70


Ein stetiges, unterschwelliges Brummen war das nächste, was ich hörte.

Ich verzog mein Gesicht, mein Schädel schien zu explodieren, als würde es irgendein Vollpfosten furchtbar witzig finden, mit einem Hammer immer und immer wieder auf ihn einzuschlagen, bis er grün und blau wurde.

Plötzlich durchfuhr ein kleiner Ruck den Untergrund, auf dem ich lag und ließ mich aufächzen, meine Schultert tat weh, genau wie mein Bauch und mein linker Fuß.

Und langsam kamen die Erinnerungen.

Ven. Die Frau in Schwarz. Alec.

Adam.

Adam, der neue Duc.

Keuchend fuhr ich hoch. Wo war ich, war es vorbei, hatten die Ven uns ziehen lassen?

Doch schon im nächsten Moment wurde mir unendlich schwindelig, ich hätte mich definitiv nicht so schnell bewegen dürfen, keuchend sank ich wieder zurück, ein erschrockenes Geräusch ertönte von den Sitzen vor mir - mittlerweile hatte ich bereits herausgefunden, dass ich auf der Rückbank eines Autos lag - und plötzlich machte das Gefährt einen gefährlichen Schlenker nach links.

»Heilige Scheiße Aruna, erschreck mich doch nicht so!«

Alec.

Ich blinzelte heftig, verdrängte den Schwindel, meine Hand ruhte beinahe vorsichtig auf meinem Bauch, ich spürte den Einstich, doch es musste bereits eine Weile vergangen sein, er war zum größten Teil wieder verheilt, wenn auch durch das Silber nicht ganz.

Mein Kopf wandt sich zur Seite, das dunkle Leder der Rückbank ließ mich frösteln, doch anders als bei Eds Adéle, zierten keine widerlichen Flecken die Decke.

Und dann sah ich nach vorne, blinzelte ein paar Mal, Alec saß hinterm Steuer, ich konnte seinen wirren, schwarzen Haarschopf erkennen, die blinkende Anzeige am dunklen Armaturenbrett zeigte an, dass der Tank nicht mehr lange durchmachte und anhand der Bäume, die an uns vorbeiflogen wagte ich es zu vermuten, dass wir uns beeilen mussten, um auch nur irgendwo etwas ähnliches wie eine Tankstelle zu finden.

Mit gerunzelter Stirn rieb ich mir den Kopf.

»Hast du überhaupt einen Führerschein?«, murmelte ich, während sich tiefe Furchen auf meiner Stirn bildeten.

Alec lachte beinahe erleichtert auf, nahm seinen Blick nicht von der Straße.

»Schön, dass es dir wieder gut geht«, kommentierte er bloß, ich verdrehte die Augen und erst da fiel mein Blick an mir herab.

Meine Augen weiteten sich, beinahe augenblicklich spürte ich, wie meine Ohren anfingen, zu glühen.

Ich blinzelte heftig.

Das einzige, was mein zurückverwandeltes Ich trug, war ein dunkler Mantel, der mir irgendwie bekannt vorkam und fest um meinen Bauch zugeschnürt worden war, damit ja nichts verrutschen konnte.

»Alec?«, fragte ich mit piepsiger, krächziger Stimme, die Hitze wallte in mir auf, Alec warf einen fragenden Blick in den Rückspiegel, erst jetzt konnte ich die Erschöpfung in seinen Augen sehen.

»Warum habe ich das an?«

Alec blinzelte verdutzt, mein Kopf glühte, als sein Blick auf den Mantel fiel, der mir bis knapp über die Knie reichte.

Erkenntnis trat in sein Gesicht, während ich mir nicht sicher war, ob ich tatsächlich hören wollte, was er gleich sagen würde.

»Achso«, meinte er dann einfach, als er verstand, was ich meinte.

Ja, danke für die Antwort, das half jetzt wirklich weiter...

»Du warst kurz davor, dich zurückzuverwandeln, die Stimmung war nicht gerade prächtig und ich hatte echt keine Zeit, auch noch deine Anziehsachen zu holen. Deshalb hat Florence dir ihren Mantel gegeben. Die Ven standen noch zu sehr unter Schock, keine Ahnung, wie die Situation ausgesehen hätte, wären wir zehn Minuten länger geblieben.«

Ich rieb mir den Schädel, na wenigstens hatte Florence mich angezogen...

Langsam richtete ich mich auf, zischte leise, als ein dumpfer Schmerz meinen Bauch durchzuckte.

Wieder warf Alec einen Blick durch den Rückspiegel.

»Alles okay? Dich hats übel erwischt.«

Ich zuckte mit den Schultern und warf einen Blick aus dem Fenster.

»Was ist das hier überhaupt für ein Auto?«, murmelte ich noch etwas benommen, während Alec um die Kurve fuhr, mal wieder war absolut kein Zeichen von Zivilisation in Sicht.

Da lebte man schon in Amerika und sah in seinem siebzehnjährigen Leben nichts weiter als Bäume und kleine Dörfer...

»Eins aus Eds Werkstatt, er meinte, wir könnten es ruhig nehmen. Er war sowieso noch viel zu benommen und verwirrt, um über seine eigenen Worte nachdenken zu können.«

Ich schnaubte.

»Glaubst du Adam kriegt das hin?«

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil alles so unendlich schrecklich ausgeartet war und hoffte, Adam würde es als Duc schaffen. Ich meine, er war vielleicht eine Woche Ven und dann sowas...

Alec seufzte.

»Er macht das schon, außerdem hat er noch Florence, die regelt das.«

Ich schnaubte. Florence wirkte tatsächlich wie eine Person, die allen einen gewaltigen Arschtritt verpassen würde, wenn sie irgendwelche Widerworte gegen den neuen Duc geben sollten.

Ich strich mir einige der wirren Locken aus dem Gesicht und blinzelte ein paar Mal, um meinen Augen die Schwere zu nehmen, während ich mich auch mal dazu entschied, mich anzuschnallen.

Toll, jetzt saß ich wie ein kleines Kind auf dem Rücksitz...

»Wie lange war ich weg? Und wo fahren wir überhaupt hin? Wo sind wir?«

Alec sah mich mit hochgezogener Braue an, ein Blick, der mit mittlerweile nur allzu bekannt schien.

Nüchtern zuckte ich mit den Schultern. Ich hatte nun einmal ein paar Fragen.

Alec seufzte, setzte den Blinker, was eigentlich vollkommen sinnfrei erschien, da wir so ziemlich die einzigen mit der dummen Schnapsidee zu sein schienen, ungefähr jeden einzelnen Wald auf unserem Weg nach North Carolina mitzunehmen.

Das Auto kam ruckelnd an der Seite zu stehen - was, erneut, ziemlich sinnlos schien, rein theoretisch hätten wir uns auch einfach quer auf die Straße legen können.

Seufzend sah Alec auf seine Armbanduhr hinab, erstaunlich eigentlich, dass die den Kampf überlebt hatte.

»Eine Stunde vielleicht.«

Meinte er dann nüchtern.

Eine Stunde. Eine Stunde?!

Entschuldige mal, wie konnte er denn da so ruhig bleiben? Also wenn er eine Stunde einfach komplett regungslos da liegen würde, würde ich für meinen Teil nicht einfach komplett entspannt durch irgendwelche Wälder fahren und... Country-music hören?!

Ernsthaft?!

»Na du scheinst dir ja wirklich Sorgen um mich gemacht zu haben«, grummelte ich irgendwie eingeschnappt und wandt meinen Blick nach draußen, als wären die Tannen super interessant.

Alec schnaubte.

»Irgendwann wachst du doch immer wieder auf.«

Das hatte er jetzt nicht gesagt. Mein Kopf schnellte zu ihm, vollkommen ungläubig sah ich ihn an, mittlerweile hatte er sich dazu bequemt, sich umzudrehen, mich nicht bloß durch den Rückspiegel zu betrachten.

»Spinnst du?«, keuchte ich.

»Irgendwann wach ich ja wieder auf?!«

Alec zuckte mit den Schultern.

Wie konnte man denn so ein riesengroßes Arschloch sein?!

Schließlich seufzte er ergeben und ließ auf meinen vernichtenden Blick hin die Schultern sinken.

»Gut, ich habe mir Sorgen gemacht, okay? Als du auf einmal ohnmächtig geworden bist, hab ich nen halben Herzinfarkt bekommen, die ersten zwanzig Minuten waren wirklich nicht schön, aber dein Herz hat langsam wieder normal geschlagen. Deshalb wusste ich, dass du wieder aufwachen würdest.«

Beinahe auffordernd sah er mich an, als wolle er fragen, ob dies jetzt die richtige Antwort wäre. Ich verdrehte die Augen.

»Ein Idiot bist du trotzdem«, murmelte ich, auch wenn ich wusste, wie ungern er solche Sachen wie gerade zugab.

»Ich weiß«, meinte er bloß schulterzuckend.

»Und du bist immer noch ein Sturkopf, aber um auf deine Fragen zurück zu kommen, wir sind auf dem Weg nach Missouri, laut der Karte müssten wir in einer Stunde nach Jaspen kommen, irgend so ne Kleinstadt, da können wir dann tanken und uns ein Motel suchen.«

»Du kannst Karten lesen?«

Gespielt überrascht hob ich die Augenbrauen, wir beide wussten, dass ich auf damals anspielte, als wir den Ausflug in den Wald gemacht hatten und wir beide uns um die Karte gestritten hatten.

Im Endeffekt war ich zwar diejenige gewesen, die im Fluss gelandet war, allerdings hatte ich auch Recht gehabt, was Alec natürlich trotzdem nicht zugegeben hatte.

Der Ven verdrehte schnaubend die Augen und seufzte.

»Na dann komm du doch nach vorne und machs besser, du Schlaumeier.«

Ohne zu zögern schnallte ich mich ab, warf Alec einen bösen Blick zu, als der die Kindersicherung nicht raus machte und stieg schließlich auf der Beifahrerseite wieder ein.

Alec reichte mir die Karte und deutete auf eine lange Landstraße.

»Da sind wir«, erklärte er und auch wenn anzuzweifeln blieb, ob wir tatsächlich an besagter Stelle waren, nickte ich.

»Gut, dann mal los«, murmelte ich, studierte die Karte, entdeckte Jaspen, schätzte zwei Stunden, anstatt eine und wusste jetzt schon, dass das eine lange Fahrt werden würde.


◊♠


»Du bist vorbei gefahren«, murmelte ich gelangweilt, ziemlich erschöpft und ziemlich müde, die Sonne war mittlerweile fast gänzlich verschwunden.

»Ich dreh dir gleich den Hals um.«

»Mhm«, kommentierte ich diese erneute Drohung nüchtern, während Alecs Kiefer bebte, er die Hände in das Lenkrad gebohrt hatte und aussah, als dachte er wirklich darüber nach, uns gleich einfach gegen einen Baum zu fahren.

Ruckartig setzte er den Rückwertsgang ein, was mich nach vorne drückte und schmerzhaft aufkeuchen ließ.

»Ich hab dir gesagt, du sollst nach links fahren!«, fauchte ich genervt, die Karte in meiner Hand war mittlerweile ziemlich zerknüllt und eingerissen, weil er sie mir wieder und wieder aus der Hand gerissen hatte, der Meinung war, er könne sie besser lesen.

So ein Schwachmat...

»Ich bin nach links gefahren!«, knurrte Alec genervt, bog scharf in die richtige Straße ein und ließ dann angepisst die Reifen aufkreischen.

»Links ist da, Alec«, stöhnte ich genervt und deutete aus dem linken Fenster des Autos, Alecs Knöchel stachen weiß hervor, während er das Lenkrad fester und fester umklammerte.

»Ja, aber von unserer Persepktive aus betrachtet, war links gerade da.«

Sturr deutete er in die andere Richtung, ich wiederstand dem Bedürfnis, mir die Hände vors Gesicht zu schlagen, verkreuzte die Arme vor der Brust und stierte stumm auf die Karte hinab, hatte wirklich keine Lust mehr, weiter mit ihm zu streiten.

Die letzten zwei Stunden hatten mir definitiv gereicht, mein Kopf beschwerte sich bereits brummend.

»Und wenn du jetzt einfach geradeaus fährst, sollten wir nach Jaspen kommen«, murmelte ich und bei meinem scharfen Unterton warf der Ven mir einen giftigen Blick zu, sagte allerdings nichts.

Wäre bei uns beiden Sturköpfen wohl besser...

Erschöpft lehnte ich meinen Kopf an die Fensterscheibe und stierte in die Dunkelheit hinaus, die mir beinahe automatisch eine Gänsehaut bereitete.

Ganze zehn Minuten hatte Alec gebraucht, um das verdammte Licht anzuschalten, wir wären fast gegen eine alte Tanne geknallt.

Mein Vorhaben, nie wieder auch nur irgendwie, in irgendeinem Gefährt mit Alec zu fahren, war also kläglich gescheitert.

Langsam wurde es kalt, ich krümmte meine Zehen, mein einer Fuß beschwerte sich schwach, heilte allerdings wesentlich besser als die anderen Verletzungen und war kaum noch zu spüren, da ich wohl einfach irgendwie umgeknickt war.

Meine Füße gefroren immer als erstes und da ich nach ein paar ungünstiger Umstände weder Socken, geschweige denn Schuhe besaß, musste ich wohl oder übel damit leben...

Seufzend schloss ich die Augen, verzog das Gesicht, als mein Kopf wegen der unebenen Straße wieder und wieder leicht gegen die Scheibe gestoßen wurde, ließ ihn allerdings trotzdem, wo er war.

Super, in den Filmen wirkte das alles immer viel cooler...

Genau wie das Steine an Fenster werfen...

Ich meine, meine Quote war schon beeidruckend, beim ersten Mal hatte ich meinen besten Freund mit nem Stein im Gesicht erwischt und beim zweiten Mal hatte ich das komplett falsche Fenster getroffen und war mit einem halbnacktem Ven im Badezimmer gelandet.

Das waren noch Zeiten...

Und jetzt steckte ich irgendwo in Nebraska - vermutlich bald Missouri - fest und das einzige, was ich trug, war ein langer, dunkler Mantel, der nicht einmal mir gehörte.

Super... Überhaupt nicht peinlich oder so.

»Wenn du jetzt eingeschlafen bist, lass ich dich im Auto liegen«, hörte ich plötzlich Alec grummeln und öffnete verwirrt blinzelnd die Augen.

Da ich tatsächlich kurz vorm Einschlafen gewesen war, hatte ich nicht einmal bemerkt, wie das Auto an einer Tankstelle stehen geblieben war und als ich mich blinzelnd umsah, erkannte ich, dass wir den Rand der Stadt erreicht haben mussten.

»Ich bin wach«, murmelte ich und rieb mir über mein rechtes Auge, während Alec einfach ausstieg und begann, das Auto vollzutanken.

Halleluja, war der heute mal wieder miesepetrig drauf.

Gut, vielleicht hatte ich ihn absichtlich ein wenig gereizt, aber trotzdem. Immerhin hatte er mich auch genervt...

Seufzend lehnte ich meinen Kopf wieder gegen die Scheibe, gähnte und wollte eigentlich am liebsten einfach nur schlafen.

Keine Ahnung, wie spät es war.

Und irgendwie musste ich wohl weggenickt sein, erst, als ein lauter Knall ertönte, schreckte ich wieder hoch.

»Hier«, meinte Alec, ich blinzelte verwirrt und zugegeben noch etwas schlaftrunken auf die Sachen hinab, die er mir hinhielt.

Ich kniff die Augen zusammen. Etwas, dass aussah, wie ein quitschgelbes... ja was?

Was war das?

Vermutlich stellte ich mich gerade blöder an, als sowieso schon, Alec verdrehte die Augen und schmiss die Sachen auf den Rücksitz.

»Zieh das an, selbst in nem Motel kannst du nicht so«, demonstrativ ließ er den Blick über den Mantel schweife, »auftauchen.«

Ich schnaubte, erkannte die Klamotten jetzt und verkniff mir die Röte als ich komplett willkürlich gegriffene Unterwäsche ausmachen konnte, dazu eine dunkle Hose, ein quitschgelbes T-Shirt mit einer dunkelroten Aufschrift, die ich nicht lesen konnte und schließlich irgendwelche Turnschuhe, die aussahen, als würden sie bei der leichtesten Berührung auseinanderfallen.

Ich zwang mich, den Blick von der Unterwäsche zu reißen, verdrängte die Hitze in meinem Kopf und sah Alec mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Woher hast du das Zeug?«, fragte ich skeptisch.

Bis auf Allys Kette und mein Amulett, die sich Alec in der letzten Sekunde wohl noch geschnappt hatte, hatten wir jegliche Klamotten, sowie das merkwürdige Buch, in dem dieses banale Rezept mit dem Blut eines Ven zur Heilung eines Lykanthropen drin stand, zurücklassen müssen.

Ich hatte das Buch bestimmt bereits ein Dutzend Mal durchgelesen - wir hatten es zur Vorsicht mitgenommen, als würde uns irgendwann plötzlich ein genialer Einfall kommen, der alles erklären würde - doch im Endeffekt war ich bloß verwirrter und verwirrter und verwirrter geworden.

Kurz um, es machte einfach absolut keinen Sinn.

»Tankstellen verkaufen heutzutage alles«, meinte Alec bloß schulterzuckend und schlug dann die Tür wieder zu, damit ich mich umziehen konnte.

Gut, nächste Peinlichkeit an diesem Tag abgeharkt.

Langsam fragte ich mich, ob es da noch irgendetwas Peinliches gab, das mir vor Alec passieren konnte...

Gut, vermutlich gab es das und sehr wahrscheinlich würde ich es bei meinem Glück früher oder später durchmachen, aber trotzdem...

Seufzend kletterte ich auf den Rücksitz, achtete penibel genau darauf, dass der Mantel schön da blieb wo er war und ließ schließlich mit einem verstohlenen Blick den Sonnenschutz der hinteren Fenster hochfahren, damit auch ja niemand hereingucken konnte.

Noch eine Sache, die ich niemals gedacht hatte, jemals zu tun.

Auf der Rückbank eines Autos hockend, dass nicht einmal uns gehörte, von einem Ven gebrachte Unterwäsche aus einer Tankstelle irgendwo in Nebraska anzuziehen.

Super...

Eher ungeschickt zwängte ich mich in die dunkle Hose.

Hey, versucht ihr Mal, euch auf der Rückbank umzuziehen, während ihr euch auch noch irgendwie hinter den Sitzen vor der Frontscheibe verstecken müsst, nicht, dass noch irgendjemand hereinschaut.

Erst, als ich das gelbe T-Shirt entfaltete, hielt ich inne. Das konnte jetzt nicht sein ernst sein.

Das hatte er sowas von extra gemacht!

In leuchtend roter Schrift, die einem wirklich, wirklich ins Auge sprang, war He's my true love auf das T-Shirt gedruckt wurden, dazu irgendeine dämliche, dämliche Hand, die nach rechts zeigte.

Okay, ich würde definitiv nur noch rechts von Alec laufen...

Seufzend zog ich mir das T-Shirt über, nahm mir fest vor, bei der nächsten Möglichkeit ein besseres zu finden und schlüpfte schließlich in die Socken, sowie die Turnschuhe.

Naja, jetzt hatte ich zumindest schon einmal etwas an...

Also, etwas richtiges, nicht das ich vorher nackt gewesen wäre, also nicht wirklich...

Halleluja, am besten ich dachte einfach gar nicht mehr daran...

Seufzend kletterte ich wieder nach vorne, klopfte gegen die Scheibe des Fahrers, damit Alec wieder einstieg.

Kurz musterte er mich und ich war mir absolut nicht sicher, ob ich es mir bloß einbildete, oder ob seine Mundwinkel tatsächlich etwas nach oben zuckten, als er bei meinem Oberteil stehen blieb.

»Schickes T-Shirt«, kommentierte er, ich schnaubte und verdrehte die Augen, schlug ihm genervt gegen die Schulter.

»Klappe«, murmelte ich, während Alec leise grinsend den Motor aufleben lassen ließ und losfuhr.

Na zumGlück saß ich in dem Auto gezwungenermaßen auf seiner rechten Seite. Und langsam beschlich mich weiter und weiter die böse Vermutung, dass Alec genau dieses T-Shirt mit voller Absicht ausgesucht hatte.

So eine Flachpfeife.


◊♠


»Das sieht nicht wirklich freundlich aus«, murmelte ich, während ich ein weiteres Stück des Müsliriegels abbiss, den Alec mir mitgebracht hatte.

Morgen früh mussten wir definitiv irgendwo Frühstücken gehen oder so, ich hatte echt Hunger.

Zweifelnd verlagerte ich mein Gewicht vom einen Bein aufs andere, in dem Versuch eine gute Position zu finden, in der nicht sämtliche Stellen meines Körpers zwickten und ziepten.

Mein Blick wanderte das graue Gebäude skeptisch auf und ab, auf dessem Parkplatz wir nun standen.

Rote Leuchtbuchstaben verkündeten mehr oder minder eindrucksvoll Belles Motel, wobei einige von ihnen immer wieder ausfielen, bis Zeitweise nur noch elle ote zu lesen war, was sich irgendwie nach einer anderen Sprache anhörte, wenn ihr mich fragt.

Außerdem verlieh das rot der Leuchtbuchstaben einen sehr, sehr falschen Flair, über den ich lieber nicht nachdenken wollte.

Alec zuckte mit den Schultern, zerknüllte das Papier seines eigenen Riegels. Ein sehr gesundes, ausgewogenes Abendessen.

»Ist ja bloß für ne Nacht«, kommentierte er und steuerte auf den Eingang zu.

Super...

Hastig holte ich ihn ein, wobei sich mein Bauch leise beschwerte.

»Aber wenn wir in der Nacht abgemurkst, ausgeraubt, von Ratten angefressen oder von Staubmilben Kopfüber ins Klo getunkt werden, weil das blöde, kleine Sadisten sind, ist das deine Schuld, das weißt du?«

Alec warf mir einen kurzen Seitenblick zu, hob beinahe belustigt seine linke Braue.

»Du hast nen Knall Davis, das weißt du selbst, oder?«, meinte er einfach und schüttelte fast unmerklich grinsend den Kopf.

Ich zuckte bloß mit den Schultern, ich meine immerhin eine der vier Sachen konnte bestimmt stimmen.

Welche dürft ihr euch aussuchen.

Immer noch etwas grinsend stieß Alec schließlich die gläserne Eingangstür auf und wie der Gentleman, der er nun einmal war, trat er einfach ein, ohne die Tür aufzuhalten, sodass ich beinahe gegen sie gekracht wäre, was mich leise fluchen ließ.

Der blöde Idiot warf einen grinsenden Blick über seine Schulter, ich verdrehte die Augen und rümpfte dann die Nase.

Das erste, was ich roch, waren alte, stinkende Füße.

Super...

Zweifelnd sah ich mich um, die Tapete wirkte wirklich nicht mehr neu, die Flecken an der Wand wollte ich mir lieber nicht genauer angucken und ob die Wand bei Eröffnung des Motels schon grau gewesen war, war auch anzuzweifeln.

Auch die dunkelgrünen Sofas, die in der Eingangshalle standen, wirkten nicht wirklich neu und als ich mich verwirrt umsah, auf der Suche nach der Ursache des furchtbaren Geruchs nach Alkohol, der mich immer schon schwindelig gemacht hatte, zuckte ich erschrocken zurück, als ich einen barfüßigen, kahlen, alten Mann in lumpigen Klamotten sah, der es sich auf einem der Sofas bequem gemacht hatte und so laut schnarchte, dass es wirklich nicht mehr gesund klang.

Super... Erneut.

Der Boden knarzte bei jedem Schritt, fraglich, wann hier das letzte Mal gesaugt worden war und gerade, als ich mich zu den Treppen wenden wollte, die hinauf führten, packte mich Alec plötzlich am Arm.

»Komm jetzt«, zischte er, die Frau hinterm Tresen hatte mich bereits merkwürdig angesehen, weil ich wohl irgendwann einfach mitten im Raum stehen geblieben war und mich wie ein Psychopath im Kreis gedreht hatte.

Alec rümpfte die Nase, als er mit mir am Arm schließlich die Halle durchquerte, dieses Mal konnte ich der Etepetete ausnahmsweise zustimmen. Das hier war wirklich ekelhaft.

Und als dann auch noch der Geruch nach Erbrochenem in meine Nase stieg, hatte ich wirklich das Bedürfnis, einfach wieder postwendend zu verschwinden.

Die junge Frau hinterm Tresen musterte Alec und mich, man sah ihr offensichtlich an, dass sie nicht wirklich viel Lust hatte, hier zu sein.

Seufzend sah sie auf ihre Armbanduhr hinab, das blonde Haar umrahmte ihr ovales Gesicht, ich war mir ziemlich sicher, dass sie es geglättet hatte.

»Was kann ich für euch tun?«, leierte sie schließlich mit schleppender, gelangweilter Stimme herunter, sie musste etwa in Alecs Alter, sein, vielleicht ein, zwei Jahre älter.

Blinzelnd sah sie den großgewachsenen Jungen neben mir an, hob fragend eine Augenbraue, als würde ich gar nicht existieren, während ich mir wünschte, Alec würde meinen Arm endlich loslassen, den er wohl irgendwie vergessen hatte.

Ich verdrehte die Augen, zwei junge Leute, die abends hier aufkreuzten wirkte ja nicht schon falsch genug.

»Ein Zimmer, nur für eine Nacht.«

Und der nächste Satz der falsch klang, super...

Mit gerümpfter Nase löste ich Alecs Hand von meinem Arm, der mir daraufhin bloß einen kurzen, nichtssagenden Blick zuwarf.

Und da sah das Mädchen plötzlich mich an, ihre dunklen Augen musterten mich abschätzig, bis ihr Blick an meinem T-Shirt hängen blieb.

Oh nein. Aus Reflex hatte ich mich auf Alecs linke Seite gestellt, weil ich es wegen meinem blinden Auge immer tat.

Und jetzt deutete diese bescheuerte Hand genau auf ihn.

Warum zur Hölle hatte ich diesen blöden Mantel noch einmal aufgelassen?

Hastig schloss ich ihn wieder, doch es war zu spät.

»Ein Doppelbett also«, leierte die Frau erneut gelangweilt herunter und bevor Alec und ich auch nur irgendetwas sagen konnten, begann sie an ihrem Computer herumzutippen.

Was?

Nein!

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top