33
Ach du heilige Scheiße.
Ich stolperte nach hinten. Ich sollte hier wirklich nicht sein.
Meine Kehle schien wie ausgetrocknet, ich presste die Augen zusammen, mein Atem stockte.
Okay, versteht mich jetzt bitte, bitte nicht falsch.
Mir war es vollkommen egal, wen mein Bruder liebte, Junge, Mädchen, Inbec, Lykanthrop - völlig egal.
Von mir aus konnte er ein verdammtes Auto lieben - ehrlich - das Problem war mein Rudel.
Die Ältesten. Die Tatsache, dass er ein dunkler Wolf war. Er musste das Alpha-Gen weitervererben und dadurch hatte sich Gabe wohl doppelt disqualifiziert.
Okay Aruna, du hast nichts gesehen! Sie waren niemals hier. Niemand muss etwas davon erfahren.
Ach Fen... du hältst dich doch auch sonst immer an die Regeln...
Warum jetzt...? Und auf einmal machte mein Herz einen schmerzlichen Aussetzer. Mit einem Mal erfüllte mich eine unendliche Traurigkeit.
Es war so ungerecht, dachte ich. Es war ungerecht, dass er nicht den lieben konnte, den er wollte. Das war einfach nicht fair. Ich meine, nur weil er ein Alpha war? Man konnte immerhin nicht steuern, wen man liebte, oder?
So etwas hatte mein Bruder nicht verdient...
Und dann stolperte ich plötzlich.
Eigentlich hätte es mich nicht überraschen sollen. So etwas passierte doch immer. Zumindest, wenn es um mich ging.
Woher kam diese verdammte Wurzel?!
Ich riss meine Augen weit auf, sah noch, wie die beiden auseinander fuhren, dann strauchelte ich wie wild mit den Armen in der Luft herum, keuchte erschrocken auf und landete schließlich ächzend auf dem Boden.
Ich zischte auf, als mein Kopf hart gegen einen Stein krachte, für einen Moment wurde mir schwindelig.
Manchmal hasste ich es, ich zu sein. Ehrlich.
»Aruna?!«
Ich hörte, wie jemand erschrocken meinen Namen rief, für einen Moment brummte mein Kopf so sehr, dass ich die Stimme nicht einordnen konnte.
Toll gemacht Aruna. Ehrlich. Man sollte dir eine Medaille überreichen.
Ich hörte, wie jemand auf mich zugehastet kam, dann beugte er sich über mich.
Ich blinzelte.
»Au«, jammerte ich und sah meinen großen Bruder wehleidig an, der nicht Recht zu wissen schien, über was er entsetzter sein sollte.
Über die Tatsache, dass ich überhaupt hier war, oder, dass ich auf dem Boden lag?
Und dann wurde er blass, während er mir seine Hand reichte.
»Was - was machst du hier?«
Er sah aus, als müsse er sich gleich übergeben, Gabe trat unsicher hinter ihn, ich ließ mich von meinem Bruder hochziehen.
Ich war nun offiziell der größte Vollidiot auf Erden. Nach Alec versteht sich.
Wie war das noch einmal mit dem ich war niemals hier? Na das hatte ich ja mal wieder toll hinbekommen.
Verlegen rieb ich meinen schmerzenden Hinterkopf und fühlte mich wohl mindestens genau so ertappt wie sie. Natürlich entgingen mir die schockierten Blicke nicht, die sie sich zuwarfen.
»Hi«, murmelte ich verlegen und starrte auf meine Füße, wusste ehrlich nicht, was ich antworten sollte.
»Hi«, erwiderte Gabe kleinlaut, beinahe automatisch, und es war, als hätte ich ein Déjà-vu.
Das waren die ersten Worte, die wir auch damals bei Ben gewechselt hatten, als ich mit hochrotem Kopf in dem Bett seines Bruders gehockt hatte.
Gott war das alles peinlich. Und warum konnten die beiden Idioten nicht mal was sagen?!
Die Stille hielt ja keiner aus und ihre geschockten Blicke ebenso wenig.
»Ich sag niemandem was«, platzte es dann plötzlich aus mir heraus, einfach weil ich dieses vermaledeite Schweigen keine Sekunde länger ertragen hätte.
»Was?«, keuchte Fenris, beinahe erschrocken.
Sein Blick hob sich vom Boden, er sah mich fassungslos an.
»Du...nicht?«
Ich zuckte mit den Schultern und plötzlich hatte ich das Bedürfnis, meinen Bruder zu umarmen.
Er sollte nicht denken, dass er komisch war, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Er sollte nicht denken, dass ich ihn komisch fand.
Meine Mundwinkel hoben sich etwas und als ich ihn sacht anlächelte, wirkte er so, als hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen.
Na danke Fenris, ich versuch hier grad dich aufzumuntern!
»Warum sollte ich?«, stellte ich also eine Gegenfrage.
Fenris Schultern sanken hinab, er wirkte unheimlich erschöpft, während Gabe ungewöhnlich still war und nervös von einem Bein aufs andere trat. Es war merkwürdig, wenn er keine Witze riss. Das alles war merkwürdig, irgendwie.
»Du weißt warum...«, murmelte mein Bruder einfach, ich seufzte.
»Ich wünschte, es wäre nicht so...«, flüsterte ich und meinte jedes Wort, wie ich es sagte.
Dann sah ich ihm wieder fest in die Augen.
»Aber ich stehe zu dem, was ich sage. Erzähl es ihnen, wenn du bereit bist, von mir erfahren sie kein Wort.«
Und dann zog Fenris mich plötzlich an sich, drückte mich fest an seine Brust.
Ich keuchte überrascht auf, legte meine Arme unbeholfen um ihn.
Was war denn jetzt los?
»Ich liebe dich, weißt du das Aruna?«, murmelte mein Bruder, augenblicklich entspannte ich mich, während er seine Lippen auf meinen Scheitel drückte.
»Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich liebe.«
Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen seine Brust.
»Aber irgendwann musst du es ihnen sagen, das weißt du, oder? Ylva weiß es schon, richtig?«
Es konnte gar nicht anders sein. Die Verbindung der Alpha-Zwillinge war beinahe so stark wie die der Geprägten.
Sie spürten, wenn der andere jemanden liebte.
Fenris nickte.
»Ich weiß«, murmelte er, wirkte auf einmal unheimlich erschöpft.
Ich drückte ihn fester an mich. Er sollte wissen, dass ich zu ihm halten würde.
»Und Ylva wusste es, noch ehe ich es auch nur ahnte.«
Ich lachte leise auf und schmiegte meinen Kopf an seine Brust. Das sah Ylva ähnlich.
Und zum ersten Mal brauchte mein Bruder mich. Brauchte mich wirklich. Nicht andersrum.
»Und Fenris?«
»Hm?«
Ich schloss meine Augen, fühlte mich sicher, fühlte mich geborgen.
»Ich liebe dich auch.«
◊♠◊♠◊♠◊
»Hey Ben.« Ich konnte nicht verhindern, schwer zu schlucken.
Zugegeben etwas zittrig setzte ich mich auf den Stuhl neben seinem Bett.
Er lag da, regungslos und blass wie immer.
Ich seufzte und umklammerte die große Schneekugel, die er mir geschenkt hatte noch fester, fuhr nervös die Muster an ihrem Sockel nach.
»Heute war ein verrückter Tag«, setzte ich an.
Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, ihm alles zu erzählen. Wenigstens irgendjemandem.
»Du wirst es mir nicht glauben«, murmelte ich und sah angespannt auf ihn hinab.
Wenn er doch nur nicht so blass wäre... man könnte glatt denken, er würde einfach nur schlafen.
»Naja, also eigentlich würdest du zunächst vermutlich mit mir schimpfen.«
Ich lachte leise auf und blinzelte ein paar Tränen weg.
Cole hatte gemeint, ich sollte nicht mehr herkommen, doch ich hatte mich einfach nicht überwinden können.
»Wir haben einen Mathetest geschrieben, weißt du?«, erzählte ich und strich mir mein Haar hinter die Ohren.
»Du kannst dir denken, wie er ausgefallen ist.«
Ich verdrehte die Augen und schnalzte mit der Zunge.
»Aber immerhin war ich auch lange nicht in der Schule, also guck mich nicht so an!«
Ich lachte leise - erneut - konnte mir seinen strengen Blick gerade zu bildlich vorstellen. Nur, dass er immer noch regungslos da lag.
Ach Ben...
»Achja und jetzt muss ich übrigens Nachhilfe bei diesem Idioten nehmen.«
Ich stockte.
»Und ja, er ist ein Idiot, ob er mich gerettet hat hin oder her!«
Kurz musterte ich sein Profil, die weichen Gesichtszüge, die ihn beinahe so aussehen ließen, als würde er schlafen.
Dann verdrehte ich die Augen.
»Gut, manchmal ist er kein Arschloch. Aber das sind komische Momente. Heute zum Beispiel. Keine Ahnung, warum er sich zu mir gesetzt hat. Aber das ging vermutlich von Mik aus. Achja, der weiß jetzt übrigens auch Bescheid. Aber ich glaube er ist okay.«
Behutsam strich ich über Bens Handrücken.
»Sie meinten übrigens auch, dass sie eine Vermutung hätten, wer dich angegriffen hat. Hybriden sagen sie...«
Für einen Moment stockte ich und musterte Bens stummes Gesicht.
»Ich weiß nicht, wie viel Wahres daran ist, wir wurden unterbrochen, aber morgen werd ich Alec auf jeden Fall fragen, versprochen.«
Ich seufzte.
»Ich find schon raus, wie wir dich wieder zurückbekommen, keine Angst Benny.«
Gedankenverloren drehte ich an dem dunklen Ring an meinen Finger.
Ein Ersatz für mein Amulett.
Bei dem Gedanken wurde mein Herz gleich viel schwerer. Ich hatte es verloren, als ich mich verwandelt hatte, während Alec und Mik kämpften.
Und erst jetzt wurde mir richtig bewusst, wie viel ich ihnen zu verdanken hatte. Wären sie nicht gewesen, wäre Ben jetzt...
Ich schluckte schwer.
Naja, also jedenfalls hatte ich das Teil nicht mehr gefunden. Mein Hals fühlte sich merkwürdig leer an ohne es und ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen gegenüber meiner Mutter.
Immerhin hatte sich an dem Amulett auch Großmutters Erbstück befunden.
Ich seufzte, als mir plötzlich etwas einfiel. Aufgeregt sah ich auf Ben hinab.
»Achja!«, rief ich aus.
»Das Spannendste hab ich dir ja noch gar nicht erzählt! Du wirst es mir nicht glauben!«
In dem Moment musste ich wohl wie eine Geisteskranke aussehen, wie ich aufgeregt dasaß und einem komatösen Ben alles berichtete.
»Gabe und Fenris! Ich habe sie gesehen.«
Ich grinste wie bescheuert.
»Weißt du was das heißt Benny? Jetzt sind wir quasi eine Familie, ich kann dir noch mehr auf die Nerven gehen, ist das nicht großartig?«
Ich schüttelte lachend den Kopf und merkte, wie viel besser es war so da zu sitzen und Ben Sachen zu erzählen, anstatt stumm zu weinen.
Vorsichtig hob ich meine Hand, berührte behutsam seine Wange.
»Naja, wie auch immer. Ich glaube es gibt Abendessen. Und sie bringen mich bestimmt alle um, wenn ich mich wieder in mein Loch verkrieche.«
Langsam erhob ich mich, nahm meinen Blick allerdings nicht von Ben.
»Und versprich mir, dass du bald wieder aufwachst, okay? Woher soll ich sonst erfahren, wozu zum Beispiel der kleine Zeh gut ist?«
Und ich war mir sicher, wäre Ben wach gewesen, hätte er es mir augenblicklich bis aufs kleinste Detail erklärt.
◊♠◊♠◊♠◊
Nervös tippte ich mit meinem Fuß auf dem Boden herum.
Die Schule war seit zehn Minuten aus und da ich Alec nicht mehr getroffen hatte, wusste ich absolut nicht, wo ich hingehen sollte.
Auch wenn ich am liebsten in den dämlichen Bus gestiegen wäre, um dann schnurstracks nach Hause zu fahren. Aber so leicht ging das nun einmal nicht... zumindest nicht, wenn Callahan seine Finger im Spiel hatte.
Da war ich einmal erleichtert gewesen, dass Alec den Höllen-Raum während meiner Abwesenheit fertig gestellt hatte und jetzt so was...
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich in der Eingangshalle wartete?
Ungeduldig seufzte ich auf und schaute auf meine Uhr.
Wenn Alec in zehn Minuten nicht kam, würde ich fahren, mir doch egal...
Ich hielt inne. Schritte. Da näherten sich Schritte. Oh na super...
»Hör auf Siren!«
Ich stockte. Was? Das war Alec, ganz sicher. Und allem Anschein nach das schwarzhaarige Ven Mädchen.
Was war denn da los?
Und ich hatte absolut keine Ahnung, warum ich es tat, doch ich duckte mich hastig hinter der Treppe weg, die nach oben führte.
Manchmal hasste ich meine Neugierde.
»Warum?«, schnaubte eine weibliche Stimme, allem Anschein nach Siren.
»Ich verstehe sowieso nicht, warum die mit zu uns kommen muss.«
Sie klang alles andere als glücklich.
Die? Wer war die?
Ich wurde blass. Etwa ich?! Oh nein Alec, das kannst du sowas von vergessen, ich komme nicht mit in dein Ven Nest!
»Meine Güte«, stöhnte Alec und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie er die Augen verdrehte.
Sie blieben stehen. Ganz zu meinem Glück, denke ich, denn wären sie in die Halle getreten, hätten sie mich mit Sicherheit gesehen. Und mehr als je zuvor war ich froh über mein Lykanthropen Gehör.
Okay, ja, mir war schon klar, dass man keine Leute belauschte - war das neuerdings eigentlich zu meinem neuen Hobby geworden oder so? - aber kommt schon, wer von euch hätte bitte nicht gelauscht?
»Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich ihr Nachhilfe geben muss!«
Gut, ja, sie sprachen definitiv über mich.
War ich irgendwie zu Alecs neuem Lieblingsthema geworden oder so? Oder war es sein neues Hobby, mit seinen Ven Freunden über mich zu reden?
Unwillkürlich kauerte ich mich noch enger hinter die Treppe.
»Und warum kannst du das nicht hier in der Schule machen?«, fauchte Siren, ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie ihre grünen Augen auffunkelten.
War sie... war sie etwa Eifersüchtig? Ich schluckte.
Keine Sorge, da konnte ich dich beruhigen Siren...
Nebenbei war das übrigens eine sehr gute Frage.
Ja Alec, warum können wir nicht einfach hier bleiben?!
Alec seufzte.
»Und auch das hab ich dir schon tausendmal erklärt. Mein Onkel ist der Meinung, dass es mir gut tun würde, wenn ich mehr soziale Kontakte knüpfe. Und er meinte, ich würde die nächsten drei Wochen den Trainingsraum aufräumen müssen, wenn ich sie nicht mitnehme.«
Ich stockte.
Callahan hatte einen Knall. Nun war es offiziell. Callahan hatte eindeutig und unwiderruflich einen Knall. Und zwar einen gewaltigen.
Warum zur Hölle zwang er Alec und mich quasi, Zeit miteinander zu verbringen?! Das konnte alles einfach nicht wahr sein.
Siren schnaubte, ich hätte es ihr am liebsten nachgetan.
»Das macht doch keinen Sinn«, murmelte sie genervt. Ich konnte ihr nicht mehr zustimmen.
»Vieles was er tut macht keinen Sinn«, erwiderte Alec und ich wusste einfach, dass er in diesem Moment die Arme verschränkte.
»Warum macht er das? Warum gerade dieses Mädchen? Ich meine die ist doch nur eine dumme kleine Inbec.«
Hey!
Siren machte mich sauer.
Alec blieb stumm, sagte absolut gar nichts.
Gott, die und Lucy sollten ein Club gründen. Den Wir-lieben-Alec-und-hassen-Aruna Club. Das wäre doch mal was.
»Wär's das dann? Wir müssen los«, murmelte Alec und schien genervt.
Warum war der eigentlich immer genervt? Kannte er nur diesen einen Gefühlszustand?
Und da stockte Siren plötzlich, ich konnte es beinahe hören.
»Oh mein Gott!«, keuchte sie, ich hob alarmiert den Kopf.
Was war los?
»Er denkt, du magst sie!«
Was?!
»Was?!«
Alec klang mindestens genau so entsetzt, wie ich mich fühlte. Gut, ja, ich hatte selber bereits die Vermutung gehabt, Callahan würde denken, Alec und ich würden uns mögen, aber es jetzt so zu hören war noch einmal etwas ganz anderes...
Warum wurde es in Alecs Anwesenheit eigentlich immer unangenehm?
Aus irgendeinem Grund hielt ich die Luft an.
»Natürlich! Erst das Nachsitzen und dann das! Ist sie nicht sogar auch in deinem Kunstprojekt?«
Mir gefiel nicht, was Siren da von sich gab.
Vor allem nicht, wie sie es von sich gab.
»Du hast ˈnen Knall«, knurrte Alec genervt und irgendetwas schien zu passieren, denn plötzlich keuchte Siren auf.
»Oh mein Gott!«, kreischte sie atemlos.
»Du magst sie!«, rief sie völlig außer sich aus, ich stockte.
Was zur Hölle redete sie denn da? War sie zwischenzeitig auf ihren hübschen kleinen Kopf gefallen?!
»Was ist mit dir los? Du spinnst doch!«, erwiderte Alec, seine Stimme schien eiskalt.
Doch irgendetwas schien Siren dazu zu bewegen, an ihrem Glauben festzuhalten.
Vermutlich die Tatsache, dass sie selbst unübersehbar in Alec verschossen war.
Naja, unübersehbar für alle außer den schwarzhaarigen Ven höchstpersönlich.
»Du magst sie!«, keuchte Siren erneut, ich schluckte.
Konnten sie bitte aufhören, so über mich zu reden? Und wie schaffte ich es eigentlich immer, in solche Situationen zu geraten?
»Siren!«, knurrte Alec warnend und ich wünschte mir, er würde ihr klar und deutlich sagen, dass das nicht so war.
»Aber natürlich!«, keuchte Siren, vollkommen in ihrem Geschwafel gefangen.
»Du rettest sie aus diesem Wrack, dann verschwindest du jeden Abend, dann dieses Zeltlager und jetzt die Nachhilfe! Du magst sie! Deshalb hast du Mik in der Pause auch zu ihr geschleppt!«
Was zur Hölle redete sie denn da?!
»Du weißt genau, dass ich für die Nachhilfe nichts kann! Und ich hätte sie ja schlecht sterben lassen können!«
Jetzt war Alec wütend. Und zwar so richtig wütend.
Ich befürchtete beinahe, Siren merkte es - anders als ich - nicht, denn sie machte einfach weiter.
»Achja, aber du konntest sehr wohl was dafür, sie jede Nacht im Krankenhaus zu besuchen! Und jetzt verkauf mich nicht für blöd Alec, ich habe dich gesehen!«
Ich schluckte.
Verdammte scheiße Alec, sag doch was!
»Halt die Klappe Siren!«
Bei seinem scharfen Tonfall zuckte selbst ich zurück.
»Du weißt nicht, wovon du redest! Sie könnte mir nicht egaler sein!«
Ich wusste nicht, warum mein Herz für einen Moment aussetzte. Doch es tat es, ohne, dass ich es steuern konnte.
Und ich erkannte diesen einen Satz wieder. Ich hatte ihn selbst benutzt. Als er Lucys und meinen kleinen Streit mitbekommen hatte.
Jetzt waren wir wohl quitt...
»Achja?«, hauchte Siren und plötzlich war ihre Stimme unglaublich leise.
Ich sah nicht, was geschah, doch ich war mir sicher, dass Alec einen Schritt nach hinten taumelte.
»Was tust du da?«, knurrte er.
Das erste Mal hörte ich die Unsicherheit in seiner Stimme.
Was passierte da? Beinahe wäre ich versucht gewesen, auf allen Vieren kriechend nach vorne zu robben, um in den Korridor zu spähen, in dem sie standen.
Aber bei meinem Glück würde ich durch die Reibung über den Boden noch ein Feuer auslösen oder so. Also blieb ich.
Trotzdem schlug mein Herz mit einem Mal unheimlich schnell.
»Und warum?«, hauchte Siren, »weichst du mir dann immer aus?«
Ach du heilige scheiße. Nein, ich wollte hier nicht sein. Definitiv nicht mehr.
Ich konnte nur erahnen, wie nahe sie bei ihm stehen musste...
»Lass das«, knurrte Alec verärgert und wäre sie keine Ven, schien es mir gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass er ihr gleich eine verpassen würde.
Ach du heilige Scheiße. Was tat ich hier schon wieder?
»Seit wir hier sind, seit die Schule angefangen hat, bist du komisch.«
Verdammt.
Verdammt Alec, jetzt sag doch mal was!
»Das liegt an ihr, oder?«
Ich schluckte schwer, hielt für einen Moment die Luft an, hatte noch nie gehört, wie man ihr so unglaublich hassvoll aussprechen konnte.
Denn irgendwie hatte sie damit den Nagel voll auf den Kopf getroffen, dass es wegen mir war, meine ich.
Nur, dass sie einen anderen Grund hinter mir vermutete.
»Du spinnst«, murmelte Alec, schien ganz offenbar keine Lust mehr zu haben, mit ihr zu diskutieren.
»Gut«, hauchte Siren.
»Dann«, sie hielt für einen Moment inne, mein Herz raste, meine Hände ballten sich zu Fäusten, ich hörte, wie Alec gegen die Wand stieß - versuchte er vor ihr zu flüchten?!
Na dann machte er das ehrlich gesagt nicht gerade gut!
Ich wusste nicht, ob ich wissen wollte, was da passierte.
»Dann macht es dir mit Sicherheit nichts aus, wenn ich das hier tue.«
Ich erstarrte.
Und jetzt wusste ich, was da geschah.
Ein leises, nur allzu bekanntes Geräusch.
Mein Herz blieb stehen, ich erstarrte, ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, mein Mund öffnete sich ungläubig.
Ich wusste nicht, was es für ein Gefühl war, welches in diesem Moment in mir aufkam und im nächsten Moment wurde mir einfach nur noch schlecht.
Die nächsten Sekunden verstrichen wie in Zeitlupe, meine Augen weiteten sich.
Und warum genau hatte ich das unglaubliche Talent in letzter Zeit immer Zeuge wirklich, wirklich peinlicher Küsse zu werden?
Ach du heilige scheiße...
Siren...
Alec...
Alec!
Alec küsste jemanden. Ach du heilige Scheiße. Oh mein Gott.
Und warum zur Hölle schockierte mich das so?! Halleluja...
Naja, genau genommen küsste Siren ihn, dachte ich im nächsten Moment, auch wenn es das nicht gerade besser machte.
Was überhaupt besser machte?
Ich meine ich sollte mich nicht wundern, Alec sah nicht schlecht aus und... und warum saß ich überhaupt noch hier?
Warum stellten sich die kleinen Härchen auf meinen Armen auf?! Das machte doch überhaupt keinen Sinn!
Einfach diese Vorstellung von zwei Ven, wie sie... widerlich.
Und dann keuchte plötzlich jemand erschrocken auf.
»Hör auf!«
Was zu Hölle?! Hatte Alec sie etwa geschubst?
Und ich war mir sicher, ihn selten so wütend gehört zu haben. Warum zur Hölle war er so wütend?!
»Alec!«
Doch Alec hörte nicht.
Ich reagierte zu langsam, für einen Moment konnte ich mich nicht regen.
Und da kam er plötzlich in die Halle gestürmt, das Haar zerzaust, das Gesicht völlig aufgebracht.
Er erstarrte. Seine Augen weiteten sich.
Verdamt. Nein. Verdammt, verdammt, verdammt!
Er hatte mich gesehen.
Mit großen Augen sah ich ihn an, er starrte ebenso erschrocken, es schien, als würde er in diesem Moment überall sein wollen, außer hier.
Mein Gesicht brannte, ich wollte irgendetwas sagen, doch konnte nichts tun, als ihn anzustarren, das wirre, schwarze Haar, das ihm mal wieder im Gesicht hing, die stahlgrauen Augen, die tobten.
Sein Mund öffnete sich, er regte sich keinen Zentimeter.
Und ich wusste: ich steckte in Schwierigkeiten.
Und zwar in verdammt großen.
Ich war ein Genie. Ehrlich.
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