37
»Warum liegt sie auf dem Boden?«
Etwas raschelte. Dann schnaubte jemand.
»Keine Ahnung, ist mir auch ziemlich egal. Die hat nen Knall.«
Noch ziemlich schlaftrunken drehte ich meinen Kopf zur Seite, langsam spürte ich den harten Boden unter mir, die die Decke war immer noch fest um mich geschlungen.
Mein Fuß stieß gegen etwas Hartes - war ich jetzt ernsthaft von der Couch gefallen?
Laut meinem linken Schulterblatt schon, das tat nämlich höllisch weh.
Noch zu sehr im Halbschlaf gefangen, schaffte ich es weder, meine Augen zu öffnen, noch zu realisieren, dass es Alec und Mik waren, die sich da unterhielten.
»Sie ist ein komisches Mädchen«, murmelte Mik.
Wäre ich wacher gewesen, hätte ich mich jetzt vermutlich lautstark beschwert. Aber das war ich nun einmal nicht.
Zustimmend grummelte Alec.
»Aber irgendwie mag ich sie. Das ist verrückt oder? Einen Werwolf...«
Ich erstarrte, Alec verschluckte sich an seiner eigenen Spucke und hustete unterdrückt auf, langsam klärte sich mein Kopf.
Was zum...?
»Jetzt guck mich nicht so an. Sie ist ein guter Mensch, das weißt du selber, du willst es nur nicht zugeben, weil dir der Gedanke, dass du sie wirklich mögen könntest widerstrebt!«
Was zur Hölle? Was redete Mik denn da?
Alec schnaubte verrächtlich auf, ich stellte mich weiter schlafend, mein Knie zitterte.
»Seid ihr eigentlich in letzter Zeit alle verrückt geworden?«, knurrte Alec und ich konnte mir seinen finsteren Blick nur zu gut vorstellen, stimmte ihm innerlich zu.
Mik schnaubte ebenfalls.
»Halt die Klappe Al, ich weiß, dass du sie magst. Oder warum warst du damals nach ihrem Unfall so fertig? Nur, weil sie ein Werwolf ist, heißt das nicht, dass du sie hassen musst«
Okay, das ging mir hier definitiv zu weit.
Das bestätigten auch meine Wangen, die mal wieder verdammt dämlich anfingen zu brennen.
Blinzelnd öffnete ich meine Augen, hielt dann erschrocken die Luft an.
Meine Augen weiteten sich.
Halleluja.
Warum zur Hölle hatte der nichts an?!
Gut, er hatte etwas an, sein Oberkörper allerdings war vollkommen unbedeckt.
Völlig regungslos starrte ich ihn an, der Leitspruch der Ven über seinem Herzen leuchtete auf und überall diese Praes. Auf den Bauchmuskeln, den Rippen, der Brust, den Schulterblättern.
Es war ein unheimlicher Anblick...
Aus irgendeinem Grund schienen die beiden Ven nicht zu bemerken, dass ich wach war.
Alec stand mit verschränkten Armen gegenüber vor Mik, seine Muskeln spannten sich an, hinter ihm sein geöffneter Kleiderschranck.
Hatte der vielleicht vergessen, dass ich auch noch in diesem Zimmer war? Gut, er dachte ich würde schlafen, aber trotzdem...
Mik hockte gelassen auf dem Bett und zuckte mit den Schultern, als Alec ihn entrüstet ansah, das schwarze T-Shirt zerknitterte in seiner Hand.
Meine Augen weiteten sich noch mehr, konnte dieser verdammte Idiot sich vielleicht mal etwas anziehen?
Und warum zur Hölle starre ich ihn eigentlich immernoch an?
Hastig riss ich meinen Blick los, mein Herz begann langsam schneller zu schlagen.
Ach du heilige Scheiße...
»Ich mag sie nicht. Und guck mich jetzt nicht so an! Sie ist eine verdammte Nervensäge!«
Warum verdammt musste Alec eigentlich imme über mich reden? Und, dass ich das jetzt mitbekommen hatte war ja wohl wirklich nicht meine Schuld!
Außerdem sollte er die Klappe halten. Ich war keine Nervensäge!
Mik feixte, mein Herz raste immer schneller.
Oh nein...
»Aber sie ist süß.«
»Mik!«, knurrte Alec wütend und dann schien er irgendetwas zu hören.
Es geschah so schnell, dass ich keine Chance hatte, zu reagieren.
Alecs Kopf schoss in meine Richtung, ich zuckte so heftig zusammen, dass ich gegen die Couch hinter mir stieß und starrte ihn mit großen Augen an.
»Verdammte Scheiße Davis«, rief Alec erschrocken, zog sich dann hastig das T-Shirt über, Mik währenddessen tat, was Mik eben immer tat.
Lachen.
Beinahe fassungslos starrte Alec mich an, ich starrte zurück.
»Guten Morgen«, trällerte Mik, ich setzte mich mit hochrotem Kopf auf, meine Locken standen zu allen Seiten ab und meine Wangen waren mit Sicherheit genau so rot wie mein Haar.
»Macht es dir eigentlich Spaß, mich zu belauschen?«, knurrte Alec, ich verschränkte die Arme vor der Brust, seine Decke fiel von meinen Schultern.
»Entschuldige, aber was kann ich denn bitte dafür, wenn ihr so laut redet, dass ich aufwache?«, schnaubte ich.
So eine Zicke. Wie immer.
Alec funkelte mich finster an. Wie immer.
»Du hättest dich ja ruhig bemerkbar machen können.«
Ich verdrehte die Augen.
»Ja, genau, was hätte ich den sagen sollen? Hört auf über mich zu reden, ich bin jetzt wach.«
Ja, vermutlich wäre es genau das gewesen, was ich hätte sagen sollen. Aber das würde ich vor Alec natürlich niemals zugeben.
»Hast du gut geschlafen?«, grinste dann plötzlich Mik, ich sah ihn verwirrt an und merkte dann, dass ich ja immer noch auf dem Boden saß.
Ich seufzte, verdrehte meine Augen und stand dann auf.
»Ich sollte jetzt wirklich gehen«, murmelte ich, die Decke fiel zu Boden, ich wollte ehrlich nicht wissen, wie ich aussah.
Mik wirkte beinahe enttäuscht.
»Bleib doch noch bis zum Frühstück, Alec würde sich sicher freuen.«
Und während Alec Mik eine Kopfnuss gab, verdrehte ich erneut die Augen.
Solche Idioten.
»Ich begleite sie nach unten«, knurrte der Schwarzhaarige - gut gelaunt wie eh und je versteht sich.
Ich öffnete die Tür, Mik kicherte Mal wieder wie ein kleines Mädchen und Alec schüttelte fluchend den Kopf.
Stumm liefen wir den Flur entlang, bis wir schließlich an der Treppe ankamen.
»Block dir schon einmal die nächsten Wochen«, murmelte Alec missmutig, als wir die Treppe hinunterstiegen.
Verwirrt sah ich ihn an.
»Aber ich hab Mathe doch fast verstanden?«
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich an.
»Willst du jetzt bei den Hybriden weiterhelfen oder nicht?«
Meine Miene hellte sich auf und so sehr ich es zu verhindern versuchte, meine Mundwinkel hoben sich einfach so.
»Wirklich?«, fragte ich überrascht, konnte nicht glauben, dass er mir dieses Angebot wirklich machte.
Ich meine, er war Alec.
Sturr starrte er nach vorne, nicht gewillt, mich anzusehen.
»Wenn du weiter redest überleg ich es mir vielleicht noch einmal.«
Ich schnaubte und verdrehte die Augen - der konnte ja nicht einmal nett sein... - hielt allerdings meine Klappe.
Das er es sich noch einmal anders überlegte, wollte ich nun wirklich nicht riskieren.
Hätte mich Alec nicht am Saum meiner Jeansjacke gepackt, wäre ich mit Sicherheit mit Callahan zusammengestoßen, der in eben diesem Moment mit einer dampfenden Tasse Kaffe in den Flur trat.
Ich gab ein überraschtes Geräusch von mir, Callahan hob seine Tasse, um sie vor mir zu retten und Alec tat das, was Alec eben immer tat.
Genervt die Augen verdrehen zum Beispiel.
Überrascht sah Callahan auf mich hinab, ich hatte das dringende Bedürfnis auf die verlockende Haustür hinter ihm zuzustürmen und einfach für immer zu verschwinden.
»Miss Davis«, meinte Callahan beinahe erfreut, ich schrumpfte in mich zusammen und Alec konnte natürlich auch nicht daran denken, meine Jacke loszulassen.
Callahans Blick glitt zu Alecs Hand hinab und einmal erneut hasste ich es, ich zu sein.
Warum passierte mir in letzter Zeit eigentlich so unglaublich viel Peinliches? Das war doch echt nicht mehr normal...
Und fair war es nebenbei auch nicht.
»Ehm, hallo...«, stotterte ich und drückte Alecs Hand mit meinem Arm von mir weg, er schien jetzt erst zu merken, was er da überhaupt tat und trat einen großen Schritt von mir weg, als wäre ich etwas furchtbar Ekelhaftes.
Oh ja super, danke Alec...
Belustigt beobachtete Callahan das Schauspiel und nippte währenddessen an seinem Kaffe.
»Ist gestern wohl ganz schön spät geworden?«, grinste mein Mathelehrer, in mir kreischte irgendetwas panisch auf, die Hitze schoss mit einem Mal in mir hoch.
Konnte der seine bescheuerten Anspielungen bitte mal lassen? Verdammt, konnten sie alle diese Anspielungen lassen?
Mik, Callahan, Siren, Missy, Lila...
Innerlich schnaubte ich auf. Irgendetwas stimmte mit diesen Ven doch nicht...
Naja, aber immerhin wussten sie auch nicht, was ich war...
Spätestens Callahan würde mich ohne zu zögern umbringen, da war ich mir sogar ziemlich sicher.
Naja, Mik allerdings wusste was ich war...
Er musste doppelt eine an der Klatsche haben. Ehrlich.
»Sie muss jetzt gehen«, knurrte Alec zwischen zusammengepressten Zähnen und schob mich dann unsanft auf den Ausgang zu, wobei ich beinahe gestolpert wäre.
»So geht man aber nicht mit einer Dame um«, lachte Callahan feixend, als Alec grimmig die Tür öffnete und meine Ohren immer noch brannten.
Oh Gott, endlich raus aus diesem Höllenhaus...
Etwas zittrig taumelte ich hinaus, es war warm und trotzdem fröstelte es mich irgendwie. Diese ganze Venhaus-Aktion hatte mich fertig gemacht, ehrlich...
»Wir sehen uns dann Montag«, murmelte Alec und noch ehe ich etwas erwidern konnte, schlug er mir die Tür einfach vor der Nase zu.
Ich zuckte zurück. So ein Arsch...
Seufzend drehte ich mich um und ehe ich es verhindern konnte, kreischte ich erschrocken auf, die Tür hinter mir wurde wieder aufgerissen, Alec preschte alarmiert heraus, mein Herz machte einen erschockenen Sprung.
»Was zum...?«, fragte Alec, während der blonde Junge, den ich angeschrien hatte sich erschrocken übers Herz fasste.
Warum zur Hölle hatte der auch einfach komplett stumm hinter mir gestanden?!
Mein Herz raste erschrocken, ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke.
»Shell?«, fragte Alec verwirrt, sah dann mich fragend an, während ich mir furchtbar dumm vorkam und zur goldenen Krönung auch noch die anderen Bewohner des Hauses alarmiert in den Flur hasteten.
Auf den letzten Metern noch bewiesen, dass ich komplett bescheuert war, super...
Besagter Shell sah mich aus großen, erschrockenen Augen an.
»Sie hat mich einfach angeschrien«, keuchte er perplex, aus dem Flur drang mir Miks unterdrücktes Gegluckse in die Ohren.
Alec sah mich an, als wäre ich komplett geistesgestört, ich schüttelte hastig den Kopf.
»Er stand auf einmal da«, nuschelte ich kleinlaut und wollte einfach nur, dass sie aufhörten mich so anzustarren...
Und dann trat plötzlich Missy vor. Auch sie grinste belustigt, ich hätte mich am liebsten in irgendeinem See ertränkt. Zur Not nahm ich auch das Waschbecken...
»Aruna, das ist Shell, mein Zwillingsbruder, Shell, das ist Aruna, Alecs Freundin.«
»Sie ist nicht meine Freundin!«
»Ich bin nicht seine Freundin.«
Verdutzt sah Shell zwischen dem schwarzhaarigen Ven und mir hin und her, Lila gluckste, mittlerweile wollte ich mir den Kopf abhacken.
Diese Ven waren verrückt. Alle miteinander. Ehrlich.
Das war anstrengend.
Missy grinste schelmisch, Alec warf mir einen finsteren Blick zu - wie immer eben.
»Ehm...ich muss dann jetzt auch gehen...«, murmelte ich und drückte mich dann einfach an Shell vorbei.
Ich hielt es hier keine Sekunde länger aus, ehrlich...
Und während ich mit hochrotem Kopf die Straße entlang hastete spürte ich ihre Blicke nur all zu deutlich auf meinem Rücken.
Und hier musste ich am Montag noch einmal hin...
Vielleicht konnte ich Alec überreden, irgendwo anders hinzugehen... oder ich würde einfach durchs Fenster klettern...
Aber dabei war wohl die Gefahr, dass mich Alec einfach wieder herunterstoßen würde, zu groß...
◊♠◊♠◊♠◊
»Du warst wo?«, fragte Eza bestimmt zum fünften Mal ungläubig, während sie gemeinsam mit Cole auf meinem Bett saß und ich unruhig im Zimmer hin und her lief.
»Bei einer Freundin«, erwiderte ich das, was ich auch die vorigen Male erwiedert hatte.
Nicht die beste Lüge, das war mir schon klar, allerdings hatte ich weder die Lust, noch die Kreativität, mir jetzt eine Bessere auszudenken.
»Und ihr habt Sicher keine Ahnung, wo meine Schneekugel ist?«
Wie immer, wenn ich in das Dorf zurück kam, besuchte ich zuerst Ben, nahm die Schneekugel von seinem Nachttisch und erzählte ihm von Gott und der Welt.
Heute hatte sie nicht mehr an ihrem Platz gestanden.
Bedauernd schüttelte Cole den Kopf.
»Sie war einfach weg, als wir das letzte Mal dort waren«, berichtete er erneut und rümpfte dann die Nase.
»Du riechst komisch, weißt du das?«
Ich hob die Augenbrauen.
»Sehr nett von dir«, kommentierte ich augenverdrehend und suchte die Schubladen meines Schreibtisches erneut durch.
»Nein, er hat Recht«, stimmte Eza dem blonden Jungen zu.
»So nach...Kiefern?«
Noch ehe ich es verhindern konnte, stockte ich.
Verdammt. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Sie konnten ihn riechen.
Ich räusperte mich nervös.
»Wir leben in einem Wald Ez, das sollte dich nicht wundern«, meinte ich schließlich bemüht gleichgültig, doch sie mussten Idioten sein, wenn sie meine Unsicherheit nicht hörten.
Cole schnaubte.
»Nein, sie hat Recht. Du riechst... anders.«
Ich verdrehte meine Augen.
»Ja, ist gut, ich hab kapiert, dass ich stinke, wär's das jetzt?«
Eza schnaubte.
»Manchmal bist du echt unmöglich, weißt du das Aruna?«
Ich feixte sie an und zog eine äußerst merkwürdige Grimasse.
»Ja.«
Eza versuchte ihr Grinsen zu unterdrücken und gab ein wirklich komisches Geräusch von sich, während Cole irgendetwas von »Mädchen«, grummelte.
»Weißt du«, meinte ich und ließ mich einfach quer über ihre Beine auf mein eigenes Bett fallen, da sie den gesamten Platz einnahmen.
»Mit dieser Einstellung kriegst du nie eine Freundin, Cole.«
Der Junge schnaubte verächtlich ich streckte genüsslich meine Arme aus, er schubste mich von seinen Beinen und schwang sie vom Bett, während Eza die Gnade besaß und ihre Beine da ließ, wo sie waren, damit ich sie als Kissen missbrauchen konnte.
»Woher willst du denn wissen, dass ich keine habe?«
Eza und ich stockten und sahen ihn beide mit großen Augen an.
»Du hast was?«, krächzte ich ungläubig, Eza schüttelte perplex den Kopf.
»Das glaub ich dir nicht«, steuerte sie bei, Cole zog eine Grimasse.
»Woher wollt ihr das wissen?«
Eza deutete einfach auf sein Gesicht.
»Deswegen«, keuchte sie ungläubig, ich brach in schallendes Gelächter aus, Cole verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.
Eza grinste stolz, ihre bernsteinfarbenen Augen blitzen fröhlich auf. Typisch Eza eben.
»Ihr seid bescheuert, wisst ihr das?«, knurrte Cole eingeschnappt, während ich immer noch lachte und Eza Cole grinsend ansah.
»Und du bist eine Gesichtsgrätsche«, neckte sie ihn weiter, er sah sie ungläubig an.
»Du siehst ja wohl auch nicht besser aus!«, empörte er sich, ich schnappte keuchend nach Luft und blinzelte meine Lachtränen weg, während ich mir den Bauch hielt.
Eza klimperte mit ihren langen Wimpern.
»Schöner als du«, feixte sie.
Ignorieren wir jetzt einfach mal den Fakt, dass sie beide wirklich nicht schlecht aussahen.
»Ihr seid bescheuert«, keuchte ich immernoch lachend, als Anspielung auf Coles Worte zuvor, sie sahen mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir hinab.
»Du bist sowieso die größte Gesichtsgrätsche Ary«, meinte Eza grinsend, als sich plötzlich jemand räusperte.
Wir zuckten alle drei zusammen und sahen dann erschrocken zu meiner Tür.
Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem breiten Grinsen im Gesicht stand Ylva da und beobachtete uns skeptisch.
»Habt ihr jetzt ausgemacht, wer von euch der Hässlichste ist?«, grinste sie, ihr blondes Haar wellte sich wie immer um ihr makelloses Gesicht, ihre grünen Augen leuchteten amüsiert auf.
»Cole«, meinte ich.
»Eza«, schnaubte Cole.
»Aruna«, feixte Eza.
Verdutzt sahen wir uns an, Ylva lachte leise auf.
»Na dann wäre das ja geklärt«, grinste sie und schüttelte den Kopf.
»Kann ich dich dann mal kurz entführen Aruna? Fenris und ich brauchen dich.«
Alarmiert sah ich auf, ihr Blick warnte mich jedoch, ja nicht zu viel zu sagen.
»Ehm ja klar«, murmelte ich und sprang auf.
Bevor ich mit meiner großen Schwester das Zimmer verließ, warf ich allerdings noch einen hastigen Blick auf meine beiden Freunde, die mir verwirrt hinterhersahen.
»Wehe ihr zerlegt mein Zimmer!«, warnte ich, dann folgte ich Ylva in den Flur.
»Alles in Ordnung Yve?«, fragte ich unsicher, als wir die Treppe hinunterstiegen.
Sie sah mich beruhigend an.
»Kein Sorge, es ist nichts passiert, falls du das meinst.«
Erleichtert atmete ich aus und als wir in die Küche kamen erblickte ich einen unruhigen Fenris, der immer wieder zwischen der Kücheninsel und dem Esstisch hin und her lief.
Verwirrt runzelte ich die Stirn.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich, woraufhin mein Bruder zusammenzuckte und aufsah.
Ylva neben mir verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte resigniert. Fenris warf ihr einen kurzen Blick zu, dann sah er mich an. Er lächelte, beinahe unsicher.
»Du musst uns helfen«, meinte er einfach nur und steuerte dann auf den Ausgang unseres Hauses zu.
»Hä?«, machte ich und sah fragend zu meiner großen Schwester hinauf.
Sie lächelte kurz und schüttelte dann den Kopf.
»Komm einfach mit«, seufzte sie und lief dann ebenfalls los.
Hastig folgte ich ihr und schaffte es tatsächlich stumm zu bleiben, während wir durch das Dorf eilten.
Erst, als wir den Wald erreicht hatten, hatte ich genug.
»Will mir vielleicht einer von euch sagen, was hier los ist?«, fragte ich verwirrt.
Fenris warf mir einen hastigen Blick zu, sagte allerdings nicht.
Okay...? Danke für diese Informationen.
»Achja«, meinte dann plötzlich Ylva, ganz offenbar war ihr etwas Wichtiges eingefallen.
»Das wollte ich dir gestern schon sagen, aber du warst ja bei deiner Freundin«, prüfend sah sie mich an.
Ich wurde blass.
»Ja?«, fragte ich etwas nervös und sah sie fragend an.
»Deine Lehrerin von diesem Kunstprojekt, Miss McClair, richtig?«
Verwirrt nickte ich. Was hatte sie denn jetzt hiermit zu tun?
»Gabriel, Fenris und ich sind ihr gestern begegnet, pass ein bisschen auf in ihrer Gegenwart.«
Mein Schädel brummte. Gabriel? Aufpassen? Ihre Gegenwart? Hä?
In diesem Moment war ich unglaublich froh, dass keiner von ihnen in meinem Kopf eingelinkt war. Ich hörte mich an, wie eine Geisteskranke.
»Wieso?«, fragte ich perplex während wir immer noch in strammen Tempo durch den Wald jagten.
Warum hatten wir es denn so eilig? Oder besser gesagt warum zur Hölle hatte es Fenris so eilig?
»Sie ist ein Cupid«, erwiederte Ylva, als würde das alles klären, doch in meinem Kopf herrschte vollkommene Leere.
Was zur Hölle war ein Cupid?
»Was für ein Ding?«, fragte ich vollkommen verwirrt.
Yve sah mich tadelnd an.
»Kein Ding Aruna, ein Cupid.«
Ja und? Was zur Hölle war ein Cupid?
»Eine Liebesgötting.«
Warte was?
Hatte Ylva zwischendurch einen Hirnschlag erlitten oder was zum Teufel war mit ihr los?
»Eine Liebesgöttin?«, wiederholte ich ungläubig und sah sie an, als wäre sie komplett geistesgestört.
Vielleicht war sie das.
Geduldig sah sie mich an.
»Wenn sie spricht, wenn du sie ansiehst, bist du dann beinahe... gefesselt von ihrer Stimme?«, fragte sie und sah mich auffordernd an.
Doch hinter ihrem Blick lag mehr.
Mehr als einfach nur geduldige Belehrung.
Neugierde.
Stirnrunzelnd sah ich sie an. Doch jetzt, wo ich darüber nachdachte...
Unsicher nickte ich.
Hatte ich nicht schon immer das Gefühl gehabt, als würde diese Frau mich geradezu in ihren Bann ziehen, als würde sie mich allein mit ihrer Stimme fesseln?
Aber was bedeutete das?
Beinahe wirkte Ylva enttäuscht, während meine Gedanken immer wirrer wurden.
Konnte sie mir vielleicht mal erklären, was hier los war?
»Gut. Diese Wirkung haben Cupids auf Menschen, die nicht verliebt sind.«
Überrascht hob ich meine Augenbrauen, sah Ylva ungläubig an.
»Sie könnten sie quasi zu allem bringen, einfach wegen ihrer Ausstrahlung. Meistens jedoch nutzen sie ihre Kräfte nicht aus, verwenden sie für das, für das sie geschaffen wurden. Liebe zwichen zwei Menschen - sie ebnen ihnen den Weg.«
Ungläubig sah ich sie an. Cupid. Liebe? Was zum...?
Das konnte nur ein schlechter Witz sein...
»Auf Menschen jedoch, die verliebt sind, zumindest starke Gefühle für jemanden hegen, sich zu einer Gewissen Person hingezogen fühlen, haben sie keinerlei Wirkung mehr.«
Meine Augen weiteten sich, ich dachte an die Stunden in dem Kunstprojekt zurück.
Ben.
Auf ihn hatte sie nie so einnehmend gewirkt, wie auf mich. Was hatte er damals gesagt?
Findest du nicht auch, dass McClair komisch ist?
War Ben... war er etwa verliebt gewesen? Wie hatte ich das denn niemals bemerken können?!
Und da fiel mir etwas ein. Ben verstand Liebe nicht. Er erkannte den Sinn, das System dahinter nicht. Vielleicht wirkte sie deshalb nicht auf ihn? Vielleicht lag es daran, dass er ein Autist war?
»Woher weißt du das?«, fragte ich schließlich leise, konnte Bens verwirrten Blick, als auf einmal alle wie gebannt zu McClair gestarrt hatten, nicht vergessen.
Aber wenigstens ihre Ausstrahlung machte jetzt Sinn, so banal, so makaber das auch klingen mochte.
Noch makaberer war, dass ich es einfach so hinnahm... Aber nach den letzten Wochen konnte mich wohl nur noch wenig schocken...
Ein Cupid...
Das war... unheimlich.
Wirklich... es war komisch...
McClair war eine Liebesgöttin? Oh Halleluja...
Aber was zur Hölle machte ein Cupid an meiner Schule?
Und plötzlich grinste Ylva.
Feixend zuckte sie mit ihrem Kopf zu Fenris, der mit dem Gedanken immer noch komplett woanders zu sein schien.
»McClair hat mich vollkommen in ihren Bann gezogen, es war ein unglaubliches Gefühl«, sie grinste.
»Aber Gabriel und Fenris hat sie vollkommen kalt gelassen.«
Und ohne, dass ich es verhindern konnte, hoben sich meine Mundwinkel.
Vielsagend grinsten Ylva und ich uns an, sie wackelte mit den Augenbrauen, ich gluckste.
Dann wurde ihr Blick plötzlich wieder ernst.
»Danke übrigens«, murmelte sie, ich blickte verwirrt zu ihr auf.
»Wofür?«
Ich hatte echt keinen blassen Schimmer, wovon sie sprach.
Und da grinste Ylva plötzlich wieder.
»Dafür, dass du einfach die beste kleine Schwester bist, die man sich wünschen kann.«
Völlig verwirrt sah ich sie an und zog perplex die Augenbrauen zusammen. Hatte sie sich irgendwie den Kopf angestoßen, als wir losgegangen waren?
Ylva wuschelte mir durchs Haar, ich zuckte verärgert zurück.
Dann beugte sie sich zu mir herunter.
»Fenris hatte vor allem Angst vor der Reaktion unserer Familie, wegen Gabe meine ich. Deine Reaktion hat ihm echt Mut gemacht«, flüsterte sie und dann blieb Fenris plötzlich stehen.
Verwirrt hielt ich inne, mein Blick glitt nach vorne, ich stockte, als ich Gabe auf einem umgefallenen Holzstamm auf einer Lichtung sitzen sah.
Was machte er hier?
»Und deshalb sind wir auch hier«, verkündete Ylva schließlich, Fenris wirkte unsicher.
»Mum und Dad sollen es wissen... sie alle sollen es wissen«, murmelte er, Ylva sah ihn bestärkend an.
Gabe bemerkte uns und drehte sich um, fing beinahe automatisch an zu lächeln, als er uns sah.
Überrascht blickte ich zu meinem Bruder, der zuckte seufzend mit den Schultern und brachte ein klägliches Lächeln zu Stande.
»Du hast selbst gesagt, dass sie es irgendwann erfahren müssen. Und je länger ich warte, desto schwerer wird es.«
Ylva klatschte in die Hände, als würde sie etwas furchtbar wichtiges verkünden.
»Also, hilfst du uns?«
Ich sah Fenris fest in die Augen, er blickte mich unsicher an, während sein Zwilling sehr viel unternehmenslustiger schien, Gabe war mittlerweile aufgestanden und kam zu uns rüber.
Ich nickte.
»Natürlich.«
◊♠◊♠◊♠◊
»Mum? Dad?«
Aufgeregt trat ich vom einen Fuß auf den anderen, ließ mich dann auf die Couch fallen.
Meine Hauptaufgabe in diesem Plan bestand eigentlich aus seelischer Unterstützung. Und eigentlich war es nicht einmal ein richtiger Plan.
Fenris hatte vermutlich einfach Ylvas und meine Unterstützung benötigt.
Ylva und ich saßen übrigens in dem Moment in unserem Wohnzimmer, während Gabe und Fenris außerhalb des Dorfes warteten.
Hey, wenn man so ein Geheimnis lüftete, musste das schon mit ganz viel Trara und allem drum und dran passieren.
Ich hatte seit mindestens einer Stunde übrigens nicht mehr aufgehört zu grinsen und auch Ylva schien irgendwie fröhlich, doch ich spürte auch ihre Angespanntheit.
Vermutlich ging die von Fenris aus, allerdings war es nun auch ihre alleinige Aufgabe, das Alphagen weiterzugeben.
Naja, zumindest als nächste Alpha des Rudels, Phelan und Lupa waren ja auch noch da. Ich zählte, wie ihr ja wisst, nicht wirklich.
Meine Eltern hatten sich, wie in letzter Zeit oft, in ihr Büro zurückgezogen, ich hatte gehört, wie sie über eine angegriffene Ven geredet hatten.
Siren, da war ich mir sicher.
Für einen Moment hatte ich inne gehalten, doch nun war etwas anderes wichtiger.
Denn irgendwie war es ja klar, dass sie so etwas mitbekamen.
Naja, jedenfalls kam keine Antwort von ihnen.
»Ich geh sie holen«, murmelte ich und erhob mich hastig.
Ohne mir wirklich Mühe zu geben, leise zu laufen, schritt ich den Flur entlang, doch als ich fast an der Tür zu ihrem Büro angekommen war, hielt ich inne.
Mein Herz machte einen Aussetzer.
»...der Vic, Bane fordert Taten. Er meint, wir sollten ihn und die Ven, die auf die Little Falls High gehen liquidieren. Um ein Statement zu setzen.«
Meine Kehle schnürte sich zu, voller Entsetzen starrte ich die dunkle Tür an.
Was?
Nein!
Das konnten sie nicht ernst meinen.
Alec...
Meine Mutter schnaubte.
»Das ist völliger Schwachsinn Ten. So machen wir sie doch nur auf uns aufmerksam. Bis jetzt wissen sie nichts von unserer Existenz.«
Zittrig drückte ich mein Ohr gegen die Tür, hielt die Luft an, darauf bedacht, ja kein Geräusch zu machen.
Ich hörte, wie mein Vater unruhig in dem Zimmer hin und her lief.
»Ich weiß, das hab ich ihm auch gesagt. Aber du musst ihm Recht geben, sie schnüffeln jetzt schon in unserem Wald herum. Und denk doch nur einmal an Aruna. Sie geht mit ihnen auf die Schule, stell dir doch nur einmal vor, was mit ihr passieren würde, wenn man sie entdeckte.«
Ich schluckte schwer...
Nicht das, was ihr erwartet, dachte ich, das schlechte Gewissen begann langsam an mir zu nagen.
»Ich halte das trotzdem für keine gute Idee. So geben wir ihnen doch nur die Bestätigung, dass wir die Monster sind, für die sie uns halten...«
Mein Vater seufzte.
»Bane hat ein schwieriges Verhältnis zu den Ven, das weißt du.«
Wovon redete er?
Meine Mutter schnaubte.
»Wir alle haben ein schwieriges Verhältnis zu den Ven, Ten. Dafür sind es eben Ven.«
Mein Vater seufzte.
»Du weißt, dass ich nur das Beste für unser Rudel möchte.«
Ich schüttelte meinen Kopf, erwachte endlich aus meiner Starre.
Hastig versuchte ich, mein rasendes Herz zu beruhigen, meine Eltern blieben für einen Moment stumm.
Dann klopfte ich.
Konzentrier dich, dachte ich.
Das schuldest du Fen.
Bane ist verrückt, das war er schon immer... deine Eltern sind Vernünftig, sie würden nicht so unüberlegt handeln, wie er...
»Ja?«, mein Vater klang geschäftig wie immer.
Als ich jedoch meinen Kopf etwas unsicher durch die Tür streckte, wurden seine Gesichtszüge weicher.
Meine Mutter saß auf der Kante ihres Schreibtisches und hatte wohl meinen Vater dabei beobachtet, wie er unruhig hin und her geschritten war.
»Alles in Ordnung Liebling?«, fragte Mum überrascht.
Normalerweise kam ich nie zu ihrem Büro.
Ich räusperte mich, jetzt klopfte mein Herz doch aufgeregt.
»Ehm... ja, ihr müsst mal mitkommen«, stammelte ich, mein Herz machte einen aufgeregten Sprung.
Verwirrt sahen meine Eltern sich an, ich hob auffordernd die Augenbrauen.
»Okay?«
Fragend sah Lumina mich an, als Antwort öffnete ich die Tür einfach noch weiter, damit sie an mir vorbeitreten konnten.
Ich konnte ihre Verwirrung geradezu spüren, als wir den Flur entlangtraten.
Ylva saß unsicher auf der Couch, mittlerweile waren auch Lupa und Phelan hier.
»Alles in Ordnung Ylva?«, fragte meine Mutter diesmal Ylva unsicher, als sie meine Schwester sah.
Auch Lupa und Phelan wirkten verwirrt, Ylva und ich warfen uns einen vielsagenden Blick zu.
Meine Schwester räusperte sich und stand auf, ich streckte meinen kleinen Geschwistern die Hände hin, verwirrt ließen sie zu, dass ich sie an die Hand nahm.
»Es gibt da etwas, das ihr wissen solltet«, erklärte sie, Lupa und Phelan sahen fragend zu mir hoch, ich schmunzelte geheimnisvoll zu ihnen hinab.
Mein Vater schüttelte verwirrt den Kopf und sah misstrauisch zwischen mir und meiner Schwester hin und her.
»Was habt ihr Beide ausgeheckt?«
Aufgeregt grinste ich ihn an.
»Nichts«, versicherte ich, Ylva schob nervös ihre Hände ineinander.
»Kommt«, meinte sie und öffnete die Tür nach draußen.
Meine Eltern stockten, als sie die vielen verwirrten Gesichter sahen, die eine Schneise zu unserem Haus bildeten.
Ich wusste nicht, wie es Eza, Cole, Lily und Liam geschafft hatten, doch irgendwie hatten sie das Rudel dazu gebracht, sich hier zu versammeln.
Hey, ich sagte doch bereits: Wenn schon denn schon.
Fenris wollte es lieber mit einem Mal hinter sich bringen.
Gar nicht auszudenken, wie aufgeregt er nun sein musste.
Ich hatte meine Freunde übrigens bereits wegen des Anlasses eingeweiht, damit sie mir halfen.
Wie zu erwarten hatten sie überrascht reagiert, doch dann hatte Lily aus irgendeinem Grund fröhlich angefangen zu grinsen und die anderen drei mit sich geschleift, damit sie loslegen konnten.
Besagte vier standen übrigens keine fünf Meter von dem Alphahaus entfernt und reckten grinsend ihre Daumen in die Höhe, als Zeichen, dass alles bereit war.
»Was soll das hier?«, fragte meine Mutter verwirrt, während wir auf unserer Veranda stehen blieben und meine kleinen Geschwister neugierig ihre Hälse reckten, meine Hände dabei immer noch fest umklammerten.
»Das werdet ihr jetzt erfahren«, meinte Ylva nur, ich konnte ihr Herz pochen hören und dann linkte sie sich bei Fenris ein.
Ich wurde hibbelig, Lupa sah verwirrt zu mir auf und auf einmal erhob sich schockiertes Getuschel.
Gabe und Fenris hatten sich also auf den Weg gemacht.
Lilith war die erste, die sie von den Leuten, die am nähesten am Alphahaus standen, sah.
Mein Grinsen wurde noch breiter, als ich meinen Bruder erblickte, ich schaffte es nicht einmal mehr, auf die Reaktion meiner Eltern zu achten, hörte nur, wie mein Vater erschrocken aufkeuchte.
Gabe sah sich unsicher um, ungläubige Blicke folgten ihnen, während Fenris die Hand des blonden Jungen fest umklammert hielt, starr nach vorne blickte.
Ylva und ich sahen uns an, sie grinste breit, ich grinste breit.
»Wer ist das?«, fragte Phelan neugierig, Lilith musterte Gabe mit großen Augen und dann kamen sie schließlich bei uns an.
Die Dramaqueen lag wohl in der Familie, ich konnte nicht mehr aufhören zu strahlen.
Und so unsicher Fenris zunächst gewirkt hatte, nun sah er entschlossen zu meinen Eltern auf.
»Mum«, er sah meine Mutter an, sie schien sprachlos.
Oh bitte, stoßt ihn nicht weg... das würde er nicht ertragen... ich würde es nicht ertragen...
Andrerseits konnte ich mir ziemlich gut vorstellen, dass ich auch so ausgesehen haben musste, als ich sie das erste Mal gesehen hatte.
»Dad.«
Mein Vater war die exakte Spiegelung meiner Mutter, ungläubig sah er auf seinen Sohn hinab.
Es schien, als würde Fenris Gabes Hand noch fester umklammern, als bräuchte er diesen Halt.
»Das ist Gabriel. Mein Gefährte.«
Es war, als würde alle mit einem Mal die Luft anhalten, nun war absolut kein Platz mehr für Interpretation, und dann machte sich ungläubiges Getuschel breit, mein Herz klopfte aufgeregt, mein Blick glitt zu meinen Eltern.
Sie regten sich nicht.
Oh bitte, bei der Mondgöttin bitte...
Ihr habt auch mich akzeptiert...
Mum...
Dad...
Und dann machte sich Lupa plötzlich von meiner Hand los, erschrocken sah ich zu ihr hinab, alle Blicke folgten ihr, als sie mit großen Augen auf Gabe zutrat, der sie vorsichtig anlächelte, unsicher, was er tun sollte.
Lupa legte den Kopf in den Nacken, ich hielt die Luft an.
Was tat sie da?
»Du magst Fen?«, fragte meine kleine Schwester schließlich neugierig und blinzelte zu Gabe hinauf.
Er lächelte vorsichtig auf sie herab und nickte.
»Ja.«
Es war, als würde dieses eine Wort für einen Moment in der Luft hängen bleiben, jeder hatte es gehört, jeder hielt inne.
Und dann begann Lupa auf einmal zu strahlen.
Ihre rosanen Wangen glühten, als sie Gabe anblinzelte.
»Dann magst du hoffentlich auch mich.«
Breit grinsend sah sie ihn an und streckte ihm schließlich ihr kleines Händchen entgegen.
»Ich bin Lupa«, strahlte sie.
Völlig überrumpelt ergriff Gabe ihre Hand, mein Herz machte einen kleinen Aussetzer.
Lupa war ein Engel. Lupa musste ein Engel sein.
Dieses kleine Mädchen... sie war unglaublich.
Und irgendetwas geschah mit meinem Rudel, als sie die Hand des Inbec schüttelte.
Ich sah mich um, Lilith lächelte, Ylva strahlte und dann trat meine Mutter plötzlich ebenfalls vor, stellte sich neben ihre kleine Tochter und strich ihr stolz über die goldenen Löckchen, die denen Ylvas so ähnlich sahen.
Und dann... dann lächelte sie.
Ich war mir sicher, Fenris noch nie so erleichtert gesehen zu haben, seine Augen glänzten, Mum lächelte ihn liebevoll an.
»Gabriel, richtig?«, fragte sie, mein Vater entspannte sich neben mir etwas, als würde das Handeln seiner Frau ihn beruhigen.
Wieder etwas unsicher nickte Gabe.
»Lumina«, stellte sich meine Mutter vor und sobald sich ihre Hände berührt hatten, schien endgültig irgendeine Mauer in den Herzen des Rudels zusammenzubrechen, die Lupa bereits beinahe vollständig eingerannt hatte.
Und als Ten seinem Sohn dann väterlich zunickickte, machte sich aufgeregtes Getuschel breit.
Aber nicht diese Art aufgeregtes Getuschel.
Einfach die Art Getuschel, den Gefährten eines der zukünftigen Alphas kennenzulernen, das erste Mal zu sehen.
Ylva und ich strahlten uns an, Phelan riss sich von mir los und stellte sich Gabe ebenfalls aufgeregt vor, mein Vater warf mir einen kurzen Blick zu - beinahe stolz irgendwie - und legte dann einen Arm um Ylvas Schulter, flüsterte ihr irgendetwas ins Ohr, was sie noch mehr zum strahlen brachte.
Wir hatten Glück. Fenris und ich - wir beide.
Wir hatten so unendlich viel Glück, in diese Familie reingeboren zu sein. Nicht auszudenken, was andere Rudel getan hätten.
»Nein!«
Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich beinahe von der Veranda getaumelt wäre, mit einem Mal wurde es gespenstisch still.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, als ein, vor Wut schnaubender, Bane aus der Menge trat.
Voller Hass blickte er Gabe an, der unter seinem Blick beinahe etwas zusammenschrumpfte, Fenris stellte sich fast unmerklich etwas vor ihn. Er würde ihn beschützen. Ohne Zweifel.
»Nein!«, wiederholte Bane, sah meine Eltern voller Unglauben an.
»Das könnt ihr nicht ernst meinen! Er ist ein Inbec! Ein Junge!«
Ich bringe dieses Schwein um. Ich bringe ihn um. Ernsthaft.
Ich bringe ihn um.
Mein Zahnfleisch begann zu Jucken.
Mein Vater spannte sich merklich an, Mum drückte Lupa und Phelan an sich, sah Bane warnend an.
»Bane!«, knurrte mein Vater leise, doch Bane hörte nicht auf ihn.
»Das ist gegen unsere Gesetze!«, knurrte er zurück, alle hielten die Luft an.
Er hatte einen Alpha angeknurrt.
Und das machte mich nur rasender.
Er bedrohte Gabe, er verachtete meinen Bruder und er forderte meinen Vater heraus.
Beinahe unwillkürlich trat ich nach vorne.
Ich würde ihm die Kehle rausreißen. Für alles, was er mir jemals angetan hatte und für alles, was er Fenris und Gabe antun würde.
Lumina knurrte wütend auf.
Man forderte einen Alpha nicht einfach so heraus. Gerade er sollte das wissen.
»Das spielt keine Rolle!«, zischte sie bedrohlich leise, Fenris spannte sich an, Ylva trat hastig neben ihn, Lilith starrte den Beta wütend an, trat näher zu mir heran.
Als müsse sie mich vor ihm schützen. Aber das hatte Lilith schon immer getan. Wie oft hatte sie Bane in seine Schranken gewiesen, als er mal wieder über meine »Abnormalität« geschimpft hatte.
Die Stimmung über dem Dorf schien wie elektrisch aufgeladen, meine Haare stellten sich auf, ein tiefes Knurren wollte sich aus meiner Kehle bahnen.
Bane schnaubte, schnaubte so abfällig, dass Mava ihren Mann am Hemd packte, damit der wegen dieser Respektlosigkeit gegenüber seines Alphas nicht augenblicklich auf Bane losging.
Ich wollte das Selbe tun.
Wollte rennen, mich mit aller Kraft abstoßen und ihm wehtun.
Lilith sah mich warnend an, ich spannte mich bis aufs äußerste an, Lupa und Phelan schienen ängstlich.
»Das könnt ihr nicht ernst meinen! Ihr solltet ihn verstoßen wie ihr das Mädchen hättet verstoßen sollen!«
Cole knurrte laut auf, Eza packte ihm am Kragen, Fenris wollte losstürmen, Gabe ließ ihn nicht los, die Wölfe knurrten empört, Lilith keuchte entsetzt und ich wusste: Das würde nicht gut enden.
Wenn Wölfe wütend waren, dann waren sie wütend.
Bei der Art, wie er Mädchen sagte, schauderte es mich und langsam bahnte sich das Knurren meinen Hals hoch, vibrierte in meinem Inneren.
Mein Vater hob die Hand, meine Mutter sah aus, als wolle sie ihren Beta zerfetzen, doch Ylva, Fenris und Gabe standen ihr im Weg.
Noch nie hatte ich gesehen, wie Ten jemanden so ansah, wie er nun auf Bane hinabfunkelte.
Hass. Purer Hass.
Verachtung.
»Geh«, knurrte er bedrohlich.
»Verschwinde bevor ich dir dein Genick breche.«
Vollkommen entsetzt sah Bane zu seinem Alpha auf, als könne er nicht fassen, was er da hörte.
Denn in diesem Moment wurde er verstoßen.
Das wussten alle.
Vollkommen wahnsinnig schüttelte er den Kopf.
»Nein!«, rief er außer sich.
»Ich habe immer treu zu euch gestanden!«
Er kreischte fast, erinnerte mich so irgendwie an einen wahnsinnigen Hybriden.
Ich wollte ihm das Genick brechen. Nicht nur Drohungen aussprechen. Ich wollte es wirklich tun.
Er sollte seine verdammte Klappe halten. Für immer.
»Wag es nicht, dich meiner Familie jemals wieder zu nähern!«
Die Stimme meines Vaters war leise, doch sie war so scharf, dass sie einem durch Mark und Bein ging.
Es war die Stimme eines Alphas.
Ich hielt die Luft an und dann drehte sich Bane plötzlich um.
Es war, als würde meine Familie beinahe erleichtert ausatmen, doch ich konnte es nicht.
Ich konnte nicht ausatmen.
Ich kannte Bane. Ich kannte ihn, wie sie ihn nicht kannten. Ich kannte seine Verachtung, seinen Hass.
Ich reagierte, ehe es irgendjemand von ihnen bemerkte.
Bane wirbelte herum, verwandelte sich mit einem Mal in seinen riesigen, grauen Wolf.
Er hechtete los, genau auf Gabe zu, ich preschte nach vorne, stieß mich mit meiner ganzen Kraft vom Boden ab, meine Kleidung riss, mein Körper war bis aufs äußerste gespannt, erschrockene Aufschreie, mein dunkelroter Wolf flog durch die Lüfte ein Knurren wie ich es noch nie gehört hatte, verließ meine Kehle.
Ein Knurren, wie es noch niemand jemals gehört hatte.
Sie gingen in die Knie, mein Ruf donnerte durch den Wald, mächtig und laut - majestätisch - Bane sprang ab, wollte seine Zähne in Gabe schagen, vollkommen wahnsinnig, und dann krachte ich in der Luft mit ihm zusammen, dachte gar nicht nach.
Ich realisierte gar nicht wirklich, was hier passierte.
Ich schleuderte ihn von meiner Familie weg, der Boden erzitterte, als wir hinabdonnerten, ich knurrte ungehalten auf, es war, als würde die Kraft einfach so durch meinen Körper gepumpt werden, als würde mein Hass mich antreiben.
Bane war einer unserer Stärksten. Aber ich war stärker. Zumindest in diesem Moment. Dieser Wolf war stärker. Es war, als würde ich ihn nicht kennen, als würde ich mich nicht kennen.
Ich rang Bane zu Boden, es geschah so schnell, dass niemand reagieren konnte.
Er schnappte nach mir, verbiss sich in meiner Flanke, ich bekam es nicht einmal wirklich mit, wir rollten über den Boden, ich knurrte, er jaulte, ich biss zu, er zappelte, ich vergrub meine Zähne tief in sein Fleisch, es war, als würde ich nicht einmal mehr vernünftig sehen können.
Ich wollte seinen Tod.
Irgenjemand schrie auf, ich krachte auf den Boden, es knackte, der Schmerz durchfuhr mich.
Doch der Hass war da. Überwog einfach alles.
Niemals, niemals würde irgendjemand meine Familie verletzen! Niemals! Ich würde sie alle umbringen! Keiner sollte es wagen!
Ich würde meine Familie beschützen! Immer!
Ich sammelte alle meine Kraft, musste nur an Phelans verängstigten Blick denken, wie er sich an Mum presste.
Ich wusste nicht, was für ein Geräusch es war, welches aus meiner Kehle kam, noch nie hatte ich mich so erlebt.
So wild.
Und dann geschah es einfach.
Ich schleuderte Bane zu Boden, mein Körper strotze vor Kraft, ich bekam nichts mehr mit.
In jeder anderen Situation hätte ich ihn niemals besiegen können. Doch jetzt schon.
Und dann biss ich wieder zu.
Er heulte, wehrte sich, doch hatte keine Chance.
Ich biss fester zu, der metallische Geschmack machte sich in meinem Mund breit, ein erstickter Laut entkam seiner Kehle, er winselte, ich krallte meine Pranken tief in seine Schultern, irgendetwas gab knackend unter ihnen nach.
Und ich hörte nicht auf. Ich wollte nicht aufhören.
Ich biss zu, er heulte, sah mich aus geweiteten Augen an. Doch da war keine einzige Empfindung, die sich in mir regte, kein bisschen Mitleid mit diesen panischen, gequälten Augen.
Er hatte schmerzen, erleidete Höllenqualen. Und das sollte er.
Und dann knackte es. Ein widerliches, ein grausames Geräusch, ich hörte es kaum.
Ich empfand nichts.
Sein Genick war gebrochen.
Er erschlafte unter mir, hörte einfach auf zu atmen, seine Augen starrten entsetzt gen Himmel, das Blut tropfte von meiner Schnauze ich atmete schwer, mein Herz raste, meine Beine erzitterten, ich sah keuchend auf.
Sie sahen mich entsetzt an.
Fenris und Gabe und Mum und Dad und Ylva. Phelan und Lupa, Lilith. Cole und Eza.
Ich war ein Monster.
Voller Ehrfurcht blickte sie zu mir.
Sie hatten Angst. Sie hatten Angst vor mir.
Ich taumelte zurück, das Blut befleckte mein Fell, sah sie mit großen Augen an, Mum drückte Phelan und Lupa enger an sich.
Nein.
Nein... ich wollte doch nur...
Ich wollte nicht...
Ich stieß gegen Banes regungslosen Körper, die Lykanthropen hinter mir wichen keuchend zurück.
Nein... ich wollte nicht...
Ich... ich...
Keine Angst... ich war doch kein Monster...
Doch nicht ich...
Bitte.
Lupa... Phelan...
Dieses ganze Blut, wie es schwer auf meinem Fell lastete, der Geruch...
Was hatte ich getan?
Und dann brach ich einfach zusammen.
Alles wurde schwarz.
Ich spürte nicht einmal mehr, wie ich auf dem Boden aufkam.
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