35
»Ein Wort Davis und ich reiß dir die Kehle raus, ich schwörs.«
Hä.
»Hä?«
Alec drehte sich mit finsterem Blick zu mir um.
Oh wow, da war also wieder die stimmungsgestörte Schwangere. Prima.
»Das hier«, zischte er und sah mich warnend an.
»Ist niemals passiert.«
Und dann drehte er sich auf dem Absatz um und rauschte davon.
Ich hasste diesen Kerl. Ernsthaft. Manchmal hasste ich ihn wirklich.
Warum musste er verdammt noch mal immer so anstrengend sein?! Er war schlimmer als ein kleines Kind!
Genervt stöhnte ich auf und verdrehte die Augen.
»Warte!«
Aber dieser verdammte, verdammte Idiot wartete nicht, steuerte einfach weiter auf den Ausgang zu. Mein Gott...
»Alec!«
Nichts.
Hastig machte ich mich daran ihm zu folgen, er ignorierte mich vollkommen, wir schlitterten durch den Eingang, er stampfte einfach weiter.
»Jetzt warte doch mal!«, fauchte ich, in dem Versuch ihn einzuholen. Zu meinem Glück waren mittlerweile bereits alles Busse, gekommen, so dass der Schulhof leer war.
Alec lief einfach weiter.
So ein...! Argh!
Warum musste er immer so... so doof sein! Wow, doof. Wer sagte bitte doof?!
»Hey!«
Ich stolperte, hastete dann weiter.
»Du verdammter Idiot!«
Und da hielt Alec inne.
»Was willst du verdammt?!«, fauchte er und wirbelte herum.
Es schien unmöglich, doch dieses Mal besaß ich sogar die Geistesgegenwart, schlitternd vor ihm stehen zu bleiben, anstatt mit voller Wucht in ihn hineinzurasen, wie es mir ähnlich gesehen hätte.
Genervt funkelte ich ihn an.
»Nachhilfe. Callahan?«
Ja, das war wahrlich ein Satz, der ihn von deiner Intelligenz überzeugte.
Doch da schien es ihm wieder einzufallen.
Sein Blick wurde noch düsterer er rieb sich die Schläfe.
»Du nervst, hat dir das schon einmal jemand gesagt?«
Ich verdrehte die Augen.
»Und du bist ein Arsch. Aber das hat dir bestimmt schon jemand gesagt«, murmelte ich und verschränckte die Arme vor der Brust.
Wie alt waren wir nochmal?
Alec schnaubte, drehte sich dann allerdings einfach um und lief weiter.
»Oh meine Güte«, stöhnte ich, sah das allerdings als Aufforderung, ihm zu folgen.
Hey, wenn er nichts sagte war eben Interpretation gefragt!
»Weißt du«, keuchte ich, als ich endlich wieder zu ihm aufgeholt hatte - warum zur Hölle rannte der auch so?
»Du musst nicht immer so finster schauen«, plapperte ich einfach weiter, während er ausdruckslos nach vorne starrte und mich ganz und gar ignorierte.
Aber das war mir egal. Sollte der doch, ich würde so oder so reden. Und solange er sich die Ohren nicht zuhielt, konnte er mich ja wohl hören.
»Immerhin hab ich dir nichts getan.«
Ich warf ihm einen prüfenden Seitenblick zu, er starrte nach vorne und bog dann in eine lange Landstraße ein, nicht in dem Willen, mir zu antworten.
»Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin auch nur ein Mensch.«
Nachdenklich hielt ich inne.
»Zumindest irgendwie«, fügte ich dann stirnrunzelnd hinzu.
Alec sagte nichts.
»Ich meine, nur weil du irgendwelche verquerten Mädchenprobleme hast, musst du deinen Frust ja nicht an mir auslassen. Ich hab damit nämlich absolut nichts zu tun.«
Er schnaubte, ich nahm das als Anlass, weiterzureden.
»Ich möchte damit übrigens auch gar nichts zu tun haben, nur damit dus weißt.«
Ich selber wäre genervt von mir, ehrlich, allerdings hatte ich auch nicht vor, unangenehm schweigend neben ihm herzulaufen.
»Du solltest dir einfach bessere Verstecke suchen, wenn du irgendetwas Geheimes besprichst.«
»Hälst du eigentlich auch jemals die Klappe?!«
Überrascht sah ich zu Alec auf, der mit starrem Blick die Straße entlang lief.
Idiot.
Ich verdrehte bloß die Augen.
»Wo lebt ihr eigentlich? Du wirst mich jetzt aber nicht wirklich zu eurem Clanhaus bringen, oder?«, redete ich dann einfach weiter.
Alec verdrehte die Augen.
»Natürlich nicht«, schnaubte er, als wäre ich komplett zurückgeblieben.
»Mik und ich leben gemeinsam mit den anderen Schülern unseres Clans in einem Haus.«
Verwirrt hob ich eine Braue. Normalerweise lebte der Clan zusammen.
»Warum?«
»Darum.«
»Aber du bist doch der Vic?«
»Wenn du weiter so dumm fragst, kleb ich dir den Mund zu.«
»Du bist scheiße«
»Du auch.«
Und dann wurde es still. Das konnte ja was werden...
Unsere Gespräche wie immer auf aller höchstem Niveau...
Ganze fünf Minuten schaffte ich es, nichts zu sagen. Dann warf ich einen verstohlenen Blick in Alecs Richtung. Er bemühte sich wirklich, ja nicht in meine Richtung zu sehen.
»Hat der Duc dich rausgeschmissen?«
»Oh verdammte scheiße Davis!«
Alec funkelte mich wütend an, allem Anschein nach völlig am Ende seiner Nerven.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Kann ja sein?«
Und dann blieb Alec plötzlich ruckartig stehen, ich brauchte etwas und ging noch zwei Schritte weiter. Dann drehte ich mich verwirrt um.
»Ich bin freiwillig gegangen, okay?! Gemeinsam mit meiner Einheit, alles andere geht dich nichts an!«
Auffordernd sah er mich an.
»Verstanden?!«
So eine Zicke.
»Von mir aus«, entgegnete ich trotzig und zuckte bemüht gleichgültig mit den Schultern.
Auch wenn alles in mir darauf brannte, die Geschichte hinter diesen Worten zu erfahren.
»Wir müssen hier lang«, erklärte Alec entnervt, als ich eingeschnappt an der Abzweigung vorbeimaschierte und bog in eine kleine Straße ein.
Hastig folgte ich ihm, bemühte mich, so zu tun, als wäre das überhaupt nicht peinlich gewesen.
»Warum fahrt ihr eigentlich nie mit dem Bus?«
Ja, ich hatte es ganze zehn Minuten geschafft, rein gar nichts zu sagen.
»Damit wir solche Nervensägen wie dich nicht ertragen müssen.«
Und ohne ein weiteres Wort zu sagen, bog Alec plötzlich in die Einfahrt zu einem kleinen Reihenhaus ab.
Überrascht blieb ich stehen und musterte es kurz.
Es war ganz und gar nicht das, was ich erwartet hatte. So normal.
Aber andrerseits waren die Ven ja auch nicht die alleszerstörenden, grausamen Monster, die ich mir immer vorgestellt hatte.
Zumindest nicht die, die ich kannte. Die waren bloß nervige Idioten.
»Verhalt dich normal«, zischte Alec, drehte dann den Schlüssel im Schloss um und drückte die Tür mit der goldenen 37 auf.
Als wäre ich jemals unnormal...
Gut, das war eine Lüge, aber trotzdem...
Auch das Innere des Hauses war komplett anders, als ich erwartet hätte.
Gut, dass sie wohl kaum in dunklen Grotten lebten, war klar, allerdings war das hier einfach...
Wow. Es hingen ja sogar Bilder an den Wänden! Die Schuhe waren fein säuberlich an die Wand gestellt und die Jacken hingen an einer Gaderobe.
»Alec?«
Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich beinahe gegen Alec getaumelt wäre, der mich bloß warnend ansah.
Verdammt. Ich hatte vollkommen vergessen, dass hier noch andere lebten. Andere Ven. Und plötzlich war da wieder diese Nervosität. Leichte Angst, wenn ich ehrlich war. Aber das hätte ich Alec niemals verraten...
Unruhig drehte ich an meinem Ring, lass dir bloß nichts anmerken!
Und dann kam plötzlich eine hübsche, blonde Ven in den Flur.
»Da bist du...Huch?«
Huch? Welches Monster sagte denn bitte Huch?
Überrascht sah das Mädchen mich an, ich erkannte sie als diejenige wieder, die allem Anschein nach mit einem braunhaarigen Ven zusammen war.
Zumindest nach dem, was ich aus den Pausen beobachten konnte.
Hörte sich ja überhaupt nicht komisch an... ich war kein Stalker oder so...
»Wer bist du denn?«
Neugierig musterte sie mich und bei der unglaublichen Wärme, die ihre braunen Augen ausstrahlten, bekam ich beinahe automatisch eine Gänsehaut.
Sie erinnerte mich unwillkürlich an Liam.
Freundlich lächelte sie mich an - ich Trottel bekam natürlich kein Wort heraus und hätte mich am liebsten hinter Alec versteckt - und aus irgendeinem Grund strahlten ihre Augen geradezu.
Sie sah nicht aus wie ein Monster...
Alec räusperte sich.
»Missy, das ist Aruna, Aruna - Missy.«
Er wirkte so, als würde er am liebsten Schnurstracks wieder aus dem Haus verschwinden. Ich würde nicht nein sagen, auch wenn Missy mich beinahe freudestrahlend anblickte.
Die Praes, die unter ihrer geblümten Bluse hervorlugten waren trotzdem nur allzu deutlich, unheimlich präsent irgendwie.
»Freut mich dich kennenzulernen«, grinste sie fröhlich und machte einen Schritt auf mich zu, streckte mir dabei ihren Hand hin.
Oh Gott.
Oh nein. Oh nein. Oh nein.
»Warum hast du nicht gesagt, dass du Besuch mitbringst Alec?«, strahlte das Mädchen einfach weiter, während ich eine halbe Herzattacke bekam und ihre Hand mit großen Augen ansah, als wäre sie giftig.
Ich meine, immerhin war sie giftig.
»Sie ist schüchtern«, grummelte Alec und schob mich dann plötzlich an der überraschten Missy vorbei, die uns verdutzt hinterhersah, während Alec mich mit finsterer Miene die Treppe hochlotste.
Was?
Wow, du bist genial Alec, echt... schüchtern... ja genau...
Missy schnaubte.
»Freundlich wie immer«, kommentierte sie verärgert, doch trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie uns grinsend hinterher schaute.
Noch Bevor wir im oberen Stockwerk verschwanden, trat ein weiterer Ven in den Flur, dem ich mich zu meinem Glück allerdings nicht stellen musste.
Hören konnte ich sie allerdings trotzdem...
»Wer ist das?«, fragte der Ven überrascht, Missys Freund, wenn ich mich nicht irrte.
Und wäre ich kein Lykanthrop, hätte ich Nachfolgendes vermutlich nicht gehört. Doch ich war nun einmal einer.
»Aruna«, erklärte Missy grinsend, als wäre ich etwas furchtbar Tolles.
»Seit wann bringt der Inbecs mit?«
»Keine Ahnung. Süß die Kleine, oder?«
Meine Ohren glühten, als wir endlich oben ankamen, während sich Alecs Griff an meinem Rücken noch mehr anspannte.
Leise vor sich her fluchend, schob er mich den hölzernen Flur entlang, bis wir schließlich an der letzten Tür ankamen, die er aufstieß und mich herein bugsierte.
Schwer ausatmend schlug er die Tür hinter uns zu, murmelte irgendetwas von wegen »umbringen« und lehnte sich schnaubend an die Tür.
Wen er umbringen wollte war unbekannt. Missy, sich, mich? Man wusste es nicht.
Ich verschwendete allerdings auch keinen weiteren Gedanken daran und sah mich zugegeben ziemlich neugierig in dem Zimmer um.
Unverkennbar Alecs, ich erkannte seinen Geruch. Das hörte sich gruselig an...
Aber hey, ich hatte nun einmal den Geruchsinn eines Wolfes!
Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte.
Waffen an der Wand? Zugezogene Vorhänge? Teufelsanbetungszeugs? Satan in seinem Bett?
Ach ne, der stand ja schon hinter mir... (okay okay, ich gebs zu, der war schlecht!)
Naja, um auf den Punkt zu kommen, das hatte ich nicht erwartet.
So... normal.
Ein dunkles Holzbett, weiße Wände, sogar ein Teppich. Und an den Wänden - es schien unglaublich - standen zur Krönung tatsächlich Bilder auf einigen, dunkelbraunen Regalbrettern.
Von Mik und ihm, Missy, Siren und den anderen.
Mal saßen sie grinsend an einem See, mal zogen sie Grimassen, mal standen sie mit ernsten Mienen und in Anzug und Kostüm da.
Halleluja, sicher, dass wir hier richtig waren?
Auf ein paar der Bilder konnten sie alle nicht einmal zehn Jahre gewesen sein, Alec und Mik standen Arm in Arm da und kicherten allem anschein nach über etwas, das nur sie sehen konnten.
Es war... befremdlich, irgendwie.
»Hast du jetzt genug gestarrt?«, grummelte Alec genervt und stieß sich von der Wand ab.
Erschrocken zuckte ich zusammen und bemühte mich möglichst, nicht ganz so schuldbewusst dreinzublicken.
»Nett«, kommentierte ich, während Alec sich mit einem »Ich kann nicht glauben, dass ich das tue«, auf seinen Schreibtischstuhl fallen ließ.
Da konnte ich ihm nur zustimmen. Ich konnte nicht glauben, dass ich tatsächlich in einem Haus voller Ven gelandet war... und, dass ich deshalb nicht vollkommen ausrastete, wie ich eigentlich sollte.
Wie war das nochmal passiert?
Unsicher blieb ich mitten im Raum stehen, blickte nervös aus dem großen Fenster und frimelte an dem Saum meiner Jeansjacke herum.
Alec verdrehte die Augen.
»Du kannst da stehen bleiben, mir egal, aber es existiert so ein Ding, das nennt sich Couch.«
Auffordernd ruckte sein Kopf in Richtung des braunen Zweisitzers.
Wow. Der Junge konnte mir ja nicht einmal vernünftig einen Platz anbieten.
Schnaubend ließ ich mich auf die Couch fallen und verschränckte die Arme vor der Brust, während die Situation immer banaler wurde.
Hier saß ich doch tatsächlich in Alecs Zimmer um Mathenachhilfe zu nehmen. Das konnte ja nur ein schlechter Witz sein.
»Also...«, wollte Alec ansetzten, als wir plötzlich von lautem Gepolter unterbrochen wurden.
»Oh mein Gott! Was?!«, kreischte jemand, der Ven und ich sahen alarmiert auf, jemand polterte den Flur entlang, »Lila!«, rief Missy warnend und dann wurde mit einem Mal die Tür zu Alecs Zimmer aufgerissen, so dass ich so heftig zusammenzuckte, dass ich auf einmal Schluckauf bekam.
Oh ja super, willst du vielleicht noch dümmer rüber kommen?
Aufgeregt blickte sich das Mädchen - das ich nebenbei übrigens noch nie in der Schule gesehen hatte - in dem Zimmer um, ihr kurzes, braunes Haar stand zu allen Richtungen ab, die violetten Strähnen kräuselten sich um ihr Gesicht, ihr Mund stand ungläubig offen und als ich dann einen äußerst peinlichen Hickser von mir gab, schnellte ihr Blick zu mir, Missy, der braunhaarige Ven und Mik tauchten hinter ihr auf.
Völlig hilflos starrte ich sie an, wusste absolut überhaupt nicht, was ich tun sollte, während Alec nicht minder überrascht schien, sich ebenfalls nicht regte.
Und dann hickste ich. Erneut.
Verdammt, ich war so ein Idiot, ehrlich!
Mik hustete, versuchte angestrengt, nicht jeden Moment in lautes Gelächter auszubrechen, während mich besagte Lila ungläubig anblinzelte und Missy breit grinste.
Halleluja. Wo zur Hölle war ich hier gelandet?
»Was tut ihr Idioten da?«
Endlich hatte Alec sich aufgerappelt, etwas zu sagen, er erhob sich von seinem Stuhl, ich wollte am liebsten in der Couch versinken und als ich erneut hickste warf Alec mir einem beinahe entrüsteten Blick zu, als könnte ich irgendetwas dafür.
Lila sah mich an, als wäre ich eine Art furchtbar niedlicher Hundewelpe, während Mik immer noch hustete und Missy ihm wütend auf den Arm schlug. Mir fiel auf, dass keiner von ihnen an meinem Auge hängenblieb, wie es sonst auch immer alle taten. Es schien vollkommen egal. Und ich fragte mich warum.
Lag es an Mik? Immerhin hatte er beinahe die gleiche Verletzung und... ach keine Ahnung...
Der braunhaarige Junge schien unbeeindruckt - kein Wunder bei meinem Anblick.
Und dann schnellte Lilas Blick zu Alec.
»Warum hast du uns deiner Freundin denn noch nicht vorgestellt?«, fragte sie begeistert, während ich mich fragte, ob es wohl auffallen würde, wenn ich jetzt aus dem Fenster springen würde.
Vermutlich ja.
Und bei meinem Geschick würde ich mir auch noch alle Knochen brechen. Aber vielleicht war das ja besser als das hier.
»Sie ist nicht meine Freundin«, schnaubte Alec und als ich mal wieder meinen unglaublich tollen Beitrag leistete und hickste, warf er mir einen genervten Blick zu.
Mik war mittlerweile rot angelaufen, ich mit Sicherheit auch.
»Nein?«, fragte Lila, schien beinahe enttäuscht, warf mir aber dennoch einen neugierigen Blick zu.
Ich brachte kein Wort heraus. Boden tu dich auf...
»Nein, ich muss ihr Nachhilfe geben. Würdet ihr jetzt die Gnade besitzen, zu verschwinden?«
Lila warf mir erneut einen Blick zu, während Missy irgendetwas von wegen »sie ist schüchtern«, flüsterte, ich noch roter anlief - wenn das denn überhaupt noch ging - und Mik nun endgültig in lautes Gelächter ausbrach.
»Hi«, grinste Lila.
»Ich bin Lila, Alecs Cousine.«
Und erst da ging mir auf, woher ich diese grauen Augen kannte.
Gut, sie waren nicht so stahlgrau, wie seine, besaßen nicht diese unendlich vielen Grautöne, doch trotzdem schienen sie bekannt.
Ich wusste nicht, warum mich das so überraschte. Callahan war ja schon ein Schock gewesen und die Vorstellung, das Alec tatsächlich Familie besaß...
»Ehm...hallo«, stammelte ich und da war wieder dieser Blick, als wäre ich etwas furchtbar Putziges.
Ach du heilige Scheiße. Fand anscheinend auch Alec, er schnaubte und schlug seiner Cousine einfach die Tür vor der Nase zu, die sich daraufhin laut beschwerte, allerdings allem Anschein nach von Missy und ihrem Freund weggeschleppt wurde, während Mik immer noch laut wieherte.
Und kaum waren Lilas Beschwerden verschwunden, öffnete sich die Tür erneut und Mik kam grinsend herein, unter den Armen ein paar ziemlich alt wirkende Bücher geklemmt.
»Das war genial, ehrlich«, lachte er.
»Ihr hättet eure Gesichter sehen müssen.«
Sein Blick traf mich.
»Ich hätte nicht gedacht, dass dein Körper in der Lage ist, sich deinen Haaren anzupassen.«
Ich schnaubte und lehnte mich mit verschränckten Armen zurück.
Mik ließ die Bücher auf Alecs Schreibtisch fallen, der ihm aus irgendeinem Grund einen Klaps auf den Hinterkopf verpasste - Gedankenkommunikation vielleicht?
»Hat irgendjemand was gemerkt?«, fragte der Schwarzhaarige schließlich und nahm eines der Bücher in die Hand.
Mik schüttelte den Kopf und grinste stolz.
»Nein, ich war draußen ehe sie auch nur etwas ahnen konnten«, berichtete er gut gelaunt, ich verstand nur Bahnhof.
»Wovon redet ihr?«
Alec schien wieder einzufallen, dass ich ja auch noch existierte.
Seufzend schlug er das, in leder gebundene, Buch, das er zuvor studiert hatte, wieder zu und zog ein Mathebuch aus einem Stapel Bücher hervor, das er wohl von Callahan bekommen hatte.
»Schlag schon mal das Kapitel auf, bei dem ihr gerade seid«, murmelte er und warf mir das Buch zu, ich fing es in letzter Sekunde auf.
Mik schien allerdings sehr viel mehr redebegeistert zu sein als Alec. Oder besser gesagt redewillig.
»Ich hab sie aus der Clanbibliothek geklaut. Bücher über Hybriden«, erklärte er stolz, meine Augen weiteten sich, ich ließ das Mathebuch links liegen und sprang auf.
»Hybriden?«, keuchte ich und kam neben Mik zu stehen, starrte ungläubig auf die Bücher hinab.
»Ja, Alec hat dafür eine ganze Nacht recherchiert.«
Überrascht blickte ich auf Alec hinab, der es sich wieder auf seinem Stuhl bequem gemacht hatte.
»Worauf warten wir?«, keuchte ich aufgeregt und wollte mir eines der Bücher schnappen, doch Alec zog es einfach weg.
»Vergiss es.«
Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust, doch ehe ich etwas erwidern konnte, redete Alec einfach weiter.
»Wenn deine Noten sich nicht verbessern, bringt er mich um.«
Es war klar, dass er Callahan meinte. Resigniert ließ ich die Schultern sinke.
»Aber...«, murmelte ich sehr intelligent und wusste selbst nicht, was nach dem aber kam.
»Also ich finde, sie hat ein Recht darauf, in diesen Büchern zu lesen«, meldete sich dann plötzlich Mik zu Wort, meine Miene hellte sich auf, mit einem Mal wurde mir der blonde Junge unglaublich sympathisch.
»Genau!«, steuerte ich, geistreich wie ich war, bei, Alec rieb sich die Schläfe.
»Warum nerven heute eigentlich alle?«, grummelte er, Mik zwinkerte mir zu, meine Mundwinkel hoben sich beinahe automatisch.
»Komm schon Al«, säuselte Mik, ich musste mir bei diesem Spitznamen ein Lachen verkneifen.
Andrerseits nannten mich meine Freund ja auch Ary, also...
Alec schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Nein.«
»Bitte.«
Er warf mir einen finsteren Blick zu.
»Du kannst ihr auch später Mathe beibringen, wenn du unbedingt willst«, neckte Mik ihn, Alec starrte ihn bitterböse an.
»Von wollen kann hier ja wohl kaum die Rede sein.«
Ich verdrehte die Augen.
»Ich hab ja verstanden, dass du mich nicht leiden kannst«, setzte ich an, aus irgendeinem Grund warf Mik Alec einen unglaublich überraschten Blick zu.
»Aber wir müssen so viel über die Hybriden erfahren, wie irgendwie möglich. Wer weiß, wann sie das nächste mal zuschlagen, das müssen wir verhindern.«
Resigniert seufzte Alec, triumphierend grinste ich, doch er sah mich warnend an.
»Eine halbe Stunde Mathe, verstanden? Und dann um Gottes Willen kannst du mithelfen...«
Ja!
Mik warf mir einen grinsenden Blick zu, Alec sah aus, als würde er uns Beide am liebsten ertränken.
»Ich hasse euch«, murmelte er, Mik ahmte ihn nach, ich drehte mich hastig um, damit er nicht sehen konnte, wie ich lachte und hob bemüht gelassen das Mathebuch von der Couch.
◊♠◊♠◊♠◊
»Aber warum muss ich hier fünf abziehen und da nicht?«
Es war unglaublich, ehrlich, aber Alec war aus irgendeinem Grund ein unheimlich geduldiger Lehrer.
Selbst, wenn es um mich ging.
Vielleicht, weil er seine eigene Einheit besaß.
Mik hatte es sich mittlerweile auf Alecs Bett gemütlich gemacht und tippte irgendetwas auf seinem Handy herum.
Alec sah über meine Schulter hinab auf das Gekritzel auf dem Papier.
»Weil hier zehn steht«, murmelte er und rechnete allem Anschein nach irgendetwas in seinem Kopf.
So sehr wir uns manchmal an den Kragen gingen, es war erstaunlich, wie ruhig wir waren, wenn es um die Schule ging. Ehrlich. Wie damals, als wir uns fast umgebracht hatten und dann einfach zeichneten.
»Achso«, murmelte ich und strich eine Zahl weg, kritzelte eine neue hin und schrieb dann das Ergebnis auf, während Alecs taschenrechner auf meinem Schoß ruhte, Alec hatte sich mittlerweile so weit überwunden, um neben mir auf der Couch zu sitzen.
»Du musst noch durch zwei Teilen«, mumelte Alec und deutete auf den gezeichneten Kreis auf meinem Blatt.
»Weil das der Radius ist.«
»Hm«, machte ich, schrieb weiter, während er mir aufmerksam über die Schulter sah.
Gab es eigentlich etwas, was der nicht konnte?
Langsam schien sich der Nebel in meinem Kopf etwas zu lichten, zumindest, was Mathe anging.
Es war erstaunlich...
Ich gab etwas in den Taschenrechner ein, überflog dann die Tasten auf der Suche nach Pi, bis er sich schließlich vorbeugte und zwei Tasten drückte, woraufhin Pi auf dem Display erschien.
Und dann blitzte es plötzlich.
Ich zuckte zusammen, stieß ihn dabei leicht an, erschrocken sahen wir beide auf, Mik grinste breit und ließ sein Handy wieder sinken.
»Das rahm ich mir ein«, grinste er schelmisch und drehte sein Handy feixend um.
Es war ein komischer Anblick.
Alec und ich saßen mit dem gleichen, konzentrierten Blick auf der Couch, ich beobachtete aufmerksam seine Hand, meine Stirn war kraus gezogen, meine dunkelroten Haare hingen halb auf seiner Schulter, weil er sich vorgebeugt hatte, während seine Hand auf der Tastatur des Taschenrechners ruhte - den ich mit beiden Händen festhielt - und er die Stirn ebenso konzentriert krauszog wie ich.
Wir beide zusammen waren ein komsicher Anblick. Das Bild, das wir ergaben. Keine Ahnung.
Es machte keinen Sinn. Überhaupt keinen.
Alec verdrehte die Augen, warf seinem Ami einen genervten Blick zu.
»Du bist ein Idiot«, murmelte er und ich fragte mich, ob Mathematik eine beruhigende Wirkung auf ihn hatte.
»Nein!«, rief Mik dann plötzlich und sah so aus, als wäre ihm eine nobelträchtige Idee gekommen.
»Lila freut sich bestimmt darüber!«
»Mik!«
Und dann ging alles ganz schnell.
Mit einem Mal war Alec aufgesprungen, vor Schreck schmetterte ich seinen Taschenrechner zu Boden, doch das schien ihn nicht im Geringsten zu interessieren.
Mik gackerte wie ein verrücktes Huhn und rollte sich von Alecs Bett, um hinter ihm Schutz vor eben jenem zu suchen.
Überrascht beobachtete ich das Schauspiel, Alec hechtete auf das Bett zu - wollte mit allen Mitteln verhindern, dass seine Cousine das Bild bekam - und ich wusste nicht, wie es geschah, doch auf einmal hatte er seinen Freund im Schwitzkasten, während ich mir erschrocken eine Hand übers Herz legte und den Taschenrechner vom Boden aufhob.
Zu meinem Glück schien er noch vollkommen nutzungsfähig.
Ich hatte übrigens absolut keine Ahnung, was ich tun sollte, als die beiden Idioten plötzlich begannen, sich wild raufend über den Boden zu kugeln.
Erschrocken keuchte ich auf und zog meine Beine an, als sie plötzlich laut fluchend gegen die Couch stießen, ich brachte die Mathesachen in Sicherheit.
»Mik!«, rief Alec wütend, ich sprang auf, ehe ich ein Fuß ins Gesicht bekam oder so, machte ein erschrockenes Geräusch und rettete mich springend auf den Schreibtischstuhl, der nach vorne rollte, so dass ich wild mit den Armen umher ruderte, um mein Gleichgewicht nicht zu verlieren.
»Hey!«, beschwerte sich Mik.
»Lass das!«
»Gib her!«
»Du Idiot!«
»Au!«
»Alecsander!«
Alec rang Mik zu Boden, ich knallte mit dem, sich bewegenden, Stuhl gegen den Schreibtisch, was die Ven allerdings nicht einmal bemerkten und sah weiterhin erschrocken auf sie herab, absolut ahnungslos, was zur Hölle ich tun sollte, während ich aus irgendeinem Grund Alecs Taschenrechner immer noch umklammerte und an mich drückte, als wäre er das wichtigste auf der Welt.
Und dann ging mit einem lauten Scheppern plötzlich die Tür auf.
»Was zur Hölle ist hier los?«, keuchte Missy und sah erst die beiden Ven, die auf dem Boden miteinander rangen, ungläubig an, dann mich, wie ich strauchelnd auf dem Stuhl stand.
Ich gab ein ersticktes Geräusch von mir, verlor mein Gleichgewicht - habt ihr mal versucht, vernünftig auf einem Schreibtischstuhl stehen zu bleiben? Die Dinger rollen, so nebenbei bemerkt - keuchte erschrocken auf und landete dann mit einem schmerzvollen Ächzen auf dem Boden, stieß mir dabei meinen Kopf so heftig an, dass es laut knallte.
Und auf einmal erstarten alle.
Lila, die hinter Missy hervor lugte, Alec und Mik, halb in ihren Kampf gefangen, Missy, die die Klinke der Tür immer noch umfasste.
Au.
Verdammte scheiße, au!
Mir wurde schlecht.
Mit großen Augen sahen die beiden Mädchen mich an, mein Kopf pochte, ich blinzelte die Sterne weg - warum zur Hölle musste ich mich denn auch immer so ungeschikct anstellen?!
Als würde es nicht langsam reichen!
»Nichts passiert«, presste ich zwischen meinen Zähnen hervor und als Missy erschrocken hervortrat, erschien sie zweimal vor meinen Augen.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt und reichte mir ihre Hand, doch da schien Alec endlich zu schalten.
Hastig richtete er sich auf, während irgendetwas in meinem Kopf kreischte, und schnellte an Missy vorbei.
»Sie ist okay«, murmelte er, zog mich dann an meinem Handgelenk hoch, allerdings war das wohl nicht seine beste Idee.
Mir wurde unheimlich schwindelig, ich taumelte und fiel dann nach hinten, mein Kopf schrie wütend auf.
Im letzten Moment packte mich Alec an meinen Schultern, bevor ich - schlau wie ich nun einmal war - wieder hinfallen konnte. Er machte einen erschrockenen Schritt nach hinten, packte dann meine Hüfte, damit ich nicht wieder hinkrachte, während Lila auf einmal - zumindest soweit ich das beurteilen konnte - anfing zu grinsen wie eine Blöde.
Gott war mir schwindelig...
Hilfe...
Warum musste ich eigentlich immer alle mit voller Macht davon überzeugen, dass ich ein Vollidiot war?
»Ich glaube, sie sollte sich hinsetzen«, kommentierte Lila, während sich für mich immer noch alles drehte, Alecs Wärme hinter mir machte das auch nicht gerade besser...
Lass mich los...
Und auch ihm schien diese Situation mehr als zu missfallen, so, wie er sich schon wieder anspannte...
Ich hatte mittlerweile aufgehört zu zählen, wie oft ich mir in letzter Zeit auf vollkommene idiotische Weise den Kopf angeschlagen hatte.
Alec grummelte irgendetwas, schob mich dann auf die Couch zu, auf die ich reichlich ungeschickt fiel und schmerzvoll aufkeuchte.
»Ich hol etwas Eis«, murmelte Missy, während ich am liebsten im Boden versunken wäre.
Und bei dem ganzen Tumult bemerkte niemand, wie Mik schelmisch grinsend auf senden drückte...
◊♠◊♠◊♠◊
Zehn Minuten spähter saß ich mit glühenden Ohren und um eine dicke Beule reicher da und beobachtete, wie Alec die Mathesachen wegpackte.
»Du bist auch nicht gerade die Eleganteste, was?«, kommentierte Mik böse grinsend, ich verdrehte peinlich berührt die Augen.
Wo er Recht hatte...
»Arbeite lieber und halt deine Klappe«, meinte Alec dann plötzlich und warf dem blonden Jungen eines der Bücher hin.
Mir reichte er ebenfalls stumm eines und plötzlich schienen meine bohrenden Kopfschmerzen - für die ich wohl bemerkt Mal wieder selber Schuld war - vollkommen vergessen.
Begierig schlug ich das Buch auf, in dem es vor allem um die Gesichte der Lykanthropen und Blutsauger ging.
Ich blätterte um und blätterte und blätterte.
Kenn ich schon... kenn ich schon... kenn ich schon... Ah!
Hybriden.
Aufgeregt flogen meine Augen über das Pergament.
Mischung aus Vampir und Lykanthrop...
Aber nein... was da stand konnte nicht stimmen. Ich meine diese Hybriden wurden als neutralisiertes Wesen beschrieben. Praktisch Inbec, die Gene dieser beiden Gestalten hatten sich gegenseitig aufgehoben - hatten den Erben neutral gemacht.
Wie es Lauge und Säure taten...
Ich las weiter.
Nur noch schwache Kenzeichen der Eltern... Verpaarung der beiden Spezien äußerst selten... nur in Einzelfällen schaffen es Nachkommen unter äußerstem Kraftaufwand in eine Lykanthropenmischgestalt zu gelangen... werden höchstens 57 Jahre alt...
Aber das konnte doch alles nicht stimmen!
Vampire waren seit Jahrhunderten ausgestorben, so gesehen konnte es keine Hybriden mehr geben.
Alec und Mik mussten sich geirrt haben...
Es musste etwas anderes gewesen sein. Oder das Buch hatte Unrecht.
Und nach den Blicken, mit denen Alec und Mik ihre Bücher erdolchten, fanden sie wohl ebenso wenig heraus, wie ich.
Hastig schlug ich das Buch wieder zu, griff nach dem nächsten und schlug es auf.
Nein...nein...nein... irgendwo musste etwas stehen!
Falsch...falsch... falsch - seit wann verwandelten sich Lykanthropen bitte nur in der Mondfinsternis?! - ...
Und während ich ein Buch nach dem anderen aufschlug, Seite um Seite las, bemerkte ich nicht einmal, wie es langsam dunkel wurde.
In dem Raum war es absolut still, wir starrten konzentriert auf die Seiten, nur das Rascheln des Pergarments störte hie und da die Stille.
Und je weiter ich las, desto frustrierter wurde ich.
Mik musste die falschen Bücher gegriffen haben...
Sie mussten sich geirrt haben... das konnte nicht stimmen...
Und so ungeduldig ich nun einmal war, wollte ich die Bücher irgendwann einfach nur noch an die Wand scheppern.
Alec schien es ähnlich zu gehen und Mik spielte schon seit geraumer Zeit heimlich irgendein blinkendes Handyspiel, antwortete grinsend auf Lilas Nachricht - ich hatte ihren Namen kurz auf dem Display aufblinken sehen - und tat absolut gar nichts.
Alles in allem: Wir kamen echt hervorragend voran...
Danke der Nachfrage...
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