69
Für einen Moment schienen alle vollkommen erstarrt, der Pfeil richtete sich genau auf das Herz der Frau in Schwarz, mein Atem raste weiterhin, meine Brust hob uns senkte sich, hob und senkte, hob und senkte.
Doch dann bewegte sich plötzlich etwas, die Ven schienen wieder zu den Lebenden zurückzukehren, hoben alarmiert ihre Waffen und während mein Herz panisch aufkreischte, während sich Bulls Pistole auf den schwarzhaarigen Jungen richtete, blieb Alec vollkommen ruhig stehen.
Keine einzige Regung in seinem Gesicht. Als hätte er keine Angst.
Ich hatte Angst. Unheimliche Angst, um genau zu sein und doch ließ mich sein Auftauchen langsam wieder vernünftig atmen.
Langsam verschwand das Mädchen geboren in Schmerz und Angst und Dunkelheit. Langsam kam Aruna zurück.
Denn jetzt brauchte Alec meine Hilfe.
Niemand rührte sich, nicht die Ven, keiner wagte es, zu riskieren, dass der Pfeil mitten in der Brust ihres Duc landete, sie alle wussten, dass Alec mit voller Absicht vorbei geschossen hatte, und nicht Alec, die Pistole, die auf ihn gerichtet war, war ihm sehr wohl bewusst.
Und da trat plötzlich ein höhnisches Lächeln in das Gesicht der Duc, sie hob eine ihrer perfekten Augenbrauen, ich sah, wie Alec sich anspannte.
»Na wen haben wir denn da?«, zischte sie gefährlich leise, rührte sich allerdings immer noch nicht.
Ich blinzelte heftig, ertrug ihre Stimme nicht, ertrug diesen selbstgefälligen Blick nicht.
»Wir können das vollkommen ohne Gewalt regeln«, knurrte Alec, ich traute mich nicht, mich zu bewegen, die Silberwaffen waren mir nur allzu Bewusst, auch wenn sie für den Moment nur auf Alec gerichtet waren.
Die Frau in Schwarz lachte freudlos auf, ihre Hände ruhten vollkommen ruhig vor ihrem Körper.
»Ach ja? Und wie stellst du dir das vor, kleiner Ven?«
Alecs Kiefer zuckte, er hasste, wie sie mit ihm redete, trotzdem blieb seine Hand vollkommen ruhig.
Dass er kein kleiner Ven war, sah sie sehr wohl, dass er ebenso gut in der Lage wäre, sie zu töten, wie sie ihn, wusste die Frau in Schwarz ebenfalls, doch sie ließ es sich nicht anmerken, tat so, als wäre Alec bloß ein kleiner, verstimmter Junge, den man mit ein wenig Schokolade wieder beruhigen konnte.
Alecs Kiefer spannte sich an, seine Augen zuckten zu mir und aus irgendeinem Grund schien das die Frau zu amüsieren, ein süffisantes Lächeln trat in ihr Gesicht.
Alec ließ sich nicht einschüchtern.
Das war die Ausbildung der Ven, dachte ich.
Eiskalt sein. Gnadenlos. Vollkommen ruhig.
Und zum ersten Mal bekam ich wirklich mit, wie Alec seine Emotionen verbarg. Zumindest vor der Frau in Schwarz.
Mir war nur allzu klar, wie es in seinem Inneren aussehen musste.
Er packte den Bogen noch fester.
»Überlasst sie mir. Lasst sie gehen und wir verschwinden von hier. Wir verschwinden aus Nebraska, aus eurem Territorium.«
Vollkommen ungläubig sahen die Ven ihn an, Ed blinzelte so unendlich verwirrt, hatte absolut keine Ahnung, was hier los war.
Die Frau in Schwarz allerdings lachte einfach wieder freudlos auf, ihre Augenbrauen hoben sich weiter und weiter, sie musterte Alec von oben bis unten, leckte sich nachdenklich über die geschwungenen Lippen, als wäre er ihre nächste Beute.
»Und warum sollten wir sie einfach so gehen lassen, mein Liebling? Was interessiert dich schon irgendein Wolf. Einer mehr, einer weniger, vollkommen unwichtig.«
Mein Liebling.
Ihre Worte hallten in meinem Kopf wieder, das Silber brannte sich in meine Haut, bei jedem weiteren Wort wurde mir Übel.
Doch da war noch etwas anderes. Mit einem Mal wallte etwas weiteres, etwas großes in mir auf.
Wut.
Wut, gegen diese Frau, diese Duc, aus irgendeinem Grund machte sie mich rasend, wie sie mit Alec sprach, wie sie ihn ansah, als würde sie jeden Moment über ihn herfallen.
Sie machte mich wild.
»Das«, knurrte Alec mit zusammengepressten Lippen, ich sah, dass auch ihn die Frau wütend machte, von Sekunde zu Sekunde mehr und mehr, »ist meine Sache.«
Ein glockenhelles Lachen ertönte, doch dieses Lachen war anders, als jenes, das Aleyna immer von sich gab.
Es war kalt. Es schien kein Licht in sich zu tragen. Es verbrannte einen.
»Oh doch mein Süßer«, höhnte sie, Alecs gesamter Körper verkrampfte sich, ich lag immer noch vollkommen erstarrt und nutzlos auf dem Boden.
Ich war nutzlos. So unendlich dumm.
»Deine kleine Freundin hier ist ein Werwolf, sie ist in meinem Territorium und einer meiner Clanmitglieder hat den kleinen Streuner vor mir verschwiegen. Was ein Glück, dass die dumme kleine Florence immer so hartnäckig ist und nicht glauben konnte, dass ihr süßer kleiner Ami einfach so aus heiterem Himmel abgereist ist.«
Ich sah, wie sich Florence anspannte, ihre Hand bohrte sich in Adams Pullover, Adam selbst schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch, zitterte, bebte, hielt sich die geschundene Wange, während sein Vater vollkommen erstarrt wirkte.
Ed wusste absolut nicht, was hier los war.
»Also möchte ich doch sehr gerne wissen, was an unserem kleinen Köter so besonders ist, dass selbst ein«, sie legte den Kopf schief, leckte sich erneut beinahe süffisant über die geschwungenen Lippen, während ihre Augen Alecs Hals hinab wanderten, »selbst ein Vic ihn in Schutz nimmt.«
Alecs Miene blieb ungerührt.
Doch da war wieder dieser Blick.
Er sah flüchtig auf mich hinab, dann auf die Straße, die vom Hof wegführte. Ein eindringlicher Blick trat in seine Augen.
Nein.
Er wollte, dass ich floh, er wollte sie ablenken, damit ich abhauen konnte. Aber das konnte er vergessen.
Ich würde ihn nicht alleine lassen, niemals, nicht nach all dem, nach all den Sachen, die wir gemeinsam durchgemacht hatten. Ich wusste vielleicht nicht, was das da zwischen uns war, manchmal verstand ich vielleicht absolut nichts mehr, aber ich wusste, das Alec mir mittlerweile zumindest so viel bedeutete, dass ich ihn nicht zurücklassen würde.
Und deshalb schüttelte ich fast unmerklich den Kopf.
Alecs Hand krampfte sich um den Bogen, er warf mir einen mahnenden Blick zu, als wäre jetzt nicht die Zeit für mich, diese Sachen zu bestimmen, dann sah er wieder weg, der Blick hatte nur den Bruchteil einer Sekunde angedauert, obwohl er mir so viel länger vorgekommen war.
Niemand hatte ihn bemerkt, zumindest befürchtete durch ihn niemand etwas, und doch sah die Frau in Schwarz mit grausamer Neugierde zwischen mir und Alec hin und her.
»Ein Pakt«, knurrte dann plötzlich Alec, ich wusste nicht, was er vorhatte, hielt die Luft an, wagte es nicht zu atmen, um nichts zu verraten, was Alec vielleicht verleugnen würde.
»Mit einem Clan aus North Carolina. Der Wolf hat die Tochter des Duc getötet, wir haben ihn gefangen genommen und jetzt bringe ich sie nach North Carolina. Der Duc will sie haben. Lebend.«
Das letzte Wort spuckte er ihr beinahe entgegen, ich wagte es nicht, mich zu rühren, wollte seine Lüge nicht verraten, betete, dass die Frau in Schwarz sie schlucken würde, betete, dass Alec und ich so schnell wie möglich abhauen konnten.
»Hm«, meinte die Frau dann plötzlich, gespielt nachdenklich, tippte sich mit grausamer Langsamkeit ans Kinn.
»Dann erklär mir eines, Alecsander.«
Alec und ich erstarrten. Und für den Bruchteil einer Sekunde verlor er die Fassung, für den Bruchteil einer Sekunde sah man alles, was man nicht sehen sollte.
Wut, Hass, Sorge, Verwirrung, den Schock in seinen Augen.
Denn sie kannte seinen Namen.
»Wie kommt es, dass ich von keinem Clan in North Carolina weiß?«
Alecs Augen verengten sich zu Schlitzen, sein Kiefer zitterte, seine Hand blieb ruhig.
»Woher wissen Sie meinen Namen?«
Seine Stimme war kaum mehr als ein gefährliches, leises Flüstern. Die Frau lachte.
»Ach, weißt du Schätzchen«, begann sie und trat dann plötzlich einen Schritt vor, Alec sah sie warnend an, hob den Bogen höher, spannte ihn weiter, mein Atem stockte, ich wusste nicht, was ich tun sollte.
»Keinen Schritt näher!«, knurrte er, die Frau lachte, blieb allerdings stehen.
»Fährt der kleine Junge seine Krallen aus?«, höhnte sie, Alec sah die Frau mit kalter Berechnung an, schien äußerlich vollkommen ungerührt von ihren Worten.
»Woher kennen Sie meinen Namen?«, knurrte er einfach wieder, eindringlicher diesmal, das überlegene Lächeln verschwand nicht von den Lippen der Frau, doch Alec ließ sich auch nicht davon beirren.
Auch wenn er wusste, auch wenn die Frau wusste, dass sie uns klar überlegen war, wir waren mehr als nur in der Unterzahl.
Unsere einzige Chance schien die Flucht. Und der Silberstrick legte sich immer noch nur allzu klar um meinen Hals.
»Es spricht sich eben herum, wenn der Sohn des Ducs vom Clan in Montana, der Sohn von Ileas, dem Mann, der seinen Ami ermordete, sich einfach dazu entschließt, mit einer halbwüchsigen Wölfin abzuhauen«, erklärte sie schließlich mit kalter Berechnug und dann wandt sie den Blick plötzlich zu mir.
Beinahe unwillkürlich zuckte ich zusammen, ihre tiefschwarzen Augen durchbohrten mich, mein Herz stockte.
Sie wussten es. Sie wussten alles. Alec und ich waren verloren.
»Aruna, so heißt dein kleiner Schatz doch, richtig?«
Ein grausames Grinsen bildete sich in ihrem Gesicht, mein Atem stockte, Alecs Augen verengten sich weiter und weiter, er sagte kein Wort.
Und das gefiel der Frau in Schwarz nicht.
Sie rümpfte die Nase, warf einem der Männer hinter mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte.
»Oder?«, knurrte sie nun wieder an Alec gewandt und da packte mich plötzlich jemand.
Mit voller Wucht wurde ich hochgerissen, jaulte gepeinigt auf, er packte meinen Nacken, riss meinen Kopf zurück, lachte höhnisch.
Und das war der Moment, in dem alles aus dem Ruder lief.
»Fasst sie nicht an!«, brüllte Alec aufgebracht, die Sehne des Bogens schnellte nach vorne, die Lebensgeister in mir erwachten wieder, ich wandt mich knurrend unter dem Griff und dann schrie der Mann hinter mir plötzlich gequält auf.
Der Pfeil hatte sich tief in seine Hand gebohrt, er ließ mich los, ich krachte zu Boden, ein Schuss löste sich, Bull allerdings war genau so blöd im schießen, wie er aussah, verfehlte Alec, der augenblicklich einen neuen Pfeil spannte, ich sprang auf, die Frau in Schwarz achtete nur auf Alec, zog ihre Dolche, doch dann verlor ich sie aus dem Blickwinkel.
Denn jetzt war keine Zeit.
Ich wirbelte herum, wich knurrend dem ersten Ven aus, er schlug mit seinem Dolch nach mir, ich legte die Ohren an, duckte mich unter seinem Arm weg, rammte ihm dann meinen Kopf in die Magengrube, keuchend taumelte er nach hinten, riss einen weiteren mit sich, ich hatte keine Zeit, viel zu viele, viel zu viele Ven.
Jemand packte mich an der Flanke, ich wollte nach ihm treten, doch die nächsten waren schon da, hielten mich fest, pressten mir die Luft aus der Lunge, das Adrenalin pumpte durch meinen Körper, ich blendete alles aus.
Heulend warf ich den Kopf in den Nacken, eine Warnung, dann sprang ich wie ein wildes Pferd in die Höhe, warf sie von mir ab, wirbelte herum, schlug nach einem der Ven, er ging zu Boden, doch dann war da plötzlich dieser unheimliche Ruck an meinem Hals.
Ich wurde nach hinten gerissen, mein Kopf schnellte in die Höhe, ich winselte, krachte auf den Rücken, einer von ihnen hatte die Schlinge gepackt und mich herumgerissen, ich schlitterte über den sandigen Boden, staub wurde aufgewirbelt, hüllte mich für einen Moment vollkommen ein, bis ich nichts mehr sehen konnte und da spürte ich plötzlich einen furchtbaren Schmerz an meinem Hals, der mich aufheulen lies.
Einer von ihnen hatte mich erwischt, ich spürte, wie sie sich auf mich niederstürzen wollten, sprang auf, knurrte, bellte, fauchte warnend, rammte meinen gesamten Körper gegen zwei von ihnen, sie fielen zurück, ich machte einen Hechtsprung nach vorne, erkannte nicht einmal die Gesichter der Angreifer, war so in meiner Trance gefangen, dass ich nicht einmal hätte sagen können, wie viele es waren, wer sie überhaupt waren.
Der Ven schrie auf, als ich mit meinem gesamten Körpergewicht auf ihm landete, meine Krallen bohrten sich tief in seine Schultern, ich riss uns zu Boden, er wehrte sich schreiend, jemand stürzte sich von hinten auf mich, das Adrenalin pumpte und pumpte und pumpte und hörte nicht auf, ich stand vollkommen neben mir, ein Schleier legte sich über mich, über alles was ich tat.
Und dann war nicht mehr ich die Person, die handelte. Jemand anderes übernahm die Führung.
Ich ließ meinen Kopf gegen den Schädel des Ven niederkrachen, seine Augen verdrehten sich, er sackte bewusstlos zusammen, rasend warf ich den weiteren Ven von meinem Rücken, wurde dann plötzlich umgerissen, für einen Moment kugelten wir uns über den Boden, ich knurrte und heulte, der Ven schrie irgendetwas, stach zu, ich spürte, wie das Silber durch die Haut an meiner Wange schnitt, heulte auf, der Ven schlug zu, mein Kopf krachte nach hinten, ich riss meinen Körper herum, wälzte ihn unter mich, die Gedanken rasten und rasten und rasten, alles war erfüllt mit Schreien und Rufen, ich sah Alec nicht mehr, schlug meine Pranke in die Brust des Ven, er schrie auf, sie hatten mich nicht mehr unter Kontrolle und dann stieß plötzlich eine weitere Person gegen meine Seite, fiel beinahe hin, ich wollte herumwirbeln, wollte nach ihr schlagen die Luft war erfüllt mit dem Staub, den sie kämpfenden Körper aufgewirbelten, Staub, der mir die Tränen in die Augen trieb.
Doch dann erkannte ich die Person. Alec. Und die Frau in Schwarz hatte ihn gegen mich geschleudert, sein Atem ging schnell, ich roch Blut, ohne zu zögern drückte ich ihn mit meinem Kopf wieder hoch, wirbelte dann wieder herum, gerade rechtzeitig, einer warf ein Messer, ich hechtete nach hinten, drückte Alec weg, der die Angriffe des Ducs abwehrte, beinahe hätte es ihn erwischt, er schrie etwas, ich verstand es nicht, erkannte sein Gesicht kaum in dem ganzen Staub, das Blut rauschte in meinen Ohren, wir drehten uns im Kreis, deckten den anderen, ich schleuderte einen weiteren Ven zur Seite, Alec kämpfte mit der Frau, ich hielt die Ven von ihm ab, irgendetwas musste ich tun, diesen Kampf konnten wir niemals gewinnen, wir waren einfach zu wenige, die Ven waren zu stark, die Sicht war zu schlecht, ich blinzelte heftig, mein Kopf riss sich herum, Alec keuchte auf, die Frau hatte ihm am Arm erwischt, er schrie mir irgendetwas zu, konnte mich nicht ansehen, Blut ich roch Blut und dann verschwand er plötzlich wieder im Nebel.
Nein. Ich musste etwas tun.
Panisch wirbelte ich herum, die nächsten kamen, die nächsten und die nächsten und die nächsten, viel zu viele, ich hörte ihre Rufe, heulte auf, als wieder jemand an den Fesseln zog, beugte meinen Kopf hinab, er zog und plötzlich rutschte das Silber über meinen Kopf, der Ven krachte zu Boden, ich hechtete nach links, wich einem Pfeil aus, meine Augen rollten immer panischer hin und her und da sah ich es plötzlich.
Zwischen dem staubigen Nebel glänzte es für den Bruchteil einer Sekunde auf, das schimmernde Chrom des Oldtimers stach mir geradezu in die Augen, erschien einfach zwischen dem Nebel, mein Kopf ratterte, ich wich einem Dolch aus, drängte einen Ven zurück und dann hechtete ich einfach los, ohne zu zögern, wusste, was ich tun musste, hatte ihn bereits an meinem zweiten Tag bemerkt, wie er auf dem Podest vor der Werkstatt thronte.
Die Ven riefen etwas, schrien, einer sprang ab, traf mich, klammerte sich um meinen Hals, wir krachten zu Boden, ich rollte mich auf den Rücken, es knackte, er ächzte gepeinigt auf, so schnell ich konnte rappelte ich mich wieder auf, nur noch ein Stückchen, ein kleines Stück, ich war schneller als sie, hatte einen Vorteil, sprang ab, landete keuchend auf dem Podest, ein Pfeil surrte durch die Luft, striff meine Schulter, ich wimmerte auf, hatte jetzt allerdings keine Zeit, ich war schneller als sie, hatte den halben Hof durchquert, ich wusste, dass die Werkstatt ganz in der Nähe war, sah sie allerdings nicht, der Staub brannte in meinen Augen, ich konnte mich einfach nicht auf die Werkstatt konzentrieren, sah die nächsten Schemen auf mich zurennen, duckte mich unter einem weiteren Pfeil weg, mein Herz raste, selbst ein Jahr Novizentraining hatte mich nicht auf so etwas vorbereitet, mein einziger Gedanke galt dem Überleben, wir mussten überleben, mussten weg, ich warf mich hinter den Oldtimer auf das Podest, mein Bein knickte weg, mein Kopf knallte gegen das Auto, mir wurde schwindelig, keine Zeit, keine Zeit, dachte ich, spähte über das Auto hinweg, sie kamen angerannt, ich wusste nicht, wie viele, aber das war jetzt egal, ein Stück, nur noch ein Stück, mein Herz hämmerte, ich musste warten, ein Stück, bekam keine Luft mehr, nur noch ein Stück, sie waren fast da, Rufe, Schreie, Blut, noch ein Stück.
Jetzt!
Mit voller Wucht ließ ich meinen Körper gegen das Auto krachen, vielleicht war es komplett irsinnig was ich hier tat, aber immerhin musste ich so viele von ihnen wie nur irgends möglich ausschalten, der Oldtimer gab ein gequälten, erschöpften Laut von sich, bewegte sich, nicht genug, nicht genug!
Der erste sprang auf das Podest, weiter, weiter!
Ich ließ meinen Körper noch einmal gegen das Auto krachen, sie waren fast da, noch einmal, das Messer surrte durch die Luft, verfehlte mich knapp, ich heulte frustriert auf, nahm all meine Kraft zusammen, noch einmal!
Der Ven kam näher und näher und da setzte sich das Auto plötzlich in Bewegung, die Ven schrien auf, waren dumm, waren mir vollkommen blind hinterhergelaufen, das Auto fiel hinab, sie konnten nicht mehr ausweichen, es vergrub sie unter sich, triumphierend riss ich den Kopf in die Höhe.
Doch ich hatte den Ven auf dem Podest vergessen. Ein Fehler, ein riesiger Fehler.
Und im nächsten Moment wurde ich zu Boden gerissen, mein Körper krachte mit voller Wucht von der Erhöhung, es knackte, ein unheimlicher Schmerz durchzuckte meine Wirbelsäule, ächzend rollte ich über den Boden, wollte mich wieder aufrappeln, doch langsam lichtete sich der Nebel wieder, langsam konnten sie mich wieder sehen und das brach mir das Genick.
Mein Kopf wurde nach hinten geschleudert, ich wurde vom Podest weggezerrt, jemand hielt ihn fest, mein Hals, ein unheimlicher Druck, ich knurrte wild auf, vollkommen ungehalten wandt ich mich hin und her, es brachte nichts, sie waren einfach viel zu viele und jetzt waren sie sauer, so unendlich sauer, Schreie, Rufe, ich wurde zu Boden gewälzt, meine Brust hob und senkte sich heftig, für einen Moment konnte ich nichts sehen, schwarze Punkte tanzten vor meinem Blickfeld, ein unheimlicher Schmerz durchzuckte mein Herz, sie hielten mich fest, meine Beine, jemand drückte zu, ein surren durch die Luft, ein silbernes Aufglänzen, mein Wolf brüllte rasend auf, wandt sich, doch mindestens sechs von diesen riesigen, gesichtslosen Gestalten hielten mich fest, dann der Einstich, mein Hals, ich heulte auf, mein donnerndes Knurren erfüllte den Hof, sie fixierten mich auf dem Boden, ich konnte mich nicht mehr wehren, sie hielten mich einfach fest, der Sturz vom Podest hatte alles verschwimmen lassen, mein Kopf krachte zur Seite.
Und da sah ich es plötzlich. Zwei Schatten die ungehalten kämpften, die Ven hielten mich fest, für einen Moment schien alles in Zeitlupe zu vergehen, das Haar der Frau in Schwarz wirbelte hin und her, ich hörte ihr höhnisches Lachen, Alec kämpfte verbissen, ließ sich nicht erwischen, tänzelte beinahe um sie herum und dann war da plötzlich dieser höllische Schmerz in meiner Magengrube, der mich aufjaulen ließ, der alles verschwimmen ließ, Blut, zu viel Blut, jemand hatte zugestochen, ich war unkonzentriert, war abgelenkt gewesen.
Langsam schien alles langsamer zu werden, Schmerz, dieser unendliche Schmerz.
Und das war der Moment, in dem Alec panisch aufsah, der Schmerz lähmte mich, die Ven riefen etwas, noch töteten sie mich nicht, das Urteil lag bei ihrem Duc, doch so hatten sie mich Bewegungsunfähig gemacht, ich konnte nichts mehr tun, sie hielten mich eisern fest.
Für den Bruchteil einer Sekunde trafen mich Alecs alarmierten Augen, das stählerne Grau blitzte auf.
Ein Fehler, ein riesen Fehler, ich war seine Schwachstelle, lenkte ihn ab, in einem Kampf sollte er sich keine Sorgen um andere machen.
Und da traf die Frau ihn. Mitten im Gesicht.
Ich schrie auf und doch verließ kein Laut meinen Mund, meine Sicht flimmerte und dann ging Alec einfach zu Boden, ein Schrei durchzuckte mein Herz, wahnsinniges Gelächter, ich sah es kaum, Angst, unendliche Angst packte mich, die Frau stürzte sich auf ihn, ich stand in Flammen, wollte rufen, wollte schreien, meine Sicht verschwand für einen Moment vollkommen, selbst auf dem gesunden Auge konnte ich nichts mehr sehen, dass die Ven die ganze Zeit so angestrengt versucht hatten, von sich wegzuwenden, ich konnte einfach nichts tun, wollte nach ihm rufen, nach Alec schreien, ihm helfen, alles auf einmal und doch tat ich nichts.
Und dann durchzuckte plötzlich ein lauter Knall die Luft.
Er ließ alles stehen bleiben, durchzuckte mich, ging mir durch Mark und Bein.
Die Ven erstarrten, ich erstarrte, die Welt erstarrte, hörte für einen Moment auf, sich zu drehen.
Ich wusste nicht, was geschehen war, war viel zu benebelt, der Schmerz kreischte in mir auf, ich blinzelte heftig, Angst, furchtbare Angst, Alec durfte nichts passiert sein und allein dieser Gedanke schien mich zu beflügeln, schien mir die Kraft zu geben, aufzusehen, während mit einem Mal das pure Entsetzen in die Gesichter der Ven trat.
Und da sah ich es.
Der Staub, aufgewirbelt durch dutzende, kämpfende Füße, ruhte langsam wieder, ich blinzelte heftig, meine Augen weiteten sich, mein Atem ging schwer, der Schmerz jagte durch meinen Körper, doch in diesem Moment konnte ich mich nicht darauf konzentrieren.
Ein regungsloses Knäul lag wenige Meter von mir, ich blinzelte heftig, tiefschwarzes Haar, ich erkannte tiefschwarzes Haar, Praes, Blut, eine große Gestalt.
Und dann wälzte Alec plötzlich den leblosen Körper der Frau in Schwarz von sich, richtete sich keuchend auf, ein langer Schnitt zog sich über seine Wange.
Aber er war okay.
Und erst, als Alec vollkommen überrascht nach vorne starrte, erst da verstand ich die Situation vollends.
Die Ven taumelten vor mir zurück, ihre Augen schreckgeweitet, mir stockte der Atem.
Da stand er.
Adam.
Bull lag bewusstlos neben ihm, Adam hatte die Hand weit von sich gestreckt, sie zitterte wie Esbenlaub, sein Gesicht schien so voller Entsetzen, die Pistole in seiner Hand erzitterte, die Ven sahen ihn vollkommen schockiert an, vollkommen ungläubig, er zitterte, bebte, sein Gesicht hatte sich zu einer schmerzvollen Miene verzogen, ein entsetztes Schweigen hatte sich über alle gelegt, es schien so unendlich surreal.
Denn die Frau in Schwarz war tot. Mit einem einzigen Schuss hatte Adam ihren Duc getötet. Und das Zeichen des Anführers brannte sich in diesem Moment in einen neuen Hals, Adam zischte gequält auf, sein Blick war wie in Trance auf die tote Duc gerichtet, auf das Einschussloch in ihrem Hinterkopf, das Blut, das aus ihm sickerte.
Blut.
Blut, dachte ich.
Blut, das mich schwindelig machte.
Doch es war anders. Es machte mich schwindelig. Aber nicht wie früher. Ich hatte schon zu viel davon gesehen.
Ich blinzelte heftig, mein Blick glitt zu Alec, er starrte Adam an, ungläubig wie jeder andere, dunkles Blut rann seine Wange hinab, ich schluckte, doch da war noch etwas anderes in seinem Blick.
Etwas wie... Anerkennung.
Alec hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er den zitternden Jungen, der immer noch mit gezückter Waffe vor ihm stand, nicht sonderlich leiden konnte.
Doch Alec wusste auch, wahren Mut anzuerkennen.
Ich konnte es nicht glauben, fasste es einfach nicht, es war so unendlich schnell geschehen.
Und für den Moment blieb den Ven die Luft weg, für den Moment konnten sie nicht atmen, für den Moment schlugen ihre Herzen langsamer, die Ven taumelten vor mir zurück, als wäre ich giftig, langsam wurden die schwarzen Punkte immer aufdringlicher, jetzt, wo das Adrenalin Stück für Stück verschwand.
Die Ven waren geschwächt, alle, bis auf Florence und Adam.
Denn ihr Duc war gestorben, in dem Moment brannte sich das Zeichen auf einen neuen Hals.
Und das schwächte sie.
Nur Florence nicht, weil sie Adams Ami war und Adam selbst nicht, weil er es getan hatte. Weil er den Duc getötet hatte.
Vollkommen ungläubig fasste er sich an seinen Hals, zitterte, bebte, ich konnte es nicht begreifen, Adam zischte auf und dann erschien die römische eins.
Die schwarze Asche schien geradezu aufzuglühen, schien Adam fürchterliche Schmerzen zu bereiten, er blieb stehen, das zweite Prae, das er jemals bekommen sollte.
Die römische eins.
Ich fasste es nicht, glaubte es einfach nicht, langsam schien alles zu verblassen.
Doch ich musste wachbleiben, für einen Moment noch musste ich wachbleiben, zwang meine Augen aufzubleiben.
Ich nahm eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr, Alec stemmte sich hoch und da schien sich die Welt wieder zu bewegen.
Einer der Ven wollte vorstürzen, wollte den Vic aufhalten, andere rappelten sich langsam wieder auf, doch Adam richtete die Pistole ruckartig auf den hochgebauten, blonden Kerl, er erstarrte, Alec blieb stehen, blieb einfach stehen, wie die Ruhe selbst, ein selbstgefälliges Lächeln zierte seine Lippen, während er Adam ansah, er war so ein unendlicher Vollidiot.
»Keiner«, keuchte Adam, Florence legte ihm eine Hand auf die Schulter, als wolle sie ihm Kraft spenden, mein Atem ging immer unregelmäßiger, doch für den Moment achtete niemand auf mich.
»Keiner rührt sie an.«
Er atmete schwer, Florence warnte die Ven mit ihren Blicken, ihrem Ami ja nicht zu wiedersprechen und dann auf einmal sah sie mich an.
Und das war der Moment, in dem sie mich bemerkten. Das war der Moment, in dem mein Körper aufgab.
Florence Griff um Adams Arm festigte sich, als wolle sie ihn davon abhalten etwas dummes zu tun, ihre Blicke schnellten zu mir, mein Herz pochte schmerzhaft, während ich weiterhin vollkommen dumm und nutzlos und klein am Boden lag, verletzt. Mal wieder.
Und dann spürte ich Alec brennenden Blick auf mir, die Punkte tanzten, ich bewegte den Kopf, war vollkommen stumm geblieben, für einen Moment erstarrt von dem Szenario, wie jeder andere, langsam wurde es dunkler und dunkler, ich sah sein entsetztes Gesicht, seine Lippen bewegten sich, das kalte Grauen trat in sein Gesicht, ich hörte nicht mehr, was er sagte, ein siedend heißer Schmerz durchzuckte meinen Bauch, jemand rannte los, es wurde dunkel, meine Augen verdrehten sich, der Schmerz flammte auf, ich wusste nicht, wie ich es so lange ausgehalten hatte, begriff nicht, wie es jetzt erst mit solch einer brennenden Wucht auf mich einprasseln konnte, begriff diese ganze, diese unendlich banale Situation nicht.
Und dann fiel mein Kopf hinab. Alles wurde schwarz.
Ich wurde in die tiefe Dunkelheit hinab gerissen. Wieder.
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