29. Morgen

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug sah ich sofort in das entspannte, sanfte Gesicht Patricks und lächelte. Schon als ich ihn gestern Abend schlafend in diesem Bett vorgefunden hatte, nicht einmal richtig ausgezogen und mit den ganzen Taschen auf dem Bett, musste ich lächeln und ihn zumindest gerade hinlegen, sodass auch ich und Malu unseren Platz hatten und nicht auf dem Boden schlafen mussten. Die Angst nicht von meiner Mutter akzeptiert zu werden hatte ihn wohl wirklich belastet und erschöpft, ich hatte es ihm angesehen und auch in der vorherigen Nacht murmelte er im Schlaf ein paar unverständliche Worte, welche mir jedoch verdeutlichten, dass er sich wirklich fertig machte deswegen. Da meine beruhigenden Worte am Auto nur bedingt etwas gemacht hatten, bat ich meine Mutter darum Patrick so sanft zu begrüßen wie es auch nur irgendwie ging. Sie tat das großartig und als Patrick dann ganz lieb gefragt hatte, ob er vor dem essen erst einmal die Taschen wegbringen durfte, da fragte ich mich, wie sein Vater ihn nur die ganzen Jahre über so schlecht behandeln konnte. Er war doch so süß, brauchte manchmal nur einen kleinen Stups in die richtige Richtung und ich fand es auch so niedlich wie er sich mittlerweile versuchte mit in den Haushalt einzubringen, Maurice hatte mir bei der Autofahrt her erzählt, dass Patrick versuchte ihm beim Backen zu helfen und zwar noch sehr unbeholfen nach allem fragte, jedoch trotzdem riesige Fortschritte machte.

Lautlos stand ich also auf und schlich mich aus meinem Zimmer heraus, um mich zu meiner Mutter in die Küche zu stellen. Wie jeden Morgen um neun trank sie ihren Kaffee, saß an ihrem Esstisch und las nebenbei die Zeitung von heute, wobei sie sanft lächelte, als ich mich neben sie fallen ließ. „Morgen Manu! Wie schläft es sich neben Patrick? Habe gehört, ihr zwei kuschelt schon ganz fleißig?", begrüßte mich die Brünette grinsend, was mich erschrak. Mir war sofort klar was sie nun dachte, denn das war etwas, das ich auch schon mit Sascha gerne getan hatte und wie auch schon Michael deutete sie unbemerkt an, zu was sich das ganze noch entwickeln könnte, was ich nicht gut heißen konnte. Eine Beziehung mit dem siebzehnjährigen wäre nicht nur unverantwortlich, sondern auch unmöglich, denn ich war viel zu alt für ihn, hatte schon Kinder und ich war, ob ich es zugeben wollte oder nicht, einfach nicht der richtige für den Braunäugigen. Er war schlau, niedlich und viel zu gut für mich, ich hatte ihn gar nicht verdient. Um glücklich zu werden musste er sich jemanden suchen, der ihm ebenbürtig war und der ihn gut behandelte. Außerdem war es unwahrscheinlich, dass er sich überhaupt auf einen anderen Mann als seinen Partner einlassen würde. „Mama! Patrick ist zu jung für sowas, hör auf damit. Er mag mich bloß und kann es nicht leiden allein zu sein, das ist wie bei Milo!", sagte ich empört, dabei konnte ich jedoch nicht verhindern, dass meine Wangen sich leicht erröteten und heiß wurden, so unangenehm war mir diese Situation.

„Mensch, ich sag doch gar nichts! Ist doch schön, dass ihr euch so gut versteht! Der Kleine ist ja ein niedlicher Bursche und auch noch so ein Engel...Maurice hat mir gesagt, dass Patrick dich ganz schön auf trab hält, ist das wahr? Er wirkt gar nicht so...", wechselte meine Mutter das Thema, dabei lächelte sie ganz sanft und sofort schoss mir das Bild des Braunäugigen in den Kopf, wie er mich an seinem ersten richtigen Tag bei mir angeschrien hatte. Erst durch eine Menge gutes zureden hatte er sich zu dem umgänglichen und vorsichtigen Jungen entwickelt, welcher er nun war und ich war sehr stolz auf ihn, besonders auf seine Suche nach meiner Zuneigung. Zu Anfang wäre das überhaupt nicht denkbar gewesen, der Jüngere hatte mich bis aufs äußerste gemieden und nun wollte er gar nicht mehr gehen, war glücklich sich auf mich eingelassen zu haben. „Lass dich ja nicht täuschen von ihm, der Junge kann auch richtig gemein sein, wenn er will! Als ich ihn bei mir aufgenommen habe, da hat er mich angeschrien und ignoriert! Mittlerweile ist er aber ein ganz lieber Zeitgenosse, ja. Er hilft Maurice immer beim backen und spielt ganz viel mit Malu, die zwei verstehen sich wirklich super miteinander! Sie haben dir sogar ein Weihnachtsgeschenk gemacht...", erzählte ich grinsend, als ich an den Tag dachte, an dem der Brünette mit meiner Tochter das Bild gemalt hatte, auf welchem ein wunderschöner Strand abgebildet war. Malu hatte es zwar ein wenig ramponiert, wenn ich die Basis betrachtete, auf welche sie ihre vier Strichmännchen gemalt hatte, doch allein ihr stolzes Lächeln machte das ganze wieder wett. Mir hatte Patrick ein Bild von einem Wald gemalt, welchen ich mir gewünscht hatte und ob es Absicht war oder nicht, er hatte es mir sogar signiert.

„Das Bild hängt schon an der Wand! Malu hat es mir heute morgen schon überreicht, bevor sie mit Maurice einkaufen gegangen ist. Hat Patrick den Hintergrund gemalt? Weil, wenn ja, dann ist der Junge echt talentiert!", fragte mich die Brünette und sofort nickte ich bestätigend, war selbst einen kleinen Augenblick lang stolz auf die beiden. Ich würde wohl niemals aufhören über die vielen Talente des Jüngeren zu staunen, er konnte doch fast alles, so lange es nichts mit kochen zu tun hatte und mein Lob zu hören tat ihm merklich gut, ich hatte sofort ein glückliches Glänzen in seinen Augen bemerkt und nahm mir dieses zum Grund ihn so oft zu loben wie nur irgendwie möglich. Es war zu niedlich mit anzusehen wie der Braunäugige danach immer nach mehr meiner Aufmerksamkeit schmachtete, er fühlte sich gut an zu wissen, dass es jemanden gab, den ich so glücklich machen konnte und ich würde das wohl auch immer tun, so lange der Kleine mich machen ließ. Eines Tages würde er sich nun Mal nach einem Freund oder einer Freundin sehnen, dann würde diese ihm eine Stütze sein und ich musste den Jungen loslassen, auch wenn ich es nicht wollte. „Ja, er wollte dir unbedingt etwas zu Weihnachten schenken und hat darauf bestanden dir zumindest was zu malen, wenn er schon kein Geld hat dir was zu kaufen! Ich fands süß von ihm...", erklärte ich und auch sie nickte bestätigend, empfand wohl gleich. Schon gestern Abend hatte sie mir gesagt, dass sie die Art des Franzosen unglaublich niedlich fand und ich hatte ihr lächelnd zugestimmt, denn ja, Patrick war wirklich unglaublich niedlich. Es war nicht die Tatsache, dass er schon von sich aus sehr attraktiv war und in bestimmten Situationen ganz schüchtern wurde, nein, der Jüngere suchte unterbewusst nach Zustimmung und das war es, was ihn so bedürftig erscheinen ließ.

„Bin ganz deiner Meinung, Patrick ist süß! Du solltest gut auf ihn aufpassen, Manu. Wenn das, was du mir so alles über ihn erzählt hast wirklich stimmt, dann hat er es bei dir doch wirklich am besten. Zu seinem Vater zurückzugehen wäre jetzt kontraproduktiv, besonders wenn er mittlerweile schon Fortschritte macht und nicht mehr so laut ist wie am Anfang! So lange er sich von dir helfen lässt solltest du ihn auch irgendwie unterstützen und ihn vielleicht seinen Interessen nach fördern, weißt du für was er sich so interessiert?", meinte meine Mutter und automatisch dachte ich daran, wie mir Archie erzählte, dass der Kleine begeistert von Sprachen war. Im Laufe der letzten zwei Wochen hatte er schon vier Bücher auf vier unterschiedlichen Sprachen gelesen, wobei er zwei nicht einmal angefasst hatte und nun hatte ich gepokert, eine der zwei Sprachen ausgewählt und ein Geschenk für den Brünetten besorgt, welches ihn hoffentlich freuen würde. Zwar meinte Patrick, dass ich ihm nichts zu schenken brauchte, doch fände ich es schade, wenn jeder etwas bekommen würde außer er und auch, wenn er es vielleicht nicht so tragisch sah nichts zu bekommen, er war es laut eigener Aussage ja gewohnt, würde er bei mir zumindest eine Kleinigkeit bekommen. Wahrscheinlich würde ich ihm auch noch in zehn Jahren etwas schenken, wenn er dann noch etwas mit mir zu tun haben wollte. „Ja, Archie hat mir ein bisschen etwas über ihn erzählt! Patrick mag es zu reisen und lernt gerne neue Sprachen, ich weiß nur nicht so genau was er alles so sprechen kann. Also, abgesehen von Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch und Lateinisch kann er auch ein bisschen! Der Junge ist ein einziges Talent für alles was nichts mit Kochen zu tun hat!"

„Ach du heilige, und sein Vater wollte das nicht fördern? Patrick könnte auf eine Elite Universität gehen, wenn er so gut in allem ist! Jetzt verstehe ich auch, warum er sich selbst verkaufen lassen hat und er hat absolut richtig gehandelt, das kann man ihm nicht vorwerfen. Kümmerst du dich gut um ihn? Ich könnte bestimmt einen guten Lehrer organisieren, bei dem er eine neue Sprache lernen kann und du solltest dich mit ihm Mal darüber unterhalten, was er später Mal werden will, Manu! Dann kannst du ein bisschen gezielter auf ihn eingehen und ihm helfen was zu finden, das er gerne machen möchte!", sprach meine Mutter auf ihn ein und ja, daran hatte ich auch schon gedacht, ich war nur noch nicht dazu gekommen. Das einzige was ich wusste war, dass Patrick studieren gehen wollte, doch wo genau und was genau war auch mir noch nicht bekannt. Ich wusste nur, dass ich ihn auf jede erdenkliche Art und Weise unterstützen würde, sowohl finanziell gesehen, als auch einfach in der Hinsicht, dass ich für ihn da sein würde, wenn er mich brauchte. Ohne seinen Vater hatte er niemanden mehr, der ihm eine Stütze war, wobei es mir sogar so schien, als würde er nun durch mich das erste Mal jemanden haben, der sich um ihn kümmerte und ich sah mich nicht mehr nur in der Pflicht mich um ihn zu sorgen, sondern ich wollte es von mir aus tun, weil ich es süß fand wie dankbar er mich dafür immer anlächelte. „Ich weiß nur, dass er Mal studieren möchte und ich gehe Mal stark davon aus, dass es irgendwas mit Sprachen sein wird, wenn er sich ja schon gerne damit beschäftigt! Zuhause werde ich mich auch noch Mal mit ihm unterhalten deswegen, keine Angst. Patrick weiß ja scheinbar genau was er will und ich werde ihn so gut es geht unterstützen, also so lange wie er es auch zulässt. Er hat ein wenig Probleme damit von anderen abhängig zu sein, würde ich jetzt Mal so sagen und ich verstehe das total, wenn ich Mal so darüber nachdenke, wie sein Vater wohl mit ihm umgegangen ist...kannst du dir vorstellen, er hat noch nie in seinem Leben Weihnachten gefeiert, das ist ein verdammtes Verbrechen!"

Das war nur eines der Beispiele, an denen ich feststellte, dass der Vater meines Schützlings vollkommen in seiner Rolle als Vater versagt hatte. Mein Freund war von klein auf immer allein gewesen, hatte sich nur auf sich verlassen und nie jemanden gehabt, der ihm zur Seite stand, wenn er einmal Hilfe brauchte und nun fand er es schwer sich auf mich einzulassen, auch wenn er eigentlich wusste, dass ich ihm nichts schlechtes wollte. Der Brünette wollte sein eigenes Geld verdienen, nicht mehr an eine einzige Person gefesselt sein, welche somit sein Leben bestimmte und ich verstand ihn so gut, empfand in seinem Alter genau das selbe. Man wollte sich nicht mehr nach anderen richten und seine eigenen Ziele verfolgen, seinen ganz eigenen Interessen nachgehen und schon allein, weil ich ihn mochte, würde ich ihn auch so gut es ging unterstützen. Mein Geld wollte er nicht haben, auch die von mir bezahlten Klamotten wollte er irgendwann wieder ausgleichen und mir blieb wohl nichts anderes übrig als ihm zu erklären, dass ich ihm gerne mit allem unterstützte was ich hatte. „Dann wird das ja Mal was heute! Weiß er schon, dass ich ihm eine kleinen Überraschung machen werde, oder hast du es ihm noch nicht verraten?", fragte mich meine Mutter und sofort grinste ich, während ich ablehnend den Kopf schüttelte. Als ich der Älteren davon erzählt hatte, dass der Bûche de Noël das einzige war, was den Franzosen an Weihnachten erinnerte, da hatte sie kurzerhand beschlossen dem Braunäugigen einen dieser Kuchen von einem befreundeten Bäcker backen zu lassen, sodass er zumindest ein bisschen das Gefühl von Zuhause verspüren konnte. Der Kuchen kam vielleicht nicht von seiner Mutter und ihm, doch war es wenigstens etwas, das er wahrscheinlich schon lange nicht mehr gegessen hatte.

„Nein, ich hab es geheim gehalten! Er wird sich ganz bestimmt freuen, da bin ich mir sicher. Und wenn nicht, dann freut er sich bestimmt über mein Geschenk!", sagte ich in Gedanken an sein freudiges Lächeln, wenn er das schon hübsch in rotes Geschenkpapier eingepackte Geschenk entgegennehmen und auspacken würde. Ich hatte das Lächeln des Kleineren noch nicht so häufig gesehen, doch war es unglaublich schön und ich würde es gerne ein wenig öfter sehen können, aber dafür musste ich herausfinden, wie ich dem Brünetten ein Lächeln abgewinnen konnte. Ob er wohl kitzelig war? So hatte ich es bei Milo als er noch etwas jünger war immer geschafft ihn zum lachen zu bringen, wenn er traurig war und vielleicht funktionierte das bei Patrick ebenso, wer wusste das schon so genau. Zuhause würde ich mich dahingehend ein bisschen austesten, wenn der Braunäugige es zuließ und möglicherweise erlebte ich ja auch ein Wunder, dann würde mir mein Freund ganz von allein sein Lächeln zeigen, ohne, dass ich nachhelfen musste. „Wenn nicht kann der sich von mir was anhören, das Ding hat mich vierzig Euro gekostet! Aber bevor ich ihn umbringe muss ich noch Mal kurz weg, fällt mir gerade ein. Der Herrn Paal sollte ja mittlerweile wach sein, dann kann ich ihm schnell sein Geschenk hoch bringen!"

~2270 Worte, geschrieben am 22.04.2021, hochgeladen am 27.05.2021

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