27. Sascha

Erstaunt sah ich den Älteren an. „Was?", fragte ich noch einmal nach, ganz verwundert über die Worte des Größeren, dessen Blick sich jedoch von mir abwendete. Schüchtern versuchte er meinen etwas überforderten Blick aus dem Weg zu gehen, dafür richtete er sich sogar wieder auf und krabbelte von mir herunter, was mich verstehend nicken ließ. Es war ihm merklich peinlich mir das alles gesagt zu haben, seine Augen glänzten schon wieder ganz verdächtig und da ich ihn nicht noch mehr unter Druck setzen wollte, beschloss ich für ihn zu handeln. „In Ordnung, komm mit ins Wohnzimmer! Ich möchte wissen was genau dich bedrückt und warum du mich deswegen ignoriert hast, dann lässt sich auch eine Lösung finden, oder? So kann das auf jeden Fall nicht bleiben...", meinte ich, während ich aufstand und dem Millionär meine Hand reichte, um auch ihn auf die Beine zu ziehen. Unglücklich musterte er mich, widersetzte sich meinen Worten jedoch nicht und folgte mir in sein Wohnzimmer, wo er sich stumm auf die Couch setzte und nach den richtigen Worten suchte. Wie er es bei mir tat, ließ ich ihm alle Zeit der Welt und setzte mich genau neben ihn, in der Hoffnung ihm nicht zu nahe zu treten. Das letzte was ich nun wollte war dem Grünäugigen irgendwie das Gefühl zu geben ihn unter Druck setzen zu wollen und mir blieb dafür nichts anderes übrig als ihm seinen Freiraum zu geben, welchen er nun unbedingt brauchte. 

„Ich habe vor etwa sieben Jahren eine mir sehr wichtige Person verloren, an die du mich erinnerst. Michael hat das alles damals hautnahe miterlebt und will nicht, dass noch Mal sowas passiert wie damals, deswegen möchte er auch unbedingt, dass du gehst! Du ähnelst dieser Person ein bisschen...ich wollte dich einfach nur beschützen vor diesem Schicksal, deswegen bin ich dir so aus dem Weg gegangen! Aber als Maurice mir eben gesagt hat, dass du gehen willst, da konnte ich das nicht zulassen! Es ist schwer für mich herauszufinden was das beste für dich ist...also, wahrscheinlich ist es das beste für dich wenn du gehen würdest, aber ich kann dich nicht gehen lassen, es tut mir leid!", schluchzte der Millionär leise, was mich mitleidig zu ihm blicken ließ. Er wollte tatsächlich einfach nur, dass es mir gut ging und konnte mich trotzdem nicht gehen lassen, mochte er mich wirklich so sehr? Seine Augen glänzten immer so sanft in meiner Nähe, er gab sich große Mühe dabei mich nicht zu verlieren und kümmerte sich um meine Bedürfnisse, bisher zumindest. Diese Sascha war der Grund wieso es Manuel so schlecht ging und obwohl sie für das was ihr passiert war garantiert nichts konnte, schließlich wurde sie wahrscheinlich gekidnappt, verspürte ich eine gewisse Art von Abneigung gegen sie. Durch sie litt Manuel und schaffte es nicht sich normal zu verhalten, er hing immer noch an ihr, trug seinen Ehering auch weiterhin, ganz obwohl diese Frau schon seit Ewigkeiten verschwunden oder gar tot war, so würde er doch nie wieder jemand neuen finden können. 

„Es tut mir leid das zu hören, Manu...Sascha muss wirklich eine tolle Ehefrau gewesen sein, wenn du immer noch so sehr um sie trauerst! Aber auch, wenn ich ihr irgendwie ähnlich bin, bedeutet das noch lange nicht, dass mir das selbe passiert wie ihr! Ich weiß nicht genau was ihr widerfahren ist, aber ich glaube so etwas könnte jedem auf diesem Planeten passieren, also ist es gar nicht nötig mich davor zu schützen. Dir könnte so etwas ganz genau so passieren wie mir oder ihr und ich weiß, wenn man sowas schon einmal erlebt hat, dann ist man da etwas vorsichtig bei, aber so nimmst du dir nur selbst den Spaß am Leben, Manu! Mir wird nichts passieren, genauso wenig wie dir oder sonst irgendjemandem...", sagte ich sanft, wofür ich verständnislos von der Seite gemustert wurde. Schon bei Michael hatte er gar nicht gut darauf reagiert, dass jemand den Namen seiner Frau aussprach und nun wusste er auch, dass ich bei seinem Gespräch mit Michael tatsächlich zugehört hatte, aber das störte mich nicht weiter. Die Tatsache, dass sein Butler vermutete, dass wir beide Gefühle füreinander empfanden, konnte ich immer noch gut leugnen und da der Größere mich ja hier behalten wollte, er begann sich mir zu öffnen, wenn auch eher gezwungen, würde er mich dafür nicht so anschreien wie den Butler. Ich war einfach nur neugierig und wollte verstehen was hier vor sich ging, dabei meinte ich nichts was ich sagte böse, was der Grünäugige sicher wusste. Es war schwer für mich ihn nicht einfach zu umarmen, seine Hände in die meine zu nehmen und ihn zu beruhigen, denn je mehr er sich in Gedanken mit Sascha beschäftigte, desto trauriger schien er zu werden. 

„Ich weiß doch auch, dass es unwahrscheinlich ist, dass so etwas noch mal passiert, aber ich habe trotzdem Angst um dich! Damals hat das alles mit Drohbriefen angefangen und ich will nicht noch Mal erleben, wie mir jemand werggenommen wird, den ich mag! Du bist so jung und ich will dich nicht so sehen müssen wie...", versuchte mir der Ältere klar zu machen, dabei stoppte er jedoch und starrte ins leere, was mich ihn nun doch sanft an mich ziehen ließ. Es tat mir weh zu sehen wie ihm nun die ganze Zeit über Tränen der Trauer und Angst die Wangen hinabliefen, dass sein Herz gebrochen war und ich ihn an das Schicksal seiner Frau erinnerte, doch da er mich nicht gehen lassen wollte, konnte ich nichts anderes tun als ihn zu trösten. „Wie Sascha...", beendete Manuel seinen Satz, bevor er sich an mich lehnte und meine Nähe verlangte, sich dafür nicht einmal mehr schämte. Das sprechen mit mir über seine Gefühle half sichtlich, er erlaubte mir wieder ihn zu berühren und nahm meine Nähe wieder an, gab mir das Gefühl ihm zu helfen, was mich ein wenig sicherer werden ließ. Auch, wenn es ein wenig störte nicht zu wissen wie ich ihm nun helfen könnte besser mit der ganzen Situation klarzukommen, blieb ich bei dem Größeren und versuchte herauszufinden was das beste für uns wäre. So unterwürfig und sanft wie mein Freund sich verhielt, weil ich gehen wollte, könnte ich niemals auch nur einen Fuß aus dieser Villa setzen. Der Ältere hatte nur einen kleinen Stups gebraucht, um mich wieder an sich heranzulassen und nun, wo er mich nicht einmal dafür anmeckerte den Namen zu sagen, welchen nicht einmal sein eigener Butler aussprechen durfte, war es für mich auch gar nicht mehr so schlecht hier zu bleiben. 

„Ach Manu, schon gut, ja? Ich habe doch dich, der mich beschützt und ich selbst kann mich auch gut beschützen, weißt du? Mein Vater hat mich über vier Jahre lang in einen Selbstverteidigungskurs geschickt und so schwach wie ich vielleicht aussehe bin ich nicht, mach dir also keinen Kopf mehr um mich. Und wenn du dich wegen mir so unwohl fühlst, weil ich Sascha so sehr ähnlich bin, dann beschreib sie mir und ich versuche dann dich nicht mehr so an sie zu erinnern, okay?", fragte ich den schmächtigen Mann sanft, dabei nahm ich mir seine sanfte, für einen Mann recht zierliche Hand und hoffte ihm nicht zu nahe zu treten. Seine Augen schlossen sich und ich fragte mich wie genau es möglich war so niedlich auszusehen, nur weil man sich an einen lehnte, aber wie schon das ein oder andere Mal in den letzten zwei Wochen, bewies mir Manuel, dass es ging. Ein einziges leises Schniefen war zu vernehmen, bevor sich mein Gastgeber tatsächlich aufraffte und auf meinen Schoß setzte, um mir so nahe zu sein wie nur irgendwie möglich. Schützend umschloss ich den Bauch des Größeren, drückte ihn vorsichtig an mich, da ich keine Ahnung hatte wie ich mit seinem plötzlichen Verlangen nach Schutz umgehen sollte und ich lächelte leicht, als mir auffiel, was für ein Vertrauen der Grünäugige in mich haben musste, um sich mir so einfach hinzugeben. 

„Sascha sah dir sehr ähnlich, Patrick. Ihr habt beide die selben braunen Augen und Haare, deine sind nur ein wenig fluffiger und dichter, aber ansonsten seht ihr euch sehr ähnlich! Sascha war immer eine ganz ruhige Person die sich kaum hat aus der Fassung bringen lassen, egal was man auch gemacht hat. Er ist künstlerisch sehr begabt gewesen und hat in jeder freien Sekunde seines Lebens gemalt oder eine Serie geguckt und abends hat er mir dann immer beim Klavierspielen zugehört, bevor wir schlafen gegangen sind! Wir sind zusammen immer sehr viel gereist und ich habe ihn mit auf Geschäftsreisen genommen, wenn er das denn wollte und er hat dann die ganze Zeit Fotos von irgendwelchen schönen Orten für mich gemacht, weil ich ihn ja nicht überall hin begleiten konnte...du bist gegen Sascha eher ein wenig aufmüpfig und kuschelst gerne, das hat er ja so gar nicht gemocht! Und ich will nicht, dass du dich jetzt deswegen anders verhältst als sonst, in Ordnung? So wie du bist, bist du perfekt...", erzählte mir Manuel ein wenig und noch während er seinen Kopf ein wenig in meine Richtung drehte, um zu verdeutlichen, dass ich mich nicht verändern musste, setzte mein Herz einen Schlag aus. Hatte er gerade gesagt, dass er mit einem Mann zusammen war? Nicht, dass es etwas schlimmes wäre, doch hätte ich niemals von ihm gedacht, dass er so für sein eigenes Geschlecht empfinden könnte. Alles ergab nun einen Sinn, wieso seine beiden Kinder adoptiert waren, warum er sich nicht traute in meiner Gegenwart über Sascha zu sprechen und weshalb er nirgendwo auch nur ein Bild von ihm hängen hatte, er hatte Angst vor meiner Reaktion. Viele Menschen verabscheuten es allein zu hören, dass es Menschen gab, welche sich liebten, obwohl sie dem gleichen Geschlecht angehörten und ich war keiner davon, denn schließlich hatte jeder das Recht geliebt zu werden und das egal von wem. 

„Entschuldige, ich dachte, Sascha wäre eine Frau gewesen, Manu...er war sicher ein toller Mann und irgendwann wirst du jemanden finden, der dich genauso glücklich machen kann wie er, versprochen! Und bis dahin muss ich eben reichen!", lächelte ich verspielt, was den Größeren erleichtert zu mir gucken ließ. Seine Augen glitzerten wieder so schön, das kam im Moment noch von den Tränen der letzten Minuten, doch ganz klar zu erkennen war er glücklich, dass ich ihn nicht abwies und versuchte ihn aufzumuntern. Vielleicht war ich nur ein einfacher Ersatz für Sascha, der ihn davon ablenkte wie allein er war, aber wenn er dafür wieder lächelte und über den Verlust seines Mannes hinwegkam, dann hatte ich zumindest einmal das richtige getan in meinem Leben. Ich konnte dem Älteren alles geben was er brauchte, ganz viel Liebe und Zuneigung, so lange er diese verlangte und allein, weil ich selbst ebenfalls gerne in seiner Nähe war, würde ich mit ihm so viel Zeit verbringen wie möglich. „Du bleibst also hier?", fragte mich Manuel hoffnungsvoll und auch, wenn ich ihn gerne ein wenig zappeln lassen würde, begann ich zu schmunzeln. Der Größere hatte sich merklich einen Narren an mir gefressen, er wollte mich nicht gehen lassen und er suchte ganz offensichtlich nach meiner Zustimmung, was mich ihm einen Kuss auf die Wange geben ließ. Den ganzen gestrigen Tag hatte ich diese Geste vermisst, denn immer wenn ich ihm so nahe kam, erröteten die Wangen des Millionärs und er wurde ganz schüchtern, sah einfach verdammt niedlich aus. „Unter zwei Bedingungen!"

Auffordernd sah mich mein Freund an. „Ich will nie wieder so ignoriert werden wie gestern und vorgestern, verstanden? Du kannst mit mir reden wenn dich etwas stört, weil wenn du es nicht tust, werde ich irgendwann Mal auf mysteriöse Weise verschwinden und du siehst mich nie wieder...", stellte ich meine erste Bedingung, welcher mein Schützling mit einem Nicken zustimmte. Sobald es wieder zu so etwas ähnlichem kommen sollte wie gestern, dass ich ignoriert wurde und das ohne Grund, würde ich nicht einmal mehr Maurice etwas davon sagen, dass ich ging, sondern einfach meine Schuhe und Jacke anziehen, sodass mich niemals jemand wiedersah. In etwa zwei Wochen würde ich volljährig sein, somit hatte ich keinen Zwang mehr bei meinem Vater bleiben zu müssen, wenn ich nicht wollte und könnte ganz einfach wieder zu ihm gehen, auch wenn ich es nicht gerne tat. Hier war es wundervoll, Manuel kümmerte sich um meine Bedürfnisse und Maurice verbrachte gerne Zeit mit mir, brachte mir das kochen bei, auch wenn ich grottenschlecht darin war und Malu ließ spielte gerne mit mir, wenn sie nicht mit mir kuschelte. Die Kleine brabbelte in meiner Gegenwart immer ganz aufgeregt und bald schon würde sie anfangen zu sprechen, da glaubte ich fest dran und ich würde das hoffentlich hautnahe miterleben, genau wie Manuel. „Was ist die zweite Bedingung?", wollte der Brünette wissen und dieses Mal senkte ich leicht meinen Blick, sah meinen Freund jedoch immer noch an. 

„Ich möchte neben dir schlafen können, wenn ich will! Du musst nicht mit mir kuscheln oder so, aber ich mag es bei dir zu sein und da wir sowieso irgendwie die ganze Zeit in einem Bett schlafen, kann ich auch gleich einfach bei dir bleiben, oder?"

~2170 Worte, geschrieben am 18.04.2021, hochgeladen am 11.05.2021

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