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»Ehm«, war schließlich das erste, äußerst intelligente Zeichen, das Alec von sich gab, während er immer noch nicht daran dachte, sein Telefonat vielleicht wieder aufzunehmen.
Nun konnte man also klar und deutlich hören, wie Lila nach Alec rief, fast besorgt, wobei ich mich bemühte, möglichst müde dreinzublicken.
Nervös strich ich mir meine Haare zurück und wartete gespannt darauf, was Alec nun tun würde, was er mir verraten würde.
Das Prasseln des Regens machte die Situation auch nicht wirklich besser und als ein erneuter Schwall Regen hinein gefegt kam und mich erzittern ließ, dachte ich tatsächlich daran, mich einfach wieder auf der Rückbank zusammenzurollen und so zu tun, als würde ich von einem plötzlichen Schlafanfall gepackt werden. Ja, sehr realistisch Aruna...
Schließlich räusperte sich Alec, während ich einen unwohlen Blick auf die asphaltierte Landstraße warf, die vom prasselnden Regen dunkel gefärbt wurde, während die Tannen im Hintergrund unter dem immer weiter aufbrausenden Sturm bedenklich wankten.
»Ich ruf später noch einmal an«, ertönte dann plötzlich Alecs fast verlegende Stimme und als ich meinen Blick gerade überrascht zu ihm wandt, legte er bereits auf, sodass Lila vermutlich nicht einmal den Hauch einer Chance gehabt hatte, auch nur irgendwie zu widersprechen.
Mit einem unwohlen Gefühl in der Magengrube, winkelte ich meine Beine an und umklammerte sie mit meinen Händen, wobei ich nun daran dachte, Alecs Blick strikt zu meiden.
Der Ven drehte sich wieder zu mir um und fuhr sich fast nervös durch die Haare. Gott, wann war das alles noch mal so komisch geworden?
»Du bist wach«, stellte Alec nach einer Weile schließlich äußerst schlau fest, wusste wohl auch nicht so recht, wie er jetzt mit all dem umgehen sollte. Wir waren schrecklich...
Ich nickte bloß und grummelte etwas, was wohl meine Zustimmung ausdrücken sollte. Dann wandt ich den Blick unwohl wieder ab und ließ ein paar meiner Strähnen über mein Gesicht fallen, damit Alec nicht merken konnte, wie die Hitze langsam in meine Wangen stieg.
Das war so was von bescheuert.
»Sind wir schon in North Carolina?«, fragte ich schließlich mit Blick auf die Straße, einfach, damit es nicht mehr so elendig still war.
Wäre diese eine Sache doch niemals passiert... Dann wäre jetzt auch nicht alles absolut komisch.
Alec nickte seufzend und wandt sich wieder etwas nach vorne, nur, um dann auf sein Handy zu schauen.
Möglichst unauffällig schielte ich zu ihm rüber und beobachtete, wie er offensichtlich eine Nachricht las, schnaubend die Augen verdrehte und das Telefon schließlich in die Tasche seiner dunklen Jeans gleiten ließ.
»Seit etwa einer Stunde«, erklärte er und tat so, als wäre das Armaturenbrett plötzlich die interessanteste Technologie, die er jemals gesehen hatte.
Ich seufzte und legte meinen Kopf in den Nacken, während es mich leicht fröstelte.
»Und was jetzt?«
Eine sehr gute und angebrachte Frage, wie ich fand, vor allem, weil Alec zuvor von dieser geheimnisvollen Mysti gesprochen hatte.
Ich hatte weder eine Ahnung, wer sie war, noch, was zur Hölle wir bei ihr wollten. Vielleicht war sie eine Ven, überlegte ich stumm. Wollte Alec sie nach merkwürdigen Vorkommnissen fragen? Das würde zumindest Sinn machen und wäre zur Ausnahme mal nicht ganz so bescheuert wie so ungefähr alles andere, was in letzter Zeit passierte.
Fast etwas verlegen rieb sich Alec über den Hinterkopf, während er mit dem Gesicht nun zur fehlenden Tür gerichtet da saß.
Ihn schien es nicht einmal zu stören, dass die Tropfen, die ihn erreichen konnten, sein Haar nass machten und herunter hängen ließen. Als würde er es kaum bemerken.
»Wir fahren nach Huntersville«, erklärte er schließlich, woraufhin ich verwirrt die Brauen hob und meine Stirn runzelte.
Huntersville? Und was dann? Wo war das überhaupt? Und warum genau nach da?
Alec bemerkte offensichtlich meinen verwirrten Blick, verzog kurz das Gesicht und seufzte schließlich.
»Dort statten wir einer alten Freundin von mir einen Besuch ab. Wenn etwas im Busch ist, weiß sie entweder darüber bescheid oder kann uns helfen, etwas herauszufinden.«
Bei dem Tonfall wie er alte Freundin sagte, zog sich irgendetwas in mir merkwürdig zusammen und ich konnte nicht einmal sagen, warum es passierte. Alles, was Aleyna mir offenbart hatte, ignorierte ich in dieser Hinsicht einfach mal...
»Alte Freundin?«, fragte ich also bloß, ohne wirklich darüber nachzudenken.
Als würden die Worte, vielleicht etwas zu misstrauisch, einfach aus meinem Mund hinaus brechen, ohne, dass ich es steuerte.
Wieder nickte Alec, fast nachdenklich und rieb sich über das linke Bein.
»Ja. Mysti. Es ist aber schon Ewigkeiten her, seit dem ich sie das letzte Mal gesehen habe.«
Sag mal musste man dem denn alles aus der Nase ziehen?
Und wer war Mysti jetzt genau? Ein Ven? Ein Stinknormaler Inbec? Vielleicht sogar ein Lykanthrop, ein Cupid gar? Ja, letzere waren definitiv sehr wahrscheinlich.
»Ist sie ein Ven?«, fragte ich also und musste mich wirklich sehr zusammenreißen, um nicht vorzuschnellen, Alecs Schultern zu packen und ihn anschließend kräftig durchzuschütteln, damit mir der Idiot endlich sagte, was hier Sache war.
Erwartungsvoll musterte ich sein Profil, mein Vorhaben, jeglichen Blickkontakt zu meiden, vollkommen vergessen. Jetzt war ich einfach nur neugierig. Und die komischen Gefühle konnte ich dabei ohne Schwierigkeiten in den Hintergrund rücken.
Alec schüttelte mit dem Kopf, schien kurz zu überlegen und warf mir dann einen flüchtigen Seitenblick zu.
»Um ehrlich zu sein weiß ich nicht, was sie genau ist. Ihr Vater war ein Zentaur und ihre Mutter gehörte der Spezies der Pythonissam an, irgendein uraltes Hexenvolk, vor Jahrhunderten ausgestorben, genau wie die Zentauren. Aber vermutlich ist Mysti genau deshalb so mächtig und hat diese außergewöhnlichen, magischen Kräfte.«
Zentauren.
Hexen.
Ich staunte nicht schlecht, während meine Augen bei jedem weiteren Wort größer und größer wurden. Das konnte nicht sein ernst sein.
Das war unmöglich.
Einst lebten sie Seite an Seite mit den Wölfen, so hatte mir Lorenz, einer der Ältesten des Rudels, erklärt.
Beides unglaublich mächtige Völker, erschaffen von dem Gott des Wissens. Er verlieh ihnen unvorstellbare, magische Kräfte, doch Lorenz erzählte mir und Eza und Cole damals, während wir alle gespannt an seinen Lippen gehangen hatten, dass das Universum erzürnt über diese mächtigen, magischen Kreaturen gewesen sei.
So viel Macht durfte kein einziges Volk inne haben, dies würde sonst das Gleichgewicht der Welt zerstören.
Also wurde die Göttin des Gleichgewichtes geschaffen, aus dem reinsten Sonnenstrahl, den es jemals gegeben hat, so sagt man.
Und sie sorgte dafür, dass das Gleichgewicht wiederhergestellt wurde, sorgte dafür, dass diese beiden Völker ausstarben.
Ich blinzelte heftig.
Denn bis jetzt hatte ich Lorenz Geschwätz für reine Märchen gehalten, nicht zuletzt, weil selbst die gutmütige Cara, eine der Erzieher der Jüngeren, den Alten für nicht ganz richtig in der Birne einschätzte.
Jetzt mit der Existenz eines Nachfahrens gleich beider Völker konfrontiert zu werden, schien schier unglaublich.
Und vielleicht hätten mir in diesem Moment tausende von Fragen in den Sinn schießen müssen, solche wie: Wie war das möglich?
Doch der erste und einzige Gedanke, der mir kam, war ein anderer, vollkommen banaler.
Mysti musste uralt sein.
Okay, vielleicht war das unpassend, aber jetzt mal ehrlich! Diese beiden Völker waren vor tausenden Jahren ausgerottet worden! Mysti musste quasi das Fleisch von den Knochen faulen!
Ich verzog das Gesicht. Eine wirklich unschöne Vorstellung.
Und überhaupt, wie sah Mysti denn dann bitte aus? Ich meine, wenn sie von einem Zentauren abstammte... Eine Frau, die mit einem Pferdehintern rumspazierte müsste doch mit Sicherheit auffallen, oder?
Da machte es doch wenig Sinn, dass sie einfach in einer ganz normalen Stadt hauste.
Oder war Huntersville eine dieser Städte, in der bloß Lykanthropen wohnten, plus ein paar Menschen, die über alles Bescheid wussten? Wölfe zumindest würden nicht auf die Idee kommen, jemanden aufgrund seiner Andersartigkeit zu verfolgen und zu töten, ganz anders als die Inbecs.
Dann schnaubte ich innerlich selber verächtlich über diesen Gedanken.
Ja klar, ein Dorf voller Wölfe, da würde sich Alec mit Sicherheit hinwagen.
Dann überkam mich diese gewisse Frustration. Und fast als Bestätigung, fing diese eine Stelle an meinem Bauch an, erneut zu pulsieren. Angesichts der ungeklärten Folgen des Praes... Es wäre vermutlich auch nicht meine schlauste Idee, mich jetzt in einem Dorf voller Wölfe blicken zu lassen...
»Aruna?«, fragte Alec dann plötzlich verwirrt, da ich eine Zeit lang wohl einfach ziemlich abwesend vor mich her gestarrt hätte.
Blinzelnd sah ich auf und raffte mich wieder etwas zusammen, da ich wirklich in ein paar unpassenden Gedanken versunken gewesen war.
»Eh«, machte ich äußerst intelligent.
»Und woher kennst du sie? Mysti muss ja wirklich mächtig und wirklich a-«
Ich zügelte mich, meinen letzten Gedanken auszusprechen, da ich mir nicht ganz sicher war, ob es jetzt taktlos wäre, das so direkt auszusprechen.
Alec zuckte bloß mit den Schultern und drehte sich wieder dem Steuer zu, ließ den Motor brummend anspringen.
»Sie war eine... gute Freundin meiner Mutter«, erklärte er einfach, als schien er nicht wirklich gewillt, dieses Thema weiter zu vertiefen.
Fast... Fast als wäre es ihm unangenehm. Ich runzelte die Stirn. Aber warum?
»Es gab ein paar kleine Zwischenfälle in Little Falls«, sagte er dann plötzlich, warf einen kurzen Blick durch den Rückspiegel und ich bemühte mich hastig, meine Augen möglichst panisch aufglimmen zu lassen, so, wie meine echte Reaktion vermutlich ausgesehen hätte.
Zum Glück wusste ich, dass es allen so weit gut ging.
Meine Miene schien anscheinend in soweit überzeugend, dass Alec ein kleines, beruhigendes Lächeln zu Stand brachte, was mein dummes, dummes Herz zum springen brachte.
»Keine Sorge«, versicherte er mir seufzend.
»Deiner Familie geht es gut, es gab keine Verletzte.«
Shell und vor allem Richard erwähnte er mit keinem Wort. Aber vermutlich war auch das eines der Themen, über das er nicht reden wollte.
Verständlich irgendwie. Würde ich erfahren, dass Cole verletzt in Little Falls lag, ohne, dass ich ihm auch nur irgendwie helfen konnte, würde ich mich vermutlich erst einmal für ein paar Stunden im Kofferraum zusammenrollen und heulen. Ja, dramatisch wie eh und je...
Ruckelnd startete das Auto, während ich meine Hände um meinen zitternden Körper schlang und nachdenklich auf meine Finger hinab blickte, wobei ich auf meiner Lippe herum biss, wie ich es immer tat, wenn ich überlegte.
»Drei Stunden noch«, erklärte Alec, ohne mich anzusehen, begann einfach wieder die Straße entlang zu fahren.
»Dann sind wir in Huntersville.«
Und dann würde ich diese mysteriöse Mysti kennen lernen.
Ich gab es zu, vielleicht machte mich diese Tatsache nervöser, als sie sollte, doch der Gedanke, was für eine Art Frau mich erwarten würde, ließ mir auf seltsame Weise keine Ruhe...
Und dabei wusste ich nicht einmal, was ich mit Art Frau meinte... Manchmal machte ich aber auch wirklich keinen Sinn. Okay. Meistens.
Alec hatte wohl ebenfalls beschlossen, dass meine Taktik - die des stummen Totschweigens und Ignorierens - am besten war und so herrschte absolute Stille in dem Wagen, ganz abgesehen von dem prasselnden Regen natürlich.
Ich runzelte die Stirn und lehnte mich seufzend gegen die mehr oder minder bequeme Lehne.
Woher wusste Alec eigentlich immer ganz genau, wo wir waren und wo wir lang mussten? Also ich hätte mich ganz sicher bereits zehntausend Mal verirrt, nicht einmal die grobe Himmelsrichtung gewusst.
Und ein spezieller Ven-Sinn konnte es mit Sicherheit auch nicht sein. Man erinnere sich nur einmal an damals zurück, als unsere Kunst AG einen Ausflug gemacht hatte und Alec der Meinung war, er hätte einen guten Orientierungssinn.
Das hatte in einem äußerst spektakulären Streit zwischen uns geendet, einer kleinen Schwimmeinlage meinerseits und nicht zu vergessen die äußerst peinliche gib-ihr-deine-Jacke Aktion von Mik.
Ich konnte mir nicht helfen und ohne, dass ich es wirklich wollte, zuckten meine Mundwinkel hinauf, während ich meine Augen geschlossen hatte.
Gott, wie lange war das jetzt her? Das waren noch Zeiten gewesen...
Mehr oder minder ohne großartige Probleme, Alec und ich hatten noch nicht diese verkorkste Beziehung zueinander, Ben war noch bei mir gewesen und Mik...
Ein kleiner Stich fuhr mir durchs Herz.
Ich hatte Mik gemocht. Selbst damals, als ich Alec noch verabscheut hatte und im Allgemeinen nicht sonderlich viel für die Ven übrig hatte.
Er war lustig gewesen. Äußerst freundlich und selbst dann noch nett zu mir, als er erfahren hatte, was ich war, obwohl diese schreckliche Sache mit seiner Familie passiert war.
Ich seufzte leise und rieb über meine Arme, um mich wenigstens etwas zu wärmen.
Er hatte den Tod nicht verdient gehabt.
Doch wer hatte das schon in dieser äußerst verkorksten Geschichte, die sich mein Leben schimpfte?
Ylva hatte es nicht verdient, genau so wenig wie Fenris. Aleyna hatte es nicht verdient.
Und Mik ganz bestimmt auch nicht, Praes hin oder her.
◊♠◊♠◊♠◊
Langsam dachte ich tatsächlich darüber nach, ob ich nicht vielleicht doch an einer akuten Schlafstörung litt.
Denn im laufe der drei Stunden musste ich erneut eingeschlafen sein. Ich musste wirklich ein äußerst interessanter Reisepartner sein. Und so gesprächig...
Naja, jedenfalls war es die unsichere Berührung an meiner Schulter, die mich langsam wieder aus meinem traumlosen Schlaf hinaus holte.
Ich grummelte und wandt den Kopf nach links, definitiv noch im Halbschlaf, während die Berührung bestimmter und drängender wurde.
Ich murmelte irgendwelche undeutlichen Worte und dann verschwand der Schlaf immer weiter, Stück für Stück.
»Aruna!«
Bei der lauten Stimme, die sich plötzlich neben mir auftat, riss ich erschrocken die Augen auf und fuhr keuchend hoch, wobei sich Alec hastig in Sicherheit brachte, da er sich wohl noch an das Gefühl meines ziemlichen Dickschädels gegen sein Kinn erinnerte.
Verwirrt blinzelte ich ihn an, während er sich wieder etwas aufrichtete, sich äußerst elegant aus dem Auto, in das er sich hinein gebäugt hatte, hinaus wandt.
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und bis ich verstand, dass wir auf einem Parkplatz zu einer ziemlich großen, mit Leuchttafeln voll gestopften, Einkaufspassage standen, verging peinlich viel Zeit.
Müde rieb ich mir über die Augen und blinzelte ein paar Mal, um wenigstens ein bisschen wacher zu werden.
»Was wollen wir hier?«, fragte ich schließlich ziemlich verwirrt und richtete mich noch etwas benommen auf, während Alec in das Handschuhfach des Autos griff, das altbekannte Portemonnaie heraus fischte und es zu seinem Handy in die Hosentasche gleiten ließ.
»Zuerst«, seufzte er und deutete mir mit einer auffordernden Geste, dass ich aus dem Auto steigen sollte, »werden wir etwas essen.«
Ich runzelte die Stirn, wobei sich mein Magen bei Alecs Worten wohl daran zu erinnern schien, dass er ziemlich lange nichts mehr gegessen hatte und zustimmend aufknurrte.
Wir beide ignorierten diesen Fakt.
»Sind wir denn schon in Huntersville?«, fragte ich noch etwas neben der Spur und rieb mir die Augen, während ich aus dem Wagen stieg.
Mittlerweile hatte es aufgehört zu regnen, doch trotzdem konnte man nicht gerade von einer sonderlich warmen Temperatur sprechen.
Alec nickte und schlug die Tür des Wagens hinter mir zu.
Eigentlich unnötig, wenn man daran dachte, dass uns eine komplette Tür fehlte. Also wenn jemand das Auto klauen wollte, dann bitte...
Wir selber hatten es kurzgeschlossen, eigentlich konnte sich also jeder Volltrottel das Gefährt schnappen und damit flüchten. Vorausgesetzt er war genau so dumm wie wir...
»Ja«, antwortete Alec, sah mich kurz an, zog dann die Augenbrauen zusammen und schien für einen Moment zu überlegen.
Verwirrt und immer noch nicht ganz wach, blinzelte ich zu ihm auf und als er sich dann plötzlich hinab beugte, um den Saum meines Oberteils wieder hinab zu ziehen, da der wohl im Schlaf verrutscht war, gab ich ein erschrockenes Geräusch von mir und taumelte etwas nach hinten.
Doch darauf achtete der Ven gar nicht erst. Noch ehe ich auch nur irgendetwas sagen konnte, drehte er sich einfach um und steuerte den Eingang der überdachten Passage zu. Was er davor noch getan hatte, ignorierte er vollkommen.
Etwas verdattert und mit erneut glühenden Wangen, blieb ich zurück und blinzelte ihm hinterher, musterte den tiefschwarzen Schopf und den entschlossenen Gang.
Na toll...
Ich seufzte und rieb mir einmal über das Gesicht, um etwas klarer zu werden, während ich zu Vorsicht mein T-Shirt selber noch etwas richtete.
Wenn die falschen Leute dieses Prae zu Gesicht bekommen würden, dann gäbe es ganz bestimmt Ärger. Auch wenn es nicht unbedingt wahrscheinlich war, besagte Leute in dieser Passage zu treffen. Aber es ging ums Prinzip.
Dann beeilte ich mich, Alec hinterherzukommen und wäre beinahe über den Bordstein gestolpert, der sich nach dem Parkplatz anschloss und hin zu dem großen, doppeltürigen Eingang führte, hinter dem erstaunlich reges Treiben herrschte.
Ein unwohles Gefühl beschloss mich, als ich all diese herumwuselnden Menschen erblickte und ich fragte mich, warum wir genau zu diesem belebten Teil hatten fahren müssen und nicht einfach an irgendeiner Imbissbude hielten.
»Und dann?«, nahm ich das Gespräch von eben wieder auf, woraufhin Alec mir nur einen fragenden Blick zuwarf.
»Wann?«
Ich verdrehte die Augen und schnalzte mit der Zunge.
»Du hast gesagt, wir gehen erst etwas essen. Und dann? Nach dem essen?«
Alec seufzte und auf einmal schien er nur noch mehr darauf bedacht, mich nicht anzusehen.
Okay, die Idee dieses Gebäude zu betreten, gefiel mir weniger und weniger...
Trotzdem wandt ich meinen Blick nicht von dem Ven, der nun damit beschäftigt war, die Leuchtplakate böse anzustarren, als hätten sie seinen kleinen Hundewelpen beleidigt. Nicht, dass er einen hätte.
»Alec?«
Ja. Langsam war ich wirklich überzeugt davon, nicht hier sein zu wollen.
»Dann...«, begann Alec fast zögerlich und ich sah, wie sich sein Kiefer immer wieder anspannte und entspannte.
Anspannte. Entspannte. Anspannte. Entspannte.
Jegliche Scheu von den letzten Stunden schien verschwunden. Denn jetzt wollte ich reden. Was hatte der Idiot vor?
»Dann?«, wiederholte ich seine Worte abwartend und ziemlich ungeduldig.
Ob es wohl helfen würde, wenn ich ihm eine ordentliche Kopfnuss verpassen würde?
Schließlich seufzte der Ven ergeben.
»Dann besorgen wir dir ein Kleid.«
»Was?!«
Ruckartig blieb ich stehen, mit solch einer Plötzlichkeit, dass Alec noch zwei Schritte machte, ehe er sich dann überrascht zu mir umdrehte.
»Nein!«, entschied ich entschlossen und verschränkte meine Arme vor der Brust, wie ein bockiges kleines Kind, während Alec den nahenden Trotzanfall meinerseits wohl schon erahnen konnte und die Stirn forsorglicherweise jetzt schon in Falten legte.
»Wieso?!«, entrüstete ich mich weiter.
Ernsthaft! Wieso?! Ich brauchte doch kein Kleid! Ich würde ganz sicher kein Kleid anziehen! Das tat ich nie! Und dann auch noch im fast-Winter?! Der spinnt doch vollkommen!
Auffordernd deutete ich an mir hinunter, auf das zerknitterte, rote T-Shirt und die dunkle Hose.
»Ich bin schon ganz zufrieden mit den Sachen! Die sind doch noch voll in Ordnung!«
Alec ließ mich für einen Moment einfach reden, während er sich nicht einmal die Mühe machte, an mir hinab zu sehen um meine äußerst funktionstüchtigen, nicht austauschbedürftigen Klamotten zu betrachten.
»Da brauch ich kein Kleid! Vergiss es Alec!«
Einen Moment wartete der Ven noch, ob ich endlich mit meiner Schimpftirade fertig war, dann seufzte er und rieb sich die Schläfe, als hätte er Kopfschmerzen.
Oh, die konnte ich ihm gerne noch weiter verschaffen!
»Fertig?«, fragte er schließlich, was ihm einen bitterbösen Blick meinerseits einbrachte.
»Klappe«, knurrte ich, doch darauf ging er nicht einmal ein.
»Ich sehe, dass deine Sachen noch gut sind. Aber du sollst ja auch nicht einfach so mit dem Kleid herumrennen. Es ist nur für Mysti. An dem Ort, wo man sie meistens auffindet, ist ein Kleid nun einmal angebrachter.«
Überrascht hob ich meine Brauen, dann bahnte sich dass Misstrauen in mir an und schließlich machten mir seine Worte tatsächlich Angst.
»Was für ein Ort?«, fragte ich misstrauisch und sah ihn forschend an, wobei Alec nicht sonderlich viel Lust zu haben schien mit mir zu diskutieren.
»Ein Club«, klärte er mich also schließlich nüchtern auf, woraufhin ich mich fast an meiner eigenen Spucke verschluckt hätte.
»Ein Club?!«, echote ich, wenn auch sehr viel aufgebrachter als der Ven selbst.
Er nickte einfach nur vollkommen trocken, während ich hier langsam wirklich in Panik verfiel. Allein die Vorstellung in einem beschissenen Kleid in ein noch beschisseneren Club zu latschen, grauste mich.
Ich hasste große Menschenmengen. Oder vielmehr die Nähe vieler Personen. Und dann auch noch der Gedanke, dass sie mich alle anstarren würden, weil ich so ein dummes Kleid trug (Okay, ich wusste, wie unwahrscheinlich das war, aber trotzdem... Immer wenn ich kurze Sachen trug, bildete ich mir ein, dass mich jeder anstarrte und über mich tuschelte.)
Also klammerte ich mich, schlau wie ich war, an irgendwelche bescheuerten, kleinen Strohhalme.
»Also... also wenn es dir noch nicht aufgefallen ist...«, stammelte ich sehr überzeugend, während ich äußerst eindrucksvoll mit den Händen herum fuchtelte, »... ich bin noch nicht einmal 18! Genau! Und du bist...«, ich stockte, »...ehm... du bist...«
»19«, half Alec mir mit hochgezogenen Augenbrauen auf die Sprünge und verschränkte die Arme vor der Brust, als wüsste er, dass er diese Diskussion so oder so gewinnen würde.
Dass das eintreffen würde, war zwar sehr wahrscheinlich, aber... aber trotzdem!
Wow. Trotzdem... Ein allzeit gutes Argument, Aruna, wirklich...
»Genau! 19! Uns ist es vermutlich nicht einmal erlaubt da rein zu gehen und...«
»Seit wann achten wir sonderlich auf das, was das Gesetzt uns vorschreibt?«, fuhr Alec dazwischen und hob fast spöttisch seine Augenbrauen.
Ich verzog das Gesicht, als hätte ich etwas furchtbar Faules gegessen. Ich wusste, dass er Recht hatte... Aber... trotzdem.
Ja, ich benahm mich definitiv wie ein störrisches Kind.
Geschlagen ließ ich die Schultern sinken, auch wenn ich es natürlich nicht aufgab, Alec nicht vielleicht doch noch umzustimmen. Immerhin wäre ich sonst ja nicht Aruna.
»Aber können wir Mysti nicht auch irgendwo anders treffen? In einem Café oder... oder in einem Park! Okay, es ist ein bisschen kalt, aber...«, ich unterbrach mich selbst, da mir sehr wohl bewusst war, dass mein Gebrabbel nicht wirklich hilfreich war.
Alec seufzte und warf einen kurzen Blick über die Schulter, schwieg, als ein paar Mädchen, vielleicht ein, zwei Jahre jünger als ich, tuschelnd an uns vorbei liefen und komische Blicke zwischen Alec und mir hin und her warfen. Okay?
»Wenn man Mysti erreichen will, mit ihr sprechen will, führt kein Weg an diesem Club vorbei, glaub mir Aruna, ich habe es versucht.«
Frustriert seufzte ich und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust, während Alec wohl merkte, dass er gewonnen hatte und sich wieder daran machte, auf den Eingang des Gebäudes zuzulaufen.
Frustriert grummelte ich, beeilte mich dann an seine Seite.
»Aber warum kann ich nicht einfach eine Hose anziehen? Ich meine, ich habe ja nicht wirklich vor, tanzen zu gehen, oder so und...«
Alec seufzte.
»Weil die Türsteher dich sonst nicht reinlassen würden, deshalb. Und ich dachte, du würdest lieber ein Kleid anziehen, als eine dieser lächerlich kurzen Hosen.«
Empört schnaubte ich auf und stemmte meine Hände in die Hüfte.
Alec hatte zwar Recht, dass mir ein Kleid lieber war, als diese bescheuert kurzen Hosen, aber das tat hier jetzt nichts zur Sache.
»Ach, sie lassen mich rein, obwohl ich siebzehn bin, aber nicht, wenn ich nicht irgend so ein beknacktes Kleid trage?! Das ist ziemlich sexistisch, wenn du mich fragst.«
Alec nickte schnaubend und strich sich ein paar seiner Strähnen aus dem Gesicht.
»So sind die Inbecs«, war sein mehr oder minder verbitterter Kommentar dazu.
Irgendwie machte mich das wütend. Immerhin war er nicht derjenige, der sich in irgendein bescheuertes Kleid zwängen musste.
Und diesen Gedankengang brachte ich dann auch äußerst intelligent zum Ausdruck.
»Das ist unfair!«, beschwerte ich mich.
»Warum trägst du denn nicht irgend so ein blödes Kleid?!«
Die Gründe waren wohl irgendwie offensichtlich, aber das war in dem Moment egal.
Alec warf mir einen kurzen Seitenblick zu, wobei er die Augenbrauen hob und mich ansah, als wäre ich nicht mehr ganz dicht.
Das stimmte zwar, war in dem Moment allerdings unwichtig.
»Würdest du dich denn besser fühlen, wenn ich eins tragen würde?«, fragte er schließlich nüchtern und ich runzelte die Stirn.
Für einen Moment dachte ich wirklich über diese Worte nach und dann nickte ich ehrlich.
»Ja«, erwiderte ich und meinte es genau so, wie ich es sagte.
Überrascht sah Alec mich an, doch darauf achtete ich gar nicht.
Würde Alec auch im Kleid auftauchen, wäre ihm die Aufmerksamkeit zumindest sicher und ich hatte nicht das Gefühl, sie würden mich die ganze Zeit anstarren.
Also ja. Die Idee fand ich gar nicht mal so schlecht.
Für einen Moment dachte ich, Alec würde mich gleich nach meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit fragen, so überrascht wie er mich anstarrte.
Doch dann, plötzlich, ohne Vorwarnung, zuckten seine Mundwinkel und hoben sich, vermutlich ohne, dass er es wirklich steuerte.
Und dann konnte ich geradezu spüren, wie er mich anlächelte, während ich die Hitze zu vertreiben versuchte und stur geradeaus blickte, mich innerlich aufregte, wieder so äußerst unbedacht gesprochen zu haben.
Kopfschüttelnd zog Alec die Tür der dummen Passage auf und lachte leise.
»Du bist wirklich verrückt, weißt du das?«, grinste er in sich hinein, woraufhin ich einfach nur schnaubte und meine Mundwinkel anfauchte, gefälligst da zu bleiben, wo sie waren.
Denn aus seinem Mund hörte sich verrückt nicht einmal wie eine Beleidigung an...
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