28. Zuspruch
Müde öffnete ich meine Augen, als ich eine sanfte Hand spürte, welche durch meine Haare fuhr und sofort die sanften Augen Manuels erkannte, die mich lächeln ließen. Morgen war Weihnachten und deswegen waren wir alle den ganzen Tag im Auto nach Essen gefahren, abgesehen von Michael, welcher auf die Villa aufpassen würde und zuhause geblieben war. Während Manuel zusammen mit Maurice vorne saß, hatte ich mich hinten auf die Rückbank gesetzt, direkt neben Milo und Malu, welche mit der Fahrt wohl am meisten Probleme hatte. Immer wieder machten wir eine Pause, damit sie sich die Beine vertreten konnte und da ich irgendwann genervt davon war die ganze Zeit über ein kleines Kind neben mir brabbelte, hatte ich mir meine Kopfhörer genommen und mich schlafen gelegt. Aus einer eigentlichen acht Stunden Fahrt war eine zehn Stunden lange Fahrt geworden, von der ich drei Stunden in meinem Traumland verbracht hatte und nun, wo wir vor einem riesigen Wohngebäude standen, kam wieder Leben in mich. In wenigen Minuten würde es so weit sein, ich würde vor Manuels Mutter stehen und musste unbedingt einen guten ersten Eindruck machen, um zu zeigen, dass ich gut erzogen war. Das letzte was ich wollte war Manuel vor seiner Mutter lächerlich zu machen und deswegen sah ich mich aufmerksam um, bis ich von Manuels Hand aufgehalten wurde. Ganz sanft drückte er meinen Kopf in seine Richtung, der Millionär hatte sich tatsächlich neben mich gesetzt und sorgte nun dafür, dass ich ihn ansehen musste.
„Wo sind denn alle?", fragte ich noch ganz schlaftrunken, was den Langhaarigen belustigt schmunzeln ließ. Er mochte es mich nach dem Aufwachen zu erleben, wenn ich gerade das erste Mal die Augen öffnete, da ich dann immer sehr verwirrt und niedlich aussah, das hatte er mir am Morgen schon einmal mitgeteilt, als ich mich an ihn gekuschelt hatte. Ich hatte ihm am vorherigen Tag meine beiden Bedingungen gestellt, damit ich bei ihm blieb und nicht ging, welche der Ältere sofort angenommen hatte und auch umsetzte. Erst war ich noch recht zögerlich, als ich am Abend in sein Zimmer lief, um mich neben ihn zu legen, was allerdings gar nicht nötig gewesen war. Wenige Sekunden später schon hatten sich die Arme des Brünetten um meinen Bauch geschlungen und zärtlich an den Körper hinter mir gedrückt, sodass ich erleichtert so gut aufgenommen zu werden eingeschlafen war. „Maurice ist mit Milo und Malu schon hoch zu meiner Mutter. Wir müssen die Taschen noch mit hoch bringen, hilfst du mir? Dann gibt es auch gleich was zu essen und wir können schlafen gehen...", erklärte mir Manuel das offensichtliche, was mich sofort nicken ließ. Als er auf mich zu gerannt und gestolpert war, hatte er sich irgendwie das Bein verletzt und er hinkte seitdem leicht, deswegen würde ich ihm nun soviel wie nur irgendwie möglich abnehmen, damit er sich schonen konnte. Immer wieder passierte dem schmächtigen Jungen so etwas, er verletzte sich scheinbar recht häufig und ich würde ihn von nun an unterstützen so gut ich konnte.
Obwohl es hier im Auto schön warm war und ich nicht aussteigen wollte, öffnete ich die Tür und stand das erste Mal seit Stunden wieder auf den Beinen, sah jedoch nicht wirklich viel, da es bereits nachts war. Zitternd ging ich also zum Gepäckraum des Autos und wartete, dass auch Manuel ausstieg, welcher die Schlüssel hatte und aufmachen konnte. Niemand anderes lief durch die Straßen und ich hörte auch nur aus der Ferne ein paar Autos durch die Straßen der Stadt fahren, was mich ein wenig verwunderte. Als ich vor ein paar Jahren das erste Mal in Hamburg war, das war jedoch eher an Ostern, fuhren selbst Nachts noch Unmengen an Autos durch die Gegend und ich sah an jeder Ecke Jugendliche, welche Alkohol konsumiert oder die Stadt unsicher machten, was hier in der Nachbarschaft ganz anders war. Wenn der Grünäugige tatsächlich hier aufgewachsen war, dann hatte er großes Glück und konnte sich sehr glücklich schätzen, denn so ruhig hatte es nicht jeder. Vielleicht sah das ganze bei Tag auch anders aus, doch im Moment war es beruhigend hier zu stehen und nichts zu tun. Manuel schloss während ich wartete die Tür und anstatt, dass er den Kofferraum aufmachte, sodass ich die Taschen nehmen konnte, stellte er sich bewusst vor mich und brachte mich somit dazu ihn verwundert anzusehen. Offensichtlich wollte er noch einmal mit mir sprechen, bevor ich seine Mutter kennenlernte und ich fühlte mich unwohl deswegen, senkte leicht meinen Blick.
Liebevoll legte Manuel seine beiden Arme um mich. „Meine Mutter wird dich lieben, Patrick, mach dir also keine Gedanken mehr, ja? Sie hat noch nie jemanden den ich mitgebracht habe nicht gemocht und ganz ehrlich, dich kann man eigentlich nur lieben! Mich hast du auch irgendwie von dir überzeugt und da warst du sogar noch ein gemeiner kleiner Zwerg, jetzt bist du ja ein richtiger Engel, wie soll sie dir denn so widerstehen können, hm? Du gehst da gleich einfach mit mir hoch und machst mir nach, okay? Und zweifle doch nicht so sehr an dir selbst, dann bist du auch nicht mehr so aufgeregt, dafür gibt es auch gar keinen Grund...", erzählte mir Manuel mit liebevoller, sanfter Stimme und sofort gab ich mich seinen liebevollen Berührungen hin, lehnte mich schutzsuchend an ihn. Es war erstaunlich wie gut der Ältere bereits erkannte, wann mich etwas bedrückte und wie er mir instinktiv versuchte beizustehen, sich mir zu liebe sogar die Zeit nahm mich zu beruhigen, ich fühlte mich sicher bei ihm. Bis wir allein waren hatte er gewartet und ich fühlte mich das erste Mal in meinem Leben so beachtet, dass ich mir wünschte für immer bei diesem Mann bleiben zu können. Die Tatsache, dass er mich einen kleinen Zwerg nannte ließ ich dieses Mal sogar außen vor, denn im gleichen Atemzug nannte er mich einen Engel und versicherte mir, dass seine Mutter mich gut aufnehmen würde und da er sie von allen hier wohl am besten kannte, nickte ich einmal verstehend. „Danke Manu, ich weiß auch nicht warum ich so nervös werde...ich möchte dich einfach nicht blamieren, weil ich etwas falsches sage! Manchmal bin ich so überfordert, dass ich es nicht Mal mehr schaffe etwas zu sagen und ich habe Angst, dass das passiert!"
Fürsorglich begann mir Manuel durch das Haar zu streichen, dabei lehnte ich mich schutzsuchend an ihn und hoffte, dass er sich nun nicht über mich lustig machen würde, nur weil ich ihm gestanden hatte, dass ich Angst hatte plötzlich nichts mehr sagen zu können. Schon immer war ich vor allem bei Frauen und Mädchen sehr schüchtern, ich konnte nicht einmal sagen wieso. Ich hatte es noch nie gewagt auch nur einen einzigen gemeinen Kommentar gegenüber einer Frau abzugeben, denn bisher hatte mich jede einzelne Frau der ich begegnet war freundlich und liebevoll behandelt, was bei den männlichen Wesen der Schöpfung weniger der Fall war. Mein Respekt gegenüber Frauen war riesig und ich würde es mir niemals verzeihen eine von ihnen zu enttäuschen, besonders eine Mutter nicht, welche ihre Kinder von ganzem Herzen liebte. „Ach Patrick...allein für so einen Satz würde dich meine Mutter einfach nur in den Arm nehmen und durchknuddeln, weißt du? Mich kannst du nicht blamieren, versprochen. Du bist ein unglaublich niedlicher und süßer Junge, du kannst gar nichts falsch machen und selbst wenn, das ist überhaupt nicht schlimm. Meine Mutter hat fünf Kinder und acht Enkel, denkst du, sie wird es dir übel nehmen, wenn du sie nicht richtig begrüßt? Sag einfach hallo und dann wars das doch auch schon, mehr muss nicht sein. Ich lenke sie dann ab, wenn du willst, in Ordnung?", fragte mich der Millionär lächelnd und dankbar nickte ich, fand es toll wie liebevoll sich der Größere um mich sorgte. Er versuchte mir mein Leben wirklich mit allen Mitteln einfacher zu machen, er umsorgte mich und gab sich große Mühe dabei mir meine Angst zu nehmen, wie konnte ich nur jemals denken, er könnte mir etwas schlechtes wollen?
„Danke, Manu...", hauchte ich leise, wofür ich einen sanften Kuss auf die Stirn gedrückt bekam und glücklich lächelte. „Nicht doch...lass uns einfach schnell hoch und dann ins Bett, ja? Meine Mutter bleibt nicht gerne länger wach als sie muss!", meinte Manuel und wie er es wollte, nahm ich mir sowohl seine Tasche und noch zwei weitere Beutel mit kleinen Geschenken darin, als auch die meine und folgte dem Älteren in das Wohngebäude hinein. Aufmerksam sah ich mich um, erkannte jedoch nur ein paar Postkästen und ganz hinten einen Aufzug, in welchen ich kommentarlos mit Manuel zusammen einstieg. Bis in den achten Stock fuhren wir, ich warf dem Größeren ab und an einen achtsamen Blick zu, weil ich nicht wollte, dass er durch einen plötzlichen Ruck sein Gleichgewicht verlor und als die Türen sich langsam aufschoben, setzte mein Herz einen Schlag aus. Die Aufregung, welche der Millionär mir vorher noch genommen hatte, traf mich wie ein Blitz und ich spürte wie meine Finger zu zittern begannen, als ich eine etwas rundliche, jedoch freundlich lächelnde alte Dame im Türrahmen einer Wohnung stehen sah. Lange braune Haare fielen ihr über die Schultern, sie waren so glatt wie die Manuels und auch ihre Augen glänzten so freudig grün, als sie in unsere Richtung blickten, mich einmal von oben bis unten musterten. Schüchtern stellte ich mich ein wenig hinter den Millionär, sodass der Fokus auf ihm lag und folgte ihm wie ein Entenküken seiner Mutter in Richtung Wohnung.
„Hallo Mama!", begrüßte Manuel seine Mutter grinsend, während er sie sanft in die Arme schloss und tatsächlich wie auch bei mir ein wenig größer war als sie. Leise flüsterte er ihr etwas ins Ohr, ich konnte leider nicht verstehen was und machte guckte unsicher auf meinen Freund, als sich der Blick seiner Mutter auf mich richtete. Offensichtlich ging es um mich und ich fand es doof von ihm, dass er mich nicht hören ließ, was er zu mir zu sagen hatte, traute mich jedoch auch nicht etwas dagegen einzuwenden. Stattdessen wartete ich ruhig darauf, dass ich der noch unbekannten Frau meine Hand geben und mich vorstellen konnte. „Hallo Manu! Kommt rein, ich hab noch schnell ein paar Sandwiches gemacht...Maurice hat sich schon schlafen gelegt!", meinte die Brünette lächelnd, nachdem sie ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte und sich schlussendlich mir zuwandte. Augenblicklich löste sich Manuel von seiner Mutter, sodass diese mir ihre Hand hinhalten konnte und mir mit einem Lächeln zu verstehen gab, dass ich eintreten durfte. Verunsichert kam nun auch ich näher und versuchte zu lächeln, was gar nicht nötig zu sein schien, denn noch während ich versuchte einen perfekten Satz zu bilden, mit dem ich mich vorstellen konnte, schlossen sich um meinen Körper zwei Arme und ich brauchte einen Moment um zu verstehen, dass ich gerade einfach umarmt wurde. „Hallo auch dir, Patrick! Ich hoffe, du bist hier gut angekommen und hast noch Hunger. Maurice meint, du isst keinen Schinken, also hab ich bei dir einfach nur Käse und Tomaten aufs Toast gepackt, das ist doch in Ordnung, oder?"
Als würde sie mich schon seit Jahren kennen sprach Manuels Mutter mit mir, sie sah mich heute das erste Mal und dachte gleich für mich mit, was mich erleichterte. Wie ihr Sohn hieß mich die Grünäugige willkommen, sie nahm mich freundlich auf und ich schaffte es sogar ihre Umarmung vorsichtig zu erwidern, bevor ich mich mit einem gewissen Unwohlsein von ihr löste und nur schüchtern zu ihr blickte. „Salut...danke, dass Sie so für mich mitdenken! Darf ich erst noch die Rucksäcke in Manuels Zimmer bringen, bevor ich essen komme?", fragte ich höflich und im Augenwinkel sah ich wie Manuel verwundert seine linke Augenbraue in die Höhe zog, was mich jedoch nicht im geringsten störte. Der Ältere kannte mich nur vorlaut und offen, hatte noch nie miterlebt wie ich mich sofort in eine eher unterlegene Position begab, was ich auch nicht bei jedem tun würde. Ich würde mir einzig und allein niemals das Recht herausnehmen einer so lieb wirkenden Frau frech zu kommen oder sie vielleicht sogar zu verärgern, denn nicht jeder akzeptierte ein freches Verhalten so, wie es Manuel tat. „Aber natürlich!", erlaubte unsere Gastgeberin und da die Taschen echt schwer wurden nach einer Zeit, war ich froh darüber sie endlich abstellen zu können. Es war fast schon zu leicht Manuels und mein Schlafzimmer ausfindig zu machen, es stand weit offen und während ich die vielen Taschen auf dem großen Doppelbett abließ, vernahm ich etwas, was mich glücklich machte. „Wo sind denn deine Manieren, junger Mann? Der Junge hat ja beinahe mehr Anstand als du und er ist verdammt niedlich, wie hast du den bloß aufgetrieben? Und warum lässt du ihn alle Taschen allein tragen? Los doch, hol ihm sein Essen!"
Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich an das überforderte Gesicht des Millionärs dachte, welcher es sicher nicht wagen würde sich gegen seine Mutter zu wehren und ich ließ mich ohne weiter darüber nachzudenken auf die Matratze fallen, um lächelnd die Augen zu schließen. Ich hatte noch nicht die Chance mich groß umzusehen, doch allein schon Manuels Zimmer verriet mir, wie liebevoll und umsorgt er aufgewachsen sein musste. Überall hingen noch Poster von irgendwelchen Bands, welche ich leider nicht kannte und ich sah einige Bücher wie Harry Potter in einem riesigen Regal stehen, kleine Figürchen und Lego, was mich ruhig werden ließ. Die Kindheit des Grünäugigen stellte ich mir wunderschön vor, er war sicher ganz oft draußen gewesen mit seinen Freunden, hatte nicht den ganzen Tag drinnen gesessen und gelernt, so wie ich und nun kümmerte er sich selbst so gut um seine Kinder, wie seine Mutter sich um ihn gekümmert hatte. Es war unglaublich ruhig hier und auch, wenn mir Manuels Mutter etwas zu essen gemacht hatte, verspürte ich nicht den Drang dazu noch einmal aufzustehen und blieb still liegen, so gemütlich fand ich es hier. Diese Müdigkeit welche ich empfand, zog sich über den ganzen Tag und es fiel mir unglaublich schwer dem Drang zu widerstehen einzuschlafen, ja, es war unmöglich diesem Drang zu widerstehen. Ich hatte das Gefühl meine Augen niemals mehr wieder aufmachen zu können, so müde war ich und aus Anstand zog ich mir noch meine Schuhe aus, ließ diese vor dem Bett liegen und dachte gar nicht mehr darüber nach, dass ich etwas essen gehen sollte und schlief ein.
Dass Manuel mich sanft auf den Arm nahm, um mich richtig hinzulegen und zuzudecken bekam ich nicht einmal mehr mit, genauso wenig wie den Gutenachtkuss des Älteren, welchen er mir auf die Stirn drückte.
~2410 Worte, geschrieben am 20.04.2021, hochgeladen am 18.05.2021
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