47

Ich erinnerte mich kaum noch wirklich, was ich in diesem Moment getan hatte.

Ich glaube, ich war irgendwie auf ihn zugetaumelt, meine Sicht verschwamm immer mehr, die Wunden raubten mir jegliche Kraft, das Gift des Hybriden breitete sich in mir aus.

Und dann brach ich einfach neben ihm zusammen, für einen Moment wurde alles schwarz, ich versuchte immer hektischer, nach Luft zu schnappen, die Ohnmacht wollte nach mir greifen, das Gift wollte mich lähmen.

Und dann war da sein Bild. Wie er vollkommen blass und regungslos da lag.

Nicht mehr atmete.

Nein!

Ich musste ihm helfen!

Keuchend öffnete ich meine Augen, die Sonne brannte unerbittlich auf mich hinab, ich wollte nicht mehr Atmen, dieser Geruch... überall... überall Blut...

Stöhnend und vollkommen am Ende meiner Kräfte drehte ich mich auf die Seite, mein Blick fiel auf ihn.

Er bewegte sich nicht.

Ich wollte etwas tun, meine Hand nach ihm austrecken, die funkelnden Punkte tanzten vor meinen Augen.

»Alec...«

Es war ein verzweifelter Laut auf der vollkommen stummen Lichtung.

Ich hörte nichts. Nicht einmal Vögel. Sie waren alle verschwunden. Und ich fragte mich, wie, wie konnten wir so dumm sein?! Wie hatten wir dieses verdammte Monster nicht bemerkt?!

Ich wollte mich aufrichten, versuchte die klaffende Wunde an seinem Rücken zu ignorieren, den komischen Winkel seines Armes, das blasse Gesicht.

Er ist okay...

Keine Sorge...

Ihm ist nichts passiert...

Er ist doch Alec.

»Komm schon.«

Mein Keuchen erfüllte die gesamte Lichtung, ich kniete mich hin, wollte nach ihm greifen, seine Augen waren fest geschlossen, sein Gesicht war verzerrt, Schmerz...

Ich fiel nach vorne, wäre beinahe auf seiner Brust gelandet, stützte mich aber im letzten Moment mit meinen Händen ab, schloss die Augen, schnappte nach Luft.

»Komm schon...«

Immer und immer wieder wiederholte ich diese Worte. Wie ein Mantra. Und sie schienen das einzige zu sein, was mich vorm ertrinken rettete, sie gaben mir Hoffnung...

Und doch ruhte seine Brust vollkommen still.

Mein Herz wummerte unregelmäßig gegen meine Brust, es schien beinahe so, als würde jeder weitere Schlag schmerzen.

»Alec... nein...«

Meine Stimme brach, mein Kopf sank hinab, meine klammen Haare fielen über mein Gesicht, ich beugte mich zittrig hinab, langsam legte ich meinen Kopf auf seine Brust, hatte Angst vor jeder Berührung, hatte Angst, dass er einfach zu Staub zerfallen würde.

Ich schloss meine Augen, lauschte angestrengt, eine Sekunde, zwei, zehn...

Komm schon... komm schon Alec...

Du darfst mich jetzt nicht alleine lassen...

Ich brauch deine Hilfe doch...

Alleine schaff ich das nicht...

Und dann hörte ich es. Ein Geräusch, ein klitzekleines Geräusch und doch reichte es aus, um mein eigenes Herz kräftiger schlagen zu lassen, reichte aus, um mir neuen Mut zu schenken.

Er lebte.

Oh mein Gott er lebte!

Sein Herz schlug. Unregelmäßig - ja -schwach - ja - aber es schlug!

»Okay... keine Angst... alles....alles wird gut....«

Ich wusste, dass er mich nicht hören konnte - irgendwo wusste ich das bestimmt. Und trotzdem erschien es mir so wichtig, so furchtbar wichtig, mit ihm zu reden. Als könne er sich so wenigstens an meiner Stimme festhalten.

»Das wird schon... alles okay...«, sprach ich einfach weiter, vollkommen wirr.

Keuchend richtete ich mich auf und in diesem Moment schien das Echo seines Herzens alles zu sein, was ich hören konnte.

Er lebte!

Das war das einzige, was jetzt zählte!

Kein Selbstmitleid Aruna, rette ihn verdammt!

Zittrig griff ich nach seinen Armen, bekam sie zu fassen, zog an ihnen und rutschte im nächsten Moment ab.

Eine warme Flüssigeit rann über meine Hände.

Oh Gott. Oh Gott.

Blut, so viel Blut, so unglaublich viel Blut...

Reiß dich zusammen!

Ich musste ihn zu den Ven bringen...

Ich konnte ihn nicht einfach zu meinem Rudel schleppen und sie würden wissen, was zu tun war.

Sie würden es schon wissen...

»Komm schon Alec, komm schon...«

Er regte sich nicht, keuchend hievte ich ihn hoch, sein Arm stand merkwürdig von seinem Körper ab, ich würgte, riss mich dann zusammen, hielt ihn angestrengt fest und legte die Überreste meiner Jacke - seiner Jacke - über meine Schultern, damit er meine nackte Haut nicht berühren würde, schlang dann seinen gesunden Arm darum, während er schlaff neben mir hing.

»Das wird schon... das wird schon...«

Schweratmend packte ich seine Hüfte, darauf bedacht, ihn ja nicht wirklich anzufassen, ich spürte das Blut, die Bisswunde zwischen seinen Schulterblätter schien so unglaublich präsent, das geschundene Fleisch...

Ich stolperte einen Schritt nach vorne, fiel beinahe, sein Körper lastete schwer auf mir, »du schaffst das... komm schon Alec«, murmelte ich weiter und weiter, tat einen nächsten Schritt, seine Füße schliffen kraftlos über den Boden.

Er atmet Aruna, er atmet... geb jetzt nicht auf...

Ich stolperte einen weiteren Schritt nach vorne, weiter und weiter, das einzige, was ich hören konnte, war das unregelmäßige Schlagen seines Herzens, die Jacke drohte von meinen Schultern zu rutschen, meine Knie knickten immer und immer wieder ein, ich keuchte, das Gift breitete sich aus und trotzdem gab ich nicht auf.

Er durfte nicht sterben...

Ich redete auf ihn ein, beinahe wie im Wahn, mein gesamter Körper erzitterte, ich schien das einzige zu sein, was in diesem Moment Wärme ausstrahlte, er schien so unglaublich kalt...

Nein... nein, geb jetzt nicht auf...

Ich stolperte einen weiteren Schritt, konnte keinen einzigen klaren Gedanken, fassen, sein Gewicht lastete so unglaublich schwer auf meinen Schultern...

Ich sackte zur Seite weg, hielt mich schwer atmend an einem Baum fest, klammerte mich an ihn, wollte nicht zulassen, das er fiel und dann ließ mich ein Geräusch mit einem mal erstarren.

Ein rasselnder, schwerer Atemzug.

Ich riss meine Augen auf, mein Kopf schnellte zu ihm.

Und da öffnete er die Augen.

Er hing immer noch schwach an meine Seiten, die Augen konnte er kaum öffnen und doch sah er mich an. Er sah mich an, sah mich an, wie er mich noch nie angesehen hatte. Und ich erkannte Qual in seinen Augen.

Er wollte etwas tun, wollte sich aufrichten, stöhnte auf, bei dem Versuch sich hinzustellen, hastig giff ich ihn fester.

»Schon gut, schon gut... streng dich nicht an, ich... ich bin ja da... ich bin«, meine Stimme brach, seine Augen drohten, sich nach oben zu verdrehen, sein Gesicht war eine Maske aus Schmerz, jeder Atemzug schien ihn zu quälen.

Und ich wusste nicht, was dieser Anblick mit mir machte, kannte dieses Gefühl absolut nicht.

Doch es machte mich wütend, wütend und ängstlich und traurig und merkwürdig schwindelig zugleich.

Und langsam richtete ich mich wieder auf, fasste neue Kraft, während er nicht in der Lage schien, sich zu bewegen, sein Körper erschauderte unter meiner Berührung, er zitterte, seine Hand krallte sich in die Jacke um meine Schultern.

Er war schwach, so unglaublich schwach...

Helf ihm!

Seine Lieder drohten zuzufallen und doch sah er mich an. Nahm den Blick keine einzige Sekunde von mir, als wäre ich das einzige, was er sehen konnte, ich konnte den Ausdruck seiner Augen nicht deuten.

»A-...«, keuchte er, stockte, seine Stimme brach ab, er atmete schwer, ich wollte etwas sagen, ihn beruhigen, dass ich ihn in Sicherheit bringen würde, dass er sich nicht fürchten musste, doch da redete er weiter.

»Runa...«

Und dann sackte sein Kopf plötzlich wieder hinab, fiel mit einem dumpfen Geräusch auf seine Brust, seine komplette Kraft verließ ihn, als hätte er dieses eine letzte Wort mit alles Macht sprechen wollen, ich zuckte zusammen, keuchte erschrocken, ließ ihn beinahe los, schallt mich dann selbst und festigte meinen Griff doch wieder.

»Keine Angst...«, stammelte ich, »keine Angst, wir sind gleich da... wir sind gleich...«

Meine Stimme brach, ich taumelte weiter, nicht mehr lang, redete ich mir ein, zog ihn weiter und weiter, orientirte mich an seinem schwach schlagenden Herz, nicht gewillt ihn loszulassen, der brennende Schmerz an meiner Schulter schien mir jeglichen Atem zu rauben, ich spürte den tiefen Schnitt auf meiner Stirn, das Blut, das meine Schläfe entlang rann und doch schien da nur dieser eine Gedanke zu existieren.

Ich musste ihn retten.

Ich musste Alec retten.

Denn ohne ihn... ich würde das nicht schaffen... doch nicht ohne ihn...

So sehr ich ihn manchmal verteufelte, ich brauchte ihn.

Wenn er nicht mehr da sein würde und Ven und Lykanthropen...

Nein! Nein Aruna! Weiter! Geh weiter.

Ich schleppte ihn voran, Schritt für Schritt, keuchte, brach unter seinem Gewicht beinahe zusammen, langsam verschwamm meine Sicht immer mehr, das Schwarze bahnte sich wütend einen Weg, irgendetwas in mir schien beinahe panisch aufzuschreien.

Nein Aruna! Nein! Gib jetzt nicht auf! Nicht jetzt! Du schaffst das!

Doch im gleichen Moment war ich mir nicht sicher...

Meine Beine schienen schwer, so unglaublich schwer, ich war doch so müde...

Weiter!

Meine Augen fielen zu, ich knickte weg, ächzte, als sein volles Gewicht mich traf und dann war da plötzlich dieses Geräusch.

Ein Auto.

Die Straße!

Krampfhaft hielt ich meine Augen offen, richtete mich zitternd und bebend und keuchend wieder auf.

Los! Weiter! Komm schon! Du hast es doch fast geschafft!

Jeder Schritt schien schwerer, meine Augen brannten, ich wusste nicht, wann meine Tränen versiegt waren.

Komm schon! Du darfst ihn nicht verlieren... nicht... nicht nachdem er so viel für dich getan hat...

Und ja, das war das erste Mal, der erste Moment in meinem Leben, an dem ich es wirklich zugab.

Ein schwacher Moment. Ein Moment voller Angst. Und trotzdem gab ich es zu, gab zu, was ich niemals für möglich gehalten hätte.

Denn es stimmte...

Ich hatte ihm so unglaublich viel zu verdanken... so viel...

Und es war, als würde ich es zum ersten Mal realisieren. Wirklich realisieren.

Ohne ihn würde ich nicht mehr Leben.

Damals, die Sache mit dem Bus, Ylva und Fenris...

Und da waren sie wieder, diese bescheuerten, diese blöden Tränen.

»Es tut mir so leid«, keuchte ich völlig wirr, vollkommen außer mir und wusste nicht einmal, warum ich es sagte, die Worte kamen einfach und schienen nie wieder gehen zu wollen.

Hör auf! Hör auf Aruna! Heulen kannst du später, jetzt reiß dich verdammt noch mal zusammen, das bist du ihm schuldig!

Also machte ich weiter. Ich machte einfach weiter. Weiter und weiter und weiter.

Und dann stolperte ich keuchend auf die Landstraße, das Auto schien lange weg, ich blinzelte heftig, drehte uns keuchend um und hätte vor Glück beinahe angefangen, zu schluchzen wie ein kleines Kind.

Denn da war die Abzweigung, die zu der Straße führte, in der er lebte.

»Guck...«, schluchzte ich, schleppte uns weiter.

»Ist schon gut, du musst keine Angst haben, wir sind bald da.«

Ich musste mich anhören, wie eine Verrückte...

Das Gift durchströmte mich, mein Herz stach schmerzhaft, mein Mund öffnete sich, als hätte ich vor, noch ihnen zu rufen, nach Missy und Lila, Callahan und Jacob.

Doch das war nicht nötig.

Und auf das, was als nächstes geschah, hatte ich keinen Einfluss mehr.

Ich blinzelte heftig, meine Beine wollten nachgeben, ich taumelte einen weiteren Schritt nach vorne und dann sah ich plötzlich die verschwommenen Personen auf mich zusprinten.

Was hatten sie denn da in den Händen? Ich war so müde...

Missy? Lila? Callahan?

Erschöpft griff ich in die Tasche der Jacke um meine Schultern, wollte den Anhänger meines Amuletts greifen, wollte, dass er mir Sicherheit spendete, den Mut weiterzumachen.

Doch dann erstarrte ich. Ich bemerkte meinen Fehler, bemerkte ihn viel zu spät, viel zu spät... viel zu spät....

Meine Beine gaben nach, mein Herz begann entsetzt gegen meine Brust zu donnern.

Denn da war kein Anhänger.

Und sie konnten mich riechen. Sie alle. Ich war den Ven schutzlos ausgeliefert.

»Da ist sie!« Ich zuckte so heftig zusammen, dass es beinahe schmerzte, konnte in diesem Moment einfach nichts tun, konnte mich nicht regen, als wäre ich in einer Angststarre gefangen.

Das war nicht Callahan. Einer der Männer, die mich gesucht hatten, ganz sicher.

»Ein Werwolf!«

Mein Herz setzte aus, alles schien anzufangen, sich zu drehen, ich ließ Alec nicht los, klammerte mich beinahe an ihn, sank gemeinsam mit ihm hinab, sein Kopf landete auf meiner Schulter, ich wollte rennen, wollte weg, wollte kämpfen.

Und doch wollte ich ihn nicht alleine lassen.

Alles schien verschwommen, ich konnte nichts mehr erkennen, der Nebel in meinem Kopf wurde dichter und dichter und dann hörte ich jemanden schreien.

»NEIN!«

Lila.

»ALEC!«

Beinahe fiel ich nach hinten, die Angst packte mich, ich wollte mich zittrig aufrichten, ließ Alec nicht los.

Nein! Sie würden denken, dass ich...

Und dann sah ich sie plötzlich. Klar und deutlich.

Meine Sicht schien mit einem mal zurückzukommen, als würde mein Körper im letzten Moment in den Verteidigungsmodus übergehen, als würde dieser kleine, klägliche Versuch noch irgendetwas bringen.

Missy hielt mit einem Blick voll Grauen die schreiende Lila zurück und dann schien alles um mich herum silbern aufzufunkeln.

Ich wollte zurückweichen, klammerte mich an Alecs Körper, doch da spürte ich die Präsenz eines weiteren Vens hinter mir, ich konnte nirgends hin.

Nein! Ich wollte doch nur...

Und dann war da plötzlich Callahans entsetzes Gesicht, er hielt den Bogen hoch erhoben, richtete den Pfeil genau auf mich. Genau auf mein Herz.

»Aruna?!«

Es war ein entsetztes Keuchen zwischen Lilas schreien, Jacob stand links von mir, den Dolch fest umklammert, ich war so benommen, dass ich nicht einmal bemerkt hatte, wie sie mich umzingelt hatten, er sah mich vollkommen fassungslos an, der letzte Ven-Junge aus ihrem Haus schien vollkommen versteinert.

Hass. Er musterte mich mit Hass. Tiefe, abgrundtiefe Verachtung, die mich erstarren ließ.

Und dann waren da diese beiden Männer. Samuel und der andere.

Ihre Gesichter waren versteinert, sie richteten ihre Waffen auf mich, Lila schrie weiter, schrie einfach, schrie und schrie und schrie und ich wollte sie anflehen, endlich damit aufzuhören, mich nicht so zu quälen, während ich beinahe unwillkürlich näher an Alec rückte, als würde er mich beschützen.

»Ein Lykanthrop! Sie hat ihn umgebracht!«

Samuels Stimme durchfuhr alles in mir, wie ein messerscharfer Dolch, ich sah Callahan mit großen Augen an, schüttelte panisch den Kopf, wollte schreien, ihnen zurufen, dass es nicht so war und doch verließ kein einziger Laut meine Lippen, mein Mund öffnete sich, ohne etwas zu sagen, ich wollte zurückweichen, fühlte mich wie ein verängstigtes Tier und doch schien nirgendwo ein Ausweg zu sein, Lila brach zusammen, ich sah es und dann doch nicht, konnte bloß in Callahans entsetztes Gesicht sehen, flehte ihn an, schrie ihm zu, dass ich es nicht war, klammerte mich an Alec, als wolle ich ihn nie wieder loslassen.

Und dann war da noch etwas anderes in seinem Blick.

Enttäuschung.

Und irgendetwas machte das mit mir.

»Nein«, keuchte ich, leise und doch hörte es jeder.

Wie ihm Wahn schüttelte ich den Kopf, das Silber richtete sich auf mich, meine Knie zitterten, ich war kurz davor, wieder hinzufallen und gab trotzdem nicht auf, stützte Alec unermüdlich.

»Nein... ich... nicht... ihr müsst ihm... helft ihm

Am Ende war da nur noch ein verzweifeltes Hauchen in der dicken Luft, mein Herz machte ängstliche Sprünge, meine Augen waren panisch aufgerissen, ich warf meinen Kopf hin und her, wollte sie alle erfassen und doch sah ich am Ende nur Callahans Miene.

Callahans Miene, die langsam versteinerte. Callahans Miene, die zu Eis wurde.

Lila schluchzte herzzereißend auf, ich wollte am liebsten zu ihr hinrennen, ihr sagen, dass alles gut werden würde, dass er wieder aufwachen würde, doch ich konnte nicht, konnte einfach nicht...

Und da traf mich Missys Blick.

Tränen funkelten in ihren hübschen Augen, ihre Lippen bebten, sie schüttelte verständnislos den Kopf, ihr Blick fragte diese eine Frage, weiter und weiter...

Warum? Warum hast du das getan? Ich habe dir vertraut...

»Missy...«

Ich keuchte, bekam keine Luft mehr und dann surrte plötzlich etwas durch die Luft, ich kreischte panisch auf, warf mich zu Boden, der Dolch surrte haarscharf an mir vorbei und dann verdeckte Jacob mir plötzlich die Sicht auf seine Freundin, während ich mich ängstlich an Alec klammerte, aufwimmerte, bevor ich es verhindern konnte.

»Schau sie nicht an Werwolf! Lass sie in Ruhe!«

Und noch nie hatte ich mich so gedemütigt gefühlt, klein und schwach und nicht in der Lage, mich irgendwie zu wehren, drückte Alec an mich, als würde er mir so helfen und dann war da wieder sein Blut...

Die Kleider hingen in Lumpen an mir herab, ich fühlte mich so elend...

Wimmernd schüttelte ich den Kopf, die Tränen vernebelten meine Sicht.

Jetzt lag ich auf dem Boden. Schutzlos.

»Nein...«, keuchte ich, schluchzte beinahe auf, konnte nicht klar denken.

»Helft ihm doch... bitte... er... er... nicht er...«

»HALT DIE KLAPPE!«

Lilas rasende Stimme ließ mich vollkommen zusammenzucken und in diesem Moment war ich ein kleines Mädchen.

Nicht mehr.

Ein verängstigtes, kleines Mädchen.

Ein verdammter, ein schwacher Feigling.

Lila wollte auf mich zustürmen, der Hass in ihren Augen schien mich zu verbrennen, ich schluchzte auf, Missy hielt sie zurück, ich rollte mich noch mehr zusammen, suchte nach Schutz und fand doch keinen.

Und dann diese Schreie. Immer und immer wieder.

Halt die Klappe! Halt die Klappe! Halt die Klappe!

Lila hörte nicht auf, die violette Strähne hing ihr vollkommen wirr im Gesicht.

»Nein«, keuchte ich und dann war da plötzlich ein zweites Surren.

Ich schaffte es nicht rechtzeitig, rollte mich keuchend zur Seite und trotzdem traf er mich.

Der Dolch traf mich genau am Fuß, bohrte sich in die empfindlich dünne Stelle, da, wo der Knochen war, ich schrie, alles verschwomm, Samuel brüllte irgendetwas, meine Sicht wurde schwarz, dieser unglaubliche Schmerz, dieser Schmerz...

Und dann donnerten plötzlich Schritte über den Boden, ich wollte etwas sagen, wollte nicht, das sie taten, was sie taten, doch sie zogen seinen schwachen Körper einfach unbarmherzig weg, ich wollte mich an ihn klammern, ihn nicht alleine lassen und doch verschwand er einfach.

»Alec...«, ich wimmerte, »nein...nein...«

Und dann war da plötzlich dieser brennende Schmerz an meiner Seite, ich ächzte, riss meine Augen auf, erkannte ihre großen Gestalten über mir, Samuel, wie er voller Hass nach mir getreten hatte, als wäre ich irgendein verwundetes Tier, dem man den Rest geben musste, ich schlug die Hände vors Gesicht, weinte, wimmerte, schluchzte, flüsterte seinen Namen, weiter und weiter, war nicht mehr in der Lage klar zu denken, rollte mich zusammen wie ein kleines Kind, wollte mich vor ihnen schützen und schaffte es doch nicht.

»TÖTET SIE! TÖTET SIE DOCH ENDLICH!«

Lila stand vollkommen neben sich, Callahan richtete seinen Bogen auf mich, ich wimmerte auf, sah ihn voller Angst an, die beiden anderen Ven starrten voller Hass auf mich hinab, sahen aus, als würden sie mir am liebsten das Genick brechen, langsam und qualvoll und schmerzhaft, Jacob und Xav schleppten Alec weg.

Nein... Alec...

Ich hatte doch nur... ich wollte doch nicht... ich hatte doch nicht... Alec.

Voller Angst blinzelte ich hinauf, die Sonne brannte höhnisch auf meinem geschundenen Körper, sie sahen auf mich hinab, Schatten des Grauens, des Hasses, der Verachtung, die sich hoch über mir aufbauten.

Und dann traf mich Callahans Blick.

Er sah mich an. Er sah mich an und er wollte mich töten.

Denn in diesem Moment verloren seine Augen jeglichen Glanz, den sie jemals für mich übrig gehabt hatten.

Er spannte seinen Bogen, seine Miene war eine Mauer aus Eis und Stein, ängstlich schüttelte ich den Kopf, die Tränen liefen meine Wangen hinab, einfach alles in mir schien schmerzhaft aufzuschreien, mein Herz flatterte panisch, wie ein kleiner Vogel auf Flucht. Nur, dass es für mich keine Flucht gab.

Und ich flehte ihn an. Flehte. Flehte stumm um Erbarmen.

Und ich war mir sicher, in meinen Augen hatte noch nie so viel Angst  gestanden, Callahan spannte seinen Bogen weiter und weiter, sah mich ausdrucklos an, als wäre ich irgendein Wild, das er soeben erwischt hatte.

»Nein«, hauchte ich panisch, hob meine Hände schützend über mich, die Ven sahen meinen Lehrer abwartend an, warteten auf das unvermeidbare und ich war wie ohnmächtig.

Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich aufzurichten. Hatte keine Kraft mehr zu kämpfen.

»Nein... ich war... nicht«, meine Stimme versagte, stumme Schluchzer schüttelten mich, ich rollte mich weiter zusammen, kniff die Augen fest zusammen, wollte nicht sehen, was passierte, konnte ihm einfach nicht mehr ins Gesicht sehen, ertrug diesen Hass nicht mehr, verbarg mich wimmernd hinter meinen eigenen Händen, vergrub meinen Kopf in ihnen, wollte mich verstecken, wollte nichts sehen, wollte es verhindern und konnte doch nicht, murmelte vollkommen wirr seinen Namen vor mich hin.

Nein, nein, nein...

Und dann ließ mich Callahans Stimme erstarren. Ich würde sie niemals wieder vergessen.

Niemals.

Denn sie klang so voller Hass, so voller Verachtung, dass es mich erschaudern ließ. Eine Stimme, wie ich sie noch nie gehört hatte.

Ein leises Zischen, er spuckte mir die Worte entgegen, als wäre ich etwas Verabscheuenswertes, etwas, dass man unbedingt beseitigen musste, ein Monster.

»Ich habe dir vertraut!«

Und dann ließ er los.

Ich hörte meinen Schrei nicht mehr.

Eigentlich hörte ich gar nichts mehr.

Da war nur dieser brennende, unglaubliche Schmerz, der sich in mir auftürmte, kreischte, wie eine ungehaltene Bestie, einfach alles andere verschwinden ließ, alles übernahm, mich fühlen ließ, als wäre er das einzige, was von meiner Welt geblieben war.

Und dann wurde alles schwarz.

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