33. Bescherung
Aufgeregt begannen Milo und Noah ihre Geschenke zu suchen, während Monika sich neben Peter setzte und einige Fotos schoss. Ich betrachtete das Geschehen mit einem aufmerksamen Blick, Manuel tat es mir gleich und doch lag meine Aufmerksamkeit vor allem auf der kleinen Malu, welche nun recht verloren wirkte. Sie konnte nicht lesen, wusste demnach auch nicht welche von diesen Paketen ihr gehörten und das brachte mich dazu mich meinem Nebenmann näher zuzulehnen, sodass ich ihm etwas ins Ohr flüstern konnte. „Soll ich Malu helfen, Manu?", fragte ich also leise und automatisch drehte sich sein Kopf zu mir, sah mich erst überlegend an, ehe er nickte und seinen Arm von mir nahm, sodass ich mich frei bewegen konnte. Es wäre gemein sie warten zu lassen, bis die beiden Jungen fertig waren mit auspacken, lieber suchte ich mir ihre Geschenke und gab sie ihr, damit sie auch so glücklich lächeln konnte wie ihr Bruder in diesem Moment. Das hatte sich die Blonde wirklich verdient, schließlich kam sie bestimmt aus genauso schlechten Verhältnissen wie Milo und ich wusste nicht wie lange sie schon hier bei Manuel war, aber vielleicht war das ja auch ihr erstes Weihnachten, dann war es doch umso wichtiger sie glücklich zu machen.
Lächelnd stand ich also auf und setzte mich in den Schneidersitz neben meine Prinzessin, welche mich mit tränenden Augen ansah. Mein Herz setzte aus als ich das sah. Hatte sie sich wirklich so einsam und traurig gefühlt, nur weil die beiden anderen Kinder schon längst auspackten und sie nicht? Ich kannte mich mit Kindern kaum aus, besonders mit weinenden Kindern nicht und deswegen blieb mir nichts anderes übrig als das Mädchen zu beruhigen. „Hey, nicht weinen, Lu! Guck Mal hier, das ist alles deins, Prinzessin! Mach auf...", meinte ich mit ruhiger, sanfter Stimme und ganz nebenbei zog ich eine kleine Schachtel zu uns, welche mit rotem Geschenkpapier umwickelt war. Mit einem kleinen weißen Namensschild waren all die Pakete gekennzeichnet, ich hatte das erstbeste vom Stapel genommen und tatsächlich stand der Name meines Schützlings darauf. Statt jedoch sitzen zu bleiben, entschied sich die Blauäugige dazu auf meinen Schoß zu klettern und sich an mich zu lehnen, ehe sie nach dem Paket griff und mühsam an dem Papier herumkratzte, da ihre Fingernägel scheinbar noch ein bisschen zu kurz dafür waren. Belustigt sah ich der Kleinen dabei zu und erst, als sie mir ihren Blick nach einigen Sekunden zuwandte, begann ich zu lächeln. „Papa...", murmelte sie leise und ich starb in diesem Moment, wie niedlich. Noch immer sprach sie mich nicht mit meinen Namen an, sondern nannte mich Papa und auch, wenn ich weit davon entfernt war ihr Vater zu sein, würde ich es nicht wagen sie nun zu berichtigen. Irgendwann würde sie von selbst verstehen, dass ich Patrick hieß und dann hörte sie sicher auch auf damit, ganz bestimmt.
Lächelnd riss ich das Geschenkpapier ein wenig an, sodass Malu den Rest machen konnte. Nebenbei sah ich mit die vier anderen Pakete genau an, erkannte auf einem davon dann schlussendlich meinen Namen und ganz automatisch richtete sich mein Blick auf Manuel, welcher mir nur grinsend zuzwinkerte, wohl sogar ohne Worte verstand, dass ich gerade sein Geschenk entdeckt hatte. Ich musste unbedingt auch etwas finden, was ich ihm noch nachträglich zukommen lassen konnte, aber was mochte der Grünäugige denn überhaupt? Er hatte nie auch nur die Anstalt gemacht sich für irgendwas zu interessieren, war immer nur darauf aus mich und alle anderen Menschen um sich herum glücklich zu machen, aber selbst gönnte er sich offenbar nie etwas. Noch während ich das nächste Paket nahm dachte ich darüber nach was ich denn so einfach auftreiben konnte, so ganz ohne Geld und worüber sich der Familienvater wohl am meisten freuen könnte. Meine Bilder fand er schön, oder zumindest sagte er das immer, aber ich konnte meinem Retter doch nicht das gleiche schenken wie jedem, es musste etwas ganz besonderes sein für ihn. Hätte ich doch nur ein bisschen Geld mitgenommen, dann könnte ich zumindest einmal durch ein paar Läden laufen und gucken was ich ihm besorgen könnte, aber leider war ich zu schnell abgehauen, als dass ich an sowas hätte denken können. Nun musste ich mir wirklich Gedanken darum machen was ich dem Älteren für seine Liebe zurückgeben könnte, aber das konnte ich auch später noch tun, wenn ich meine Ruhe hatte.
Mit meiner Hilfe machte sie auch die nächsten beiden Päckchen auf und grinste wieder froh, als sie einige Barbies und einen neuen Fußball neben sich liegen hatte. „So, das ist das letzte für dich, Prinzessin! Guck Mal, wir können sogar beide eins aufmachen!", meinte ich mit einem Grinsen und belustigt klatschte sich das Kind auf meinem Schoß in die Hände, wie sonst auch immer. Ganz aufgeregt griff sie nach dem kleinen Päckchen in blauem Papier und versuchte dieses Mal sogar ganz allein es zu öffnen, sodass ich die Zeit hatte mich meinem Geschenk zu widmen. Es war recht klein im Gegensatz zu den anderen Paketen, schwer war es auch nicht, aber bedeuten musste das noch lange nichts. Langsam nur riss ich das Geschenkpapier ab und bemerkte, dass sich Manuel nun doch neben mich setzte und wohl gespannt darauf war zu sehen, was ich wohl so bekommen würde. „Dir ist klar, dass du mir nichts hättest schenken müssen?", fragte ich den Braunhaarigen, welcher nur mit den Schultern zuckte und schnaubte. Vorhin noch hatte ich ihm gesagt, dass ich keine Geschenke haben wollte und nun öffnete ich eines, schon interessant zu was mich der Brünette verleiten konnte. „Ja, aber ich habe doch gesagt, dass du zur Familie gehörst und deswegen bekommst du auch was! Es ist auch nichts wirklich teures, da habe ich extra drauf geachtet, okay?", lautete die Antwort des Größeren und ich sah ihn lächelnd an, fand es niedlich, dass er sogar darüber nachdachte und das, bevor ich ihm meine Bedenken mitgeteilt hatte, ich würde ihn zu viel Geld kosten.
„Ja, ist ja gut! Dankeschön, Manu, du bist ein Engel...", murmelte ich liebevoll und ganz sanft wurde ich dafür von ihm gemustert, er freute sich über meine Worte. Ich dachte nicht einmal darüber nach, dass uns Monika und Peter von der Couch aus beobachteten, eher beeilte ich mich endlich das Geschenk auszupacken, da ich wissen wollte was der Millionär mir besorgt hatte. Viel konnte es nicht sein, ich hatte meine Klamotten von ihm bekommen, ein Ladekabel für mein Handy und das einzige was er mir schenken könnte war etwas zum malen und zeichnen oder etwas zum lernen einer Sprache. Vielleicht hatte er mir ja ein Buch gekauft, das könnte auch sein und egal was es war, ich würde Manuel dafür ebenfalls ein Geschenk machen. Interessiert öffnete ich den Karton und erblickte tatsächlich ein Buch, auf welchem japanische Schriftzeichen zu erkennen waren und ich grinste sanft, hätte nicht gedacht, dass der Grünäugige versuchte mich so zu unterstützen. Er versuchte eine Sprache zu finden welche ich noch nicht beherrschte, dafür hatte er sicher lange überlegt und er hatte tatsächlich Glück, denn an japanisch hatte ich mich bisher noch nicht herangetraut. „Und? Habe ich die richtige Entscheidung getroffen?"
Voller Hoffnung wurde ich gemustert, war bemüht nicht zu lachen, als ich sah wie aufmerksam Manuel war. „Ja, das hast du! Ich werde dir auch noch ein Geschenk besorgen, warte nur ab!", bestätigte ich und neben uns hörte ich Peter belustigt kichern, was jedoch ganz schnell aufhörte, als seine Mutter ihn behutsam auf den Arm schlug. Verwundert sah ich die beiden Brünetten an und bekam rote Wangen als ich merkte, dass Manuel und ich tatsächlich herüberkommen mussten wie ein verliebtes Paar. Wir waren uns ganz nahe, ich versprach dem Älteren sogar ein Geschenk für ihn zu besorgen und nun wo ich so etwas hörte, wandte ich mich beschämt von ihm ab, fühlte mich unwohl dabei so beobachtet zu werden. Bisher hatte mich noch niemand dafür doof angeguckt, dass ich dem Millionär so nahe war und auch, wenn ich dachte, dass Peter eigentlich in Ordnung war, so hatte er das einzigartige Talent mich unwohl fühlen zu lassen. Böse sah Manuel seinen Bruder dafür an. Ihn störte es nicht mir so nahe zu kommen, er würde mich sicher sogar küssen, wenn uns auf einer Bühne jeder zuguckte, aber mir war es unangenehm dafür auch nur gemustert zu werden. Lieber widmete ich mich nun dem Buch, nahm es vorsichtig aus der Kiste heraus und blickte verwundert auf ein kleines, weißes Gerät darunter, welches ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Vorsichtig nahm ich es in die Hand und drehte es einmal, um einen kleinen Bildschirm sehen zu können, welcher jedoch dunkel war, als wäre das Gerät aus.
„Was ist das, Manu?", fragte ich meinen Mitbewohner leise und etwas betrübt musterte er mich, schenkte mir jedoch trotzdem ein vorsichtiges Lächeln. „Das dort ist ein Gerät, was bei mir in der Firma gerade in einer Testphase ist! Es ist ein Sprachassistent, der auf den Namen Mace hört. Wir sammeln gearde ein paar Daten hierfür und ich dachte, dass du eigentlich der perfekte Kandidat hierfür bist, um das Ding da zu testen! Mace ist dazu gedacht sich mit anderen Menschen verständigen zu können und neue Sprachen zu lernen. Er kann mehr als zweihundert Sprachen und dazugehörige Dialekte übersetzen und wenn nichts dazwischen kommt, werden noch einige mehr Sprachen dazukommen, bis das Gerät wirklich auf den Markt kommt! Vielleicht ist es noch nicht so ganz ausgereift, diese ganze Technologie, aber ich glaube, dass Mace dir zumindest ein bisschen helfen kann ein paar neue Sprachen zu lernen...", erklärte mir der Grünäugige mit vorsichtigem Blick auf mich gerichtet und ich war erstaunt, dass der Ältere und seine Firma an so etwas arbeiteten. Er überließ mir ein sicher sehr wertvolles Produkt, wollte, dass ich es für ihn testete und ihm somit half es wenn nötig zu verbessern, hielt er mich wirklich für so gut, dass ich ihm helfen konnte? Ich hatte noch nie ein Produkt getestet und wusste nicht so recht wie ich ihm dazu ein Feedback geben sollte, aber ich würde mein bestes versuchen, das schwor ich mir. Das hier war das erste Mal, dass ich um etwas gebeten wurde von dem Millionär und ich wollte diese eine Aufgabe so gut erfüllen wie nur irgendwie möglich.
Ich wollte erwidern, dass ich ihm gerne dabei half das Gerät zu testen, aber da hielt mir der Größere auch schon einen weißen Umschlag hin, welchen ich nun auch noch verwundert öffnete. Mit so vielen Geschenken hatte ich nicht gerechnet, ich hatte doch schon ein Buch zum japanisch lernen und Mace bekommen, was konnte das alles denn noch toppen? Erst, als ich den Umschlag endlich geöffnet hatte und hineingguckte rutschte mir mein Herz in die Hose. Das hier waren Flugtickets nach Los Angeles für den zehnten Januar nächstes Jahr, gleich vier Stück und ich konnte nicht anders als schockiert zu gucken. Manuel wollte mit mir verreisen, gerade Mal fünf Tage nach meinem Geburtstag und das, obwohl ich ihn keinen Monat kannte, warum tat er das? Wen wollte er denn noch mitnehmen auf diese Reise, etwa Milo und Malu? Nein, das konnte und wollte ich nicht annehmen. Der Brünette hatte gesagt, er war eigentlich immer mit Sascha verreist und ich wusste es war kompletter Schwachsinn, aber irgendwie würde ich mich dann wie ein Lückenfüller fühlen, wenn ich nun auch noch mit ihm zusammen verreiste. Ich sah Manuels Liebsten schon sehr ähnlich, konnte auch einiges was er konnte und das wollte ich nicht, ich wollte ich sein und kein Ersatz für jemanden, den ich nicht einmal persönlich kannte. Wenn mich der Grünäugige mochte, dann weil ich ich selbst war und nicht, weil ich ihn an Sascha erinnerte, das wollte ich nicht.
Leise seufzte ich. „Hör zu, Manu...das ist wirklich lieb gemeint, aber ich würde mich nicht wohl dabei fühlen mit dir zu verreisen! Kannst du die Tickets vielleicht stornieren?", fragte ich leise und mein Herz brach in genau diesem Moment, als ich die Augen des Millionär immer betrübter dreinblicken sah. Es fühlte sich falsch an so etwas einfach abzulehnen, besonders da sich mein Retter wirklich viel Mühe gegeben hatte um mir das schönste erste Weihnachten zu schenken überhaupt, aber wenn ich das hier annehmen würde, würde ich mich die ganze Zeit über nicht gut fühlen können und das vermied ich lieber. Hielt er mich nun für undankbar, weil ich sein Geschenk abgelehnt hatte? Ich meinte das wirklich nicht böse, aber es brachte doch auch nichts sich auf eine Reise zu begeben, um schlussendlich stets den Gedanken zu haben ein Ersatz für eine schon längst verstorbene Person zu sein. „Ähh, ja...ich werde sie stornieren. Es tut mir leid, es war eine dumme Idee!", entschuldige sich mein Freund bei mir, während er den Umschlag zurücknahm und aufstand, um mit deprimiertem Blick wegzugehen. Ich erkannte deutlich seine Trauer wegen meiner Ablehnung, er hatte eigentlich gedacht ich würde seine Nähe genießen und das tat ich auch, wirklich, aber das hier war mir einfach nicht geheuer.
Mitleid kam in mir auf, als ich daran dachte wie zurückgewiesen sich Manuel nun fühlen musste. Hätte ich vielleicht doch annehmen sollen?
~2170 Worte, geschrieben am 22.06.2021, hochgeladen am 29.06.2021
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