34. Knuffig
Betrübt musterte ich die Flugtickets vor mir und dachte an die Worte Patricks. Er fühlte sich nicht wohl dabei mit mir zu verreisen, dabei wären wir doch nicht einmal allein gewesen, Milo, Malu und mein Bruder wären mitgekommen, aber wenn er nicht wollte, dann war es eben so. Ich würde nur gerne wissen warum er nicht gerne mit mir verreisen wollte, wieso er sich unwohl in meiner Gegenwart fühlte, es war einfach unverständlich für mich. Kam ich ihm zu nahe, war es das was ihn störte? Nein, das konnte ich nicht glauben, sonst hätte Patrick mich schon längst darauf angesprochen und mir gesagt, dass ich gefälligst Abstand halten sollte, zumindest schätze ich den Brünetten so ein. Bisher hatte er mir immer sofort die Stirn geboten, wenn ihm etwas nicht gepasst hatte und ich würde ihn doch auch nicht hassen, nur weil er meine Nähe nicht mochte, das musste er wissen. Seit er die Flugtickets abgelehnt hatte waren einige Stunden vergangen, wir hatten alle zusammen gegessen und gleich danach wurde der Braunäugige von Milo und Noah dazu genötigt ihnen ein paar Worte auf Französisch beizubringen, sodass ich ihn leider nicht abfangen konnte, um mit ihm zu reden. Ich wollte einfach nur wissen ob ich ihm vielleicht irgendwie ein besseres Gefühl geben könnte, indem ich ihm ein wenig mehr Freiraum gab oder sonst was, aber dafür musste ich wohl bis morgen warten.
Meine Mutter hatte sich schon längst in ihr Zimmer zurückgezogen, als ich mich lustlos auf der Couch niederließ und mir mein Handy schnappte. Schon vorhin hatte mir meine Mutter alle Fotos geschickt, welche sie geschossen hatte und ich begann warm zu lächeln, als ich mir einige der Bilder einmal genauer ansah. Auf den meisten von ihnen war Milo abgebildet, zusammen mit Noah und mir wurde warm ums Herz als ich diese glücklichen Augen sah, welche er hatte, während er sein neues Paar Schlittschuhe auspackte. Das sah ich gerne, denn nun war zumindest Milo glücklich und auch Malu grinste froh, während sie auf Patricks Schoß saß, dieses Bild war wohl von nun an mein Liebling. Mein Schützling sah noch so liebevoll aus, auf einem Bild war er sogar gerade dabei das Geschenkpapier ein wenig abzureißen, sodass meine Prinzessin ihr Geschenk aufmachen konnte und ich grinste innerlich in mich hinein, als ich an diesen Moment zurückdachte. Wieder nannte ihn das blonde Mädchen Papa und Patrick hatte kein Problem damit, er half meiner Tochter einfach und irgendwie fühlte er sich sogar wohl dabei sich um ein Kind zu kümmern, aber dieses dann ständig um sich zu haben war dem Jüngeren dann doch zu anstrengend. Er würde irgendwann ein toller Vater sein, für ein ebenso tolles Kind und ich hoffte ihn nicht allzu sehr zu nerven, sodass ich das auch erleben durfte.
Wieder etwas besser gelaunt legte ich mein Handy beiseite und schloss meine Augen, merkte nun wie müde ich eigentlich war, aber ins Bett gehen wollte ich noch nicht, schließlich war Patrick noch wach. Erst vor etwa einer halben Stunde hatte Malu ihn an die Hand genommen, damit die mit ihm und ihren neuen Barbies spielen konnte, aber mittlerweile hörte ich sie nicht einmal mehr lachen, was bedeuten musste, der Franzose hatte die Kleine mittlerweile zum einschlafen gebracht. Für normal wartete Patrick immer auf mich, damit ich mich zu ihm legen und mit ihm kuscheln konnte, doch irgendwie traute ich es mich nicht zu ihm zu gehen, nicht, nachdem ich ihn wohl auf eine gewisse Art und Weise beunruhigte. Ich wollte doch nicht, dass er sich bei mir unwohl fühlte, das würde niemals meine Absicht sein und deswegen würde ich diese Nacht einfach auf der Couch schlafen, bis ich mir sicher war, ob ich meinen Mitbewohner durch meine Nähe störte oder ob es etwas ganz anderes war. Vielleicht traute er sich auch nicht zu sagen, dass er nicht zusammen mit meinen Kindern verreisen wollte, weil diese ihn irgendwann nervten? Ich wollte das unbedingt glauben, aber diese Möglichkeit war so unwahrscheinlich, es fiel mir schwer.
Einige Minuten saß ich still da, bis ich das leise schlurfen von Füßen auf dem Boden vernahm und eine Art Stoff noch dazu. Erst dann öffnete ich meine Augen ein Stück und sah einen in seine Decke eingekuschelten Patrick auf mich zukommen, blinzelte verwundert. Was tat er denn da? Mit einem mehr als nur verwirrten Blick sah ich dem Kleineren dabei zu wie er sich leise neben mich setzte und vorsichtig seinen Kopf an mich lehnte, als würde er Angst haben nun von mir abgelehnt zu werden. „Es tut mir leid, Manu...", murmelte der Braunäugige und ich bekam Herzklopfen dabei, da der Brünette wirklich unglaublich zurückhalten wirkte. Auch Patrick hatte wohl bemerkt, dass mich seine Worte sehr runtergezogen hatten und wollte mit mir reden, er hatte nur auf den richtigen Moment gewartet und ich bekam Mitleid mit ihm, schließlich hatte er sich nun über mehrere Stunden innerlich fertig gemacht. Automatisch legte ich ihm meinen linken Arm um die Hüfte und hoffte so ein bisschen Liebe zu vermitteln. „Ach, alles gut, Patrick! Es ist ja nicht schlimm, dass du die Reise ablehnst, aber darf ich vielleicht wissen wieso du dich unwohl dabei fühlen würdest mit mir zu verreisen? Ich möchte einfach nur verstehen was ich falsch mache!"
Schüchtern wurde ich dafür gemustert. „Du machst absolut nichts falsch, Manu! Es ist nur...du hast mir erzählt, dass du mit Sascha immer unterwegs warst und ich weiß es ist absolut dumm, aber irgendwie fühlt es sich für mich so an als wäre ich so eine Art Lückenfüller! Ich sehe Sascha ja auch sehr ähnlich und seit du mir von ihm erzählt hast bin ich da immer mehr von überzeugt, auch wenn ich weiß, dass es eigentlich nicht so ist. Manchmal habe ich einfach das Gefühl, dass ich gar nicht wirklich für das gemocht werde was ich bin...", erklärte mir Patrick, was mich erstaunt meine Augen aufreißen ließ. Niemals hätte ich erwartet, dass der Braunäugige solche Gefühle verspürte und sich so sehr Gedanken über Sascha machte, das war etwas ganz neues für mich. Wie sollte ich ihn nur von dieser Ansicht wegbringen, er war doch so anders als mein Mann, viel aufmüpfiger und gemeiner als er, jedoch auch so viel verspielter, einfach ein Engel. Patrick kuschelte gerne und ließ sich Komplimente machen, brachte mich zudem auch gerne zum schmunzeln, indem er mich ärgerte, aber all diese Unterschiede konnte er nicht erkennen, wie sollte er auch? Er hatte nur das Bild von meinem Liebling vor Augen, dazu noch meine Erzählungen und ich verstand was ihn so denken ließ, doch nun musste ich diese Denkweise wieder aus seinem Kopf hinausbringen.
„Patrick, ich mag dich doch aber nicht weil du Sascha ähnlich siehst, sondern weil du ein niedlicher Kerl bist! Ihr seht euch wirklich sehr ähnlich, aber du benimmst dich komplett anders und das ist auch gut so, du bist schließlich Patrick und nicht Sascha! Du bist besonders, ja? Ich hätte dich einfach gerne auf einen kleinen Urlaub mit Milo, Malu und Peter mitgenommen, das hat wirklich nichts mit Sascha oder sonst jemandem etwas zu tun. Aber ich verstehe glaube ich warum du nicht mit möchtest und es ist vollkommen in Ordnung...mir ist nur wichtig, dass du dich wegen mir nicht unwohl fühlst! Ich fand nur, dass diese Reise bestimmt schön gewesen wäre und dass das dann ein schöner Geburtstag gewesen wäre für dich!", sagte ich mit aufrichtigem Blick und ganz verwundert wurde ich nun angesehen, wobei die Augen des Kleinen glänzten. Ein kleines Lächeln schlich sich auf die Lippen des Jüngeren, was mich froh stimmte. „Ich habe aber am fünften Januar Geburtstag und nicht am zehnten, das weißt du doch, oder?", fragte mich der Braunäugige schmunzelnd und ich bekam rote Wangen, denn das hatte ich nicht gewusst. Patrick hatte mir nie explizit gesagt wann er Geburtstag hatte, ich wusste es nur ungefähr und ich war im Endeffekt sogar nahe an seinem Geburtstag dran, was mich stolz machte. „Oh...ich dachte du hättest am zehnten Geburtstag, entschuldige! Du hattest mir nie gesagt wann genau du Geburtstag hast, aber das ist schön zu wissen, dann kann ich noch Mal nach etwas besserem suchen, was nichts mit einer Reise zu tun hat, okay?"
Beruhigt bekam ich ein Lächeln von meinem Schützling geschenkt, was mich froh stimmte. Voller Liebe sah ich den Brünetten an, ließ ihn müde seinen Kopf an meine Schulter lehnen und genoss es ihm wieder so nahe zu sein, ganz ohne befürchten zu müssen ihn zu beunruhigen. Mein Schützling hatte nun das erste Mal ganz von selbst etwas gelöst durch reden, ohne wegzurennen oder mich anzuschreien, konnte ich denn noch stolzer auf ihn sein? Er lernte, dass er mich nur ansprechen musste und dafür musste ich ihn irgendwie belohnen, fragte sich nur wie. Vorhin meinte er, er wollte keine Geschenke von mir bekommen und das machte das ganze doch so schwer, denn wir drückte man seinen Stolz anders aus als mit einem Geschenk? Ihm einfach zu sagen dass ich stolz auf ihn war konnte ich nicht, das war doch viel zu einfach, aber nichts zu tun wäre auch falsch. „Haben dir die anderen Geschenke zumindest gefallen?", fragte ich sanft, um ein wenig von meinem Fehler abzulenken und ganz leicht nickte der Franzose, schien plötzlich so müde wie sonst nie. Ich fand es unglaublich niedlich wie vorsichtig er bei mir nach Zuneigung suchte, da war er schon von Anfang an ein kleiner Engel und ich würde ihn gerne wieder auf die Stirn küssen, nun wo er doch kein Problem samit hatte, aber ich traute mich nicht. „Ja, sehr sogar! Du hättest mir aber wirklich nichts schenken müssen, Manu, das wäre nicht nötig gewesen. Ich finde, du hast mir schon mehr als genug geholfen!"
Mein Herz erwärmte sich bei diesen Worten. „Ich habe dir etwas geschenkt, weil du es mir wert bist, Patrick und weil du es dir verdient hast! Du hast mir doch erzählt, dass du nie wirklich Weihnachten gefeiert hast und ich bin der Meinung, dass jeder zumindest einmal im Leben die Chance dazu gehabt haben sollte dieses Fest glücklich zu verbringen! Wenn du es nicht so gerne hast Geschenke an Weihnachten zu bekommen, dann bekommst du nächstes Jahr eben keine und kannst dafür mit mir auf der Couch sitzen, bis Malu dich wieder für sich beansprucht, wenn dir das wirklich mehr gefällt. Ich würde dir aber auch gerne wieder ein paar Geschenke besorgen, so wie dieses Jahr...du siehst richtig knuffig aus, wenn du Geschenke auspackst, weißt du das? Hier, guck Mal!", grinste ich, während ich wieder mein Handy nahm und ein unzufriedenes Murren als Antwort bekam, was mich dazu brachte die Helligkeit des Gerätes runtertzustellen. Nachdem ich ihm gezeigt hatte wie süß er aussah wenn er ein Geschenk auspackte, würde ich ihn ins Bett schicken und dafür sorgen, dass er ruhig schlafen konnte, denn dass er freiwillig noch einmal das Bett verließ zeigte, dass er mich und meine Nähe vermisste, vielleicht sogar ohne mich nicht schlafen wollte. Patrick schaffte es mit einer einzigen Geste, dass mein Herz wie wild klopfte und ich mochte ihn dafür sehr gerne, das merkte er hoffentlich auch.
Gemeinsam sahen wir uns einige der Bilder an, auf denen Patrick mit Malu und später auch mit mir zu sehen war, was meinen Schützling zum schüchternen weggucken bewegte. „Du findest mich also knuffig?", fragte mich der Braunhaarige und ohne überhaupt ein bisschen Scham zu zeigen, nickte ich bestätigend. Er war ein wirklich niedlicher und manchmal schon fast liebenswerter Zeitgenosse, er schaffte es mich mit seinen Gesten immer zum schmunzeln zu bringen und das fand ich lobenswert, schließlich kannte ich den Jungen keinen Monat. Ich hatte schon von Anfang an das Gefühl ihn beschützen zu müssen, schlief sogar mit ihm in einem Bett und kuschelte, wenn er mir unterschwellig zeigte, er brauchte Nähe und ob ich wollte oder nicht, Michaels Verdacht, dass ich mich in den Jüngeren verlieben könnte, schien nicht einmal wirklich falsch zu sein. Allein der Gedanke daran schmerzte, dass der Kleinere sich niemals in mich verlieben würde, weil ich ihm einfach zu alt war, aber ändern konnte ich das nun einmal nicht, auch wenn ich es wollte. Neun Jahre waren wir auseinander und ich wünschte mir später geboren worden zu sein, doch selbst wenn es so wäre, dann wäre vielleicht Patrick an Saschas Stelle gefangen und umgebracht worden, das wäre ebenso schlimm, vielleicht sogar noch viel schlimmer. Der Brünette war so talentiert und niedlich, ich könnte es mir niemals verzeihen wenn ihm dieses Schicksal widerfuhr.
„Du bist absolut niedlich, da gibt es keinen Widerspruch! Und jetzt komm, wir gehen ins Bett, ja? Sonst schläfst du mir hier noch ein...", lächelte ich sanft, bevor ich ihm einen Kuss auf die Schläfe drückte und versuchte aufzustehen, jedoch kläglich scheiterte. Müde begann sich der Kleinere gegen mich zu drücken, sodass ich mich zur Seite fallen lassen musste und ich hielt vor Schreck meine Luft an, ließ den Jüngeren jedoch tun was er wollte. „Halt den Mund und schlaf hier mit mir, Manu! Ich habe keine Lust mich zu bewegen...", murmelte mein Schützling und ich schmunzelte bei seiner Ausdrucksweise, fand es absolut süß wie er nicht einmal darüber nachdachte was er da von sich gab. Er sagte zwar, dass er die Sprachen die er lernte sehr gut konnte und dem war auch so, aber manchmal erwischte ich ihn bei kleinen Sprachfehlern, welche ihn nur noch viel süßer machten als er es schon war. Ungeniert drehte und welzte sich der Franzose auf der Couch umher, bis er schlussendlich eine bequeme Position gefunden hatte, mir ein Stückchen seiner Decke überreichte und sich so nahe an mich heran kuschelte wie es ihm nur irgendwie möglich war. Ganz sanft hielt ich ihn also sicher. „In Ordnung, Patrick. Dann schlaf schön! Hab dich lieb!"
~2280 Worte, geschrieben am 25.06.2021, hochgeladen am 06.07.2021
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