62

Der Traum begann, wie er auch die letzte Nacht begonnen hatte.

Ich sah an mir hinab, das wunderschöne, weiße Kleid erstrahlte geradezu, die Perlen funkelten, der Rock schimmerte, genau wie die Initialen auf dem filigranen Ring.

S und B.

Wer waren sie? Wer war S? Und wer war B?

Ich verstand es nicht. Warum trug ich ein Brautkleid? Und warum fühlte es sich so richtig an? Warum fühlte es sich so an, als gehörte dieser Stoff, dieses Stück Seide zu mir?

Als wäre es nur für mich gemacht wurden, für niemand anderen, ich blinzelte ein paar Mal, spürte den glänzenden Haarreif auf meinem hochgesteckten Haar, der beinahe aussah wie eine Krone.

Langsam tauchte die Eingangshalle des Kinos um mich herum auf, das Szenario, das beinahe schwarz-weiß wirkte, mein Blick fiel auf eines der Poster mit den merkwürdigen Zeichen, die ich nicht verstand, meine Gestalt spiegelte sich in dem Glaskasten wieder, in den es eingelassen wurde, ich blinzelte heftig.

Das einzige, was Farbe zu haben schien, war mein glühendes, dunkelrotes Haar.

Langsam drehte ich mich, schaute vorsichtig über meine Schulter.

Und mein Mal. Mein Mal erstrahlte ebenso rot, wie mein Haar, erstrahlte mehr, als es sollte, leuchtete, glühte.

Es schien, als würde alles darum gegeben worden, damit man es sah.

Die Hochsteckfrisur, der weit ausgeschnittene Rücken.

Verwirrt hob ich meine Hand, betrachtete die Bewegungen der jungen Frau in der Scheibe des Glaskastens.

Das war ich. Ich wusste, dass ich es war, doch irgendwie stand eine andere Frau vor mir.

Eine Frau, kein Mädchen.

Jede ihrer Bewegungen war anmutig, sie war anmutig. Sie war königlich.

Ich wusste, dass ich es war, die die Hand hob, in der Luft hin und her schwingen ließ, als wolle ich ein Orchester anleiten.

Doch es war anders. Die Bewegungen der Frau im Spiegelbild waren anders. Sie tat das, was ich tat, doch es wirkte so viel anmutiger, so viel reiner.

Wieso war sie mir das letzte Mal nicht einmal wirklich aufgefallen?

Weil du nicht richtig hingesehen hast.

Es war meine Stimme, die ich hörte, sie tauchte wie aus dem Nichts aus, ließ mir einen Schauer den Rücken hinab laufen und doch gehörte sie nicht zu mir.

Sie war anders, samtiger, reiner, kühner, so unglaublich einnehmend.

Eine Stimme, die Säle füllen könnte, eine Stimme, die hunderte Leute dazu brachte, sich zu bewegen, nur um ihr lauschen zu dürfen. Um ihr zu gehorchen.

Was zur Hölle war hier los? Wer war diese Frau? Wer war ich?!

Du bist ich und ich bin du.

Was?

Ich verstand es nicht, verstand es einfach nicht.

Es raschelte, ich fuhr erschrocken herum, mein Kleid drehte sich schwungvoll mit mir, das Plakat über dem Ticketschalter wurde heruntergefahren.

Und wieder diese gleiche Nachricht, rot schien das einzige zu sein, was in diesem Saal leuchtete, so auch die geschwungenen Buchstaben, die sich auf dem Stoff wanden.

Sieh hin. Sieh richtig hin! S&B

Aber wohin? Wohin sollte ich sehen? Und was sollte ich sehen? Was sah ich nicht?

Ich wusste es nicht, verstand es einfach nicht.

Mein Blick glitt von Plakat zu Plakat, überall diese Zeichen, die ich nicht lesen konnte, mein Schädel brummte.

Kannte ich sie irgendwoher? Ich runzelte die Stirn, betrachtete eine dieser merkwürdigen Runen, die tiefschwarzen Striche und Linien, die sich zu einem unheimlich eindrucksvollen Kunstwerk zusammenfanden, die gewundenen Konturen an den Seiten des Symboles wirkten beinahe wie Flügel.

Waren das Praes?

Aber nein, Praes waren eckiger, waren kantiger, manchmal, wenn ich sie so ansah, befürchtete ich beinahe, von ihnen geschnitten zu werden, aber das hier war etwas anderes.

Die Linien wirkten beinahe wie eine... eine Welle.

Sie waren geschmeidig, wirkten anmutig, nicht kämpferisch, wie der Schutz der Ven vor Leuten wie mir.

Sie wirkten beinahe... magisch.

Sollten sie mir bekannt vorkommen? Ich wusste es nicht, verstand es einfach nicht.

Ich wollte einen Schritt nach vorne machen, wollte mir die Plakate genauer ansehen, als würde ich sie so mit einem Mal verstehen können, doch da kam plötzlich wieder dieser leichte Wind auf, der erst meinen Rücken berührte, dann um meinen gesamten Körper tanzte.

Und dann Lachen. Glockenhelles Kinderlachen.

Ich wusste wer sie war, noch bevor sie auftauchte. Natürlich wusste ich es. Immerhin hatte ich es schon einmal erlebt.

Aleyna.

Alles in mir spannte sich an, ich wollte herumwirbeln, doch da rauschte sie schon an mir vorbei, ihre dunklen Locken hüpften auf und ab, sie lachte unbeschwert, mein Herz machte einen Aussetzer.

Diesmal machte ich nicht den Fehler, stehen zu bleiben.

Ich rannte los, rannte sofort los, hörte das Blut in meinen Ohren rauschen, spürte meinen gesamten Körper erzittern, wollte nicht, dass der Nebel mich dieses Mal einholte, wollte zu ihr gelangen, bevor es zu spät war.

Meine Schritte hallten kristallklar in der großen Halle wieder, ich wollte etwas sagen, wollte nach ihr rufen, doch es ging nicht, ich konnte einfach nicht, es war, als würde mein Mund von unsichtbaren Fäden gehalten, sie lachte unbeschwert weiter, tauchte im Korridor ab, das Kleid schien sich langsam immer enger um meine Beine zu schließen, ihre Rufe halten in meinen Ohren wieder.

»Sieh doch! Schau doch! Guck doch Aruna!«

Ja, aber was?! Was Aleyna?!

Verzweifelt streckte ich meine Hände nach ihr aus, sie schien so unendlich schnell, ich schien so unendlich langsam.

Ich krachte in den Korridor, wieder diese unzähligen, unwichtigen Türen links und rechts, die einfach verschwammen, ich rannte weiter, rannte und rannte, Aleyna streckte die Arme von sich, als wollte sie jeden Moment abheben, ich ballte die Hände zu Fäusten, meine Stirn lag in tiefen Falten, das Kleid zog sich enger und enger, ich bekam keine Luft, wollte unbedingt weiter, riss meine Beine mit roher Gewalt nach vorne, langsam fingen die Wände an zu rasen, verschwammen zu einem einzigen Gemisch aus grau, dieses Mal kam ich weiter, Aleyna hatte den Ende des Korridors beinahe erreicht, ich keuchte, mein Atem schien einfach nicht mehr zu wollen, wie ich wollte.

Aleyna sah kein einziges Mal zurück.

»Du musst dich bloß erinnern! Komm schon Aruna! Sieh doch, schau doch, guck doch!«

Erinnern? Aber an was denn erinnern? Was hatte ich vergessen?!

Ich wollte weiter rennen, das Ende des Korridors schien näher als letztes Mal und doch so unendlich weit weg, meine Beine wurden schwerer und schwerer, ich keuchte, ächzte, hustete.

Nein! Nein!

Aleyna verschwand, das Licht, das sie mit sich trug, verschwand. Das Lachen. Das Glück.

Der Nebel. Er würde kommen. Die Schwärze. Sie würde mich jagen und hetzen. Sie würde mich fangen.

Meine Lider flimmerten, das Kleid schien mir jeglichen Atem zu rauben, ich wollte nach Hilfe rufen, ein unheimlicher Schmerz durchzuckte meinen Hals, ich ächzte auf, meine Brust schien jeden Moment zu explodieren und dann war es so, als würden meine Beine zu Blei werden.

Voller Verzweiflung wollte ich sie heben, wollte nicht stehen bleiben, wollte rennen, rennen und rennen und rennen, fliehen.

Doch sie hörten einfach auf.

Jemand steuerte sie, irgendjemand, aber nicht ich. Sie gehorchten mir nicht mehr.

Und dann hörte ich es, alles in mir schrie auf, alles in mir entbrannte voller Panik.

Das Heulen, das Jauchzen, das Knurren, das Winseln.

Es kreischte in meinen Ohren, ließ mich erzittern, panisch wirbelte mein Kopf herum, dunkelrote Strähnen, die sich aus der Hochsteckfrisur gelöst hatten, kräuselten sich um mein Gesicht, meine Augen weiteten sich, ich wollte zurückweichen, schrie meine Beine innerlich voller Panik an, endlich etwas zu tun, der Nebel türmte sich auf, schwarz, so unendlich schwarz, es packte mein Herz, hielt es fest, verhinderte, dass es schlug, Angst, unheimliche Angst trieb mir die Tränen in die Augen.

Und wieder war sie verschwunden. Wieder war Aleyna einfach gegangen, das Licht war gegangen, ihre Stimme war verstummt.

Und dann traf es mich. Traf mich mit voller Wucht, krachte kreischend gegen meinen Körper mit solch einer unendlichen Kraft, als wolle es jeden einzelnen Knochen in mir brechen.

Ich konnte nichts tun. Einfach nichts tun.

Und dann schrie ich. Ich schrie und schrie und schrie, der Schmerz riss mir die Haut vom Leib, brach mich entzwei zerriss mich, zerfetzte alles in mir.

Und dann war das einzige, was jemals existierte dieser unglaubliche, dieser qualvolle, dieser zerstörerische Schmerz.

Und meine Schreie.

Schreie. Schmerz. Schreie. Schmerz. Schreie. Schmerz.

Nichts.


○○○⃝    ○○○


»Hey!«

Ich keuchte, ich ächzte, warf meinen Kopf gequält hin und her, der kalte Schweiß stand auf meiner Stirn, mein ganzer Körper bebte, ich spürte die siedend heißen Tränen auf meinen Wangen und dann war da plötzlich noch etwas anderes.

Arme.

Sie schlangen sich um meinen Körper, schüttelten mich, drückten mich an die Person neben mir.

»Aruna!«

Seine Stimme klang beinahe verzweifelt, langsam verschwand der Nebel in meinem Kopf.

»Aruna, sch, alles ist gut, alles ist gut, es ist bloß ein Traum, nur ein Traum, hörst du mich?«

Ich keuchte auf, meine Hände krallten sich in sein T-Shirt, meine Lider erzitterten, dann riss ich panisch meine Augen auf, meine Beine wollten immer noch rennen, rennen und rennen und rennen und nie wieder aufhören.

Ich zitterte, sah ihn mit großen Augen an, beinahe erleichtert legte er den Kopf in den Nacken, seine Hand an meinem Rücken zitterte.

Warum zitterte sie?

Ich wollte meinen Mund öffnen, doch meine Lippen bebten so sehr, dass ich kein Wort herausbrachte, ich lag vollkommen außer mir da, meine Hände zitterten, krallten sich in den Stoff seines T-Shirt, als wäre es das einzige, was mich vom Ertrinken rettete.

Alecs Blick traf wieder mich und da sah ich es plötzlich.

»Nur ein Traum, alles ist gut. Es war nur ein Traum, du kannst dich beruhigen.«

Ich blinzelte heftig starrte vollkommen gelähmt auf seine Lippen, die sich beinahe wie in Zeitlupe bewegten.

Mir wurde schlecht.

Blut.

Seine Unterlippe war aufgeplatzt. Es war nicht viel Blut. Aber es war Blut. Und es brachte Erinnerungen.

Schmerz. Schreie. Blut.

Alec blinzelte verwirrt, ich war wie gelähmt.

»Was ist los?«, fragte er perplex, hob dann ganz langsam die Hand, folgte meinem Blick.

Und dann berührte er seine Lippe. Das Blut kletterte auf seine Finger, er runzelte die Stirn.

»Du hast um dich geschlagen, ich musste dich ja irgendwie beruhigen. Du hast mir eine ins Gesicht verpasst«, murmelte er, als wäre es komplett irrelevant.

War es eigentlich auch. Eigentlich.

Wenn man dieses gewisse Mädchen mit den dunkelroten Haaren und den Sommersprossen war, dann nicht.

Wenn man Aruna war, dann nicht.

Ich blinzelte heftig und erst da schien Alec zu verstehen.

»Oh«, meinte er verstehend, drehte sich hastig von mir weg und griff mit der Hand, mit der er mich nicht mehr festhielt, hinter sich.

Hastig nahm er sich ein Taschentuch und drückte es auf seine Lippe, langsam löste ich meine zittrigen Hände von ihm, vorsichtig ließ er mich los, ich sank schweratmend auf die Matratze zurück, meine Brust hob und senkte sich viel zu schnell und ich fragte mich, wie in Gottes Namen Ed und Adam nicht aufgewacht sein konnten.

Langsam hob ich meine Hände, legte sie zittrig auf mein Gesicht und wischte mir die Tränen weg, während Alec immer noch aufrecht neben mir saß und seinen schnellen Atem zu beruhigen versuchte.

»Der gleiche Traum?«, fragte er schließlich irgendwann, ich schluckte schwer und nickte dann langsam.

»Ja«, hauchte ich.

»Der gleiche Traum.«

Alec seufzte und rieb sich über das Gesicht, schien jetzt, wo ich ihn in Grund und Boden geschrien und ihm nebenbei noch eine verpasst hatte, vollkommen wach.

»Tut mir leid«, krächzte ich nach einer bedrückten Stille, wagte es nicht, ihn anzusehen.

»Ich wollte dich nicht wecken«, redete ich leise weiter, konnte das Zittern in meiner Stimme nicht verhindern.

Alec wollte zu einer Antwort ansetzen, doch ich redete einfach weiter.

»Und ich wollte dich nicht schlagen. Ich wollte dir nicht weh tun.«

Langsam wandt ich meinen Kopf zu ihm, meine Hände zitterten immer noch, lagen vollkommen unruhig auf meinem Bauch, ich blinzelte heftig, sah zu ihm auf, er seufzte, seine grauen Augen senkten sich zu mir hinab, immer noch drückte er das Taschentuch gegen seine Lippe.

»Ich weiß«, erwiderte er, ich atmete tief durch, fühlte mich elend.

Diese Träume machten mich fertig.

»Glaubst du, Ally schickt sie dir?«

Ich blinzelte ihn verwirrt an, er faltete das Taschentuch kleiner, drückte es weiter auf seine Lippe.

»Diese Träume meine ich.«

Ich zuckte mit den Schultern, wollte jetzt nicht darüber nachdenken, wollte den Traum verdrängen, die Frau, die ich in ihm war.

Als ich das nächste Mal sprach, zitterte meine Stimme immer noch. Ich wollte es nicht, wollte, dass sie endlich wieder normal klang und konnte es doch nicht verhindern.

»Alec?«

»Ja?«

»Danke.«

Verwirrt runzelte er die Stirn, zog die Augenbrauen zusammen und warf mir einen überraschten Blick zu.

»Wofür?«

Ich schloss die Augen, atmete tief ein, langsam beruhigte sich mein Herz wieder, mein Puls schien nicht mehr so unendlich schnell zu rasen, das Rauschen in meinen Ohren wurde langsam immer leiser.

»Dafür, dass du mich da raus holst«, hauchte ich schließlich.

Ich wusste nicht, wie Alec auf diese Worte reagierte, presste meine Lider fest aufeinander, wollte auch ehrlich gesagt gar nicht wissen, wie er reagierte.

Keine Ahnung, warum.

Nach einer Weile des Schweigens räusperte sich Alec schließlich, meine Augen hatte ich nicht mehr geöffnet, langsam, ganz langsam hob und senkte sich meine Brust wieder normal.

»Du...«

Alec stockte kurz.

»Du solltest versuchen, noch etwas zu schlafen.«

Ruckartig riss ich meine Augen wieder auf, erst jetzt realisierte ich wirklich, dass das Licht ausgemacht worden war.

Hatte Alec etwa gewartet, bis ich eingeschlafen war? Aber das war jetzt unwichtig.

Hektisch schüttelte ich den Kopf.

»Aber was ist, wenn er zurückkommt?«, keuchte ich.

»Ich will nicht träumen Alec.«

Alec rieb sich über seine Augen, legte das Taschentuch weg, mittlerweile hatte seine Lippe aufgehört, zu bluten.

»Ich bin sowieso nicht mehr müde. Ich pass auf.«

Ich seufzte, blinzelte erschöpft, verstand nicht, warum er das machte.

»Du bleibst wach?«, fragte ich müde, verwirrt, hatte nicht das Gefühl, bis eben noch geschlafen zu haben.

Es war mehr, als wäre ich die ganze Zeit gerannt und gerannt und gerannt.

Aber war ich das nicht auch?

Alec nickte, strich sich das Haar aus dem Gesicht.

»Du kannst ruhig schlafen, es sind sowieso nur noch höchstens zwei Stunden, bis es dämmert.« 

»Okay«, murmelte ich einfach, drehte mich auf die Seite, war zu müde, um viel über diese Situation nachzudenken.

Ich bettete meinen Kopf auf meinen Händen, spürte für einen Moment seinen bohrenden Blick in meinem Rücken, ein Schauer überkam mich, meine Augen juckten von den ganzen Tränen.

Schließlich seufzte Alec.

»Hier«, murmelte er und schob mir die dunkelbraune Decke zu, die er zuvor behalten hatte.

»Ich brauch sie sowieso nicht.«

Ich drehte mich wieder auf die andere Seite, sah ihn kurz an, er wandt den Blick ab und sah aus dem kleinen Fenster.

»Danke«, murmelte ich, nahm die Decke, verkroch mich tief unter ihr, versteckte mich, verbarg mich.

Okay Aruna, alles ist gut, keine Angst...

Und wenn du wieder versinkst, ist er da, er wird dich nicht ertrinken lassen.


◊♠


Nachdenklich biss ich ein weiteres Stück des Schokoriegels ab, der mir heute Morgen als Frühstück diente.

Eigentlich schmeckte er nach nichts und ich wollte nicht wissen, wie lang er schon bei Ed herumlag, aber ich war wenigstens freundlich gewesen und hatte ihn nicht abgelehnt, wie Alec es getan hatte.

Ich runzelte meine Stirn, während ich meine Beine vom Geländer der Veranda baumeln ließ, auf dem ich saß, und beobachtete Alec dabei, wie er fluchend mit dem Auspuff unseres Motorrads kämpfte, während Ed irgendwo in den tiefen seiner Werkstatt verschwunden war und nach einer neuen Bremse suchte. Oder so.

Ich zerknüllte das Papier des Riegels in meiner Hand, langsam hoben sich meine Mundwinkel, ich beobachtete belustigt, wie Alec sich das Motoröl ausversehen in die Haare schmierte, durch die er sich ziemlich verzweifelt gefahren war.

Okay, zeichnen konnte er, kämpfen ebenfalls, aber Dinge zu reparieren gehörte wohl nicht zu seinen Talenten.

Was ein Glück für mich, dass sie das Motorrad mitten auf dem Hof reparierten, dann konnte ich mich schön über ihn lustig machen, während die letzten kargen Sonnenstrahlen des Monats meine Beine wärmten.

»Pass auf, es lebt noch«, rief ich irgendwann grinsend, nachdem es beinahe so aussah, als würde Alec gleich mitsamt des Teiles umfallen.

Als er böse aufsah und mir einen giftigen Blick zuwarf, hielt ich mich leise lachend an einem der Pfosten fest, nicht, dass ich gleich noch äußerst elegant nach hinten kippen würde.

Das wäre dann wohl peinlich für mich.

»Halt die Klappe«, rief Alec zu mir rüber und schüttelte schnaubend den Kopf.

»Du könntest es nicht besser«, grummelte er dann und legte das Teil ganz vorsichtig auf dem Boden ab, als hätte er Angst, es würde sonst explodieren.

Da hatte er allerdings Recht, aber genau aus diesem Grund hielt ich ja auch fünf Meter Sicherheitsabstand zu dem Monsterteil.

Ich wollte gerade etwas erwidern, als hinter mir plötzlich die Tür zugeknallt wurde.

Erschrocken fuhr ich herum, Adam hatte eine dunkle Sporttasche über seine Schulter gehängt, der Verband war allem Anschein nach gewechselt wurden.

Beinahe nervös sah er auf den Boden, als traute er sich nicht, aufzusehen, auch nur in seine Nähe zu sehen.

Okay?

»Hey.«

Überrascht sah Adam auf, seine braunen Augen trafen mich, er musterte mich kurz, weigerte sich trotzdem strikt, auch nur ein Stück hinter mich zu sehen.

Er erwiderte nichts, also versuchte ich einfach weiter mein Glück, um vielleicht nicht komplett unfreundlich rüberzukommen.

»Du bist Adam, richtig?«

Der Junge nickte, ich griff mit meiner anderen Hand nach dem Holzpfosten, um meine linke Hand zu entlasten, während ich meinen Körper verrenkte, um Adam ansehen zu können.

Langsam nickte er, das braune Haar stand von seinem Kopf ab, war zu kurz, um wirklich in seinem Gesicht hängen zu können, wenn es nicht gerade vom Training hinab hing.

Ich spielte nachdenklich mit dem Anhänger meines Amuletts herum und fragte mich, ob Alec diesen Jungen wirklich so sehr einschüchterte, dass der nicht sprach.

»Macht er dir Angst?«, fragte ich dann einfach gerade heraus, vielleicht war ich manchmal etwas zu direkt.

Überrascht blinzelte Adam, dann schüttelte er hastig den Kopf, trat unruhig vom einen Fuß auf den anderen.

Sehr überzeugend.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Mir hat er am Anfang Angst gemacht«, meinte ich.

»Manchmal dachte ich, er würde mich im nächsten Moment umbringen.«

Ich lachte leise auf.

War es nicht banal, dass das sogar der Wahrheit entsprach?

Adam blinzelte, hielt die Sporttasche immer noch fest und stierte irgendwo auf den Boden, kurz vor dem Verandageländer.

Der Junge räusperte sich.

»Und wie kommt es, dass ihr jetzt zusammen seid?«, fragte er dann, den ersten richtigen Satz, den ich ihn sagen hörte.

Ich blinzelte verdattert, hörte, wie Alec in seiner - mehr oder weniger - Arbeit inne hielt.

»Zusammen?«, fragte ich perplex, Adam nickte, traute sich nicht, mich anzusehen.

Ich runzelte die Stirn.

»Wir sind nicht zusammen«, erwiderte ich dann, zog die Augenbrauen zusammen.

Warum dachte das eigentlich jeder?

Vielleicht weil ihr vollkommen alleine mitten im Nirgendwo unterwegs seid?

Okay, das klang einleuchtend.

»Oh«, machte Adam, sah langsam wieder auf, für einen kleinen, einen klitzekleinen Moment huschte sein Blick hinter mich, beinahe augenblicklich spannte er sich an, ließ den Blick wieder nervös sinken.

Okay?

Ich warf einen Blick in Alecs Richtung und als ich seinen Blick auffing, verdrehte der die Augen und zuckte ratlos mit den Schultern, sah mich dann warnend an, damit ich ihn ja nicht wieder mit seinem Liebesleben aufzog.

Leise grinsend drehte ich meinen Blick wieder von ihm weg, Adam stand immer noch nervös vor mir.

»Ich muss... gehen«, brachte er hervor, stürmte dann einfach die Veranda hinab und verschwand in Richtung eines dunkelblauen Motorrads.

Verdattert blickte ich ihm hinterher, während er seine Sporttasche nervös an das Motorrad schnallte und sich fahrig durchs Haar rieb.

Ich seufzte.

Vielleicht stand er ja wirklich auf Alec, so, wie er sich hier benahm.

Oder die Erscheinung des Ven machte ihn einfach nervös.

So oder so, sein Verhalten war komisch und ich fragte mich, was mit ihm los war.

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