51
»Ich habe von Anfang an gesagt, dass das eine absolut beschissene Idee ist.«
Ich brauchte einen Moment, um Xavs Stimme zu erkennen, wo er doch sonst nie wirklich geredet hatte.
Jemand schnaubte.
»Du hättest sie lieber sterben lassen oder wie?«, knurrte Missy, feuerten diesen Zwiespalt in mir nur noch weiter an, weiter und weiter.
Heuchler.
Aber sie haben dich gerettet.
Heuchler!
Sie haben doch...
Sie haben auf dich geschossen! Sie haben dich gefangen genommen, wegen ihnen musstest du... musstest du...
Mein Herz machte einen verzweifelten Sprung, als ich an dieses... dieses... dieses schreckliche, grausige, düstere Gefängnis zurück dachte.
Und dann zischte einer von ihnen plötzlich laut auf, unterbrach Xavs und Missys feurige Diskussion.
»Jetzt seid doch mal still!«, fauchte Alec, ließ selbst mich zusammenzucken.
Und es wurde still. Unheimlich still.
Ich hielt den Atem an.
Es wirkte beinahe so, als würden sie auf irgendetwas lauschen.
Beinahe augenblicklich spannte ich mich an.
Was war los?! Hatten die Ven uns gefunden?! Kamen sie?!
»Alec?«
Lila klang unsicher, als hörte Alec etwas, was den anderen verborgen blieb. Und dann ertönten plötzlich Schritte.
»Warte...«, murmelte der Ven, mein Gehirn brauchte zu lange, um zu realisieren, was er gehört hatte.
Denn da trat er bereits aus der ersten Tür von rechts heraus, hinein in den Flur, sein Blick erfasste mich, ich zuckte unwillkürlich zurück, mein Herz machte einen ertappten, kleinen Sprung.
Alec hatte nachdenklich ausgesehen, besorgt beinahe. Doch sobald er mich erblickte schien sich irgendetwas in seinem Gesicht zu verändern. Erleichterung?
Nervös friemelte ich an dem Saum meines Nachthemdes herum, wollte gar nicht wissen, was für einen Anblick ich hier gerade bot.
Für einen Moment sagte keiner von uns beiden etwas, starrten uns bloß an, wussten vermutlich beide nicht, wie wir mit der Situation umgehen sollten.
Als er sich schließlich räusperte, verfluchte ich mein erneutes, leichtes Zusammenzucken.
Gott war ich empfindlich geworden...
»Ehm...hey«, murmelte er schließlich, doch noch ehe ich etwas erwidern konnte, traten plötzlich weitere Gestalten hinter ihm hervor.
Ich sah Jacob. Ich sah Missy. Lila und Xav.
Und es machte mir Angst.
Vielleicht war ich ein Feigling, vielleicht hatte ich all meinen Mut verloren, doch sie zu sehen, wie sie überrascht zu mir hochblickten machte irgendetwas mit mir.
Mein Herz begann wieder panisch zu flattern, ich wollte es nicht, wollte es wirklich nicht und doch fingen erst meine Hände an zu zittern, dann mein Körper, meine Augen weiteten sich.
Ich war ein Feigling. So ein verdammter Feigling.
Doch die Bilder kamen, sie kamen einfach und wollten nie wieder gehen, kamen mit dem Auftauchen ihrer Gesichter.
Lila, wie sie mich anschrie, die Verachtung in ihren Augen, Missys Enttäuschung, Jacob.... Jacob, wie er schoss, Xav, sein Hass, sein unglaublicher Hass.
Hör auf Ary, hör auf, raste jetzt nicht aus, bitte nicht jetzt.
Aber es war so schrecklich...
Ich umklammerte meinen Körper nur noch fester, spürte meinen Bauch schmerzlich ziehen, alarmiert hob Alec den Kopf, die anderen schienen wohl viel zu überrascht, um überhaupt irgendetwas zu sagen.
Mein Blick schoss auf den schwarzhaarigen Ven, als er einen Schritt nach vorne tat, mein erster Reflex war es beinahe, zurückzuweichen.
Aber nein, nein...
Das war Alec, er war Alec, er war ein guter... ein guter Ven.
Er zögerte vor der ersten Treppenstufe, ich fühlte mich wie ein dummes, dummes, in die Ecke getriebenes, Tier.
»Aruna?«, fragte er schließlich.
Ich stockte, sah ihn verwirrt an und da war plötzlich wieder diese Sorge, die von ihm ausging.
Wieder dieser Name.
Aruna. Wer war Aruna? Mein Name war doch nicht Aruna...
Niemand sagte etwas, ich öffnete meinen Mund, wollte etwas sagen, versuchte es erst, dann noch einmal, kein einziger Ton verließ meinen Mund.
Nein. Was war denn los?! Ich war doch nicht dumm, verdammt! Ich war doch nicht dumm! Ich wusste doch, wie man sprach!
Meine Hände ballten sich zu Fäusten, Tränen der Frustration wollten sich einen Weg aus meinen Augen bahnen, ich blinzelte sie wütend weg.
Komm schon Ary, komm schon, jetzt stell dich nicht so an!
Beschwichtigend sah Alec mich an.
»Schon gut. Mach einfach ganz langsam. Versuchs noch einmal.«
Seit wann war dieser Idiot eigentlich so einfühlsam?!
Es sollte es nicht, doch es machte mich sauer, in diesem Moment erschien ich einfach so verletzlich und ich hasste ihr Mitgefühl.
Ich wusste, es war dumm von mir, ich sollte nicht wütend sein.
Es war bloß... einfach alles zu viel.
Ich konnte ja wohl reden! Tut nicht so, als wäre ich ein Kleinkind!
Okay Ary, du schaffst das! Stell dich nicht an! Du bist verdammte siebzehn Jahre alt, du hast sprechen gelernt, da konntest du nicht einmal wirklich denken!
Nicht, dass ich mit dem Alter wirklich schlüssig zu denken gelernt hätte...
Also! Komm!
Langsam öffnete ich den Mund, als wäre es das Schwerste, was ich jemals getan hätte, ermutigend sah Alec mich an.
Ich formte meinen Mund zu den ersten Worten.
»Wer...«
Es war banal. Es war so unglaublich banal.
Meine Stimme schien schleppend. Schwer, als hätte ich irgendetwas im Mund. Als wäre ich vollkommen eingeschränkt.
Ich spannte mich noch mehr an, meine Rippen protestierten, ich ignorierte sie geflissentlich.
Ich war doch nicht eingeschränkt verdammt!
Weiter, red weiter!
»...ist«
Ich holte tief Luft, die Ven blickten fragend zu mir hinauf, ich hasste, wie meine Stimme klang.
Reiß dich zusammen! Jetzt komm schon!
»Wer ist...«, setzte ich die Worte also zusammen, sammelte mich ein letztes Mal, konzentrierte mich auf das nächste Wort, stellte es mir geradezu bildlich vor, den Schwung in den Buchstaben.
»Aruna«, brachte ich schließlich hervor.
»Wer ist Aruna?«
Man hätte meinen können, ich hätte Alec mitten ins Gesicht geschlagen, hätte meinen können, ich hätte das Ende der Welt verkündet, seine Geliebte getötet vielleicht.
Seine Augen weiteten sich, er taumelte etwas zurück.
»Wa- Was?«
Dann verfinsterte sich sein Blick.
»Ach komm, hör auf Aruna, jetzt verarsch mich nicht... schön, dass es dir besser geht, aber auf deine Verrücktheiten hab ich jetzt ehrlich keine Lust.«
Mit großen Augen sah ich ihn an.
Was zur Hölle redete er denn da?! Meine Verrücktheiten?! Der spinnte ja wohl!
»Ich...verarsch dich... nicht!«, presste ich eingeschnappt hervor, langsam schien es leichter und leichter, die Worte zu formen.
Und noch ehe Alec etwas erwidern konnte, redete ich einfach weiter.
»Mein... mein Name.«
Es war anstrengend.
Ich war so unglaublich erbärmlich...
Wütend kniff ich die Augen zusammen, hasste, wie kräfteraubend es schien, vernünftig zu sprechen, wie heiser, wie schwer meine Stimme klang.
Reiß dich zusammen!
»Mein Name ist... Ary... ich... ich heiße Ary.«
Ich wusste nicht, wann ich Alec das letzte Mal so verzweifelt gesehen hatte.
Vollkommen ungläubig blickte er zu mir hoch, ich fühlte mich unwohler und unwohler und doch lenkte mich sein merkwürdiges Gehabe wenigstens von den vier Ven hinter ihm ab.
Zumindest irgendwie.
»Was?«, hauchte er schließlich, blinzelte ein paar mal, schüttelte dann heftig den Kopf und drehte sich ruckartig um, so dass Missy erschrocken zurück taumelte.
»Was ist mit ihr?«, fragte er schließlich vollkommen ungläubig.
»H-Hey!«, beschwerte ich mich, immerhin konnte ich ihn immer noch klar und deutlich hören!
Doch er achtete einfach gar nicht auf mich.
Und da trat Missy plötzlich vor, ich wollte unwillkürlich zurückweichen, was wohl nicht unbemerkt blieb.
Beinahe... beinahe ein Ausdruck des Verletzens schlich sich für einen Moment auf ihr hübsches Gesicht.
Und da bekam ich plötzlich das unglaubliche Bedürfnis, zu schreien. Sie anzuschreien.
Was hatte sie denn erwartet?! Was?!
Dass ich nach all dem mit offenen Armen auf sie zu rannte?!
Ich vertraute niemandem, konnte niemandem mehr vertrauen...
Naja, fast niemandem...
Missy schluckte, Alec blickte mich einfach weiter ungläubig an, am liebsten wollte ich ihn anfahren, gefälligst nicht wie ein dummes Auto zu starren.
»Also, ehm, Aru - Ary«, setzte Missy schließlich an, ich sah unsicher zu ihr hinab, ein paar der roten Strähnen fielen mir ins Gesicht.
»Kannst du - kannst du dich daran erinnern, was passiert ist? Erinnerst du dich an... an uns? Erinnerst du dich, wie Alec und du... wie ihr euch das erste mal getroffen habt?«
Völlig verwirrt schüttelte ich den Kopf, runzelte die Stirn, zog die Augenbrauen zusammen.
Hielten sie mich denn für vollkommen minderbemittelt?!
»Na-Natürlich«, entgegnete ich verwirrt, vollkommen perplex, wusste nicht, worauf sie hinaus wollte.
Es war beinahe so, als würden sie alle demonstrativ ausatmen, ich verstand absolut nicht, was hier los war.
Noch ehe ich allerdings irgendetwas fragen konnte, redete Missy einfach weiter.
»Gut. Und dein Name - dein Name lautet Ary, ja?«
Ich verstand absolut gar nichts mehr.
Vollkommen verwirrt nickte ich langsam, sah beinahe hilfesuchend zu Alec, der aussah, als wäre ihm schlecht.
Es wirkte, als müsse Missy kurz überlegen, dann warf sie schließlich einen nachdenklichen Blick zu Alec, danach zu mir, sah stirnrunzelnd zwischen uns hin und her.
Meine Augenbrauen zogen sich weiter und weiter zusammen.
Was hatte sie denn?!
Schließlich räusperte sich Missy erneut.
»Okay. Und dein Geburtstag? Wann hast du Geburtstag?«
Langsam fühlte ich mich verarscht.
Was sollte denn der ganze Mist?! Warum war mein Geburtstag wichtig?!
Fragend sah Missy mich an.
Sie waren doch vollkommen verrückt.
»Am... am dritten A-April«, antwortete ich schließlich zögerlich, Missy drehte sich zu Alec, der ebenso verwirrt schien, wie ich, wenn auch aus anderen Gründen.
»Stimmt das?«, fragte Missy schließlich an den schwarzhaarigen Ven gerichtet, der schüttelte langsam den Kopf, sah mich wie hypnotisiert an, ich keuchte empört auf.
»Nein. Sie hat am fünften Juli Geburtstag«, meinte er vollkommen ratlos, sah mich an, als wäre ich etwas furchtbar Verwirrendes.
Ich?!
Ich meine, was war denn bitte mit ihnen los?! Ich hatte doch nicht am fünften Juli Geburtstag!
»Ich...«, wollte ich protestierend ansetzen, Missy allerdings unterbrach mich, nickte leicht mit dem Kopf, als hätte Alecs Aussage ihr irgendetwas gebracht.
»Gut. Deine kleine Schwester, wie heißt sie?«
Lupa? Sprach sie von Lupa? Aber was wollte sie mit ihrem Namen?
Jetzt wurde ich misstrauisch. Die Alarmglocken begannen zu schrillen.
War das eine Falle?
Abwehrend sah ich die Ven an, langsam machte Alec wieder einen Schritt nach vorne.
»Du kannst es ihnen sagen, Aruna. Sie sind auf unserer Seite. Bitte, es ist wichtig.«
Und trotzdem war ich mir sicher, dass er absolut keine Ahnung hatte, warum Missy diese Fragen stellte.
Außerdem hieß ich immernoch nicht Aruna...
Vielleicht sollte ich einen falschen Namen nennen?
Nein, vermutlich nicht die beste Idee...
Misstrauisch sah ich zwischen den Ven hin und her und während Lila krampfhaft versuchte, vertrauenswürdig zu wirken, nahm mein Misstrauen nicht wirklich ab.
Komm Ary, es ist ein Name, bloß ein Name. Nenn ihn einfach, du brauchts Antworten genau wie sie.
Okay...
»L-Lupa«
Fragend sah Missy zu Alec, der nickte langsam.
Verwirrt schüttelte ich den Kopf, erinnerte mich dann an jene Nacht zurück, in der ich ihn komplett verzweifelt angefleht hatte, mich zu töten, um Lupa und die anderen zu schützen, von denen er mir vorher noch erzählt hatte, erzählt hatte, dass er wusste, wer sie waren.
»Ich...«, wollte ich ansetzen, doch Missy schüttelte einfach den Kopf, wirkte beinahe triumphierend. Wissend.
Die anderen Ven und ich hingegen sahen wirklich verwirrt aus...
Mein Kopf brummte. Was war denn hier los?!
Dann traf mich Missys Blick erneut, sie sah nachdenklich aus.
»Okay Alec, irgendeinen Fakt über ihre Persönlichkeit. Vorlieben, was auch immer«, forderte sie einfach, vollkommen verwirrt warf ich Alec einen Blick zu, er runzelte perplex die Stirn.
»Wa-?«, wollte er ansetzen, Missy unterbrach ihn einfach.
»Alec! Los!«
Vollkommen verwirrt blinzelten wir uns an und warum setzte Missy überhaupt voraus, dass Alec meine so gennanten Vorlieben kannte?!
Das war doch sowas von dämlich, nebenbei war es auch nicht gerade angenehm in diesem blöden Nachthemd hier herum zu sitzen, vollkommen unfähig eine verdammte Treppe zu meistern.
Tiefe Furchen legten sich über Alecs Stirn, als würde er doch tatsächlich nachdenken.
Das war bescheuert. Sowas von bescheuert. Ehrlich.
Dann hob er langsam den Blick, beinahe unsicher.
»Ehm... sie, also... Sie und ihr Freund Ben haben Mal darüber geredet. Ihre Lieblingsjahreszeit ist der Winter.«
Unsicher blickte er mich an, ich blinzelte völlig ungläubig. Hatte der uns irgendwie belauscht?! War er irgendwie ein verdammter Spanner?!
Und außerdem war meine Lieblingsjahreszeit der Sommer!
Missy sah mich an.
»Okay Ary, deine Lieblingsjahreszeit?«
»Sommer, a-aber ich versteh nicht...«
Wieder unterbrach sie mich.
Noch einmal und ich schwöre, ich würde ausrasten!
»Ha!«, machte die Blondine einfach.
Ich verstand nichts mehr. Einfach gar nichts. Um ehrlich zu sein, seit ich aufgewacht war.
Wo waren wir überhaupt?! Es fühlte sich nicht heimisch an, im Falls Forest waren wir ganz bestimmt nicht.
Aber wenigstens schienen die anderen das mit der Verwirrung mindestens genau so zu sehen, wie ich. Sie sahen Missy an, als wäre sie eine Verrückte.
Vielleicht - nein, ganz sicher - war sie das.
»Ich weiß, was mit ihr los ist!«, rief die Ven schließlich aus, beinahe stolz auf sich selbst.
Was mit mir los ist?! Spinnte sie?!
»Mit mir...«, schnaubte ich und doch wurde ich wieder unterbrochen.
Wütend funkelte ich Missys Hinterkopf an, nun tat sie so, als würde ich nicht einmal mehr existieren.
»Es ist eine Art Schutzmaschinismus, denke ich«, setzte sie an.
Hallo?! Ich saß hinter ihr, genau hinter ihr!
Und mit mir war bestimmt nichts los! Die spinnten doch...
Und da senkte Missy plötzlich die Stimme. Als würde ich sie nicht hören.
Ich war ein Lykanthrop, nebenbei, mein Gehör war mit Sicherheit besser als ihres.
»Ich denke... ich... also durch...«
Sie stockte, Alec sah sie drängend an. Sie seufzte schwer.
»Durch die Folter. Ich denke ihr Geist hat als Sicherheitsmaßnahme, irgendwie... ihre Erinnerungen verändert. Ihre Erinnerungen an ihre eigene Person, damit sie dem Clan im äußersten Fall keine wirklichen Informationen über sich verrät.«
Was? Was redete sie denn da? Sie war doch vollkommen verrückt...
Außerdem sollte sie nicht... sollte sie nicht so über mein... Leid sprechen.
»Ich...«, keuchte ich.
»M-mit meinen Erinnerungen ist... alles in O-Ordnung!«
Missy drehte sich um, Alec sah mich beinahe vorsichtig an, die anderen drei standen blass und stumm da, wie sie es die ganze Zeit taten.
»Ich fürchte, dass mit ihnen nicht alles in Ordnung ist«, seufzte Missy schließlich, ich schüttelte heftig mit dem Kopf.
Sie waren verrückt sowas von verrückt. Und es machte mich sauer.
»Ich w-weiß doch... was ich mag und... und was nicht«, entgegnete ich hitzig, alle Angst schien vergessen.
Und dann meldete sich plötzlich Alec zu Wort.
»Aber ihr Körper weiß immer noch, was sie eigentlich mag, und was nicht? Es ist nur ihr Kopf?«
Konnten sie vielleicht aufhören, so zu reden, als wäre ich nicht da?!
Mit gerunzelter Stirn nickte Missy.
Und da wirbelte Alec einfach herum, ohne ein Wort zu sagen, schritt entschlossen los und verschwand in der Tür, aus der sie gekommen waren.
Verwirrt sah ich ihm hinterher, Missy blickte fragend zu Jacob, der zuckte bloß mit den Schultern, ein unwohles Gefühl überkam mich bei seinem Anblick.
Er hatte... Hör auf!
Irgendetwas in dem Raum - die Küche vielleicht? - klirrte, dann fiel etwas scheppernd zu Boden, Alec fluchte laut, es rumpste.
Was zur Hölle tat er denn da?!
Schließlich kam er mit einem triumphierenden Blick aus dem Raum, in der Hand einen glänzenden Apfel.
Verwirrt, beinahe spöttisch hob ich die Augenbrauen.
Musste er den erst noch erjagen, oder was sollte der Lärm?
Alec verdrehte die Augen.
»Ach halt die Klappe.«
Perplexe Blicke richteten sich auf ihn.
Hä?
»Niemand hat etwas gesagt...?«
Lila sah ihn an, als wäre er geisteskrank.
Überrascht sah Alec auf, sein Blick traf mich, als wäre ich das jetzt irgendwie schuld, dann wurde er aus irgendeinem Grund blass.
»Ach egal«, murmelte er schließlich hastig, dann trat er ohne zu zögern die Treppe hoch.
Verwirrt zog ich mich auf die linke Seite der Treppenstufe, auf der ich saß, er ließ sich einfach neben mich fallen, ich hatte absolut keine Ahnung, was er nun mit seinem erjagten Apfel wollte, während er vollkommen überzeugt schien.
Er hielt mir das runde Teil hin, ich betrachtete es verwirrt. Und jetzt?
»Was hälst du von Äpfeln?«
War er irgendwie komplett durchgeknallt?
Fand offensichtlich auch Xav.
»Und du findest, jetzt ist der richtige Moment, um über Äpfel zu philosophieren?«, fragte er und sah seinen Vic perplex an, während ich den Apfel musterte, als suche ich nach irgendetwas Besonderem an ihm.
Ich fand übrigens nichts...
Alec verdrehte schnaubend die Augen und ruckte auffordernd mit dem Kopf.
»Also?«, fragte er schließlich drängend, ich sah ihn zweifelnd an.
Vielleicht war er ja wirklich geisteskrank? Wieder schnaubte Alec.
Wa-... ach ich würde wohl nie verstehen, was mit diesem Jungen nicht stimmte, was solls....
Also zuckte ich einfach mit den Schultern und seufzte.
»Keine A-Ahnung... Schmecken?«
Alecs Mundwinkel hoben sich weiter und weiter und langsam schien Missy irgendetwas zu verstehen, ich hingegen stand immer noch vollkommen auf dem Schlauch.
Wieder ruckte Alec auffordernd mit dem Apfel.
»Probier.«
Zögerlich sah ich ihn an, irgendetwas leuchtete in seinen Augen auf.
Wie konnte man sich denn so sehr über einen einzigen Apfel freuen?!
Und trotzdem - aus irgendeinem unerklärlichen Grund - tat ich ihm den Gefallen.
Ich seufzte, zuckte dann mit den Schultern, ignorierte den wummernden Schmerz an meinem Hals und nahm ihm schließlich den Apfel ab.
War ja nichts dabei...
Es war banal, wie gebannt sein Blick mir folgte, als ich das blöde Fruchtding an meinen Mund führte.
Sie waren verrückt.
Und schließlich biss ich hinein.
Auf die Reaktion meines Körpers war ich nicht gefasst. Es war, als würde mein Kopf etwas anderes sagen, als mein Körper, als würden sie beinahe gegeneinander ankämpfen.
Denn sobald ich abgebissen hatte, überkam mich ein unheimlicher Würgekreiz, das war ja so was von ekelhaft!
Ich verzog mein Gesicht, hustete, der ekelhafte Geschmack breitete sich in meinem Mund aus.
Und da erinnerte ich mich.
Ich hasste Äpfel.
Ich hasste sie.
Es wurde mir klar. Mit einem Schlag wurde es mir klar.
Mit großen Augen sah ich Alec an, der immernoch neben mir saß.
Sie hatten Recht. Sie hatten Recht.
»Aber...«, hauchte ich, er schüttelte bedauernd den Kopf.
»Ich glaube, wir haben viel zu besprechen«, meinte er bloß, stand dann auf, blickte auffordernd auf mich hinab.
Ich schluckte schwer, sah zweifelnd auf Missy und die anderen herab.
Er folgte meinem Blick, deutete mein zögern falsch. Er seufzte.
»Wir können nach draußen gehen, wenn du willst? Alleine.«
Und auch wenn es mir wirklich lieber war, zumindest zu diesem Zeitpunkt noch, bloß unter zwei Augen mit ihm zu reden, so war es doch etwas anderes.
Ich schluckte schwer, sah nervös auf meine Hände hinab, hatte absolut keine Ahnung, wie ich ihm am besten erklärte, dass ich nicht von der Treppe kam, während Missy und Lila beinahe gekränkt wirkten.
Auffordernd sah Alec mich an, stand immer noch auf der Treppenstufe unter meiner.
»Aruna? Kommst du?«, fragte er schließlich.
Es war merkwürdig, zu hören, wie er diesen Namen aussprach.
Es war meiner, okay...
Aruna, du heißt Aruna. Nicht Ary. Aruna.
Wann würde ich mich wohl daran gewöhnen...?
Denn immerhin kam es mir so vor, als hätte ich schon immer Ary geheißen...
»Aruna?«, fragte Alec wieder, ich sah beinahe hilfesuchend zu ihm auf.
Ich kann nicht gehen, verdammt okay?! Ich schaff diese Treppe nicht Alec!
Und da veränderte sich plötzlich etwas in seinem Gesicht. Verstehen?
Ich verstand ihn nicht, ich verstand sein Verhalten absolut nicht.
Ignorier es einfach, du hast jetzt andere Probleme als seine komischen Stimmungsschwankungen.
Vielleicht war er ja schwanger...?
»Du bist bescheuert«, murmelte Alec dann plötzlich, realisierte im nächsten Moment, was er da gerade gesagt hatte. Er wurde blass.
Hä?
Okay, langsam wurde es gruselig.
Schließlich räusperte ich mich, wollte am liebsten einfach nur noch diesen starrenden Augenpaaren entfliehen.
Augen zu und durch.
»Ehm... könntest du, also... könntest du mir vielleicht h-helfen?«
Jetzt war es offiziell. Ich war erbärmlich.
Peinlich berührt bemühten sich, die am Fuß der Treppe befindlichen, Ven, überall hinzuschauen, nur nicht zu Alec und mir.
Aber auf die Idee, wegzugehen, kamen sie natürlich nicht...
Meine Ohren wurden rot, Alec sah mich mit unleserlicher Miene an - was eigentlich erstaunlich war, wo man sein Gesicht doch sonst immer lesen konnte, wie ein Buch.
Schließlich nickte er.
»Kannst du aufstehen?«
Gott war das alles peinlich.
Hilflos zuckte ich mit den Schultern. Laut meinen zitternden Beinen wohl eher nicht...
Ich war sowas von erbärmlich.
Seufzend bückte Alec sich wieder hinab.
»Halt dich an meiner Schulter fest«, murmelte er und ich wusste nicht, ob er einfach so so leise sprach, oder ob er es extra tat, damit die anderen ihn nicht hören konnten.
Manchmal verstand ich nicht, warum er so nett war...
Dankbar sah ich ihn an, er nickte einfach nur.
Zittrig hob ich also meine Hand, legte sie vorsichtig auf seine Schulter, er zuckte beinahe zusammen.
Mit der anderen Hand umklammerte ich schließlich das Geländer.
Wenn ich jetzt fallen würde, wusste ich nicht, ob ich diese Peinlichkeit aushalten könnte und wieder aufstehen würde...
Langsam richtete sich Alec auf, zog mich mit, ich blieb auf zittrigen Beinen stehen, stützte mich auf ihn und doch knickten meine Beine einfach wieder weg, als ich den nächsten Schritt machen wollte.
Ich rechnete schon mit dem Aufprall, doch da packte er mich einfach um meine Hüfte, so dass ich kaum mehr auf meinen eigenen Füßen stand.
Ich spürte seine Wärme, die durch den dünnen Stoff meines Nachthemdes sickerte, spürte die bohrenden Blicke der anderen auf uns.
Als wäre das alles unglaublich spannend.
Okay Ary, Augen zu und durch...
Erwachsen wie wir nun einmal waren, starrten wir beide vollkommen stumm nach vorne, während wir Treppenstufe um Treppenstufe meisterten, meine Ohren glühten, er schien vollkommen angespannt.
Super...
Ein Glück, das ich vor Anstrengung nicht auch noch anfing zu keuchen oder so.
Und als wir es endlich nach unten geschafft hatten, hatte ich das Gefühl, als wären Stunden vergangen.
»Okay?«, fragte Alec schließlich, als wir am Ende der Treppe angekommen waren, die Nähe der anderen Ven war mir wirklich nicht geheuer.
Trotzdem beeilte ich mich, zu nicken, wollte der Situation schnellstmöglich entfliehen, achtete dabei gar nicht auf meine zitternden Beine.
Ein Fehler.
Also ließ Alec mich los, trat dennoch keinen Schritt weg.
Meine Beine knickten einfach weg, ich keuchte auf, wollte mich irgendwie halten und fiel doch.
Und dann waren sie da. Einfach so. Vollkommen unerwartet.
Er schnellte nach vorne, dachte vermutlich nicht einmal wirklich nach.
Seine Hände griffen hastig nach meinen Armen, umklammerten sie geistesgegenwärtig.
Umklammerten meine nackten Arme.
Mein Herz setzte aus, meine Augen weiteten sich, vollkommen geschockt sah er mich an, ich hörte beinahe, wie sein eigenes Herz sich meinem anpasste, einfach stockte.
Denn er fasste mich an. Er fasste mich an, eine unheimliche Wärme ging von seinen Händen aus, es kribbelte.
Für einen Moment schien alles stehen zu bleiben, es war beinahe so, als würde ein Knistern in der Luft liegen, das ich absolut nicht verstand, ich vergaß vollkommen zu atmen.
Denn seine Hände verbrannten meine Haut nicht.
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