17. Ladekabel

Brummend drehte ich mich am nächsten Morgen um, als ich aufwachte und sah, dass die Seite neben mir leer war. Draußen regnete es in Strömen, als ich zum Fenster guckte und sofort wusste ich, das konnte nur ein schlechter Tag sein. Ich hatte nicht einmal mitbekommen wie Manuel gegangen war, es konnte nicht früher als um zehn sein und deswegen seufzte ich genervt, bevor ich aufstand und mich anzog, reflexartig nach meinem Handy greifen wollte und mit großen Augen feststellte, dass es auf dem Nachttischchen neben meinem Bett lag und das sogar an einem Ladekabel verbunden. Ungläubig drückte ich auf den Powerknopf und sah, dass ich unzählige Benachrichtigung hatte, Anrufe in Abwesenheit und das sogar von Leuten die mich sonst nicht mal zu meinem Geburtstag anriefen, nur weil ich wahrscheinlich in den Nachrichten war und etwas getan hatte, was meinen Vater toben ließ. Warum gab mir Manuel erst jetzt dieses Ladekabel, wenn er doch schon von Anfang an wusste, dass ich nichts dabei hatte? Vertraute er mir nun, dass ich niemanden kontaktieren würde, der mich abholen kam? Egal warum, in diesem Moment hatte sich der Brünette tatsächlich eine Umarmung verdient und die würde er auch bekommen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ ich mein Zimmer und machte mich sogleich auf in Richtung Küche, wo ich einen ebenfalls gut gelaunten Maurice antraf, welcher gerade am Tisch saß und sich von Malu die Fingernägel lackieren ließ. Belustigt sah ich mir das ganze ein paar Sekunden an, ehe ich schmunzelnd den Raum betrat und auf die beiden zuging. „Na, wirst du hier hübsch gemacht?", fragte ich den Koch, dessen Kopf sofort in die Höhe schoss und innerhalb eines Augenblicks schlich sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen, als er mich erblickte. Konzentriert saß das blonde Mädchen derweilen auf  dem Schoß des Älteren, sie streckte angestrengt ihre kleine Zunge heraus und malte häufig viel zu viel, sodass die Nägel des Blonden am Ende immer viel zu weit übergemalt wurden, aber das störte ihn kein bisschen. „Ja, die Prinzessin wollte unbedingt ihren neuen Nagellack ausprobieren, also macht sie das auch! Und du? Du siehst richtig glücklich aus, das freut mich!", grinste Maurice und während das Mädchen auf seinem Schoß einmal zur Begrüßung winkte, dabei fast den Koch mit dem Nagellack im Gesicht traf, nahm ich mir eines der Croissants und beschmierte den vorderen Teil mit Erdbeermarmelade, so wie ich es am liebsten mochte. Alles stand schon vorbereitet auf dem Tisch, ein paar frische Croissants und Marmeladen sowie eine Tasse Tee, welche sogar noch warm war, fast schon perfekt. „Ich habe sehr gut geschlafen und muss mich bei Manuel bedanken, wo ist der schon wieder?"

Nickend zeigte mir der Grünäugige, dass er verstanden hatte. „Er hatte vorhin einen wichtigen Anruf bekommen von einem Arbeitskollegen, aber er sollte bald fertig sein! Warum willst du dich bei ihm bedanken?", erklärte Maurice, während er lobend einen kleinen Kuss auf den Haarschopf Malus hauchte und ihr zuflüsterte, dass sie das toll gemacht hatte. Der Italiener wirkte geübt und liebevoll im Umgang mit der Kleinen, er schien sie wirklich zu lieben, auch wenn sie nicht einmal sein eigenes Kind war und das machte auch mich glücklich, denn ich mochte die Blauäugige auch sehr gerne. Sie hatte mich sofort freundlich angegrinst und wollte, dass ich ihr etwas vorlas, da konnte ich einfach nicht ablehnen. Obwohl ich nicht so der Freund von Kindern war, so hatte die Blonde es mir wirklich angetan und mir war schon jetzt klar, es würden Tränen bei unserem Abschied fließen. „Er hat mir ein Ladekabel für mein Handy besorgt, da finde ich, dass er sich ein Danke verdient hat!", antwortete ich dem Koch, welcher erst verwundert guckte, dann jedoch lächelte und nickte. Ob mir Manuel wohl erzählen würde als was er arbeitete? Ich kannte ihn nicht, nicht aus dem Fernsehen, nicht aus der Zeitung und demnach war er sicher der Eigentümer einer Firma, welcher es nicht für nötig hielt selbst Interviews zu geben oder der seinen Reichtum geerbt hatte. Er wusste auch so einiges über mich, schließlich war der Millionär nicht dumm, er würde sicher Archie nach mir ausgefragt haben und da fand ich es nur fair, wenn ich auch etwas über ihn wusste, auch wenn es vielleicht nicht allzu viel war. 

Nachdem ich fertig war mit dem Essen, entschied ich mich nach dem Besitzer dieser Villa zu gucken und hoffte, dass er fertig war mit dem was er tat. Maurice meinte, dass der Brünette in seinem Zimmer sei und so ging ich dort hin, klopfte leise an, um zu gucken, ob der Grünäugige da war. Kurz blieb es still und ich dachte, er würde noch immer in seiner Besprechung sein, aber kurz bevor ich mich von der Tür abwenden wollte, da öffnete sie sich und ein lächelnder Manuel guckte mich an. Er sah blass aus und kurz dachte ich, dass er sich bei dem Spaziergang durch den Schnee gestern erkältet hatte, aber als er mich erkannte, da wirkte er wieder glücklich. Ohne zu zögern legte ich dem Größeren meine Arme um den Nacken, drückte mich grinsend an ihn und kicherte leicht, da der Ältere es nicht wagte sich zu bewegen. „Danke für das Ladekabel, Manu! Geht es dir wieder besser? Du hättest mich auch wecken können, als du aufgestanden bist...", begrüßte ich den Älteren, wurde jedoch sofort leiser, als ich sah wie er sich dazu zwingen musste ruhig zu bleiben und nicht das Gesicht zu verziehen. Gequält musterte er mich und schien sich gar nicht mehr wohlzufühlen, weshalb ich mich vorsichtig wieder von ihm löste, um ihm vorsichtig meine linke Hand auf die Stirn zu legen und seine Temperatur zu fühlen. Ich brauchte nicht lange um festzustellen, dass der Größere krank wurde und automatisch schüttelte ich meinen Kopf, da ich es gar nicht gutheißen konnte, dass er in diesem Zustand noch an seine Arbeit dachte. „Ab ins Bett mit dir, was stehst du denn noch hier? Du musst dich ausruhen, damit du schnell wieder gesund wirst!"

Ohne auch nur darauf zu achten, dass der Brünette meinen Umgang mit ihm gar nicht leiden konnte, drückte ich den Größeren in sein Zimmer hinein und sorgte dafür, dass er sich auf sein Bett fallen ließ. „Es ist alles gut, Patrick! Ich habe nur leichte Kopfschmerzen und die werden auch bald weggehen. Die Medikamente wirken nur noch nicht so ganz...", wollte mir der Grünäugige erklären, doch das konnte er sich sparen. Wenn man krank war und sich nicht gut fühlte, dann arbeitete man auch nicht, das musste er doch verstehen können. Der Millionär hatte niemanden der ihn davon abhielt, bis ich da war und da ich ihn definitiv nicht in dieser Verfassung arbeiten lassen konnte, so würde er doch niemals wieder ganz gesund werden können, musste ich hart durchgreifen. „Manu, nein! Leg dich einfach hin und schlaf, dann geht es dir nachher auch wieder besser. Oder lass mich dir einen Tee bringen, der bringt dich zumindest um Meilen weiter als sich hier rumzuquälen...", sagte ich bestimmend, während ich innerlich darauf hoffte, dass der Ältere Einsicht zeigen würde, doch falsch gedacht. Er seufzte einfach nur und schien noch immer nicht begeistert davon, dass ich ihm etwas befahl. Mit müdem Blick musterte mich mein Gastgeber, ließ mich ohne eine Beschwerde das tun was ich wollte. Vorsichtig drückte ich seinen Oberkörper nach hinten und sorgte so dafür, dass er sich instinktiv hinlegte und seine Decke über sich zog, mich traurig musterte. „Meinst du nicht, dass ich selbst entscheiden kann, ob ich mich fit genug zum arbeiten fühle oder nicht?"

Unbeeindruckt sah ich den Brünetten an. Natürlich behandelte ich ihn in diesem Moment so als wäre er ein kleiner Junge, auf den man aufpassen musste, wenn er nicht einsah, dass er sich ausruhen musste, was erwartete er? Es gab genug Menschen auf dieser Welt die keine andere Möglichkeit hatten als in ihrem Bett zu liegen, in einem Krankenhaus und darauf zu warten, dass sie eines Tages nicht mehr aufwachten, so sollte der Grünäugige nicht enden müssen, nur weil er leichtsinnig war und dachte, er wäre unsterblich. Ich kannte so viele Menschen die bis zu ihrem Lebensende nur gearbeitet hatten und so zugrunde gingen, welche lieber Medikamente über Medikamente nahmen, anstatt sich einmal richtig auszuruhen und wenn ich die Möglichkeit dazu hatte, dann würde ich Manuel vor diesem Schicksal bewahren, auch wenn es nur einmal war. „Nein, kannst du nicht! Du bleibst im Bett liegen und wirst dich ausruhen, verstanden? Wenn ich nicht mehr hier bin, dann kannst du deinen Körper gerne weiter kaputt machen und dich überarbeiten wie du willst, aber so lange ich mit in diesem Haus wohne, wirst du dich gefälligst hinlegen und schlafen, wenn es dir nicht gut geht! Und wenn du dich weigerst, dann werde ich mich einfach neben dich legen und so lange hier liegen bleiben, bis du vor Langeweile qualvoll verreckst. Also, schläfst du jetzt oder muss ich kuscheln kommen?", fragte ich den Grünäugigen mit hochgezogener Augenbraue und verschränkten Armen, was ihn doch tatsächlich zum lächeln brachte. Ich fand es unglaublich wie niedlich der Größere wie automatisch zur Seite rückte und seine Decke anhob, damit ich mich zu ihm legen konnte. Seit dem ich geweint hatte und mit ihm zusammen in einem Bett geschlafen hatte schien der Millionär es wirklich gerne zu haben sich von mir umschließen zu lassen, meine Nähe zu spüren und auch meinem Herzschlag lauschte er gerne, auch wenn er es nicht so wirklich zeigte. 

Du wärst eine ausgezeichnete Krankenschwester, Kleiner!", grinste Manuel mich an, während ich zu ihm unter die Decke krabbelte und sofort verengten sich meine Augen, als ich seine Worte hörte. Er nannte mich nicht nur klein, sondern nutzte auch noch meine Gutmütigkeit aus um einen Witz über mich zu machen, sich über meine Fürsorge lustig zu machen, obwohl er vorher noch so müde wirkte wie sonst nie. Jeden anderen hätte ich für so eine Aussage nun grün und blau geschlagen, vor allem, weil ich es gar nicht leiden konnte Kleiner genannt zu werden, aber weil der Brünette krank war würde ich dieses Mal Gnade walten lassen. „Und du hast zehn wunderschöne Finger, die ich in meine Fingersammlung mit aufnehmen werde, wenn du jetzt nicht still bist!"

(...) 

Tatsächlich leistete Manuel meinen Worten schnell Folge und kuschelte sich schutzsuchend an mich heran, während ich ihm sanft über den Rücken streichelte und darauf achtete, dass er schön warm zugedeckt blieb. Immer kleiner machte sich mein Schützling neben mir, seine Stirn lehnte ruhig an meiner Brust und ich mochte es zu sehen wie wohl sich der Brünette bei mir fühlte, wie er sich an mich schmiegte und im Schlaf sogar so ruhig aussah, dass ich mir wünschte ein Bild davon haben zu können. Noch nie hatte sich jemand so nahe an mich geschmiegt und war mir dankbar dafür, dass ich ihn hielt, es fühlte sich wirklich richtig an bei Manuel und auch ich fühlte mich merkwürdig wohl dabei ihn zu beschützen. Wehrlos lag der Ältere vor mir und vertraute mir auf eine gewisse Art und Weise sein Leben an, er vertraute mir und das gab mir das Gefühl, er hatte mich tatsächlich in seiner Gegenwart akzeptiert. Der Größere versuchte sich mittlerweile sogar an Scherzen und neckte mich vorsichtig, jedoch immer so, dass ich wusste er machte nur einen Spaß und tatsächlich gefiel mir sein Umgang mit mir sehr, denn anders als jeder andere machte er sich nichts daraus, dass ich oft sehr gemeine Antworten gab oder schnell genervt war. Ich mochte ihn irgendwie dafür, aber sagen würde ich ihm das nicht. 

Aufmerksam guckte ich erst dann wieder, als ich hörte wie sich die Tür leise öffnete und sofort zog ich meinen Schützling näher an mich heran, nachdem ich die Person erkannte. Michael stand da, mit dunklen Augenringen und müdem Blick, wieder in seinem schwarzen Anzug und einem Teller dampfender Suppe in der Hand. Sichtlich konnte er es nicht ertragen, dass ich in diesem Moment seinen Herrn im Arm hielt und noch weniger konnte er es leiden zu sehen, dass ich ihn schützend an mich zog, als wäre der Butler gefährlich. Nach der Nacht gestern, in der mich der Grauäugige fast geschlagen hatte, war ich mir nicht mehr ganz so sicher wie ich mit ihm umgehen sollte und doch war ich mir im klaren, dass er mir nichts tun würde, so lange ich bei Manuel war. Der Besitzer dieser Villa war ihm heilig, er war ihm treu ergeben und würde es nicht wagen sich ihm zu widersetzen, niemals. Seufzend wandte Michael seinen Blick von uns ab und stellte die Suppe auf den Nachttisch neben dem Bett, dabei behielt ich ihn die ganze Zeit im Auge und bewachte Manuel, hatte das Gefühl ihn beschützen zu müssen. „Tu mir den Gefallen und weck Manuel gleich auf, ja? Wenn du Hunger hast, dann geh runter zu Maurice und hol dir etwas zu essen...", bat mich der Brünette leise, mit noch immer leicht gesenktem Blick und sofort musterte ich ihn irritiert, da ich diese recht vorsichtig gewählten Worte nicht so recht deuten konnte. Er hatte mich noch nie so sanft angesprochen und konzentrierte sich merklich darauf mich nicht anzuschreien oder zu schlagen, es passte einfach nicht in das Bild hinein, welches ich von dem Grauäugigen hatte und das ließ mich ihn misstrauisch mustern. Ob Manuel schon mit ihm gesprochen hatte? Ich wusste ja nicht wie lange der Ältere schon wach war und würde ihm das zutrauen, so wie er sich verhielt. 

„Und bitte halte dich von ihm fern, du weißt nicht was du tust!"

~2240 Worte, geschrieben am 30.03.2021, hochgeladen am 04.04.2021

Frohe Ostern, meine Freunde :3

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