25. Spion
Leise schlich ich mich am nächsten Morgen aus Manuels Zimmer, als er noch am schlafen war. Ich erinnerte mich daran zurück, dass der Größere mir gesagt hatte, dass er mich liebhatte und noch immer freute sich mein Herz darüber so etwas zu hören, ich war jedoch nicht in der Lage auch nur irgendetwas zu erwidern. So etwas hatte ich schon lange nicht mehr gehört und ich fand es schön, dass ausgerechnet der Mann, von dem ich erst gedacht hatte er würde mich umbringen wollen, mich am Ende mochte und obwohl ich noch nicht so recht wusste wie, wollte ich ihm zeigen, dass ich ihn genau so mochte. Der Familienvater war ein wundervoller Mann, er war freundlich, liebevoll und aufmerksam, kümmerte sich sogar um eine völlig fremde Person und ich wollte ihm seine Gastfreundschaft zu genüge danken, so wie er es verdient hatte. Vielleicht könnte ich ihm sein Frühstück bringen und dann noch ein bisschen liegen bleiben, das würde ihn sicher nicht stören, ich hoffte es zumindest. Mit meiner Suche nach Nähe durfte ich es auf keinen Fall übertreiben, sonst würde Manuel irgendwann genug von mir haben und mich von sich stoßen, das konnte und wollte ich einfach nicht zulassen. Nun wo ich jemanden gefunden hatte der mich mochte, würde ich nicht zulassen, dass diese Person mich wieder allein ließ und zu hassen begann.
Gut gelaunt duschte ich also, nahm mir ein paar der Sachen, welche mir Manuel geliehen hatte und wollte zurück zu ihm ins Zimmer laufen, stoppte aber abrupt als ich Michael sprechen hörte. „Sie müssen aufhören Patrick so nahe an sich heranzulassen!", sagte der Butler leise, ich konnte sie nur gedämpft verstehen und doch verstand ich sie perfekt, lauschte unauffällig. Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich den Gauäugigen mittlerweile davon überzeugt hatte, dass ich dem Hausherren nichts böses wollte und keine Gefahr für ihn darstellte, aber offensichtlich hatte ich mich da getäuscht. Es tat weh zu hören, dass mich der Brünette immer noch nicht hier akzeptieren wollte und doch wusste ich, dass Manuel ihm nun zeigen würde, dass ich hier wohnen blieb. „Hör Mal zu, Michael. Patrick wohnt hier und ich kann es nicht mehr hören, dass du versuchst ihn hier so rauszuekeln! Das hier ist mein Haus und ich sage, dass er hier bleiben darf so lange er will! Ich verbringe gerne Zeit mit ihm und er mag mich, was ist also dein Problem?", fragte mein Freund seinen Angestellten, was mich ein wenig sicherer fühlen ließ. Ihn störte es wirklich nicht, dass ich hier war und er verteidigte mich sogar vor einem langjährigen, ihm treuen Mitarbeiter, gab mir unwissentlich das Gefühl von Zugehörigkeit. Führ ihn gehörte ich schon längst zur Familie und das merkte ich immer mehr, auch wenn ich es noch immer nicht so recht glauben konnte. „Ich weiß es klingt absurd, aber wenn ich Sie und Patrick zusammen sehe, dann habe ich das Gefühl, dass sich bei Ihnen irgendwann etwas mehr als nur Freundschaft entwickeln könnte! Sie haben ihm gestern Milch mit Honig gemacht, weil er nicht einschlafen konnte und lassen ihn bei sich schlafen, es ist so offensichtlich...noch ist es nicht zu spät ihn abzuweisen, Sir!"
Groß wurden meine Augen bei diesen Worten. Sagte Michael da gerade, dass wir beide uns ineinander verliebten? Ich sollte einen Mann lieben, welcher Kinder hatte und noch dazu viel zu gut für mich war? Nein, das wäre falsch und nicht möglich, schließlich war ich dem Brünetten nicht gewachsen und er verdiente eine Person, welche ihn auch glücklich machen konnte und das war nun Mal nicht ich. Wenn ich die letzten Tage so vor meinen Augen ablaufen ließ, war es schon sehr auffällig wie nahe wir uns ständig kamen und wie sanft der Brünette immer mit mir umging, er war mir nie böse, auch wenn ich es verdient hatte und kümmerte sich mit Herzblut um mich, das gleiche galt jedoch auch für ihn. In seiner Nähe wurde ich ruhiger und fühlte mich wohl, ich umarmte ihn sogar gerne, was nicht einmal beim liebenswerten Maurice der Fall war, aber ob sich das Liebe nennen konnte war fragwürdig. „Hast du noch alle Tassen im Schrank, Michael? Patrick hat jemanden viel besseren als mich verdient, ich weiß, dass ich ihn nicht lieben darf! Ich habe Kinder und könnte niemals einem siebzehnjährigen die Last aufbürden sich um Kinder zu kümmern, der Junge ist ja fast selbst noch ein Kind! Er braucht einfach jemanden der sich um ihn kümmert und ich mag Patrick wirklich gerne, zu wem soll er denn sonst gehen? Ich werde ihn ganz sicher nicht zurück zu seinem Vater lassen, da wird er doch nie und nimmer glücklich sein können...hier hat er zumindest mich und Maurice und ich würde ihn doch auch niemals zu irgendwas zwingen! Hier bei mir wird er es gut haben und deswegen musst du aufhören ihm das Gefühl zu geben hier unerwünscht zu sein, verstanden?"
Die Worte des Älteren versetzten mir einen Stich in meinem Herzen, ließen mich jedoch im gleichen Moment auf Wolke sieben schweben. Er hielt sich nicht für gut genug für mich, wollte mir mein Leben nicht unnötig durch Kinder schwer machen und ich empfand das erste Mal seit langem das Gefühl wirklich gemocht zu werden, denn wer würde schon so etwas süßes wie Manuel über jemanden sagen, von dem er nicht wusste, dass er anwesend war? Zwar meinte der Grünäugige im gleichen Atemzug, dass ich viel zu jung war um mit ihm eine Beziehung zu führen und damit hatte er wahrscheinlich sogar recht, aber allein schon seine sanfte Art, wie er sich Gedanken um mich machte, machte das alles wieder wett für mich. Der Millionär legte einen großen Wert darauf, dass ich glücklich wurde und dass es mir gut ging, würde sich selbst dafür unglücklich machen, da war ich mir sicher. Ich hätte ihn gar nicht verdient, so großherzig wie er war und ich glaubte, ihm selbst war gar nicht klar wie wunderbar er war, sonst würde er nicht so über sich reden. „Manuel, haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass Sie Patrick ungewollt von seinem Vater fernhalten und ihm dadurch die letzte Person nehmen, die er noch hat? Sein Vater ist sein einziger noch lebender Verwandter und das ganze hier könnte auch nur durch ein kleines Missverständnis ins Rollen gekommen sein, das würde bedeuten, dass wir hier gerade einen Jungen bei uns aufnehmen, der eigentlich ganz wo anders hingehört! Verstehen Sie doch, Patrick muss sich unbedingt noch einmal mit seinem Vater unterhalten und versuchen dieses Problem aus der Welt zu schaffen, was die beiden haben. Ich weiß, Sie haben Patrick wirklich gerne und ich verstehe Sie auch, der Junge ist wirklich liebenswert, wenn man ihn näher kennt, aber wenn Sie sich gut um ihn kümmern wollen, dann zwingen Sie ihn zumindest noch ein letztes Gespräch mit seinem Vater zu führen! Er wird das von selbst nicht machen und auch wenn er Sie dafür hassen wird, ist es das beste für ihn. Und wenn er wirklich hier bleiben will danach, kann er gerne wieder hierher kommen und bleiben!"
Schockiert hörte ich Michael zu und betete dafür, dass Manuel dagegen stimmen würde, doch zu meiner Überraschung blieb es für ein paar Sekunden still. Wenn Manuel mich wirklich mit meinem Vater zusammenbringen wollte, dann würde ich mich unter allen Umständen wehren und wenn nötig auch weglaufen, auch wenn ich es eigentlich nicht wollte. Ich liebte es hier zu sein, Manu war ein äußerst sanftmütiger und freundlicher Zeitgenosse, bei dem ich freiwillig bleiben würde, aber wenn er mich zwang zu meinem Vater zu gehen, dann blieb mir nichts anderes übrig als wegzulaufen. „Patrick hat sich lieber verkaufen lassen als länger bei seinem Vater zu bleiben, da ist definitiv schon länger etwas nicht in Ordnung! Er wird weglaufen, wenn ich ihm sage, dass er sich mit seinem Vater unterhalten sollte und das kann ich nicht zulassen, Michael, beim besten Willen nicht. Ich weiß doch, dass es nicht richtig ist ihn von seinem Vater fernzuhalten, aber er möchte ihn nicht sehen und das muss ich akzeptieren. So wie es Patrick tut handelt man nicht ohne triftigen Grund und ich habe nicht das Recht dazu ihn dazu zu nötigen wieder dahinzugehen! Es ist einfach der falsche Zeitpunkt um sich noch einmal zu sehen, sein Vater ist garantiert wütend und wenn die beiden jetzt zusammentreffen, wird es nur noch mehr Ärger geben und dann wird sich Patrick gar nicht mehr trauen nach Hause zu gehen, das wäre noch schlimmer als ihn einfach hier zu behalten...kannst du nicht einfach aufhören ihn wegschicken zu wollen, Michael? Patrick ist ein toller Mensch und hat so etwas nicht verdient! Warum willst du ihn nicht hier haben?"
Und wieder merkte ich wie unglaublich toll Manuel war, dass er sich wirklich für mich einsetzte und mich mochte, ganz obwohl ich doch nichts zu bieten hatte. Einem Menschen wie Manuel konnte wohl niemand gerecht werden, er hatte nur das beste vom besten verdient und ich war das definitiv nicht. Jemand wie ich würde den Brünetten nur kaputt machen, denn so liebevoll wie er war würde er nicht einmal merken wenn ihm jemand nicht gut tat und meine sich ständig ändernde Laune würde ihn auf lange Zeit nur belasten, schließlich konnte er nie wissen wie ich so drauf war. Der Grünäugige brauchte einen ruhigen, ebenso sanften Partner wie er es war und ich konnte das nicht sein, das verstand er selbst auch. „Weil ich nie wieder sehen möchte wie Sie weinen, Manuel. Patrick ist ein wirklich wunderbarer junger Mann und ich weiß, dass es schwer ist ihn loszulassen, aber denken Sie denn nicht, dass das auch für ihn das beste wäre? Sie haben schon einmal jemanden verloren der ihnen sehr am Herzen lag und Patrick könnte genau das gleiche Schicksal ereilen, bei ihm liegen die Chancen sogar noch höher, weil alle Welt sein Gesicht kennt! Hier ist er einfach nicht so gut aufgehoben wie bei seinem Vater...mir ist es einfach nur wichtig, dass Sie nie wieder so enden wie damals und das werden Sie tun! Ich habe mir geschworen es nie wieder so weit kommen zu lassen wie bei Sascha...", sprach Michael, doch noch bevor er richtig aussprechen konnte hörte ich eine schallende Backpfeife und riss schockiert die Augen auf, als ich ein schmerzerfülltes Zischen vernahm, welches definitiv nicht von Manuel kommen konnte. Hatte er gerade tatsächlich seinen Butler geschlagen, nur weil er einen Namen gesagt hatte? Wer war diese Sascha von der die rede war, war es Manuel Frau und ihr war etwas passiert, was der Brünette noch immer nicht ganz verarbeitete hatte? Definitiv war Sascha irgendetwas passiert, sonst würde Michael nicht davon sprechen, dass der Millionär schon einmal jemanden verloren hatte, doch warum lagen bei mir die Chancen sogar höher, dass etwas passierte? Hatten Michaels Worte von vor ein paar Tagen etwas damit zu tun?
„Raus hier!", rief Manuel tatsächlich laut, was mich sofort das weite suchen ließ. Eilig, jedoch so leise wie nur irgendwie möglich, flüchtete ich in mein Zimmer und lauschte still, was nun geschah. Mit dem Namen Sascha hatte Michael merklich eine Grenze des Grünäugigen überschritten, welche er wahrte wie nichts zweites und obwohl sich der Zorn meines Mitbewohners nicht einmal gegen mich richtete, machte ich mich automatisch kleiner. Ich hatte nicht geahnt, dass sich in dem Größeren ein solcher Schmerz verbergen würde, welcher mit einer einzigen Person zusammenhing und es erschrak mich, dass Michael direkt zu mir eine Verbindung aufbaute, obwohl ich rein gar nichts mit irgendwas hier zu tun hatte. Es war unbegreiflich für mich wie der Butler noch immer davon ausging, dass ich von irgendjemandem auf der Welt entführt werden könnte und dadurch Manuel schaden könnte, so etwas passierte doch nicht jedem und ich sah meine Bekanntheit bei einigen sogar eher als positiv, denn wenn viele mich kannten, dann vermied man es doch mich anzugreifen oder zu entführen, so war ich doch eigentlich geschützt. „Lass mich in Ruhe und geh, Michael! Diesen Namen will ich nie wieder aus deinem Mund hören...", vernahm ich Manuel schreien, seine Stimme zitterte vor Wut und ich legte still meine Hand an die Tür vor mir, wollte nichts lieber als ihn trösten, doch mich wollte er mit Sicherheit nun genauso wenig sehen wie seinen Butler. Der Brünette würde nun Zeit für sich brauchen und ich musste ihm diese auch geben, schließlich gab er mir ebenso Zeit, wenn ich sie brauchte.
Stille kehrte ein, ich hörte wie sich die Tür von Manuels Zimmer leise schloss und war unfähig mich zu bewegen, als ich einige Sekunden später hören konnte, wie der Millionär leise schluchzte. Mitleid kam in mir auf und ich wollte wirklich nicht, doch nachdem ich überlegte was ich tun sollte, sämtliche Möglichkeiten einmal durchging, entschied ich mich dazu zu versuchen ihn zu trösten. Leise öffnete ich die Tür und betete, dass der Grünäugige nicht hörte, dass ich spioniert hatte, bevor ich einmal tonlos ausatmete und an Manuels Tür klopfte. „Gerade nicht...", sagte der Besitzer dieser Villa bemüht stark, aber aufgeben wollte ich nicht. Er hatte sich auch um mich bemüht, als ich ihn abgewiesen hatte und mir ging es danach besser, da wäre es gemein von mir ihn nun ganz allein mit seinen Gedanken zu lassen. Ganz vorsichtig öffnete ich die Tür und erblickte sogleich einen völlig fertigen Manuel auf der Bettkante sitzen, sein Gesicht hatte er in seinen Händen vergraben und als er hörte wie ich auf ihn zukam, sah er auf und wirkte ganz anders als die Tage zuvor. Unzählige Gefühle waren in seinem Blick zu erkennen, von Hass über Wut bis hin zu grenzenloser Trauer war alles dabei und ich setzte mich einfach neben ihn, sagte nichts, tat nichts, war einfach nur da. „Was ist los, Manu?", fragte ich vorsichtig, doch ansehen tat mich der Größere deswegen noch lange nicht. Seine Wangen waren von Tränen geziert und ich wollte sanft nach seiner Hand greifen, ihm so Beistand leisten, aber wie erwartet zog er seine Hand direkt wieder weg, was ich akzeptierte. „Alles gut, mach dir keinen Kopf um mich...brauchst du etwas? Ich wäre gerade ganz gerne allein!"
Er gab sich merklich Mühe dabei mich nicht grob zu behandeln, er sprach ganz leise und hoffte wohl, dass ich einfach gehen würde, jedoch wollte ich erst versuchen ihm zu zeigen, dass ich für ihn da sein würde. „Nein, ich habe dich einfach weinen gehört und wäre ganz gerne für dich da! Du hast auch versucht mich zu trösten, als es mir nicht so gut ging und ich möchte auch für dich da sein. Darf ich, oder möchtest du, dass ich gehe?", fragte ich den Älteren sanft und sofort bekam ich eine Abfuhr, denn der Größere schüttelte ablehnend seinen Kopf. Es schien ihn kein bisschen zu stören, dass er vor mir weinte und ich bewunderte ihn dafür, denn ich selbst fände das ganz schön unangenehm. „Das ist wirklich lieb gemeint von dir, aber ich möchte gerade einfach nur allein sein und nachdenken, ja? Du könntest heute Maurice dabei helfen einen Kuchen zu backen, ich hab gehört heute backt er einen Kürbiskuchen...", lächelte mein Retter sanft und dieses Mal akzeptierte ich seinen Wunsch allein zu sein, stand jedoch erst auf, nachdem ich mich zu ihm gebeugt hatte und ihm einen Kuss auf die Wange hauchte. Erschrocken zuckte er weg bei dieser Berührung, schien das ganze gar nicht mehr schön zu finden, was mein Herz schmerzen ließ. „In Ordnung, Manu...wenn dir danach ist, dann kannst du mit mir reden und ich höre dir zu. Ich schaue nachher noch Mal vorbei und bringe dir dein Mittagessen!"
Wortlos sah mich Manuel einfach nur an, ohne etwas zu erwidern. Wie nur konnte eine einzige Person ihn so kaputt machen?
~2590 Worte, geschrieben am 13.04.2021, hochgeladen am 04.05.2021
Ich habe nicht vergessen, dass wir Dienstag haben, ok? xD
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