
Und plötzlich wirkte sie beinahe... unsicher.
»Und...«, setzte sie vorsichtig an und ich fragte mich, auf was sie so penetrant starrte.
»Und... Poppy sagt, dass... dass Menschen mit Narben immer mutig sind. Sie sagt, dass jede einzelne Narbe einen mutiger macht und dass hinter jeder eine Geschichte steckt. Sie sagt, dass die, die am meisten gelitten haben am Ende am mutigsten sind.«
Sie sah beinahe schüchtern auf den großen Teppich neben der Couch und für einen Moment erstarrte ich.
Jetzt wusste ich, was sie angestarrt hatte.
Wie automatisch glitt meine Hand hinauf an meinen Hald, wo ich die veränderte Haut spüren konnte.
Schließlich räusperte ich mich. Ich mochte es ehrlich gesagt nicht, darüber zu sprechen, deshalb wusste ich später auch nicht mehr recht, warum ich Folgendes gesagt hatte.
»Narben machen dich weiser«, murmelte ich leise.
Isla sah verwirrt vom Teppich auf und blickte mich fragend an.
»Was meinst du damit?«, fragte sie verwirrt und da war wieder dieses neugierige Funkeln in ihren Augen.
Ich seufzte und richtete mich langsam etwas auf, sodass sie auf meinen Schoß hinab rutschte.
Vielleicht war es merkwürdig, wo ich doch normalerweise Körperkonrakt nicht so wirklich schätzte, doch bei Kindern schien es mir kaum etwas auszumachen.
Schließlich seufzte ich und für einen Moment zögerte ich, ob es wirklich das richtige war, über was man mit einem kleinen Mädchen reden sollte.
Auf der anderen Seite allerdings war Isla für ihr Alter ziemlich erwachsen, zumindest manchmal, und so wie ich sie kannte, würde sie nach meiner Aussage nicht mehr locker lassen.
Sie war genau so neugierig, wie ich. Generell war sie mir irgendwie sehr ähnlich.
Ich seufzte.
»Du lernst, wie böse die Welt sein kann, Ily«, gab ich schließlich zu und legte den Kopf in den Nacken.
Ich spürte geradezu Islas Verwirrung, die sich siedend heiß in meinen Hals brannte.
»Aber alle Dinge müssen immer etwas Positives haben, das sagt zumindest Ava.«
Ich runzelte die Stirn und dachte für einen Moment über diese Worte nach.
»Ja«, gab ich schließlich zu.
»Ava hat recht. Du lernst, vorsichtiger zu sein. Und du lernst, dass manchmal, wenn dir etwas böses passiert, auch wieder ein Lichtblick kommen kann. Dass jemand kommen kann, der dir hilft. Du lernst, dass es nicht nur böse Menschen gibt, sondern auch Menschen, denen du nicht egal bist.«
Und beinahe unwillkürlich tauchte vor mir dieses eine bestimmte Bild auf. Ein dunkler Raum, geschmückt mit Silber und Herbstzeitlosen, an den ich nie wieder denken wollte.
Und stahlgraue Augen. Augen, die mich befreit hatten.
Isla runzelte die Stirn, überlegte.
»Also doch ein Prinz, der dich retten muss«, stellte sie schließlich nüchtern fest, resigniert beinahe.
Meine Mundwinkel zuckten hoch und ich schüttelte grinsend den Kopf.
»Nicht wirklich«, erwiderte ich, während Isla sich wieder an meinen Haaren zu schaffen machte.
Alec war bestimmt vieles, als Prinz allerdings würde ich ihn eher nicht bezeichnen.
Schließlich ging Isla wieder dazu über, über belanglose Dinge zu plappern und brachte es am Ende tatsächlich zu Stande, die gesamte linke Hälfte meines Haares zu einem einzigen, großen Knoten zu zerzausen, sodass ich mir nicht einmal sicher war, ob ich sie am Ende nicht vielleicht doch abschneiden müsste.
Isla erzählte gerade ausgelassen darüber, wie sie einmal auf das Dach des Hauses der Jungwölfe geklettert war und sich dabei ganz geschickt beide Arme gebrochen hatte (Wow, dieses Mädchen könnte tatsächlich ich sein), als sich plötzlich jemand räusperte.
Erschrocken sahen wir beide auf und als ich Will erblickte, wusste ich nicht, ob ich mich jetzt freuen sollte oder nicht.
»Ehm...hey«, meinte er, als wir ihn fragend ansahen, wobei ich spürte, dass Isla sich bereits bereit machte, von meinem Schoß zu klettern.
Sie wusste genau so gut wie ich, was jetzt folgen würde.
Für einen Moment musterten mich Wills Augen mit diesem altbekannten Ausdruck, den ich von Tag zu Tag weniger leiden konnte und schließlich räusperte er sich.
»Hättest du kurz Zeit Aruna?«
Ja, aber nur wenn du mir endlich verrätst, wo die Zellen sind.
Ich nickte und warf Isla einen entschuldigenden Blick zu, die bloß unbekümmert mit den Schultern zuckte.
»Klar«, erwiderte ich also und rappelte mich von der Couch auf.
Will schenkte mir ein kurzes Lächeln und ließ mich vor ihm aus dem Raum treten.
Und kaum konnte er mein Gesicht nicht mehr sehen, verdrehte ich genervt meine Augen, wie die fiese Person, die ich nun einmal geworden war.
Und doch ballte ich meine Hände entschlossen zu Fäusten, drückte die unterschwellige Unruhe, die mich während Islas Erzählungen gequält hatte, weit weg, sowie meine Sorge und machte meiner frustrierten Entschlossenheit platz.
Heute! Heute würde ich es schaffen Alec, versprochen!
Gerade, als ich mich mitten in der Eingangshalle zu Will umdrehen wollte, wobei meine Haare immer noch ziemlich verknotet meinen Rücken hinab hingen, ertönte seine beinahe nervöse Stimme hinter mir.
»Du und Isla versteht euch ziemlich gut, hm?«
Ich runzelte die Stirn und drehte mich endgültig zu ihm um, wobei ich unabsichtlich die Nase rümpfte, weil mir wieder der widerliche Gestank dieser vermaledeiten Handschu-Blume in die Nase stieg.
Sag mal war ich denn hier so ziemlich die einzige, die das ungemein störte?
Will musterte mich irgendwie beinahe schüchtern, was mich nur noch mehr verwirrte.
»Eh... ja?«, machte ich schließlich ziemlich intelligent.
Was hätte ich auch sonst sagen sollen?
»Hm«, antwortete Will und rieb sich den Hinterkopf.
»Hm«, erwiderte ich ebenso gesprächig und sah mich unauffällig nach Falkenauge um.
Ich konnte sie nirgendswo entdecken.
Einmal! Einmal könntest du Glück haben Aruna!
Und gerade, als ich die unangenehme Stille unterbrechen wollte, in der Will verlegen auf seine Hände gestarrt hatte, ertönte plötzlich seine Stimme.
»Ich wollte mit dir über etwas reden.«
Stirnrunzelnd sah ich auf, wobei mein dummes, kleines Herz einen kurzen Aussetzer machte.
Dieser Anfang gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Es war diese Art von Anfang, die Eltern immer benutzen, wenn sie über etwas furchtbar ernstes mit einem reden wollten. Dass sie beschlossen hatten, es wäre nicht gesund für ihre Tochter, weiterhin jeden Abend im Dezember auf dem Boden vor dem Kamin auf dem Boden einzuschlafen, in der Hoffnung sie würde nicht den Weihnachtsmann, dafür aber Rudolf, das Rentier mit der roten Nase, treffen.
Ich runzelte die Stirn.
»Okay?«
Will wirkte unsicher wie immer und ich fragte mich ernsthaft, wie einer wie er der Abstammung eines Alphas entspringen konnte.
Okay, das klang vielleicht minimal fies. Aber hey, er hatte es selber zu verantworten, dass die fiese Aruna zum Vorschein gekommen war.
»Also...«, setzte er nervös an, trat unruhig vom einen Fuß auf den anderen und konnte sich ganz offenbar nicht entscheiden, ob er die Ärmel seines Hemdes nun oben oder unten haben wollte.
Konnte er sich bitte beeilen? Ich wollte hier meine Chance nutzen, bevor Falkenauge ganz zufällig um die Ecke geschneit kam.
Wenn man genau darüber nachdachte, passte der Name Falkenauge immer besser, fiel mir ein.
Augen wie ein Falke, die alles sahen...
»Ich habe mir gedacht...«, stotterte Will sehr hilfreich weiter und rieb sich wieder und wieder über den Hinterkopf.
Ja was? Was hast du dir gedacht?
Auffordernd sah ich ihn an und musste wirklich an mich halten, um ihm meine Unruhe nicht gleich ins Gesicht zu brüllen.
»Dass du... also vielleicht, vielleicht könntest du...«
Ich zog meine Augenbrauen hoch und biss demonstrativ von dem zweiten Müsliriegel ab, den Isla mir großzügig überlassen hatte, weil sie ausversehn die mit der Schokolade drum herum erwischt hatte. Sie war nämlich der Meinung, Schokolade gehörte definitiv nicht zu Müsli.
Schließlich seufzte Will und ließ beinahe geschlagen die Schultern sinken, als würde er zu sich selbst sagen: Los Will, Augen zu und durch.
»Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht, weil du ja selber keines hast und dich so gut mit meiner Familie verstehst, unserem Rudel beitreten möchtest.«
Ich glaube, in diesem Moment geschahen viele Dinge auf einmal. Um alles zu erfassen geschah es allerdings viel zu schnell.
Zunächst einmal landete mein Müsliriegel mit voller Wucht in Wills Gesicht, der erschrocken zurück taumelte, während ich mich so dermaßen an dem Rest meines Essens, den ich im Mund behalten hatte, verschluckte, dass ich laut zu husten anfing und Geräusche machte, wie ein eingeschränkter Pinguin, wobei ich vollkommen verblödet einen Schritt nach hinten machte und über meine eigenen Füße stolperte.
Das führte wiederrum dazu, dass ich beinahe hingefallen wäre, was zu einem erneuten, sehr merkwürdigen Geräusch führte und zur goldenen Krönung schrie ich vollkommen hysterisch das nächstbeste heraus, was mir einfiel, während Will mich mit einer Mischung aus Ekel, angesichts des Müsliriegels in seinem Gesicht, Verwirrung angesichts der Vorführung meiner Geistesgestörtheit, und schließlich Erschrockenheit, angesichts der Laute, die meinen Mund verließen.
»Oh mein Gott stinkt es hier!«, war schließlich der letzte Ausguss meines genialen Selbst.
Wills Blick danach konnte ich nicht mehr sehen, da ich mich nach vorne beugte um bei meiner tollen Vorstellung nicht vielleicht doch noch draufzugehen, weil ich an Islas Müsliriegel erstickte.
Ich war ein wahrer Künstler im geschickt und unauffällig ablenken... Ernsthaft.
»Was?«, keuchte Will schließlich vollkommen entsetzt, während ich scharlachrot anlief und immer noch um Atem rang.
»Es... stinkt«, keuchte ich erneut sehr intelligent und hätte mich am liebsten von der nächstbesten Klippe gestürzt.
Mit lautem Geschrei und Anlauf, sonst wäre es ja nicht typisch gestört Aruna...
Auf Wills vorherige Worte wollte ich gar nicht erst eingehen.
Seinem Rudel beitreten?
Halleluja nein!
Vielleicht war ich praktisch rudellos, in Anbetracht der Tatsache, dass ich mein altes Rudel nicht mehr spüren konnte, doch so weit gehen? Einem anderen Rudel beitreten, mich für immer an sie binden? Gott, nein!
»Geht's dir gut?«, fragte Will zweifelnd und trat vorsichtig einen Schritt auf mich zu, während ich immer noch leicht nach vorne gebeugt da stand und mir die Seele aus dem Leib hustete.
»Ja... es ist nur... diese Pflanze... ich glaub sie...«, tat ich weiter so, als würde mir ihr Gestank jetzt erst auffallen, obwohl er schon seit meinem ersten Tag mehr als offensichtlich gewesen war.
Naja, abgesehen von meinem ersten Mal hier unten, da war ich wohl viel zu aufgeregt und aufgewühlt gewesen.
Will hielt inne, ich schaffte es langsam wieder, mich zu beruhigen, doch als ich aufsah, hielt ich erneut inne.
Er musterte mich verwirrt.
»Die Blume?«, fragte er leise.
»Die Olentia?«
Die was?
Ich blinzelte ihn verwirrt an, wobei ich immer noch unterschwellige Hustenanfälle zu unterdrücken versuchte.
Will zog die Augenbrauen zusammen, musterte mein vollkommen rot angelaufenes Gesicht.
»Die, dessen Blüten aussehen wie Kronen?«
Kronen? Naja, für mich hatten die immer eher ausgesehen wie Handschuhe... Aber jedem das Seine, stimmts?
Ich hustete immer noch bemüht leise und zuckte mit strahlend rotem Gesicht den Kopf, welches meinem Haar mit Sicherheit bereits Konkurrenz machte.
Die Furche zwischen Wills Augen schien tiefer und tiefer zu werden, während er mich betrachtete und ich wusste nicht, ob es gut war, dass er seine Frage bezüglich des Rudels so plötzlich vergessen hatte, oder nicht.
Was zur Hölle war das für ein Blick?
Ich hielt mir unsicher den Bauch, doch schließlich schüttelte Will schnaubend den Kopf, als müsste er einen lächerlichen Gedanken vertreiben, den er zueben noch gehabt hatte.
»Nein«, murmelte er mehr zu sich selbst und lachte leise auf.
»Sie kannst du nicht meinen. Die Olentio - die Duftende. Es ist eine spezielle Pflanze, für uns Lykanthropen riecht sie vollkommen neutral, Ven allerdings empfinden diesen Geruch als fürchterlich, für manche von ihnen ist es so schlimm, dass sie ohnmächtig werden. Aber ich glaube, Poppy wollte sich noch ein Rührei machen, ein bisschen angebrannt riecht es hier schon.«
»Was?«, keuchte ich viel entsetzter, als ich sollte, woraufhin Will verwirrt die Augenbrauen hob.
Nur Ven konnten es riechen? Für Lykanthropen roch sie vollkommen neutral?
Aber ich war kein Ven! Ich war ein Lykanthrop!
Und trotzdem konnte ich sie riechen. Und trotzdem hatte ich sie gerochen, jedes einzelne Mal als ich in dieser Halle stand, hatte sie meine Nase geradezu verbrannt.
Wie zur Hölle konnte das sein?
»Poppy hat gekocht...?«, setzte Will unsicher an, der mein Entsetzen falsch zu deuten schien.
Ich blinzelte heftig und schüttelte vollkommen dumm den Kopf.
Aber...aber ich war doch ein Lykanthrop...
Ein voller und ganzer und wahrhaftiger Wolf. Ein Wolf. Kein Jäger. Ich war doch kein Ven!
»N-Nein...«, stammelte ich ziemlich wirr und blinzelte heftig.
»Diese Pflanze... nur Ven können sie riechen?«
Unsicher nickte Will und sah mich so an, als fürchtete er sich langsam tatsächlich um mein geistiges Wohlergehen.
»Sag mal Aruna ist alles okay bei dir?«, fragte er unsicher und wollte einen Schritt auf mich zugehen, woraufhin ich allerdings einfach heftig mit dem Kopf schüttelte, wobei der dicke Knoten in meinem Haar mich wohl noch kranker aussehen ließ.
»Nein...«, stotterte ich wie eine Gestörte und blinzelte heftig.
»Alles gut... Ja... ja, das verbrannte muss es sei... ich kann den Geruch nicht ab... keine Ahnung, wie ich auf die Pflanze gekommen bin... die sah schon so komisch aus...«
Mein Rumgemurmel musste vollkommen verrückt klingen, zumindest nach den Blicken, die Will mir zuwarf. Dass er allerdings nicht einmal mehr nachfragte, nicht einmal ein bisschen misstrauisch im Bezug auf die Pflanze war, zeigte erneut seine unglaubliche Naivität. Vielleicht Dummheit. Manchmal.
Ich schluckte schwer und versuchte, meine verdammten Hände nicht allzu sehr zittern zu lassen.
»Und... und warum habt ihr so eine hier drin stehen?«, stotterte ich in dem kläglichen Versuch, möglichst unauffällig zu sein, während Wills Augenbrauen immer näher zusammen wanderten.
»Es ist ja nicht so, als würden die Ven einfach so in euer Haus spazieren können.«
Ich lachte nervös auf, mit der grandiosen Idee, etwas lockerer zu wirken, im Endeffekt allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass ich absolut hysterisch klingen musste.
Und dabei hatte das mit dem Schauspielern so gut geklappt... mehr oder weniger...
»Nunja nein«, setzte Will verwirrt an und schien zu überlegen, ob er nicht vielleicht doch noch einen Schritt nach vorne machen sollte, während ich versuchte, nicht gleich hysterisch kreischend anzufangen, im Kreis zu rennen und die Hände in die Luft zu werfen, weil ich nun einmal Aruna war und dazu neigte, äußerst dramatisch auzurasten, wobei ich in dem Moment wohl wirklich nicht klar denken konnte.
»Aber meinem Vater schien es damals passend eine Solche Pflanze zu wählen, die den Eingang zu dem Kerker markieren sollte.«
Ich erstarrte. Alles in mir erstarrte. Für einen Moment schien die Welt stehen zu bleiben.
Eingang der Kerker.
Die Zellen!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top