61

»Wollt ihr beide jetzt reinkommen oder was?«

Eds Stimme ließ uns zusammenzucken, ich fuhr hoch, schaffte es endlich, auf meinen eigenen Beinen zu stehen, während Alecs Hände immer noch zitterten.

Hastig rieb ich mir über die Augen, damit Ed meine Tränen nicht sehen konnte, während er mit diesem freundlichen Lächeln, dem gutmütigem Funkeln in seinen Augen, in der Eingangstür stand.

Alec und ich warfen uns noch einen kurzen, verstohlenen Blick zu, dann setzten wir uns in Bewegung.

»Es ist nicht das Schönste«, erklärte Ed, während er mir die Tür aufhielt, damit ich reingehen konnte.

»Aber es ist etwas.«

Neugierig sah ich mich um. Wir standen in einer kleinen Küche, hier und da blitzte unsauberes Besteck auf und auf dem Herd stand wohl noch das Mittagessen, die karierte Tischdecke wirkte, so wie seine Küche, nicht mehr ganz neu und auch die Eckbank, sowie die zwei weiteren Stühle, hatten ihre besten Tage wohl hinter sich, ich war mir ziemlich sicher, dass die Sitzpolster einmal weiß gewesen waren.

Aber während Alec eher skeptisch die Nase rümpfte, wie die Etepetete, die er nun einmal war, machte es mir nicht wirklich etwas aus.

Eine unaufgeräumte Küche eben, bei Eza hatte es auch immer so ausgesehen, da ihr Vater nicht viel Zeit hatte, um aufzuräumen, weil er eine leitende Position bei den Gärtnern inne hatte und Eza und ihr großer Bruder Kay nicht wirklich viel Lust hatten, die Küche sauber zu halten, geschweige denn, richtig zu kochen.

Niemand redete darüber, was mit ihrer Mutter war.

Eza am allerwenigsten, von dieser Frau wollte sie nie wieder etwas wissen.

Als Ez gerade einmal fünf Jahre alt gewesen war, hatte sie die Verbindung mit ihrem Vater gekappt, indem sie sich auf jemand anderen geprägt hatte und in ein anderes Rudel gegangen war.

Eigentlich war es fast unmöglich, die Verbindung der Geprägten zu zerstören, vor allem, weil es eigentlich die Person sein sollte, die man so sehr liebte, dass man für sie sterben würde, aber manchmal ging es. So auch in diesem Fall.

»Wollt ihr etwas essen? Es ist noch Auflauf von heute Mittag übrig, kalt schmeckt der auch ganz gut«, bot Ed uns schließlich an und ich brauchte gar nicht lange zu überlegen, nickte einfach sofort, während sich Alec eher misstrauisch an den Türrahmen lehnte, der zu einem kleinen, mit Schuhen vollgestopften, Flur führte.

Ich erkannte nur eine weitere Tür, danach folgte bloß eine schmale Treppe, die hinauf führte und bei jedem Schritt vermutlich zu quietschen und knarzen anfing.

»Warum hilfst du uns?«, fragte dann plötzlich Alec misstrauisch, während ich schon dabei gewesen war, mich auf die Eckbank zu setzen.

Ich hielt inne. Das allerdings war eine sehr gute Frage.

Ich drehte mich wieder um, während Ed summend zwei Teller mit Auflauf befüllte.

Er zuckte mit den Schultern.

»Ihr saht aus, als könntet ihr Hilfe gebrauchen«, meinte er bloß, Alec warf mir einen skeptischen Blick zu, ich hob eine Braue und zuckte mit den Schultern, während ich mich endgültig auf die Bank fallen ließ, mein Magen knurrte.

Alec allerdings schien sich mit dieser Antwort nicht zufrieden zu geben.

»Wir könnten Massenmörder sein«, meinte er nüchtern, Ed lachte leise auf.

»Ja, vielleicht, aber das könnte ich doch auch, oder?«

Da hatte er Recht.

Rein theoretisch könnte Ed auch der Verrückte sein, der ahnungslose Teenager in sein Haus lockte um ihnen dann vergifteten Auflauf zu verabreichen.

»Vielleicht sollten wir uns darauf einigen, dass keiner von uns ein Massenmörder ist?«, schlug ich nach kurzer Stille vor und während Alec bloß die Augen verdrehte, gluckste Ed.

»Eine sehr gute Idee«, nickte er und hantierte weiter am Herd herum.

Alec seufzte und setzte sich schließlich in Bewegung, um sich ebenfalls hinzusetzen. Ich rückte etwas zur Seite, er ließ sich neben mich fallen.

»Ich traue ihm trotzdem nicht«, raunte er.

Ich seufzte und stützte meinen Kopf auf die Hände.

»Warum ist es so schwer für dich, einfach daran zu glauben, dass er nett ist?«, fragte ich ebenso leise, während Ed seiner Lieblingsbeschäftigung nachging, dem Summen von Country-Songs.

Alec schnaubte.

»Es gibt keine guten, oder netten Menschen Aruna. Es gibt nur die, die etwas wollen und deshalb helfen oder die, die es schon haben und deshalb nicht helfen.«

Seufzend verdrehte ich die Augen.

»Ja, und dein Glas ist ja auchimmer halbleer und halbvergiftet«, murrte ich bloß, immer noch ziemlich müde, um ehrlich zu sein.

»Und deins ist halbvoll, oder wie?«, entgegnete er und lehnte seinen Kopf gegen die Wand, wobei er beinahe gegen das Pendel einer Uhr gestoßen wäre.

»Na wenigstens ist in meinem Glas etwas drin.«

Zumindest wieder.

Zwischendurch war es leer gewesen. Und ich hatte nicht bemerkt, wann oder wer es wieder gefüllt hatte.

Freundlich lächelte uns Ed an, als er uns schließlich den Auflauf hinstellte.

Gut, da waren Nudeln drin. Und ein undefinierbares, grünes Gestrüpp. Und Dosenpflaumen.

Dosenpflaumen? Wer zur Hölle tat Dosenpflaumen in seinen Auflauf?

Trotzdem lächelte ich Ed an und nahm meinen Teller dankend entgegen, während die Etepetete neben mir wieder die Nase rümpfte.

Wie konnte man eigentlich so unglaublich undankbar sein?

»Ich bin keine Etepetete«, grummelte Alec schnaubend, während Ed sich vor uns fallen ließ.

»Und?«, fragte er schließlich.

»Was suchen zwei junge Leute wie ihr mitten im Nirgendwo in Nebraska?«

Während ich mir bereits den ersten Löffel in den Mund schob, betrachtete Alec sein Essen immer noch eher skeptisch.

Gut, es war definitiv kein fünf Sterne Essen und ich war mir nicht sicher, ob das grüne Gestrüpp überhaupt irgendwo in irgendeine Mahlzeit hineingehörte, aber es war Essen.

Und ich hatte Hunger. Also aß ich.

Ich überließ es Alec, zu antworten, weil ich zum einen nicht wirklich Lust hatte, mir jetzt eine Lüge auszudenken und zum anderen, weil mein Mund voller Auflauf war und mich Alec vielleicht sogar getreten hätte, wenn ich jetzt mit vollem Mund gesprochen hätte.

»Wollten ein paar Freunde besuchen«, erklärte der Ven schließlich, hatte sein Essen immernoch nicht angerührt.

»In Missouri«, fügte er dann noch hinzu, vielleicht, damit es glaubwürdiger klang.

»Na dann war es aber ganz schön mutig von euch, mit dieser Schrottkarre zu fahren, keine Ahnung, wie ihr überhaupt vorangekommen seid.«

Na das waren doch klasse Nachrichten...

»Aber keine Sorge, ich schau mir das morgen mal an, das kriegen wir bestimmt hin.«

Wieder dieses freundliche, gutmütige Lächeln und während ich mich schon bedanken wollte, ließ Alec das Arschloch raushängen, das er nun einmal war.

»Wofür? Was wird uns das kosten?«

Ich verdrehte die Augen, Ed gluckste.

Dann traf sein Blick auf mich.

»Dein Freund ist ganz schön misstrauisch, was?«

Und ehe ich wirklich darüber nachdenken konnte, was er da gerade gesagt hatte, nickte ich einfach, Alecs schnaubte, stieß mir seinen Ellbogen in die Seite, woraufhin ich empört aufkeuchte, Ed nur noch breiter grinste.

Dann wandt er sich wieder an Alec.

»Und um auf deine Frage zurückzukommen: Es wird euch nichts kosten, du musst bloß mit anpacken.«

»Ich kann auch helfen«, schlug ich vor, Alec allerdings warf mir einfach einen skeptischen Blick zu und hob eine seiner Brauen.

»Lieber nicht. Du steckst nachher noch die ganzen Autos an.«

Ich schnaubte und verschränkte meine Arme vor der Brust.

»Stimmt doch gar nicht«, murrte ich beleidigt, obwohl ich sehr wohl wusste, dass es stimmte.

Also vielleicht würde ich sie nicht in Brand stecken, aber irgendetwas würde ich vermutlich mit Sicherheit kaputt machen.

Und nach Alecs Gesichtsausdruck hatte er meine Gedanken gelesen, so, wie er die Augenbrauen hochzog.

Schnaubend verschränkte ich die Arme vor der Brust, als plötzlich ein leises Klirren von der Eingangstür ertönte.

Alarmiert sahen Alec und ich auf, der Auflauf blieb auf halbem Wege zu meinem Mund stehen, mein Herz machte einen kleinen Aussetzer.

Und dann wurde die Tür geöffnet, Alec hatte sich neben mir vollkommen angespannt.

Schließlich trat ein Junge ein, er konnte höchstens 18 Jahre alt sein, das dunkelbraune Haar hing ihm schwitzig im Gesicht, die braunen Augen wirkten müde, das weiße T-Shirt, dass er anhatte klebte ihm schmutzig am schmächtigen Körper, seine Hände zitterten etwas und der Verband um seinen Oberarm sah ebenfalls so aus, als müsse er dringend gewechselt werden.

Vollkommen stumm starrten Alec und ich ihn an, ich musterte ihn zugegeben etwas verwirrt, und dann hob der Junge plötzlich den Blick.

Erst saher mich an, zog verwundert die Augenbrauen zusammen, musterte mich kurz, so wie ich ihn musterte.

Doch dann fiel sein Blick auf Alec.

Und er erstarrte.

Es war, als würden sich seine Augen beinahe unmerklich weiten, Alec runzelte verwirrt die Stirn, der Mund des Jungen klappte auf, als wolle er etwas sagen, sein Blick glitt über die große Gestalt des Vens neben mir, er blinzelte heftig, ich sah verwirrt zwischen ihnen hin und her, die komplette Haltung des Jungen veränderte sich, während Alec da saß und ganz offenbar nicht wusste, was er tun sollte, der Junge betrachtete ihn einfach weiter mit großen Augen.

Er war weder Lykanthrop noch Ven, hatte keine Praes und roch einfach... normal.

Ein Inbec.

»Ah Adam, da bist du ja endlich«, unterbrach dann plötzlich Ed diese wirklich merkwürdige, merkwürdige Situation, Adams Blick löste sich endlich von Alec, was den beinahe erleichtert ausatmen ließ.

Nun sah Ed wieder uns an.

»Leute, das ist Adam, mein Sohn, Adam, das sind Emma und Cole, ihr Motorrad hat drüben auf der Aschten Road den Geist aufgegeben.«

Moment.

Emma und Cole?

Ich sah Alec verwirrt an, der zuckte bloß mit den Schultern.

»Er hat nach unseren Namen gefragt, besser übervorsichtig, als nachlässig«, raunte er mir zu, während Ed seinen Sohn irgendetwas wegen irgendeinem Training fragte.

Adam schien allerdings nicht wirklich ansprechbar, stierte beinahe nervös auf einen der Küchenschränke, als traute er sich nicht, Alec auch nur anzusehen.

Okay...?

»Und da ist dir wirklich nichts besseres eingefallen, als Emma und Cole?«, zischte ich stirnrunzelnd zurück.

Und plötzlich kam die Erinnerung.

Der erste Tag nach den Sommerferien in der Schule. Ein Silberdolch an meiner Kehle. Alec, wie er mich gegen die Wand gedrückt hatte und nach meinem Namen fragte.

Wie ich ihm Emma geantwortet hatte und wie er daraufhin erwidert hatte, dass ich nicht aussähe wie eine Emma.

Gott, wie lange war das jetzt schon her? Es schien eine Ewigkeit...

Und jetzt saß ich mit besagtem Ven irgendwo in Nebraska, Staaten entfernt von meiner Heimat, am Tisch eines überaus freundlichen Automechanikers, aß Dosenpflaumenauflauf, der nach ein paar Bissen übrigens gar nicht mehr so schlecht schmeckte, und wunderte mich über das äußerst komische Verhalten seines Sohnes, gegenüber dem schwarzhaarigen Jungen neben mir.

»Setz dich doch erst mal«, meinte Ed dann schließlich, Adams Augen wurden noch größer, sein Blick traf wieder auf Alec, der verwirrt eine Braue hob, Adams Hände fingen an zu zittern und ich fragte mich, ob Alec ebenfalls hören konnte, wie schnell sein Herz schlug.

Dann schüttelte der Junge plötzlich heftig den Kopf, keuchte ein »Duschen« und verschwand schließlich im Flur.

Verwirrt blickte Ed seinem Sohn hinterher, während mein Blick auf Alec fiel, der dem Jungen ebenso verwirrt hinterher blickte, wobei sich sein Kiefer immer und immer wieder anspannte und entspannte, anspannte, entspannte.

Schelmisch grinsend beugte ich mich zu ihm rüber.

»Ich glaube, er steht auf dich«, raunte ich, wie vom Blitz getroffen, schnellte sein Kopf zu mir, so schnell, dass er beinahe gegen meinen Kopf gestoßen wäre, ich grinste vielsagend zu ihm hinauf und zuckte mit den Augenbrauen.

»Na?«, grinste ich, sein Blick verfinsterte sich.

»Hör auf damit!«, zischte er wütend, ich hörte allerdings nicht auf, meine Augenbrauen zuckten einfach weiter auf und ab, seine Hände ballten sich zu Fäusten.

»Ich stehe nicht auf Typen«, zischte er gereizt, eigentlich war es fies von mir, einfach weiter zu machen, aber irgendwie machte es viel zu viel Spaß, ihn zu ärgern.

Ich merkte nicht einmal wirklich, dass Ed aufgestanden war, um zu sehen, ob mit seinem Sohn alles in Ordnung war.

»Und wenn, wäre es nicht schlimm«, erwiderte ich grinsend und zwinkerte.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte finster auf mich hinab, war eindeutig genervt von mir.

»Es ist aber nicht so«, zischte er, ich lachte, böse wie ich nun einmal war, in mich hinein, Alec wollte ganz offensichtlich nicht mehr über sein Liebesleben reden, schob sich sogar ein wenig Auflauf in den Mund.

Wie es später wohl aussehen würde? Keine Ahnung, woher dieser Gedanke aufeinmal kam.

Ob er wohl seine eigene kleine Familie gründen würde, mit einer wunderschönen Frau, vermutlich Ven, an seiner Seite?

Vielleicht würde er ja Kinder haben, eine kleine Tochter, die er über alles liebte und einen kleinen Sohn, dem er das zeichnen beibringen konnte und wenn sie abends einschliefen, würde er ihnen seine Abenteuer erzählen, während seine Frau stolz auf ihreFamilie hinab lächelte und ebenso gespannt zuhörte, wie ihre Kinder.

Vielleicht wohnten sie in einem schicken Einfamilienhaus, mit Garten und Schaukel.

Alec als Familienvater. Ein komischer Gedanke, ehrlich. Ein banaler Gedanke.

»Wenn du schon am mich denkst, dann denk nicht so laut«, grummelte dann plötzlich Alec neben mir, ich zuckte zusammen, fuhr hastig die Mauer hoch, die mein idiotisches Ich vergessen hatte und spürte, wie meine Ohren anfingen zu glühen.

»Raus aus meinem Kopf«, krächzte ich kleinlaut, er lachte humorlos auf, ging zu meiner unendlichen Erleichterung allerdings nicht auf meine merkwürdigen Gedanken ein und stocherte einfach weiter in seinem Essen herum.

Ich sollte wirklich aufpassen, worüber ich nachdachte.

Gott, wieso dachte ich überhaupt über die bescheuerte Familienplanung eines bescheuerten Ven nach, mit dem ich nach North Carolina vermutlich sowieso nichts mehr zu tun haben würde?!

Ich war definitiv zu müde.

Gähnend schob ich meinen leeren Teller von mir weg und legte meinen Kopf auf meine Arme ab.

»Was glaubst du, wie lange wir hier bleiben müssen?«, fragte ich irgendwann und musterte die Küchenzeile.

Alec zuckte mit den Schultern.

»Keine Ahnung, ich hoffe Ed bekommt das schnell wieder hin«, murmelte er, ich runzelte die Stirn.

»Glaubst du erhat ein Ladekabel oder so?«

Alec seufzte.

»Keine Ahnung. Und wenn würde es uns auch nichts bringen, hier werde ich mit Sicherheit keinen Empfang haben.«

»Glaubst du, es geht ihnen gut?«

Alec nickte.

»Sie sind taff. Sie schaffen das schon, vermutlich hat der Clan sie nach Missys Redekünsten mit offenen Armen empfangen.«

Ich seufzte und rieb mir die Augen.

»Hoffen wirs...«

Ich hoffte eswirklich. Denn auch, wenn es mir schwergefallen war, auch, wenn die Erinnerungen immer noch nicht ganz verschwunden waren, so waren mir zumindest Missy und vor allem Lila wenigstens ein bisschen ans Herz gewachsen.

»Wie lange können sie unsere Familien davon abhalten, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen?«

Seufzend schob Alec den Teller von sich und lehnte sich nach hinten.

»Wir sollten uns beeilen.«

Ja, das war eine Antwort, die mich beruhigte...

»Entschuldigt, ich weiß echt nicht, was mit ihm los ist, das Training war wohl anstrengend«, murmelte Ed, als er indie Küche zurückkam.

Alec zuckte bloß mit den Schultern und auf meinen vielsagenden Blick hin, sah es beinahe so aus, als würde er überlegen, mir die Kehle rauszureißen.

»Kein Problem«, meinte ich also schließlich.

»Vermutlich war er einfach nur müde.«

So wie ich, nebenbei bemerkt.

Und da schien Ed etwas einzufallen.

»Ach ja, vermutlich seid ihr beide auch müde, ich zeig euch, wo ihr schlafen könnt.«

Und ohne auf eine Antwort zu warten, tauchte er einfach wieder in den Flur ab.

Ich stand auf und folgte ihm, Alec zögerte, rappelte sich dann allerdings ebenfalls murrend auf.

Als wir in den Flur traten und ich nebenbei beinahe über eines der unzähligen Schuhpaare - wozu zur Hölle brauchten die so viele Schuhe?! - gestolpert wäre, hörte ich ein leises Rauschen aus der einzigen Tür hier unten.

Ein Badezimmer also.

Ed führte uns die Treppe hoch, wie ich erwartet hatte knarzte und quietschte sie, ich sah mich neugierig um.

Keine Bilder.

Was wohl mit Eds Frau war? Vielleicht hatte sie sich von ihm getrennt?

Vielleicht war sie tot.

Wow Aruna, wieder sehr taktvoll.

Naja, dass eine weibliche Hand in diesem Haushalt fehlte, sah man allerdings mehr als deutlich.

Schließlich kamen wir in dem oberen Flur an, eines der Holzbretter war locker und als ich hinauf trat, wäre ich beinahe gegen eine kaputte Stehlampe geknallt.

Ich runzelte die Stirn.

An der Decke hing eine einzige Glühbirne, die spärliches Licht spendete, hier oben waren drei weitere Türen.

Irgendwie hatte das Haus von draußen sehr viel größer ausgesehen. Wo war der ganze Platz hin verschwunden?

Ed führte uns den Flur entlang, bis wir schließlich an der letzten Tür ankamen.

Die Klinke hing in einem merkwürdigen Winkel ab und irgendwie tat mir Ed mit einem Mal leid.

Vielleicht hatte es früher anders ausgesehen, das Haus meine ich. Vielleicht war seine Frau wirklich gestorben, deshalb sah es so aus, wie es nun aussah. Vielleicht fehlte sie ihm. Vielleicht hatte das Haus deshalb seinen Geist verloren.

»Es ist nicht groß, aber wenigstens etwas«, erklärte Ed mit diesem gutmütigen Lächeln und öffnete die Tür, die ein ungesundes Quietschen von sich gab.

Ich blinzelte ein paar Mal, damit sich mein Sehsinn auf die Dunkelheit einstellen konnte, Ed allerdings griff in den Raum hinein, tastete die Wand entlang, dann flimmerte eine Glühbirne auf, ließ ein leises Geräusch mit sich schwingen.

Ich blinzelte.

Okay. Gut. Das würde Ärger geben.

Ein kleiner Raum tat sich vor uns auf, ein mickriges Fenster zeigte, wie dunkel es draußen geworden war, die Kommode an der Wand schien nicht gerade neu, genau wie der kleine Kleiderschrank und der grüne Teppichboden.

Aber das war nicht das Problem.

Das Problem war das Bett. Oder besser gesagt, die Couch. Eine Ausklappcouch, um genau zu sein. Eine kleine Ausklappcouch um noch genauer zu sein.

Vielleicht würde ich auf dem Boden schlafen.

Alec schien genau so begeistert, wie ich. Ich spürte förmlich, wie er hinter mir erstarrte.

»Irgendwo in der Kommode muss noch ne Decke rumliegen«, meinte Ed schulterzuckend, drehte sich zu uns um, grinste breit und ging dann einfach.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, ihn amüsierte das ganze hier viel zu sehr.

Mich ehrlich gesagt nicht so. Ich traute mich nicht einmal, Alec anzusehen, als ich langsam in das Zimmer trat.

Auf die Couch würden wir niemals zu zweit passen.

Okay, vermutlich schon, aber das würde mit Sicherheit nicht gemütlich werden. Vor allem nicht, weil wir immer penibel darauf achteten, uns nicht zu berühren.

Super...

Plötzlich knallte irgendetwas rechts von mir zu, ich zuckte zusammen und wirbelte erschrocken herum.

Alec hielt eine dunkelbraune Decke in den Händen.

»Du bekommst das Bett, ich bekomme die Decke«, grummelte er schlecht gelaunt und breitete die Decke dann einfach auf dem Boden aus.

Hatte er... hatte er wirklich vor auf dem Boden zu schlafen?

Wow, er musste mich wirklich nicht leiden können.

Andrerseits, besser so für mich, dann hatte ich mehr Platz.

Und während ich mich seufzend auf die Couch legte, verdrängte ich das schlechte Gewissen mit voller Macht. Ich meine, immerhin hatte er es selbst so gewollt, war ja nicht meine Schuld, dass er sich einfach auf den Boden gelegt hatte...

Okay Aruna, nicht einmal dir selbst kannst du etwas vormachen.

Ich hasste es übrigens, ohne Decke zu schlafen.

Seit der Sache mit den Ven noch mehr.

Es war nicht so, als wäre mir kalt, ich versteckte mich bloß unter ihr. Als würden die Monster meiner Albträume so nicht an mich herankommen.

Okay, ich gab zu, das war dämlich...

Alec stand auf, wollte den Lichtschalter ausmachen, ich sah hastig auf.

»Würde es dir was ausmachen, dass Licht anzulassen?«, fragte ich kleinlaut, in Wyoming hatte ich wenigstens immer noch eine kleine Nachttischlampe gehabt.

»Ja?«, erwiderte er perplex, seine Hand schwebte über dem Lichtschalter, er sah mich mit gerunzelter Stirn an.

Ich seufzte und ließ meinen Kopf wieder nach hinten fallen.

»Ich mag die Dunkelheit nicht«, murmelte ich leise, kniff dann die Augen zusammen, versuchte, die Erinnerungen, die in mir aufkamen, zu verdrängen.

Kalter Steinboden, Silber überall, es verbrannte meine Haut, Schläge, Fieber. Schmerz.

Ich zuckte beinahe zusammen, als ich an Cal dachte, dieses schreckliche, dieses narbenzerfressene Gesicht.

Okay Aruna, stell dich jetzt nicht so an, sei keine Memme, immerhin schläft er schon auf dem Boden...

»Schön«, murmelte Alec dann plötzlich, ich sah überrascht auf, er machte sich murrend wieder auf den Weg zu seinem Schlafquartier und setzte sich gähnend auf die Decke.

Ich blinzelte verwirrt. Warum tat er das?

Alec sah mich nicht an, legte sich mit dem Rücken zu mir, versuchte sich irgendwie mit dem Stück Decke zuzudecken, auf dem er nicht lag, was ihm eher schlecht als recht gelang.

Halleluja war ich egoistisch...

Ich räusperte mich verlegen, wusste nicht, wie ich anfangen sollte.

»Ehm...«, startete ich also sehr intelligent, er drehte sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir um, sah mich fragend an, meine Ohren wurden warm.

Wieso endeten diese Situationen eigentlich immer so unangenehm und komisch?

»Also...«, stammelte ich und sah nervös auf meine Finger hinab.

Gott, warum war das denn so schwer?

Abwartend sah er mich an.

»Ich kann rutschen, wenn du willst«, nuschelte ich dann verlegen.

Wieso musste ich mich eigentlich immer so verdammt ungeschickt anstellen? Als wäre ich zehn Jahre alt, nicht siebzehn.

Eigentlich war es lächerlich, dachte ich. Aber so war ich nun einmal.

Überrascht hob Alec die Augenbrauen.

»Sicher, dass du mich in der Nacht nicht umbringst?«, fragte er zweifelnd.

»Wenn du auf deiner Seite bleibst«, erwiderte ich und rutschte demonstrativ an den linken Rand der Couch.

Warum genau wollte ich nochmal nett sein?

Seufzend verdrehte Alec die Augen, zu meiner großen Überraschung allerdings stemmte er sich schließlich hoch.

Allem Anschein nach hatte er nicht sonderlich viel Lust, auf dem harten Boden zu schlafen. Verständlich, irgendwie.

»Von mir aus«, brummte er, die Matratze senkte sich, als er sich neben mich fallen ließ, für einen Moment hielt ich die Luft an, drehte mich dann schleunigst auf die Seite, damit ich ihn bloß nicht ansehen musste.

Ja, ich war siebzehn Jahre alt, nein, ich verhielt mich definitiv nicht so.

Aber immerhin war Alec auch nicht viel besser, er drehte sich von mir weg und dann schwiegen wir.

Ich konnte geradezu spüren, wie sich alles in ihm anspannte, ich musste mich daran erinnern, wie man normal atmete.

Doch zum Glück war ich durch diesen ganzen Tag verdammt müde, sonst hätte ich mit Sicherheit noch drei Stunden wach gelegen, ohne ein Auge zuzubekommen, weil mich der Ven hinter meinem Rücken viel zu unruhig machte.

Ich kniff meine Augen zusammen und auch wenn ich wusste, dass er nicht schlief, obwohl es mir mehr als nur wiederstrebte, neben ihm einzuschlafen, wenn er noch wach war, dämmerte ich langsam weg.

Ich war eben müde...

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