13. Auseinandersetzung

Fühlte sich so tatsächlich Zuneigung an? War es das, nach was ich mich seit Jahren sehnte, die Liebe eines anderen? Ich wusste nicht so recht wie mir geschah, als Manuel mich zärtlich näher an sich gezogen hatte und mich trotzdem nicht wirklich berührte, sondern nur dafür sorgte, dass ich noch bei ihm liegen blieb. Es war das erste Mal, dass ich mir freiwillig mit einem anderen Mann das Bett geteilt hatte und obwohl ich die Nähe zu anderen Menschen nicht mochte, sie war mir einfach irgendwie unangenehm, so fühlte ich mich bei dem Grünäugigen doch sehr wohl. Für den Älteren war es ganz selbstverständlich seinen Kindern all seine Liebe zu geben die er besaß, er kümmerte sich mit Herzblut und Zeit um sie, was etwas war, was mir niemals zuteil wurde. Ich konnte nicht anders als diese beiden Kinder zu beneiden, denn obwohl ich immer alles hatte was ich brauchte, Essen, einen Platz zum wohnen und die Möglichkeit zu lernen, so fehlte mir immer das wichtigste von allem, eine Person die mich einfach mochte und das nicht, weil sie es musste. Nur Manuel hatte mir bisher ohne zu überlegen geholfen und hatte mich in den Arm genommen, jedoch sicherlich nicht, weil er mich mochte, sondern nur, weil er Mitleid mit mir hatte und nicht gemein sein wollte. Jemanden wie mich mögen war unmöglich, ich war gemein und sturköpfig, wurde schnell aggressiv, wenn mir etwas nicht gefiel und zudem hatte ich nichts zu bieten, denn all das Geld was ich bisher hatte, kam allein von meinem Vater. Sobald ich Manuel verließ, würde ich auf der Straße landen. 

Nun saß ich einfach am Tisch, unten bei Maurice und wurde genaustens von Michael beobachtet, welcher genau wusste wo sich sein Herr in der Nacht aufgehalten hatte. Starr musterte er mich und war gar nicht begeistert davon, dass ich mir mit Manuel ein Bett geteilt hatte. „Halte dich von Manuel fern oder es setzt was!", schnauzte mich Michael an, was mich jedoch nicht wirklich interessierte. Lustlos sah ich zu dem Größeren hinüber und versuchte mir eine Antwort zu überlegen, doch irgendwie hatte ich keine Lust darauf ebenso laut zu antworten wie es der Butler getan hatte. Er hasste mich, weil ich seinen Herrn beleidigt hatte und das würde sich wahrscheinlich auch niemals ändern, das musste ich akzeptieren. „Michael!", rief Maurice empört, während er seinen Freund ungläubig musterte und nicht fassen konnte was er da gerade gehört hatte, wie der Brünette mich behandelte. Wut war in dem sonst so glücklich glitzernden grün des Blonden zu erkennen, klar wollte er mich in diesem Moment beschützen, doch das war etwas was ich eigentlich nie wollte. Ich sollte alt genug dafür sein mich selbst gegen andere wehren zu können, welche mich beschimpften oder sogar körperlich angingen und trotzdem saß ich nun hier, sah den beiden einfach nur dabei zu, wie sie böse Blicke austauschten und mich ganz zu vergessen schienen. Das hier war nicht Maurices Kampf, sondern der meine, aber statt für mich selbst einzustehen und mich bei dem Grauäugigen für mein unangebrachtes Verhalten vom Anfang zu entschuldigen, schwieg ich still und dachte darüber nach ob es nicht einfach besser wäre von hier wegzugehen, statt alle zum streiten zu bringen. 

„Was ist, Maurice? Dieser Junge hat es gewagt unseren Herrn zu beleidigen und obendrein sorgt er auch noch dafür, dass Manuel nicht mehr schlafen kann, weil er die ganze Nacht lang heult! Wenn er schon hierbleiben muss, dann soll er sich zumindest so benehmen, dass er keinem schadet...", meinte Michael laut, was mich traurig in meinem Stuhl zusammensinken ließ und dazu brachte meinen Blick zu senken. Ich wusste nicht, dass ich mit meiner bloßen Anwesenheit schon dafür sorgte, dass es Manuel nicht mehr gut ging und vor allem, dass er die ganze Zeit mein verzweifeltes weinen gehört hatte bedrückte mich zutiefst, denn das war etwas was ich auf keinen Fall sein wollte, schwach. Es war schon schlimm genug, dass ich es nicht schaffte meine Emotionen zu kontrollieren und einfach zu weinen begann, weil ich mit allem was passierte überfordert war, doch dass der Familienvater mich jede Nacht dabei gehört hatte war noch so viel schlimmer als alles andere zusammen. Mitleid war der einzige Grund, wieso der Grünäugige sich zu mir in das Bett gelegt hatte und bei mir blieb, sogar als ich schon längst eingeschlafen war, nichts weiter und doch hatte es sich für einen winzig kleinen Moment angefühlt, als hätte ich nun endlich eine Person gefunden welche sich um mich kümmern würde. Das war doch mein einziger Wunsch den ich hatte, ein wenig Liebe und Nähe zu bekommen, von einem Menschen, dem ich etwas bedeutete und der mich nicht bloß mochte, weil mein Vater eine kleine Berühmtheit war. Dieser eine Moment in der Nacht hatte mir gereicht um zu wissen, dass ich nichts weiter brauchte als ein wenig Zuneigung und dass mir diese gerade von einem Mann zuteil geworden war, welchen ich von Anfang an nicht leiden konnte, war ein Zeichen dafür, wie wenig ich doch andere Menschen beurteilen konnte. Manuel war alles andere als ein schlechter Mann, er war vielleicht sogar das beste, was mir jemals hätte passieren können und was tat ich auch dieses Mal? Seine Hilfe mit Füßen treten. 

„Halt ja den Mund! Patrick ist einfach nur überfordert und wird sich durch dich nicht besser fühlen! Warum kannst du nicht wenigstens versuchen ihn hier so aufzunehmen wie mich damals? Er kann doch nichts dafür, dass er hier ist und verdient es genau so gut behandelt zu werden wie ich auch! Entschuldige dich gefälligst bei Patrick!", rief Maurice wütend, was mich erschrocken aufblicken ließ. Diese ganze Situation setzte dem Blonden so sehr zu, dass sein italienischer Akzent genau zu hören war und allein ich war schuld daran, dass er es überhaupt für nötig hielt seine Stimme gegen einen guten Freund zu erheben. Das passte nicht zu dem Älteren, er war eine friedliche Person welche es nicht einmal wagen würde eine Mücke umzubringen und ausgerechnet für mich, einen dummen, kleinen und ignoranten Jungen setzte er sich ein? Ich war das doch gar nicht wert, schließlich nützte ich ihm nichts und besonders gegen Michael zu argumentieren würde dem Grünäugigen nur Schmerzen bringen, denn ihn kannte er schon so viel länger als mich, dass es idiotisch war gegen ihn zu agieren. Im Moment zählte für Maurice nur, dass er mich vor dem Butler verteidigte und auch daran war allein ich schuld, wie an allem anderen worin ich involviert war auch. Als ich am Nachmittag die Küche betreten hatte, da ich so langsam Hunger bekommen hatte, war Maurice sofort auf mich zugestürmt und war einfach nur glücklich mich wiederzusehen. Lächelnd hatte er mir meine Croissants und ein wenig Marmelade gegeben, damit ich etwas essen konnte und erzählte, dass er sich schrecklich gefühlt hatte, als Manuel ihm erzählte, dass ich ohnmächtig geworden war. Er schwor mir, dass er von nun an immer darauf achten würde, dass ich auch gut aß, um nie mehr wieder hören zu müssen, ich sei umgekippt und hatte nicht einmal mehr die Kraft mich zu bewegen. Ob ich es wollte oder nicht, dieser junge Mann dort war seinen Freunden treu und er zählte mich nun zu diesen, was mich unglaublich glücklich machte. 

„Und wenn schon, er hat unseren Herrn beleidigt und nutzt dessen Freundlichkeit aus, um hier zu bleiben! Mit dir hat der Typ nichts zu tun, kein bisschen! Du hast als du hierher gekommen bist zumindest den Anstand gehabt dich ordentlich vorzustellen und warst bereit dich hier im Haushalt zumindest irgendwie einzubringen, was man von dem Kerl dort ganz bestimmt nicht sagen kann. Patrick hat hier nichts zu suchen und es ist mir absolut egal, dass du mich jetzt für ein herzloses Monster hältst, Maurice, denn ich weiß, dass ich im Recht bin und er sollte das auch wissen, wenn er nicht ganz dumm ist!", setzte Michael dem Koch entgegen und als ich sah, wie diesem schockiert die Tränen in die Augen stiegen, da konnte ich nicht mehr anders und stand auf, um diesen Raum zu verlassen. So sehr ich auch stark sein wollte, diese Vorwürfe und Worte des Butlers brachen mir mein Herz, denn obwohl sie in Rage entstanden waren, zeigten sie mir die bloße Wahrheit und all meine Fehler aufs neue. Ich war nach all den Mühen und Stunden der Arbeit welche mein Vater in mich investiert hatte noch immer nicht das, was ich eigentlich sein sollte, ein perfekter Nachfolger und Mensch, ein Kunstwerk, so wie er es immer haben wollte und das verletzte und frustrierte mich sehr, schließlich war es doch eigentlich meine Aufgabe als Kind meinen Vater stolz zu machen, was etwas war, worin ich absolut versagt hatte. Für jeden war ich eine Enttäuschung, sogar für mich selbst und deswegen war es nur verständlich, dass mich alle bemitleideten, denn niemand konnte gemocht werden, der sich selbst nicht mochte. Es war einfach nur erbärmlich wie ich ständig versuchte die Wünsche und Vorstellungen eines anderen zu erfüllen, jedoch dabei mich selbst dabei immer ignoriert hatte und was passiert wäre, wenn ich nicht von meinem Vater weggelaufen wäre, als ich erkannt hatte, dass ich mir nur noch selbst schadete, wollte ich mir gar nicht vorstellen. 

„Michael, wie kannst du nur! Patrick ist ein wunderbarer Mensch, der einfach nur ein wenig länger Zeit braucht als andere, um sich irgendwo einzufinden und dass er sich nicht richtig vorstellt ist allein deine Schuld, denn du bist hier der einzige, der ihn nicht leiden kann! Wenn du auch nur ein wenig...", meinte Maurice, doch ich hörte nicht mehr zu und ging einfach, hörte mir diese Worte gar nicht erst weiter an. Mein Weg führte mich schnurstracks in Richtung Ausgang der Villa, wo ich mir ohne nachzudenken meine Wintersachen anzog und diesen Ort verließ, in den Schnee der Außenwelt lief. Die Kälte des Mittags kam mir entgegen und ließ mich sogleich erzittern, störte mich jedoch danach kein bisschen mehr, denn hier draußen war ich frei von all denen die mich herumkommandierten und hassten. Hier war weit und breit kein Michael zu sehen, welcher auf mich beschimpfte, kein Maurice, dessen einziger Wunsch es war jeden Menschen auf dem Planeten glücklich zu sehen, mein Vater war auch nicht hier, damit er mich zwingen konnte mit ihm gemeinsam neue Kunstwerke für eine seiner Auktionen suchen zu können und Manuel war auch nicht hier, um mich in den Arm zu nehmen. Ich lief einfach einen dünnen Steinweg entlang, welcher mich immer näher an ein riesiges Eingangstor und einen Zaun brachte, der wahrscheinlich einfach nur da war um dieses Gebiet vom nächsten abzugrenzen, damit es dahingehend keinen Streit gab. Mir fiel nun das erste Mal auf, wie verdammt reich Manuel sein musste, wenn er dieses riesige Grundstück ganz allein besaß und bezahlte, was mich jedoch zu der Frage brachte, als was der Brünette arbeitete. Der Größere war ruhig, hörte zu und gab gute Ratschläge, sah zudem auch ganz in Ordnung aus, wenn auch nicht so schön wie ich, doch ihm mit diesen Informationen einen möglichen Beruf zuzuweisen war unmöglich. Ich kannte den Älteren kaum, wusste nicht einmal seinen vollen Namen oder sonst etwas über ihn, es war schon falsch über ihn zu urteilen, bevor ich nicht zumindest ein Wort mit ihm gewechselt hatte und doch tat ich es, denn das war der Instinkt der Menschen, sie ordneten andere in Schubladen ein und das ohne groß zu überlegen. 

„Patrick?", vernahm ich irgendwann die verwunderte, jedoch sanfte Stimme Manuels hinter mir und sofort drehte ich mich erschrocken um, zuckte aus Reaktion zurück. Ich wusste nicht wie weit ich mich von der Villa entfernen durfte, dazu hatte mir der Grünäugige nie etwas gesagt und doch versuchte ich Ruhe zu bewahren, als ich den Älteren mit einem Lächeln auf den Lippen auf mich zukommen sah. Kein bisschen wütend oder verärgert sah er aus, weil ich hier ohne Aufsicht unterwegs war, er hielt einfach seine Tochter auf dem einen Arm und hielt die Hand seines Sohnes mit der anderen Hand, was mich schüchtern den Blick senken ließ. Schnell fiel mir wieder ein, dass Milo doch Schlittschuhlaufen gehen wollte und nun waren sie tatsächlich auf dem Weg zu einer Eiskunstlauf Halle oder zu einem See, was ich toll von dem Grünäugigen fand. Er sorgte sich um seine Kinder und gab ihnen alles was sie brauchten, wovon ich in deren Alter nur hatte träumen können. „Hey, ich dachte du wolltest etwas essen gehen! Schon fertig damit?", fragte mich mein Gastgeber sanft, während er auf mich zukam und direkt vor mir stehen blieb, sodass ich sein liebevolles, immer sanfter werdendes Lächeln genauer betrachten konnte. Dieser Mann sah mir genau an, dass ich im Moment nicht wirklich Lust hatte mit irgendjemandem zu sprechen und doch gesellte er sich zu mir, da er wusste, ich würde mich ansonsten nur wieder in meinem Zimmer verkriechen. Auch Malu war erfreut mich zu sehen, streckte sofort ihre kleinen Ärmchen nach mir aus und quietschte leise, was mich dazu brachte nun auch ein Lächeln aufzusetzen. Das Mädchen auf Manuels Arm war wohl oder übel die einzige hier, welche mich bei sich akzeptierte, weil ich ihr gefiel und nicht, weil sie mich mögen musste. 

„Ja, ich dachte, dass mir ein wenig frische Luft ganz gut tun könnte und bin deswegen rausgegangen! Wo wollt ihr denn hin?", fragte ich vorsichtig, um den Millionär ja nicht zu verärgern und sofort legte sich ein schelmisches Grinsen auf seine Lippen, welches mich verunsicherte. In diesem Moment fiel es mir schwer den Größeren zu deuten, so wie er sich verhielt und doch wusste ich, böse war er mir definitiv nicht dafür, dass ich seine Villa ungefragt verlassen hatte, denn das hätte er mir schon längst gezeigt. Aufmerksam musterte mich mein gegenüber und schien kein bisschen mehr so vorsichtig im Umgang mit mir zu sein wie vor unserem Gespräch in der Nacht. Stattdessen war er nun sehr viel aufgeschlossener und suchte meine Nähe, was eindeutig darauf zurückzuführen war, dass ich ihm gestern mit meinem Verhalten gezeigt hatte, dass mir ein wenig Zuneigung fehlte. Maurice hatte mir schon erzählt, wie liebevoll sich der Brünette um die Menschen sorgte, welche er bei sich aufnahm, er sprach regelmäßig mit ihnen über ihre Zufriedenheit und bezahlte gut, selbst wenn sie Mal etwas kaputt gemacht hatten, was wohl in diesem Moment auch seine Taktik gegenüber mir war. Manuel hatte gemerkt, dass ich jemanden brauchte, der mich in den Arm nahm und war, auch wenn er das definitiv nicht musste, sofort für mich da, doch wieso das so war konnte ich mir einfach nicht erklären. Ich wies ihn doch immer wieder ab und trotzdem gab der Grünäugige mich nicht auf, was war der Grund dafür?

Ohne zu zögern übergab er mir Malu, kam mir dafür ungefragt näher. „Naja, also meine Prinzessin hier hat wohl gerade entschieden, dass wir vier jetzt gemeinsam Schlittschuhfahren gehen! Komm mit, Patrick, das wird super!"

~2460 Worte, geschrieben am 02.03.2021, hochgeladen am 06.03.2021

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