Duft
Die Autotüre schlug mit einem lauten Rums zu und ich stolperte zum Eingang der kleinen Holzhütte, in der ich meine Ferien verbringen würde. Alleine, vermutlich mit vielen Rentnern, die ihren letzten Sommer nochmal auf einer einsamen Berghütte verbringen wollten, und vor allem: ohne Internet!
Danke Mum!
Als ich mich umdrehte sah ich, wie das Auto mit einem lauten Brummen davonfuhr und mich hier zurückließ. Doch was konnte ich tun? Netz gab es hier keines und niemand konnte mich retten, hier oben in der stinkigen Natur...
Ich wandte mich wieder meinem anstrengenden Lauf zur Hütte zu, musste jedoch auf die harte Tour erfahren, dass High-heels in den Alpen nicht von Vorteil waren.
Ich sah es nicht kommen, sah den verdammten Stein nicht, doch da lag ich auch schon auf dem dreckigen Boden und meine Knie schmerzten. Zitternd rappelte ich mich auf, griff nach meinem Koffer und torkelte auf wackligen Beinen endlich bis zum Eingang, wo ich mich auf eine alte Bank fallen ließ. Scheiße! Die Strumpfhose war wohl hin, dabei war sie so teuer gewesen...!
Ein Räuspern ließ mich abrupt nach oben sehen, wo mir ein alter Mann mit grauem Vollbart lächelnd entgegenblickte.
„Du bist wohl Anni", sagte er und klang verwundert, aber auch glücklich. Oh Gott... war das etwa ein Perverser?! Man konnte schließlich nie wissen.
Der Mann musterte mich und wartete wohl auf eine Art von Begrüßung, doch als ich nichts sagte fuhr er fort: „Ich bin es, dein Großvater. Weißt du nicht mehr? Ach was, ist ja auch schon ne Weile her, wat?"
Ich nickte vorsichtig, immernoch nicht sicher ob er nicht doch jemand anderes war.
„Stimmt jaaaa", sagte ich und versuchte so zu klingen, als ob ich mich an ihn erinnern würde, was mir jedoch nicht sonderlich gut gelang. „Ähm... wo kann ich meine Sachen abstellen?", fragte ich und versuchte nicht in seine großen Knopfaugen zu sehen.
Wie er mich musterte... Zwar konnte ich nicht erkennen was er von mir hielt, jedoch hatte ich das Gefühl er hätte jemand anderes erwartet... Ich konnte es nicht erklären, es war ein Gefühl tief in mir, das mir sagte ich hätte jemand anders sein sollen.
„Na komm. Einfach rein, die Treppe rauf und dann links." Er hielt mir die Türe auf und trug dann meinen Koffer nach mir die Treppe hoch.
Das Zimmer war... schöner als erwartet. Blau-gelbe Vorhänge und ein weiches Bett mit blütenweißer Bettwäsche. Irgendwie hatte ich Kuhfell und Blumenmuster erwartet, doch so gefiel es mir. Vor einem Fenster stand ein kleiner Tisch mit Stuhl. Auf diesen setzte ich mich und rieb mir mein Knie. Es brannte höllisch, doch die Wunde war glücklicherweise sauber und nur aufgeschürft. Ich kramte in meiner Handtasche, die ich immernoch um meine Schulter trug und schmierte Handcreme darauf. Mehr als schiefgehen konnte es schließlich nicht und etwas anderes hatte ich nicht...
Ich blickte wieder von meinem Knie auf, dass sich inzwischen anfühlte, als ob jemand mit Schmirgelpapier darübergeschrieben wäre und schnappte mir mein Handy, denn vielleicht gab es ja doch noch die Chance auf Netz...
Doch nein, kein Netz, fast kein Akku mehr und nirgends war eine Steckdose in Sicht. So legte ich frustriert mein Handy beiseite und starrte aus dem Fenster ohne wirklich etwas zu sehen. Ich vermisste meine Freunde... sie waren vermutlich alle irgendwo in der Karibik oder sonst wo Party machen - ohne mich.
Langsam begann es zu dämmern und mein Blick klärte sich stetig, bis ich irgendwann realisierte auf welches Paradies ich die ganze Zeit geblickt hatte ohne es wahrzunehmen. Der Himmel färbte sich in der Dämmerung orange und die Wiesen waren saftig grün. In der Ferne sah ich vereinzelt weitere Häuser und über allem ragten die Berge auf als würden sie dieses kleine Fleckchen Erde vor allem beschützen. Da bemerkte ich die Blumen, die in hellbraunen Körben vor meinem Fenster hingen. Hellgelb und in ihrer Einfachheit so perfekt wie nur wenige andere Dinge.
Beschwingt öffnete ich mein Fenster, das zuvor nur gekippt gewesen war und all die wundervollen Gerüche gar nicht hindurchließ. Ich wollte all das riechen was ich sah. Die Blumen, die Wiese. Einfach alles. Und als ich es roch war ich überwältigt von der Schönheit die ich zuvor nicht wahrgenommen hatte, die ich aber jetzt so deutlich vernahm, dass ich mich zurückhalten musste um mich nicht einfach in die Blumen fallen zu lassen. An einen Ort, der so viel glücklicher war als all die Orte, an denen ich zuvor gewesen war.
Doch schließlich schloss ich mein Fenster und eilte hinunter nach draußen - die eindeutig ungefährlichere Variante - und lief einfach den nächstbesten Weg entlang. Dabei blickte ich mich immer wieder um damit ich nichts verpasste. Denn so vieles gab es zu sehen.
„Anni? Bist du das?", hörte ich jemanden rufen. Es war mein Großvater, der mir nun hinterher geeilt kam und mich erneut musterte - diesmal besorgt.
„Ist alles okay bei dir?", fragte er besorgt. Ich nickte strahlend und drehte mich im Kreis. „Sieh doch! Es ist so wunderschön hier.", rief ich freudestrahlend. Wieso sah er denn so unglücklich aus? Sah er denn nicht was ich sah? Die Vollkommenheit dieses Ortes konnte ihn doch nicht entgangen sein.
„Anni, hör mir zu. Du halluzinierst. Verstehst du das?", fragte er langsam und deutlich. Pah! Was für ein Mist. Ich und halluzinieren. Ich war doch nur glücklich. Er hatte much eben nicht nie glücklich erlebt, denn er hatte sich mein Leben lang in einer Berghütte verdrückt, die gleichzeitig auch ein ziemlich... schönes Hotel war. Hm...
„Anni!" Seine Stimme wurde lauter. „Die Blumen vor seinem Fenster, sie lassen sich halluzinieren, verstehst du denn nicht? Ich bringe dich zurück in dein Zimmer. Oder nein, lieber in eines ohne Engelstrompeten."
Wovon redete er da? Engelstrompeten? Waren das die gelben Blumen vor meinem Fenster gewesen, die so wunderschön gerochen hatten? Doch ich konnte mir. Ich erlauben darüber nachzudenken. Ich musste dort von meinem Großvater. Er wollte mich hier fort bringen und das konnte ich nicht zulassen, es war so schön hier.
Ohne weiter nachzudenken rannte ich davon, doch nach wenigen Sekunden spürte ich, wie meine Beine wegknickten und ich in das sonnenwarme Gras sank. Ganz langsam, wie in Zeitlupe. Dann wurde mir schwarz vor Augen.
Ich öffnete meine Augen und sah meinen Großvater, der sich im schummrigen Licht einer alten Lampe über mich beugte. In seinen Gesichtszügen erkannte ich Besorgnis vermischt mit Erleichterung.
„Was... ist passiert?", fragte ich und setzte mich auf. Ich hatte auf einem Tisch gelegen, mein Rücken schmerzte noch davon.
„Du warst ohnmächtig. Weißt du noch warum?", fragte eine Stimme rechts von mir. Ruckartig wandte ich meinen Kopf zur Seite, konnte jedoch nichts erkennen, denn mein Kopf dröhnte und meine Augen verweigerten mir den Dienst. Ich schüttelte den Kopf, wohlwissend, dass es meinen Schwindel nur noch verstärken würde, doch das war jetzt auch egal.
„Du hast die Engelstrompeten vor deinem Fenster eingeatmet.", sagte mein Großvater und Sorge schwang in seiner Stimme mit.
„Der Gärtner hätte sie längst entsorgen sollen, es tut mir wirklich leid. Aber es ist ja nochmal gut gegangen..."
Ich nickte.
„Mhm.", nuschelte ich und ließ mich vom Tisch rutschen, wobei ich ein bisschen schwankte. „Ich geh jetzt schlafen."
„Ich weiß nicht so recht ob das eine gute Idee ist. Die Blumen sind zwar weg, aber man kann nie wissen."
Das war mir eigentlich egal, denn ich wollte nur in Ruhe schlafen, doch mein Großvater hielt mich auf bevor ich verschwinden konnte.
„Ich bring dich in ein anderes Zimmer.", sagte er und führte mich ganz langsam zur Treppe. Doch kurz vor ihr blieb er stehen und wandte sich an den Anderen, einen jungen Mann wie ich nun erkannte.
„Henry, kannst du bitte Annis Sachen holen?"
Henry nickte fleißig. War er einer dieser übermotivierten Anfänger? Ach, das konnte mir jetzt herzlich egal sein. Ich torkelte die Stufen hinauf und in ein Zimmer, wo ich mich auf das weiche Bett fallen ließ und sofort einschlief.
(1304 Wörter)
writing_biscuit
Jup. Fertig. Mal was anderes dachte ich. Ich wollte eigentlich nicht so viel schreiben, aber najaaaa es ist einfach passiert😂 jedenfalls weiß ich, ich bin schlecht in Kommasetzung... egal🤣 ich hoffe es gefällt euch/dir.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top