67


Ich starrte Alec mit großen Augen an, während er mich vollkommen frustriert ansah, als ob ich ein Buch wäre, das er unbedingt zu verstehen versuchte, was ihm allerdings einfach nicht zu gelingen schien.

Und dabei war er doch eigentlich hier das Buch von uns beiden.

Okay, vielleicht war ich auch ein Buch, aber definitiv nicht so verwirrend, wie er! Nur ein bisschen.

»Hast du jetzt die Antwort, die du haben wolltest?«, murmelte Alec nach unendlich langen Sekunde der Stille, in denen ich ihn mehr oder weniger sprachlos angesehen hatte, und lehnte sich wieder gegen die Hauswand, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte in den Wald, schien nicht gerade erpicht darauf, weiter über seine Worte nachzudenken.

»Ich habe jemanden umgebracht.«

»Was?!«

Alecs Kopf schoss mit einer solchen Geschwindigkeit in meine Richtung, dass einem schwindelig werden konnte, in mir kam wieder diese altbekannte Übelkeit auf und trotzdem schallt ich mich, ihn gefälligst anzusehen.

Es war, als hatten die Worte einfach hinaus gewollt. Und jetzt war die Bombe geplatzt.

Ich wollte etwas sagen, wollte ihm erklären, was ich da gerade von mir gegeben hatte, doch sobald ich auch nur daran dachte, meinen Mund aufzumachen, fingen meine Lippen an zu beben.

Langsam, so unendlich langsam richtete sich Alec wieder auf, in seinen Augen tanzte dieser altbekannte Sturm, der sich langsam aber sicher zu einem Orkan aufbaute.

Ich schluckte schwer.

»Aruna?«

Alecs Stimme war leise und doch hallte sie im gleichen Moment so unendlich laut in meinen Ohren wieder.

Er klang misstrauisch, er klang verwirrt. Er klang beinahe... ehrfürchtig.

Er fürchtete sich vor dem, was ich gleich sagen würde.

Aber vielleicht war genau das mein Weg, mit dem ganzen klarzukommen.

Reden. Einfach reden. Ich meine, ich hatte schon oft mit Alec geredet, richtig? Vielleicht würde es helfen.

Für einen Moment schloss ich die Augen, doch beinahe sofort schoss mir das Bild eines am Boden liegenden Wolfes in den Kopf, das ich seit jenem Tag doch so erfolgreich hatte verdrängen können.

Jetzt ging es nicht mehr. Jetzt konnte ich es nicht mehr verdrängen. Und das wusste ich.

»Ich habe jemanden umgebracht«, wiederholte ich leise, so leise, dass ich es selber kaum gehört hatte.

Ich senkte meinen Blick, Alec richtete sich komplett auf, drehte sich vollkommen zu mir, sein Blick brannte sich in mein gesenktes Profil.

»Wovon sprichst du?«, flüsterte er, ich blinzelte ein paar Mal.

Meine Hände verknoteten sich ineinander, meine Haare fielen mir ins Gesicht, verbargen mich so vor seinem Blick.

Ich wusste, dass Alec mich in diesem Moment am liebsten geschüttelt hätte, damit ich endlich redete.

»Es war kurz bevor sie gestorben sind«, hauchte ich, wir beide wussten, wen ich meinte, meine Augen fingen an zu brennen, ich fühlte mich einmal wieder erbärmlich und fragte mich, seit wann ich so viel heulte.

Früher hatte ich nicht so viel geheult. Gut, früher hatte ich außer gebrochene Knochen auch ehrlich nicht viel gehabt, weshalb ich hätte heulen können.

Alec jedenfalls blieb stumm, entweder, weil er nicht wusste, was er hätte sagen sollen, oder, weil er mir die Zeit geben wollte, mich zu sammeln und zu erklären.

Ich vermutete sehr stark ersteres.

»Fenris... er... er hatte einen Freund«, murmelte ich, spürte geradezu, wie Alec die Stirn runzelte, überlegte, wie er diesen Satz jetzt auffassen sollte.

»Gabe... er war ein Inbec... und Fenris hat sich auf ihn geprägt.«

Für den Bruchteil einer Sekunde wagte ich es, zwischen meinen Strähnen hervorzuschauen, Alec saß mit gerunzelter Stirn da, dachte offensichtlich über irgendetwas nach.

Dann schien ihm etwas einzufallen. Er hob die Augenbrauen.

»Dein Freund, Ben, er hatte doch diesen großen Bruder, oder? Gabe?«

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Woher wusste er das?

Langsam sah ich auf, blinzelte heftig, damit die bescheuerten Tränen verschwanden.

»Woher weißt du das?«, flüsterte ich.

Keine Ahnung, warum ich flüsterte. Ich wollte einfach nicht normal sprechen. Also flüsterte ich. Logisch, richtig?

Alec zuckte mit den Schultern.

»In der ersten Zeit musste ich dich Unruhestifter ja irgendwie im Auge behalten.«

Bei dem Wort Unruhestifter zuckten seine Mundwinkel etwas nach oben.

Generell wirkte er nicht so, als würde er mich jeden Moment umbringen wollen, für das, was ich getan hatte, so, wie er es früher gemacht hätte.

Ich schüttelte leicht den Kopf und gab ein Schnauben von mir, eine Mischung aus Empörung und Verwirrung.

In dem Moment merkte ich nicht einmal, das er irgendwie versuchte, die Anspannung aus dieser Situation zu nehmen.

»Du bist ein Idiot«, murmelte ich und sah wieder hinab.

»Und du bist eine Nervensäge«, entgegnete er bloß.

Doch die Klage war aus unser beider Stimmen verschwunden, wo sie sonst immer in solchen Worten gesteckt hatte.

»Also«, murmelte Alec dann.

»Was ist passiert?«

Mein Herz stolperte.

Sofort legte sich wieder diese vermaledeite dunkle Wolke über mich.

Ich sah ihn nicht an.

»Fenris... hat es dem Rudel gesagt. An diesem Tag... Der Idiot brauchte natürlich eine ganz große Show und hat das ganze Rudel zusammentrommeln lassen.«

Meine Mundwinkel zuckten nach oben.

»Und dann ist er einfach mit Gabe durch das Dorf gelaufen, hat seine Hand gehalten und sich den Blicken aller gestellt.«

Wieder hielt ich inne, erinnerte mich genau an diesen einen, schicksalhaften Tag, erinnerte mich an Fens eisernen Blick, an Gabes Unsicherheit, wie Lupa, der kleine Engel, vorgetreten war und Gabe willkommen geheißen hatte.

»Fenris muss ein cooler Typ gewesen sein«, meinte Alec dann plötzlich, seine Mundwinkel hatten sich beinahe unmerklich gehoben.

Ich nickte langsam.

»Ja«, hauchte ich.

»Fenris war der beste große Bruder auf dieser Welt.«

Und jetzt ist er weg.

Hör auf!

»Er hat sich Mum und Dad und allen entgegengestellt. Eigentlich... eigentlich ging es in diesem Moment um alles. Vielleicht hätte man ihn verstoßen...«

»Aber das haben sie nicht?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Nein.«

Und da sah ich wieder auf, blickte Alec genau in die Augen. Er saß da und beobachtete mich aufmerksam. Aufmerksam, nicht anklagend.

»Sie haben ja auch mich akzeptiert.«

Alec schnaubte, als würden ihm diese Worte nicht gefallen. Trotzdem sagte er nichts.

»Sie haben ihn akzeptiert, wie sie mich akzeptiert haben...«

Für einen Moment stockte meine Stimme, jetzt kam der Teil, an den ich nie, nie, niemals wieder hatte denken wollen.

Für meinen Geschmack wurden die Gespräche zwischen Alec und mir in letzter Zeit viel zu komisch und viel zu ernst und viel zu persönlich und ich gab viel zu viel von mir preis, er gab viel zu viel von sich preis.

Und das alles machte absolut keinen Sinn, immerhin waren wir Alec und Aruna. Und trotzdem saßen wir hier, hinter dem Haus auf der kleinen Wiese und redeten.

Beziehungsweise, ich redete und heulte ihm die Ohren voll.

Aber jetzt war es nun einmal so. Also.

»Alle außer einer...«

Bane.

Eine Schauer überkam mich, auf einmal wurde mir furchtbar kalt, ich rieb über die Gänsehaut an meinen Armen.

»Er war der Beta unseres Rudels...«

Wieder stockte ich, blinzelte heftig, die Bilder kamen einfach und schienen nicht wirklich gewillt, wieder zu gehen.

»Er war also gegen Gabe und deinen Bruder?«

Ich nickte.

»Und gegen mich«, flüsterte ich, meine Hände zitterten, eigentlich wollte ich nicht weiterreden.

Jetzt abzubrechen schien allerdings nicht wirklich eine Option.

»E-Er... er hat etwas gesagt... gegen Gabe und Fen... meine Eltern... sie haben ihn verbannt.«

Alec murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte, in dem Moment schien es allerdings nicht wirklich wichtig.

»S-Sie dachten, er würde einfach so gehen... aber keiner kannte ihn, wie... wie ich ihn kannte.«

Alecs Miene verfinsterte sich von Wort zu Wort, als würde er bereits wissen, was ich gleich sagen würde.

Okay Aruna, sag es, sag es einfach, Augen zu und durch, du musst es jetzt tun.

Ich sprach mir selber Mut zu, mein Herz raste, ich zitterte.

»Er... erst hat er sich umgedreht... a-aber ich wusste, dass da etwas nicht... nicht stimmte.«

Ich schluckte schwer, blinzelte heftig, wollte die Bilder verjagen, weghetzen, bis sie nie, nie wieder auftauchten.

»Und dann ist er einfach losgesprungen, h-hat sich verwandelt und... und ist geradewegs auf Fen und Gabe zu...«

Ich sah es vor mir. Jeden einzelnen Moment sah ich vor mir.

Ich spürte den Wind auf meinen Armen, der damals aufgekommen war, roch die kalte Anspannung, die in der Luft gelegen hatte, hörte das Knurren des Wolfes.

Ich presste die Augen zusammen, schlang die Arme um mich, klammerte mich an meinem eigenen Körper fest.

»I-Ich habe einfach... einfach gehandelt... ich wollte nicht, dass es so endet...«

Alec blieb stumm. Es war, als würde mein Herz schmerzhaft aufpochen. Ich wollte nicht, dass er stumm bleib, ich wollte, dass er etwas sagte, wenigstens irgendetwas.

»Es war wie damals, als der Hybrid dich angegriffen hat«, hauchte ich.

»Das war nicht mehr ich, die Person war viel stärker und sie... sie... sie hat ihn e-einfach...«

Ich brachte es nicht zu Stande, weiterzureden.

Aber ich wusste, das Alec auch so verstand, was ich sagen wollte.

Einen Moment war es totenstill zwischen uns. Dann hielt ich es nicht mehr aus.

»Alec?«

»Ja?«

»Glaubst du, ich werde zu einem Monster?«

Meine Stimme war leise, so unendlich leise, klang absurd erstickt.

Alec erstarrte. Ich sah es nicht. Aber ich wusste es.

Ich blinzelte heftig.

Ein Gedanke, der mir in letzter Zeit so unendlich oft gekommen war.

Was, wenn das Zeichen der Roten mich zu einem Monster machten? Wenn ich kein Unglück brachte, sondern das Unglück war?

»Ich glaube«, ertönte dann plötzlich Alecs feste, überzeugte Stimme, »du verlierst langsam deinen Verstand, Nervensäge.«

Was?

Ich blinzelte heftig, sah dann langsam auf, Alec sah mich aus ernsten Augen an, ungläubig starrte ich zu ihm hinauf.

Er ballte die Hände zu Fäusten.

»Hörst du dir überhaupt selber zu, Aruna?«

Bei der Schärfe seiner Worte zuckte ich zusammen.

»Das ist absolut lächerlich. Du bist mit Sicherheit vieles, ein verdammter Sturkopf zu allererst, aber Sicher, ganz Sicher kein Monster.«

Und noch ehe ich auch nur irgendetwas sagen konnte, mich verteidigen konnte - Oder eher angreifen? War er nicht gerade derjenige, der mich verteidigte? Halleluja... - redete er einfach weiter.

»Weißt du überhaupt, wer du bist? Du bist eine Nervensäge, okay. Manchmal ein verdammter Tollpatsch, gut. Und meistens viel zu Vorlaut, ich weiß, aber du bist mit Sicherheit kein Monster. Ich hätte Adam einfach umgelegt, an sowas bin ich gewöhnt, aber du hast einfach...«

Er stockte, als suche er nach dem richtigen Wort, während ich bei jedem weiteren Satz zurückzuckte, als würde er mich schlagen.

Ja, was tat er denn jetzt da? Verteidigte er mich? Beleidigte er mich? Irgendwie alles zusammen und das ließ meinen Schädel rauchen.

»Du hast einfach ein viel zu gutes Herz, das ist dein Problem.«

Alecs Stimme klang gefasst. Neutral irgendwie. Und trotzdem voller Ehrlichkeit.

Ich blinzelte ihn mit großen Augen an, nicht in der Lage, auch nur irgendetwas zu sagen.

Alec sah mich einfach weiter an, blinzelte nicht einmal wirklich.

»Du solltest endlich aufhören, dich in deinem Selbstmitleid zu verlieren und schrecklich zu finden. Du bist nicht schrecklich, Aruna, du bist kein Monster und das beweist jeder einzelne, verdammte Schritt, den du tust, okay?! Selbst ich Idiot habe es gemerkt, als ich dich eigentlich noch hassen wollte. Und wenn du das endlich einsiehst, können wir uns ja auch vielleicht auf North Carolina konzentrieren.«

Okay. Gut. Jetzt war ich verwirrt. Endgültig.

Einerseits verletzten mich seine Worte- Als würden sie scharf in mein Herz schneiden.

Andrerseits waren sie genau das, was ich jetzt brauchte. Irgendwie.

Oh Gott, das machte doch absolut keinen Sinn.

Alec wandt den Blick wieder ab, jetzt starrte er erneut in den Wald.

Und es wurde still zwischen uns.

Keiner sagte etwas, nicht in der Minute und auch nicht in der nächsten oder in den darauffolgenden.

Wir saßen stumm nebeneinander, starrten vollkommen regungslos in den Wald.

Denn es war alles gesagt worden, was gesagt werden musste. Und nach manchen Worten sollte man wohl lieber schweigen, als weiter darüber zu reden. Manche Worte benötigten einen Cut danach.

Und das waren solche Worte.

Das wusste ich. Das wusste Alec. Und deshalb blieben wir still.

◊♠

»Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?«

»Nein.«

Seufzend rieb sich Alec die Schläfe.

»Super«, kommentierte er skeptisch.

Es war unser vierter Tag bei Ed, meine fünfte Nacht gefüllt mit Albträumen, Alecs fünftes Gerangel mit meinem panischen Ich.

Adam hatte tatsächlich keine Sekunde das Grundstück verlassen, nicht einmal, als Ed ihn gebeten hatte, mit ihm irgendwelche Besorgungen zu machen.

Das tat mir im Endeffekt zwar Leid,trotzdem war es wohl irgendwie besser so.

Naja, die Tatsache, dass Adam also wohl wirklich nicht vor hatte, mich zu verraten, hatte nun zu dieser Situation geführt.

Adam hatte uns eine Stelle im Wald beschrieben, da ich meinen Jagdtrieb mittlerweile nun wirklich nicht mehr unterdrücken konnte, seit gestern hatte ich durchgehend dieses merkwürdige Kribbeln im Bauch.

Als würde ich jeden Moment Schmetterlinge auskotzen oder so. Sehr angenehm auf alle Fälle.

Naja,jetzt standen Alec und ich jedenfalls an einem rauschenden Fluss, weit genug weg von dem Clan der Ven, damit sie mich beim Ernstfall nicht riechen konnten.

Eine ziemlich harte Vertrauensprobe an Adam, allerdings wurde es langsam wirklich Zeit, dass ich mich verwandelte.

Ich runzelte die Stirn und betrachtete das stählerne Wasser eher so semi-begeistert. Adam meinte, die Strömung wäre nicht so stark.

Lügner.

So wie es aussah, würde ich mir allein schon alle Knochen brechen, wenn ich den Fluss nur berührte.

Gut, das war vermutlich etwas übertrieben, aber spielte ja jetzt auch keine Rolle.

Ich hasste Wasser, hatte ich das schon einmal erwähnt? Und Schwimmen und sowieso.

Aber eine andere Möglichkeit hatten wir im Moment nicht wirklich, oder?

Naja, auch wenn ich lieber alleine hergekommen wäre, aber werter Herr neben mir hatte ja darauf bestanden, mitzukommen, damit ich nichts Dummes tat.

Das ich nicht lache...

Jedenfalls, um aufs Thema zurückzukommen,wirkte das Wasser nicht gerade gemütlich, allerdings musste ich ja irgendetwas jagen, um dem dringend benötigten (wenn auch ganz und gar nicht gewollten) Blutrausch nachzugehen.

Und Fische waren da wohl noch die beste Variante, die konnten immerhin nicht durch den ganzen Wald wegrennen, sodass ich vielleicht noch ausversehen direkt ins Gebiet des Clans stolperte.

Trotzdem konnte ich mir schönere Dinge vorstellen.

Und den Geschmack von Fisch fand ich schon immer ekelhaft. Nicht, dass ich vorgehabt hätte, das Zeug am Ende auch noch zu essen.

Ich hoffte bloß, mein vermaledeiter Wolf würde sich mit dem bloßen Jagen zufrieden geben, sonst würde das vermutlich ziemlich unschön werden.

Seufzend verschränkte ich die Arme vor der Brust, hasste es, wie komisch diese Situation schon wieder war und wollte am liebsten, dass Alec verschwand.

»Sicher, dass sich kein verkorkster Ven Instinkt einschaltet, wenn ich mich verwandel? Nachher ertränkst du mich noch oder so«, grummelte ich, zugegeben, um etwas Zeit zu schinden.

Alec schnaubte.

»Keine Sorge Nervensäge, ich hab mich voll und ganz im Griff.«

Ich verdrehte die Augen.

Wenn sein neuer Spitzname für mich Nervensäge sein sollte, musste ich wohl ernsthaft in Erwägung ziehen, ihm die Kehle rauszureißen.

»Wärst du dann endlich soweit?«, seufzte Alec nach einem kurzen Moment des Schweigens.

Gut, da musste ich jetzt wohl oder übel durch...

»Würdest du dich dann bitte umdrehen?«, murrte ich schlecht gelaunt, obwohl er eigentlich nichts dafür konnte und verschwand dann sicherheitshalber einige Schritte hinter ein paar dicht nebeneinanderstehenden Bäume.

Nicht, dass der noch auf dumme Ideen kam oder so...

Ich hörte ihn noch irgendetwas murmeln,verstand allerdings nicht was und zog mir dann hastig den Pullover über den Kopf.

Den Anhänger meines Amuletts legte ich behutsam auf meine gefaltete Hose ab und schloss dann die Augen.

Ein leichter Wind kam auf, es fröstelte mich,ich schloss meine Augen, langsam tauchte das Bild der jungen Wölfin vor meinen Augen auf.

Gott, wie lange war das jetzt her?

Die Wärme in meinem Inneren begann, sich auszubreiten, meine Finger kribbelten, mein Zahnfleisch juckte,dann setzte das befremdliche Knacken ein.

Ich hielt meine Augen weiterhin geschlossen.

Er war beinahe so, als würde die Wölfin mich angrinsen. Ich stockte.

Eigentlich wirkte sie so wie immer, ihr Bild schien bekannt...

Das dunkelrote, gescheckte Fell, die weiße Pfote, die dunkelbraune Schnauze, dieser weiße Fleck auf der Stirn und die stechenden, hellblauen Augen, die absolut und unwiderruflich untypisch für einen Wolf waren.

Und doch war es anders.Irgendwie.

Sie hatte eine andere Ausstrahlung. Wie die Frau, die ich in meinen Träumen sah.

Ich blinzelte heftig, meine Beine knickten ein, ich hatte nicht einmal bemerkt, dass die Verwandlung bereits beendet war.

Oh Gott, hatte ich das vermisst...

Alles schien sofort viel klarer, die Farben schienen reiner, die Geräusche des Waldes seidiger. Eine zufriedene Wärme breitete sich in mir aus,für einen Moment hob ich den Kopf in die Luft, atmete die klare Waldluft tief ein, drängte das merkwürdige Gefühl bezüglich der fremden Frau und des fremden Wolfes zurück.

Ich war vollkommen in meiner Verwandlung gefangen, bis ich ein mehr oder minder ruhiges Herz schlagen hörte.

Sein Geruch kam keine Sekunde später, schien so unendlich intensiver, als sonst.

Okay, das war wohl ein Minuspunkt...

Ich runzelte die Stirn - soweit das als Wolf eben ging. Fast hätte ich ihn vergessen. Aber eben nur fast.

Innerlich seufzte ich auf, rümpfte die Nase und trottete dann eher missmutig zwischen den Bäumen hervor.

Er stand mit dem Rücken zu mir, hatte sich immer noch umgedreht und tippte ungeduldig,beinahe etwas nervös, auf seinem Oberarm herum.

Ich hielt inne, betrachtete ihn, dachte kurz darüber nach ihn in den Fluss zu schubsen, einfach so, weil ich ein von Grund aus böser Mensch war, verwarf diesen Gedanken dann allerdings relativ schnell wieder, da ich meinen Kopf lieber behalten würde.

Mein Blick glitt über den Fluss, die Sonne ließ das Wasser golden schimmern, trotzdem trug das nicht gerade zur Besserung meiner Laune bei.

Innerlich seufzend trat ich vor und gab Alec von hinten einen Stoß mit dem Kopf, damit er mich auch mal bemerkte. Wo war der denn bitte mit seinen Gedanken?

Überrascht drehte er sich um, seine Augenbrauen zogen sich zusammen, er betrachtete meine Gestalt stirnrunzelnd,angespannt beinahe.

Hoffentlich hatte er wirklich nicht vor, meinen Wolf umzubringen...

Mit gerümpfter Nase wandt ich meinen Blick zum Fluss und hatte eher nicht so Lust, auch nur eine einzige Pfote da rein zu setzen.

»Bist du jetzt auch noch Wasserscheu?«, grinste Alec, ich verdrehte die Augen und stieß ihn mit meinem Körper an, sodass er zur Seite schwankten. 

»Hey«, beschwerte er sich, ich verdrehte die Augen.

»Du darfst gerne auch schwimmen gehen«, dachte ich lustlos, Alec rümpfte die Nase und griff sich an die Schläfe, dann schüttelte er den Kopf.

»Vielleicht verwandle ich mich ja auch in einen Wolf«, murrte er eher zu sich,als zu mir, ganz offenbar war die Gedankensache für ihn also noch mal was anderes, wenn ich ein Wolf war.

Ich schnaubte.

»Wohl eher in nen Labradoodle oder so«

Innerlich kicherte der kindische Teil von mir auf. Alec der Labradoodle, das wäre doch mal was.

Dieses Mal war es Alec, der schnaubte und mir einen Stoß in die Seite gab, was meinen Wolf allerdings eher weniger störte.

Vollkommen fest blieb ich stehen.Alec gab einen frustrierten Fluch von sich, während ich ihn mit einem bescheuerten Wolfsgrinsen ansah, was ihn die Augen verdrehen ließ.

»Selbst als Wolf siehst du bescheuert aus«, murrte der schwarzhaarige Ven, was mich empört aufschnauben ließ.

Na vielen Dank auch du Blödmann. Blödmann war ein bescheuertes Wort. Aber wenn einer ein Blödmann war, dann ganz bestimmt Alec.

»Nervensäge«, kommentierte Alec bloß, ich verdrehte die Augen.

Na zum Glück benahmen wir uns hier grad nicht wie kleine Kinder oder so. Und es war merkwürdig, oder? Wie wir miteinander sprachen, miteinander umgingen. Fast... fast wie mit Cole.

Ich runzelte die Stirn. Wann war das alles noch einmal geschehen?

Ein leichter Wind kam auf, verfing sich in meinem weichen Fell, ließ es hin und her wehen, langsam senkte sich die Sonne wieder, es musste später Nachmittag sein.

Und das war der erste Moment an diesem Tag, in dem ich spürte, dass etwas nicht stimmte.

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