19
Nachdenklich biss ich mir auf meine Wange und kam mir absolut gruselig vor, wie ich hier so stand, halb verborgen hinter Bäumen, und die High School beobachtete. Eza und Cole war es noch vergönnt, sie zu besuchen, aber mir...
Wir hatten in Übereinstimmung beschlossen, dass es jetzt Wichtigeres gab, worauf ich mich konzentrieren musste, ganz abgesehen von der Tatsache, dass ein plötzliches Auftreten nach mehreren Monaten sowieso problematisch gewesen wäre.
Mein Blick fiel auf die Bank, auf der Ben und ich unsere Pausen im Sommer verbrachten und ich konnte nicht anders, als wehmütig zu seufzen. Einer der tausend Gedanken, die mir momentan im Kopf herumirrten.
Der einzige Lichtblick, zumindest für mich, war der Schnee, der seit heute morgen fiel und dieses Mal wirklich liegen blieb, sodass sich bis zum Mittag eine feine Schicht aus Weiß über die Welt gelegt hatte. Die schönste Jahresezeit hatte also begonnen. Und trotzdem drückten alle möglichen Gedanken gegen meinen Kopf, sodass die Kopfschmerzen einfach nicht verschwanden. Das Männchen in meinem Kopf hatte einen Presslufthammer gefunden, ich sag's euch.
„Du siehst ja echt beschissen aus."
So in meinen Gedanken versunken, hatte ich nicht einmal bemerkt, dass er hier war, und zuckte dementsprechend heftig zusammen. Dann verdrehte ich die Augen und wandt mich mit verschränkten Armen zu ihm.
Alec stand nur wenige Schritte von mir, anders als ich, eingehüllt in einen Wintermantel. Fast merkwürdig, er ohne seine Lederjacke...
„Arschloch", meinte ich mehr oder minder eingeschnappt, was er bloß mit einem Lächeln quittierte, schließlich auf mich zutrat und sich neben mich an den knorrigen Baum lehnte. Wieder seufzte ich schwer und ließ meinen Kopf auf seine Schulter fallen.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich in dieser und in der letzten Nacht nur zusammengerechnet drei Stunden geschlafen hatte? Ich spürte, wie Alec den Blick zu mir wandt, mich kurz musterte.
„Dich hat's ja echt übel erwischt", meinte er dann und ich schnaubte.
Was du nicht sagst...
„Lass uns einfach wieder ins Auto steigen und wegfahren", grummelte ich und schloss für einen Moment die Augen.
Alec lachte leise. Dieser Junge hatte definitiv eine viel zu starke Wirkung auf mich, denn allein bei dieser kleinen Geste, entspannten sich meine Glieder etwas.
„Heute Nacht an der Kreuzung nach Eastraven... Du bringst das Essen mit und ich das Auto."
Er klang fast resigniert, ebenso erschöpft wie ich selbst. Ich hob meinen Kopf, sah ihn an. Tiefe Augenringe zeichneten sein Gesicht, er wirkte angespannt, sein Blick starr auf den Schulhof gerichtet.
„Du sahst auch mal besser aus."
Alec schnaubte.
„Ven sind wie kleine, streitende Kindergartenkinder... Die Parteien, die sich da bilden gefallen mir gar nicht."
Ich seufzte. Auch in meinem Dorf hatte ich Gemurmel gehört, Unzufriedenheit.
„Das war zu erwarten gewesen. Hass lässt sich nicht so leicht abstellen."
Er nickte, sah dann zu mir hinab. Ein besorgter Ausdruck trat in seine Augen.
„Vielleicht solltest du nicht alleine nach Little Falls kommen. Mir wäre es lieber, dich sicher zu wissen. Die zukünftige Alpha ist die beste Angriffsstelle für Zweifler."
Ich hob eine Braue, gleichzeitig überzog eine seichte Gänsehaut meinen Körper, während mir wirklich bewusst wurde, wie ernst die Lage war. Ich sollte wohl noch einmal in meinem eigenen Rudel besser zuhören.
Aufgrund der Besorgnis in seinen Augen, zwang ich mich selbst allerdings zu einem schwachen Lächeln.
„Komm schon Alec, ich hab den verdammten Urvampiren besiegt, da komm ich ja wohl auch mit ein paar aufmüpfigen Ven klar."
Seine Mundwinkel hoben sich, doch die Sorge in seinen Augen war weiterhin klar und deutlich zu erkennen.
„Jetzt spricht die zukünftige Alpha aus dir."
Ich seufzte schwer und lehnte meinen Hinterkopf gegen die Rinde des Baumes.
„Fang mir bloß nicht damit an... Die letzten Tage habe ich Stunden mit dem Rat verbracht, sie prügeln alles, was man als Alpha sonst über Jahrzehnte lernt innerhalb von wenigen Tagen in meinen Schädel... Ganz zu schweigen von dem Typen, den sie herrufen lassen wollen."
Alec runzelte die Stirn.
„Welcher Typ?"
Ich verdrehte die Augen.
„Ein Alphaerbe aus dem Osten. Er soll mir helfen, mich in meine neue Rolle einzufinden. Lumina ist etwas zu begeistert von dieser Idee, wenn du mich fragst."
Für einen Moment blieb Alec still. Tiefe Furchen hatten sich auf seine Stirn gelegt, während er wieder dazu überging, den Schulhof zu betrachten.
„Ist es ratsam, jetzt schon andere Wölfe in diese neue Situation einzuführen? Mit denen, die wir haben ist es ja schon schwer genug."
Würde ich ihn nicht so gut kennen, wäre mir der giftige Unterton vermutlich nicht einmal aufgefallen. Ich nickte zustimmend.
„Ja. Aber der Osten wird sich uns nicht in den Weg stellen, es sei denn, sie wollen Krieg. Zahlenmäßig sind sie meinem Rudel weit unterlegen."
Alec schien kurz überlegen, die Stirn gerunzelt, dann hoben sich seine Mundwinkel etwas.
„Außerdem habt ihr den Ven-Faktor."
Ich grinste.
„Ven-Faktor?"
Er nickte, hob die Brauen.
„Ja, du glaubst doch nicht wirklich, dass du mich jemals wieder loswirst, oder Davis?"
Ich verdrehte die Augen, grinste ihn dumm an.
„Da kennst du mich aber schlecht Virgil. Ich werde dir dein Leben schon noch zur Hölle machen, wart's nur ab. Mal sehen, wie lange du das mitmachst."
Dann fiel mir etwas ein. Ich hatte schon vorher mit Alec darüber reden wollen, doch der Rat und meine Eltern hatten mich voll und ganz in ihre Gewalt genommen. Ich runzelte die Stirn, blickte nachdenklich auf meine Hände.
„Ich weiß nicht, vielleicht ist es nichts, aber..."
Nun schien Alec alarmiert. Er richtete sich auf, schenkte mir seine gesamte Aufmerksamkeit, der Schulhof völlig vergessen.
„Was?"
Ich seufzte.
„Albträume. Zwei insgesamt. Der erste damals im Motel, wo ich dich geweckt habe, weißt du noch? Ich träume von Roten."
Alec sah mich aufmerksam an, antwortete allerdings noch nicht, weil er wusste, dass ich meine Erklärung noch nicht vollständig beendet hatte. Ich biss mir auf meine Lippe.
„Sie sterben."
Alec wusste, dass man meine Träume nicht als einfache Albträume abstempeln sollte, deshalb nickte er mit ernster Miene, rieb sich über den Hinterkopf.
„Woher glaubst du kommen sie?"
Nun legte sich beinahe etwas hoffnungsvolles in seine Stimme.
„Aleyna?"
Bedauernd schüttelte ich den Kopf.
„Aleyna hat ihr zweites Leben aufgegeben Alec. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder etwas von ihr hören werde."
Die Hoffnung erlosch mit einem Mal und machte der Enttäuschung platz, doch er versuchte es mit einem schwachen Lächeln abzutun. Natürlich war ich nicht dumm. Ich hatte mich auf ihn geprägt, ich konnte seine Enttäuschung geradewegs auf meiner Haut spüren.
Ich wollte etwas erwidern, doch genau in dem Moment, in dem ich meine Hand behutsam auf seinen Arm legte, ertönte plötzlich ein heftiger Knall aus Richtung der High School. Schreie.
Alec und ich wirbelten herum. Wir brauchten kein Wort reden, ohne zu zögern, stürmten wir los.
Das Bild, welches uns auf dem Schulhof bot, war makaber. Xav richtete sich mit vor Wut bebenden Schulter vom Boden auf, das Glas der Bushaltestelle hinter ihm war gesplittert. Missy half ihm mit schockierten Blick auf die Beine, während Jacob sich schützend vor seiner Freundin und den am Boden leigenden Jungen aufgestellt hatte.
Ihnen gegenüber standen ebenfalls drei Personen. Lykanthropen, das wusste ich sofort. Ich kniff die Augen zusammen. Der junge mit dem dunklen Haar war Dean. Der Name des Mädchens war mir entfallen, der andere Typ gieß Quinn.
Leises Grollen klang aus ihren Kehlen, während die umstehenden Inbecs entsetzt zwischen den beiden Parteien hin und her sahen. Weitere Lykanthropen kamen herbei geeilt und genau, als Alec und ich die Menge erreichten, schossen Eza und Cole hervor.
Mein Mund handelte, bevor ich wirklich wusste, was ich tat. Mir war nur klar: Wenn nicht innerhalb von den nächsten Paar Minuten die ganze Welt von Lykanthropen erfahren sollten, mussten die Inbecs sofort hier weg.
Schafft die Inbecs weg!
Ich schickte den Gedanken an niemand bestimmten, doch mit solch einer Heftigkeit, dass die Lykantropen kurz aufzischten, die Gesichter verzogen. Trotzdem handelten sie sofort. Der Schulhof leerte sich und ich hatte nicht einmal gemerkt, wie Callahan zu uns gestoßen war, doch er sorgte für die nötige Autorität, damit sie wirklich in ihren Klassen verschwanden.
Mein Herz begann vor Wut immer heftiger zu schlagen.
Ich fixierte Dean mit meinem Blick, der an der Spitze der drei Idioten stand und rauschte auf ihn zu, während Alec zu Xav ging, sich vergewisserte, dass es ihm gut ging. Xav schüttelte ihn wütend von sich ab. Es war klar, dass er die Lykanthropen am liebsten zerfleischen wollte.
Erst jetzt schienen die drei mich wirklich zu bemerken. Quinn wirkte unsicher, senkte den Blick, hob ihn dann wieder, das Mädchen allerdings stellte sich angriffslustig auf, während Dean mich fast spöttisch betrachtete.
Hier und jetzt einen Kampf zwischen Lykanthropen von der Stange zu brechen wäre fatal, deshalb bemühte ich mich, möglichst ruhig zu atmen. Ich spürte, wie Eza und Cole hinter mich traten, mich flankierten und die drei warnend anfunkelten.
Dann kam ich vor Dean an.
„Was ist in euch gefahren?! Wollt ihr vielleicht direkt mit der Aufschrift Lykanthrop auf euren dämlichen Stirnen rumlaufen?!", zischte ich wütend und hörte, dass Alec Xav nur mit Mühe zurückhalten konnte.
Dean hob abschätzig die Brauen, während Quinn den Kopf senkte, verdeutlichte, dass er sich ohne Widerworte fügen würde. Das Mädchen mit den hellblonden Haaren warf ihm einen giftigen Blick zu.
„Was ist das Problem Alphatochter? Hab ich dir nicht ein gefallen getan? War nicht er derjenige, durch den du unter anderem gefangen genommen wurdest?"
Er sah arrogant auf mich herab. In mir brodelte es. Cole knurrte warnend. Doch ich hob meine Hand. Sofort verstummte er.
Dean sah mich herausfordernd an und diese Herausforderung schmeckte mir ganz und gar nicht.
„An deiner Stelle wäre ich vorsichtig. Du sprichst hier immerhin mit deiner zukünftigen Alpha. Wir haben einen Bluteid geschworden, du Idiot! Zwischen Ven und Lykanthropen herrscht Frieden!"
Das Mädchen hinter Dean schnaubte verrächtlich, doch anscheinend wollte sie das Reden Dean überlassen. Trotzdem konnte ich es spüren. In ihr brodelte mindestens genau so viel Hass, wie in Dean selbst.
Dieser verengte nun die Augen, tat einen gefährlichen Schritt auf mich zu, doch ich hatte keine Angst vor ihm. Eisern blieb ich stehen, starrte ihn an. Er schaute nicht weg. Nun stand er ganz nah bei mir. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren.
„Zukünftige Alpha?", zischte er so leise, dass nur ich es hören konnte.
Der pure Hass sickerte aus seiner Stimme, der pure Hass begegnete ihm aus meinen Augen.
„Du bist eine Missgeburt, nichts weiter. Eine dumme, kleine Missgeburt, die uns alle in den Tod stürzen wird, weil sie neuerdings die Speichelleckerin der Ven geworden ist!"
Was danach passierte, konnte ich im Endeffekt nicht mehr genau sagen. Seine Hand schnellte hoch, gleichzeitig riss ich meine Hände in die Höhe, packte seinen Arm, drehte ihn in unmenschlicher Geschwindigkeit auf den Rücken und ließ mein Knie dann so heftig in seine Magengrube donnern, dass er ächzend zu Boden ging.
Das Mädchen keuchte auf, wurde allerdings von Cole und Eza zurückgehalten. Mit vor Hass lodernden Augen drehte ich Deans Arme auf seinen Rücken, welcher gequält aufkeuchte, rammte mein Knie dann heftig zwischen seine Schulterblätter und fixierte ihn so auf dem Boden.
Mein Wolf in mir tobte, der ihn für diese Respektlosigkeit einer Alpha gegenüber eigenhändig Häuten wollte, doch ich zwang mich, ruhig zu atmen, während ich die überraschten Blicke der Ven auf mir spürte.
Zwischen zusammengepressten Zähnen zischte ich die nächsten Worte, leise zwar, doch ich war mir trotzdem sicher, dass sie jeder hören konnte.
„Du sprichst mit deiner zukünftigen Alpha", wiederholte ich einfach hassvoll.
Dean regte sich nicht. Dann ließ ich von ihm ab, richtete mich etwas auf, doch fixierte den Jungen weiterhin mit meinem Knie. Mein Blick glitt zu Eza und Cole, die entschlossen zwischen mir und den anderen Wölfen standen, jederzeit bereit, an meiner Seite zu kämpfen.
Und mit einem Mal wurde mir klar, wen ich an meiner Seite haben wollte. Mir wurde klar, dass ich in meinem inneren, schon längst wusste, wen ich als meinen Beta und Gamma sehen wollte.
Für einen Augenblick noch sah ich in ihre entschlossene Gesichter. Dann zwang ich mich, mich nun zu konzentrieren. Alles andere hatte später Zeit.
„Ez. Cole. Bringt die drei zurück ins Dorf. Meine Eltern werden sich darum kümmern."
Ohne zu zögern nickten sie. Eza packte das knurrende Mädchen beim Arm, Cole kam auf mich zu, griff grob nach Deans Armen und zog ihn unsanft hinauf.
Der Wolf funkelte mich aus hassvollen, bernsteinfarbenen Augen an, sagte jedoch nichts, in dem Wissen, dass er verlieren würde. Die Herausforderung lag weiterhin in seinen Augen. Ein dunkles Versprechen.
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Dann machten sich die Lykanthropen auf den Weg. Quinn folgte ihnen ohne Widerworte, den Kopf gesenkt wie ein getretener Hund.
Erst, als sie zwischen den Bäumen verschwanden, konnte ich wieder ausatmen.
Waren sie denn jetzt vollkommen verrückt geworden?! War ihr Hass so groß, dass sie selbst die wichtigste Regel der Lykanthropen vergaßen?! Verdammte Dummköpfe!
Ich spürte, wie Alec dicht neben mich trat, während Callahan Missy und Jacob zurück in die Schule schickte, dann mit dem fluchenden Xav Richtung ihres Hauses verschwand.
„Die Lage ist viel ernster, als gedacht", murmelte Alec angespannt. Ich nickte.
„Wir werden uns etwas einfallen lassen müssen..."
Alec seufzte, warf einen kurzen Blick über die Schulter.
„Irgendwie müssen wir es schaffen, den Hass der Jahre zu vertreiben."
Ich nickte erneut, doch antwortete nicht. Denn wie zur Hölle sollten wir das schaffen?
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„Jetzt halt doch endlich still!"
Entnervt zupfte Heather an dem Stoff herum, den sie um meinen Körper feststeckte, während Lily mir einen entschuldigenden Blick zuwarf. Ich stand bestimmt schon seit einer geschlagenen Stunde auf diesem dämlichen Hocker in Heathers Haus, die Leiterin der Näherinnen, und ließ dieses bescheuerte Zeremonie-Kleid anpassen. Genauer gesagt, die Maße des Kleides.
Die machten ja noch nicht einmal das richtige Kleid!
Außerdem hatte ich ne verdammte Panikattacke bekommen aufgrund der Tatsache, dass da gewisse zwei dunkle Zeichen auf meiner Haut waren, die verdammt noch mal niemand sehen durfte!
Das Prae an meinem Bauch war das kleinere Problem, das Prae an meinem Oberarm allerdings stellte mich vor eine Herausforderung. Heather hatte mich zwar äußerst merkwürdig angeschaut, als ich darauf bestanden hatte, den Verband, den ich geistesgegenwärtig vor der Tortur um meinen Arm geschlungen hatte, drumzulassen. Immerhin heilten Lykanthropen schnell. Mit einer Verbrennung durch Ven-Haut konnte ich mich auch nicht herausreden, was nicht zuletzt daran lag, dass es sich herumgesprochen hatte, dass es mir möglich war, Alecs Haut zu berühren.
Naja, ich hatte Heather jedenfalls erklärt, dass sich unter dem Verband eine Brandnarbe verbarg, bei der es mir unwohl war, dass andere sie sahen. Deshalb hatte ich sie auch gebeten, das Kleid so zu entwerfen, dass man sie auch bei der Zeremonie nicht sehen konnte.
Heather hatte zwar gezögert, dann allerdings zustimmend gegrunzt. Wieder verfluchte ich meine Mutter dafür, dass sie unbedingt an der traditionellen Kleidung der Zeremonie festhalten wollte.
Ich meine, wie viel Traditionen warfen wir denn schon mit der Tatsache über Bord, dass ich eigentlich eine Rote war und niemals hätte Alpha werden dürfen?! Da hätte ich die bescheuerte Kleidung nur allzu gerne mit einem gewaltigen Arschtritt hinterhergeschmissen...
Liliy reichte der Näherin eine weitere Nadel, als es plötzlich klopfte.
„Ist offen!", brüllte die drahtige Frau und stach mir im nächsten Moment mit voller Wucht eine Nadel in die Haut, was mich laut aufkeuchen ließ.
So eine verdammte Scheiße!
„Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich nicht bewegen!", schimpfte Heather, während ich mit zusammengebissenen Zähnen meine Tränen weg blinzelte.
Vielleicht hätte ich mich wirklich nicht zur Tür drehen sollen... Als sich dann jedoch Schritte näherten, konnte ich dem Bedürfnis, meinen Kopf zu drehen, nicht widerstehen, was mir einen finsteren Blick seitens der Näherin einbrachte.
Als ich allerdings die warmen Augen meiner Mutter erblickte, erhellte sich meine Laune ein wenig und ich achtete nicht weiter auf Heather.
„Mum!"
Sie lächelte mich fast stolz an und betrachtete meine Gestalt auf dem Schemel.
„Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, als man mein Kleid angepasst hat! Das war alles so aufregend."
Innerlich verdrehte ich die Augen. Also ich für meinen Teil fand zwar absolut nichts aufregend daran, als Nadelkissen missbraucht zu werden, aber...
„Und?", fragte meine Mutter, während sie sich auf einem Sessel in Heathers Wohnzimmer fallen ließ.
„Bist du aufgeregt wegen morgen?"
Ohne, dass ich es verhindern konnte, drehte sich mein Magen um. Morgen... Vollmond. Die Zeremonie.
Doch noch ehe ich antworten konnte, schnaubte Heather verächtlich.
„Morgen!", schimpfte sie und wuselte blitzschnell um mich herum, um eine lose Nadel vom Fallen zu hindern, was Lily dazu brachte, erschrocken zurückzuweichen.
„Die ganze Zeit diese dummen Versammlungen und sie geben mir einen Tag, um ein Festtagskleid zu nähen!"
Wütend stemmte sie die Hände in ihre Hüften und betrachtete meine Gestalt skeptisch. Diesmal verdrehte ich wirklich die Augen, während meine Mutter das Schauspiel bloß belustigt betrachtete.
Dann sah sie wieder mich an und hob fragend eine Braue. Ich ließ die Schultern sinken, was mir augenblicklich einen verärgerten Klaps auf meinen Hinterkopf einbrachte.
„Ich weiß nicht, wie ich die Zeremonie durchstehen soll, ohne mich dabei zu übergeben."
Lily sah mich mitleidig an, Heather schimpfte über meinen Ausdruck und Lumina legte nachdenklich die Stirn in die Falten. Irgendetwas lag ihr auf dem Herzen.
„Deshalb wollte ich noch einmal mit dir reden. Bezüglich der Zeremonie. Dein Vater und ich haben uns mit Sibean unterhalten. Die letzten paar Tage haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie die Zeremonie ohne Gegenstück ablaufen soll."
Ich runzelte die Stirn. Sibean war unser Älteste, auch wenn wir ein junges Rudel waren. Mittlerweile hatte er sein 115tes Lebensjahr erreicht. Ein stolzes Alter für einen Inbec, nur ein Bruchteil des Lebens eines Lykanthropen.
„Wie läuft die Zeremonie überhaupt ab? Irgendwie hat das noch niemand wirklich angesprochen – Au!"
„Stillhalten!"
Überrascht hob meine Mutter die Brauen.
„Nicht?"
Ich schüttelte reflexartig den Kopf und bekam die Quittung sofort in Form eines schmerzhaften Ziepens meiner Kopfhaut, weil sich meine Haare in einer Nadel verfangen hatten.
„Das hast du davon!"
Meine Mutter ignorierte Heather, stand dann abrupt auf.
„Dann müssen wir einiges nachholen. Wenn ihr hier fertig seid, komm zur Nordseite, ja?"
Und ohne auf eine Antwort zu warten verschwand sie einfach aus dem Haus, als hätte sie ganz plötzlich etwas furchtbar Wichtiges zu tun und ließ mich bei der rasenden Furie zurück, die mir nun drohte, meine Füße an den Schemel zu binden. Toll...
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