Kapitel 68

Montag, 24. April

Mit einem zufriedenem Ausdruck blättere ich während der Pause durch die Hausarbeit, die Can korrigiert und gedruckt in einem Ordner mitgebracht hat. ''Ich bin stolz auf mich'', seufze ich und schaue mir die Seite einunddreißig an. ''Auf dich?'', fragt Can. Ich schaue hoch zu ihn, da er mit Malik am stehen ist, während der Rest sitzt. ''Ja, auf mich. Auf wen sonst?'' Seine linke Augenbraue hebt sich in die Höh, aber irgendwie nicht ganz. ''Ein einfaches Gut gemacht, Can ginge auch.'' Ich schnaube. ''Als ob Shana jemals sowas sagen würde'', kommt es von Viyan, wo Saliha ihr nur zustimmt. "Bald sind Sommerferien'', träume ich vor mich hin. ''Erst in zwei Monaten und dreiundzwanzig Tagen'', korrigiert Malik mich lachend. ''Streber'', murmele ich und vergrabe meinen Kopf in meinen verschränkten Armen, nachdem ich den Ordner weggelegt habe, sodass die Frühlingssonne meinen Rücken schön aufwärmt. ''Wir sollen wohl eine Neue nächstes Halbjahr bekommen'', sagt Saliha in die Runde. ''Wenn sie nicht hübsch ist, kann sie direkt wieder gehen'', entgegnet Can ihr, woraufhin alle lachen, bis auf mich. Als Ramazan mein Gesicht erblickt, schaut er verdutzt zu Boden. ''Entschuldigung'', murmelt er. ''Was suchst du dann noch bei uns?'' Gott, seine chauvinistische Art nervt so dermaßen! ''Shana, ich-, wir alle wissen, dass ich unwiderstehlich aussehe'', sagt er arrogant. Sein selbstsicheres Lächeln kann ich schon spüren. Immer noch mit den Augen auf Ramazan gerichtet, antworte ich ihm im selben Tonfall. ''Dann können sie alle wohl gut lügen oder du bist leicht zu verarschen. Das könnte auch erklären, warum du Mädchen verarschen tust. Bestimmt kommst du nicht drauf klar, dass du so dumm bist und willst mit anderen auf dem selben Level sein'', stelle ich meine Hypothese auf. ''Leider muss ich deine Theorie falsifizieren. Wenn sie sich auf mich einlassen, wieso nicht?'', haut er in einem süffisantem Ton raus. ''Reicht doch!'', mischt sich Viyan ein. ''Irgendwann stecke ich eure Ärsche in eine Kammer und ihr werdet da solange drinbleiben, bis einer stirbt oder bis ihr euch ausdiskutiert habt!'' ''Die würden niemals aufhören'', kommentiert Saliha. ''Can würde verlieren'', sage ich selbstsicher. ''Woher willst du das wissen?'', zischt er. ''Schnauze halten!'', brüllt Ramazan. Verdutzt schauen wir ihn an. Er hat noch nie gebrüllt. "Bitte'', fügt er dann wieder in einem netten Ton hinzu und grinst mich an. ''Komm, Shana. Wir schließen eine Wette!'' Misstrauisch schaue ich zu Can, der mich mit einem leichten Lächeln anschaut und dabei die rechte Augenbraue hochzieht. ''In dieser Wette geht es auch nicht um mich?'', frage ich mit einem Hauch an Sarkasmus und Zynismus. Also für mich ist es ein Hauch. Für die anderen hört es sich so an, als ob ich gleich zuschlagen würde - außer für Can, denn sein Lächeln wird größer. ''Nein. Um das Mädchen, das wir nächstes Jahr begrüßen dürfen.'' Der plant schon für die nächsten Jahre, unfassbar! ''Lass das Mädchen in Ruhe!'' Ich gehe in die Defensive, obwohl ich das Mädchen nicht einmal kenne. ''Ich kann auch ein ganz Lieber sein'', versichert er mir. ''DU wirst ganz sicherlich nicht mit den Gefühlen eines fremden Mädchens spielen!'', zische ich und halte bedrohlich den Finger auf ihn. Er scheint es gelassen zusehen und nimmt meinen Zeigefinger in die Hand. ''Du hast eingeschlagen. Die Wette läuft und der Gewinner darf sich was aussuchen.'' Sein Grinsen kann er sich nicht verkneifen, genau wie alle anderen, als ich zu ihnen schaue. ''Was lacht ihr?!", keife ich. ''Wenn das Mädchen wie Aleyna ist, würde es dir dann was ausmachen, wenn Can es tun würde?'', fragt Malik. ''Dann haben sich zwei vom selben Attribut getroffen und dann wünsche ich mir auch, dass sie am Ende heult, aber-, warte! Dann verliere ich! Das darf nicht passieren!'' ''Beruhig dich. Sei doch nicht immer so hysterisch.'' Beruhigend streckt sich Ramazan etwas über den Tisch fährt mir über den Arm. Hysterisch, Hysterie. Das erinnert mich an den Samstag. Anscheinend denkt Can auch an die Sache, denn er rauft sich leicht die Haare und schmunzelt. Mit dem Strohhalm, den ich Saliha geklaut habe, beschmeiße ich Can, auch, wenn es nicht wirklich effektiv war. ''Übrigens habe ich nicht eingeschlagen.'' Doch Can nickt. ''Doch, aber wenn du schon jetzt kapitulierst, dann können wir auch schon zur Bestrafung kommen'', sagt er siegessicher. Ich will ihn nicht gewinnen lassen! Ich indoktriniere mich selber, sodass ich einstimme. ''Mal sehen, wer hier wen bestraft.'' Die Klingel war das Zeichen, die Unterschrift unserer Wette. Ich stehe auf, werde aber von Saliha kurz zurückgezogen. ''Du hast eine Menge zu erzählen.'' Somit verschwindet sie mit Viyan und einem vielsagendem Lächeln. Nach fast einem Jahr, habe ich mir alle Räume, in denen ich Unterricht habe eingeprägt - glaube ich. Sicherheit geht vor und deswegen laufe ich immer noch Ramazan hinterher. ''Hast du dir diese Isabella geklärt?'', fragt Can, woraufhin ich meine Augen verdrehe. ''Ja, Mann. Schon längst. Wir waren bei ihr und jedes Mal waren ihre Eltern nicht da'', sagt Ramazan grinsend und wackelt mit den Augenbrauen, bis er anscheinend meine Anwesenheit spürt und räuspert. ''Natürlich haben wir auch gearbeitet, denn sonst wäre ich ja nicht zu ihr gegangen'', beteuert er vorbildlich und bekommt ein Kopfnicken von mir, denn auch wenn ich mir sicher bin, dass die beiden nichts Jugendfreies gemacht haben, weiß ich, dass Ramazan auf jeden Fall an der Hausarbeit geackert hat, denn Biologie ist sehr relevant für ihn. Ich hab seine Hausarbeit gesehen und war sehr beeindruckt, da er total viel geschrieben hat und dann noch so detailliert. Selbstsicher lege ich den Ordner bei Frau Schnitzler ab und setze mich hin. Sie zählt kurz durch und fängt dann an über das neue Thema zu reden. Den Dominanten-Rezessiven Erbgang. Ich höre zu und habe dabei einen Ohrwurm von Pitbull ft. Neyo - Give me everything tonight. Das erinnert mich an die guten alten Zeiten auf der Straße mit Saliha und anderen, zu denen ich nicht mehr so stark in Kontakt stehe. Schön war es trotzdem und genau deswegen kann ich ein zufriedenes Seufzen, gefolgt von einem Lächeln nicht zurück halten. ''Was ist los? Denkst du etwa wieder an mich?'', stupst mich Ramazan von der Seite an. ''Natürlich'', gebe ich lächelnd von mir. ''An was denkst du?'' Das Szenario, indem ich mit meinen acht Jahren Yum-Yum und Wassereis im Sommer esse, kommt mir wieder in den Sinn. ''Alte Zeiten'', flüstere ich. ''Erzähl. Das Thema ist einfach.'' Ich höre trotzdem zu. ''Halt Wassereis, Kioskbonbons. Alles, was man früher als Kind gemacht hat'', schwärme ich. ''Du hast Glück, dass ich dieses Jahr hierbleibe.'' Ramazan zwinkert mir zu und konzentriert sich wieder, während mein Lächeln größer wird. Ramazan ist ein totaler Schatz. Ich bin wirklich froh, ihn als besten Freund haben zu dürfen.

Das Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken. Wie schnell ging das jetzt? ''Komm, du Träumerin'', sagt Ramazan und zieht mich am Arm mit sich mit zum Ausgang, wo Can schon steht. ''Was hat sie denn?'', fragt Can und beäugt mich während des Laufens etwas intensiv. ''Sie träumt von mir. Wie wir Heiraten, wie unsere Kinder aussehen werden'', zählt er auf und kriegt von Can und mir Schläge gegen den Oberarm. "Seid mal nicht so brutal!", schmollt Ramazan und reibt an seinem Oberarm. "Ich doch nicht", beteure ich. "Nein! Du vor allem!", sagt Ramazan sarkastisch, während wir im Chemieraum ankommen, wo unser attraktiver Lehrer schon sitzt. Er ist so hübsch! "Guten Morgen, Herr Krasniqi", singt Ramazan leicht lasziv mit einer verstellten Mädchenstimme. "Guten Morgen? Was ist jetzt schon wieder los?", fragt unser Chemielehrer schmunzelnd. "Ach, Sie sind nur so attraktiv", antwortet Ramazan mit einem Zwinkern, woraufhin alle im Raum anfangen zu lachen. "Danke, Ramazan. Leider bist du mein Schüler, deswegen kann ich keine Beziehung eingehen", entgegnet Herr Krasniqi nun, woraufhin Ramazan schmollt und sich auf seinen Platz setzt. "Muss ja keiner wissen", flüstert er und holt sein Buch raus. Natürlich passe ich im Chemieunterricht besondere gut auf, da ich erstens: eine gute Note haben möchte und zweitens: dieser Mann ein Phänomen ist. Er sieht gut aus, ist gut gebaut, gepflegt und hat studiert. Was will Frau mehr? "Erzähl", flüstert Saliha, die übrigens jetzt immer neben mir in Chemie sitzt. "Was denn?", flüstere ich zurück. "Es ist viel passiert, habe ich recht?" Mit einem kleinen Nicken bestätige ich es ihr. "Heute am Telefon", füge ich hinzu und höre dann wieder unserem Lieblingslehrer zu.

Nach der Pause laufen wir zur Sporthalle, wo alte Erinnerungen auftreten. Nicht gerade prickelnd, aber was soll's. Wir haben mit dem Ausdauertraining angefangen, weswegen ich am liebsten heulen würde. Jedes Mal nehme ich einen ganzkörper Muskelkater mit nach Hause, und egal, wie oft ich Kindesmisshandlung schreie, kriege ich nur Gelächter als Antwort. "Ich will nicht mitmachen", jammere ich. "Doch, wir müssen abnehmen!", sagt Viyan motiviert, während sie in ihre Jogginghose schlüpft. Ich bin eigentlich froh, über meine Figur. Mein Bauch kann ruhig dünner werden, aber der Rest soll bleiben. Schnell ziehe ich mich um und latsche unmotiviert in die Sporthalle, wo ich mich dann auf der Bank niederlasse. "Was ist los?", fragt Malik, der gerade auf mich zu kommt. "Wir haben Sport." Darauf lacht er kurz. "Das ist doch voll einfach." Meine Augenbrauen ziehen auch zusammen. "Einfach? Dein Ernst? Für euch Jungs vielleicht, vor allem, da ihr jeden Tag oder so trainiert, aber für uns Mädchen ist das anders." Malik setzt sich zu mir auf die Bank und lächelt. "Schaffst du schon. Du bist ja unsere Schlägerbraut", neckt er mich. Saliha, Viyan und die beiden Jungen kommen in die Halle. "Ramazan!", meckert Saliha. "Saliha!", macht er ihr mach, was sie zum Lachen bringt. Nun läuft er wie ein Topmodel auf uns zu und streckt uns posierend seinen Hintern hin, in den Malik sofort rein tritt. "Härter", schnurrt Ramazan und wackelt mit seinem Gesäß. "Setzt dich lieber, bevor ich etwas anderes mache", droht Malik ihn in einem perversen Ton. Sofort dreht sich Ramazan um und schaut entsetzt. "Du bist voll ekelhaft", sagt er gespielt entrüstet und schmeißt sich an Can ran. "Mach was, mein Schatz", bittet Ramazan Can, während wir lachen. ''Also, meine Lieben! Wir machen natürlich da weiter, wo wir aufgehört haben. Letzte Woche waren es einige Bodenübungen, aber heute laufen wir drei Runden um unseren Sportplatz'', sagt Herr Markus lächelnd, woraufhin viele aufstöhnen. ''Los! Raus mit euch.'' Somit erhebe ich mich demotiviert und gehe raus. Ich werde sowieso keine drei Runden laufen, da kann mich niemand umstimmen. ''Können wir kein Völkerball oder so spielen?'', meckert Saliha und verdreht ihre Augen. Sofort müssen wir anfangen zu laufen. Die erste Runde fällt mir noch etwas leicht, doch kaum fängt die zweite Runde an, habe ich das Gefühl zu sterben. Saliha ist etwas vor mir, während Viyan irgendwo verloren gegangen ist. Ramazan und Malik laufen grinsend an uns vorbei. Wo ist Can? ''Los! Schneller!'' Höre ich ihn plötzlich. Wenn man vom Teufel spricht! Ich drehe mich zu seiner Stimme und sehe, wie er eine Stoppuhr und eine Pfeife bei sich hat. Bestimmt er jetzt alles oder wie? ''Shana! Laufen!'', brüllt er provokant. ''Bist du der Lehrer?'', brülle ich zurück, da ich auf der anderen Seite des Platzes bin."Nein", seufzt er genervt. "Also! Wieso sollte ich auf dich hören?", rufe provokant, während ich die Blicke der Schüler ausblende. ''Weil ich dir sonst in den Arsch trete!'' Er will spielen? Dann soll er kommen! ''Versuchs doch!'' Das lässt er sich nicht zweimal sagen und rennt auf mich zu. Da gerade Melissa - ein Mädchen aus meinem Kurs - an mir vorbei läuft, schubse ich sie auf Can und renne weg. Natürlich habe ich mich auch entschuldigt, bevor ich weg gerannt bin. Sozial muss man ja immer noch bleiben. ''Bleib stehen!'' Ich fühle mich wie eine Kriminelle, hinter der die Polizei her ist. ''Niemals!'' Viyan guckt mich mit einem schelmischen Grinsen an, als ich an ihr vorbeilaufe, welches ich gekonnt ignoriere. Schnell renne ich hinter das Gebäude, gefolgt von Can. Wo ist Herr Markus, wenn man ihn braucht? Gerade brauche ich ihn, da ich in einer Sackgasse gelandet bin. Scheiße! Langsam drehe ich mich um und schaue mit einem zuckersüßen Lächeln zu Can, der mit verschränkten Armen vor mir steht. ''Schöne Haare, trägst du sie immer so?'', frage ich, in der Hoffnung, dass er dann abgelenkt ist, aber leider befinden wir uns nicht in einer dieser Teenager US-Serien. ''Versuch es gar nicht'', antwortet Can und kommt auf mich zu, während ich weiter nach hinten laufe, bis ich die Wand berühre - totales Klischee. Sein selbstsicheres Lächeln setzt sich auf seine Lippen, als er merkt, dass ich nicht wegkomme. ''Shana, Shana, Shana. Was mache ich bloß mit dir?'', sagt er sanft, doch als er schnell und feste seine Hände neben meinem Kopf aufschlagen lässt, lässt das seine Frage total antagonistisch erscheinen. ''Du sagst mir, wie wunderbar ich doch bin und lässt mich dann gehen?'' Ich setze mein unschuldiges Lächeln auf und sehe etwas in seinen Augen aufblitzen. ''Du bist ein Teufel und bleibst hier.'' ''Ich will aber Sport machen'', entgegne ich ihm. ''Wir können ja gemeinsam Sport machen.'' Can fängt an pervers zu grinsen. Ich schlage gegen seine Brust und will ihn wegschubsen, doch leider besteht unser Freund aus einer Metalllegierung. ''Wohin?'', raunt er mir zu. ''Wo sind Shana und Can?'', höre ich Herr Markus fragen. Das ist meine Chance. Teuflisch grinsend schaue ich Can an, der mich argwöhnisch beäugt. ''VERGEWALTIGUNG!'', schreie ich, was Can kurz zusammenzucken lässt. Sofort schnallt seine Hand zu meinem Mund. ''Bist du verrückt?'', knurrt er. Ich versuche durch seine Hand zu schreien, doch leider ist sie zu fest auf meinen Mund gepresst, aber nicht so, dass es mir wehtut. ''Gott, das könnt ihr machen, wenn ihr alleine seid!'', kommt es plötzlich von Viyan. Can fängt an zu grinsen. Och ne. ''Wie wäre es mit heute?'', fragt er. ''Verzieh dich, Can!'', keife ich leicht und schubse ihn dann weg. Mit Viyan im Pack laufe ich zurück und sage schon vor, dass sie an etwas perverses denkt. ''Was habt ihr denn dort alleine gemacht?'', fragt sie pervers grinsend. Was habe ich gesagt? ''Ich bin vor ihm weg gerannt'', antworte ich schlicht. ''Und wieso war er dir so nah?'' Ihr grinsen sieht immer krankhafter aus. ''Weil er krank ist'', ist das Einzige, was ich zum Intermezzo von gerade eben sage. ''Ich bin hinter dir, falls dir das nicht bewusst ist'', mischt sich Can ein. Sofort verfällt Viyan in peinliche Stille, während ich apathisch mit den Schultern zucke.

Nach zwei Stunden Englisch verlasse ich den Raum und erblicke Cihan vor mir. Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaue ich ihn an. ''Was willst du?'' Das wollte ich eigentlich sagen, aber Ramazan kommt mir zuvor - zum Glück nicht Can. ''Shana, wir müssen reden.'' Cihans Ton ist ruhig. ''Wieso?'', frage ich und laufe etwas zu ihm. ''Können wir das alleine-,'' ''Was will der hier?!", knurrt Can im Hintergrund. Schnell drehe ich mich um und schaue zu Ramazan, der schnell versteht. ''Wir warten auf dem Parkplatz auf euch'', flüstert er mir zu, zieht Can hinter sich her und läuft mit Malik und meinen beiden Freundinnen raus, die mich verwirrt anschauen. Cihan und ich laufen zum Parkplatz in die Nähe von Cans Auto und bleiben stehen. Woher kommt Cihan jetzt? ''Also, was willst du?'', beginne ich unsere Konversation und starre an ihm vorbei. ''Läuft da was zwischen dir und einen der Jungs?'' Was zum Teufel? ''Wie kommst du darauf?'', frage ich misstrauisch, aber auch etwas überrascht. ''Scheinst sehr gut mit ihnen in Kontakt zu stehen. Man hört so einiges von Can und dir.'' Man redet über uns? ''Ach du Schei-, Cihan, da ist nichts'', mache ich ihm klar und versuche nicht wütend zu sein. ''Besser so. Du weißt, dass unsere Eltern gut in Kontakt stehen'', sagt er und verschränkt die Arme vor der Brust. Er will mich eiskalt bei meinen Eltern verpfeifen, obwohl er nichts weiß! ''Was willst du?'', zische ich. Er schaut mich schmierig an. ''Wie wäre es, wenn wir wieder in Kontakt treten?'' Dieses Arschloch versucht mich herumzukriegen! Ich spüre, wie mein Herzschlag sich beschleunigt, und ich versuche nicht auszuticken. ''Was dann?'', presse ich hervor. ''Mal sehen, was sich ergibt.'' Sein Grinsen wird schmieriger, was mir eine Gänsehaut verpasst. ''Was, wenn nicht?'', keife ich, was ihn höhnisch auflachen lässt. ''Dann hast du vielleicht ein Problem.'' ''Ach wirklich? Wenn ich meinen Eltern oder meinen Brüdern sage, was du gemacht hast, wird alles gut gehen?" Mein einundzwanzig Jähriger Bruder kann aggressiv werden, aber wenn mein fünfundzwanzig Jähriger Bruder ausrastet, dann ist es vorbei. Das erklärt, warum er sooft im Gefängnis war. Ich sehe, wie seine Selbstsicherheit verschwindet und er anfängt zu schlucken. ''Ja, jetzt kannst du nichts mehr sagen, nicht wahr?'' Ich bin total sauer, aber wandele dies in Provokation um. ''Außerdem sind es nur Freunde, die mich vor solchen ekelhaften Jungs, wie dir beschützen!'', spucke ich wütend. Sein Kiefer verkrampft sich, was nicht einmal ansatzweise so gut aussieht, wie bei Can. Wieso kommt er mir jetzt in den Sinn? ''Denk bloß nicht, dass es jetzt vorbei ist!'', knurrt er jetzt und kommt mir näher. ''Verpiss dich, Cihan!'', knurrt Can, der auf uns zu kommt. Ja, er ist stocksauer, aber er versucht sich zu beherrschen. ''Vergiss meine Worte nicht, Shana'', sagt Cihan. ''Vergiss meine Worte lieber nicht!'', zische ich. ''Cihan, verpiss dich, bevor ich dich ein weiteres Mal behindert schlage!'', brüllt er, weswegen ich zusammenzucke. ''Wir beide wissen, dass ich etwas gegen dich in der Hand habe, jetzt verpiss dich!'', knurrt er warnend, während er Cihan am Kragen packt und ihn nach seiner Drohung wegschubst, woraufhin Cihan zu meiner Überraschung ohne ein Wort abhaut. ''Was hat er gesagt?'', flüstert er bedrohlich leise. Ich bleibe stumm, da ich auf einmal nichts mehr rauskriege. ''Shana, was hat er gesagt?'', wiederholt er sich. ''Können wir das ein anderes Mal bereden?'', frage ich, da ich mich unbehaglich fühle, doch Can schaut mich immer noch durchdringlich an. ''Bitte'', füge ich ruhig hinzu, woraufhin er nachgibt und mit mir zurück zu den anderen läuft. Was hat er gegen Cihan in der Hand? ''Soll ich euch nach Hause fahren?'', fragt Can uns. ''Nein, nein. Brauchst du nicht, aber danke'', dankt Saliha ihm. ''Keine widerrede. Steigt ein.'' ''Das ist ehrlich nicht nötig'', meint Viyan jetzt. ''Steigt jetzt einfach ins Auto'', fordert Malik mit seinem typischen, süßen Lächeln. ''Wir passen alle doch gar nicht in das Auto. Ich wohne hier um die Ecke", sagt Saliha wieder. Ich bin gerade so abweisend wegen der Sache, dass es mir eigentlich egal ist. ''Dann passt das ja. Malik sitzt vorne und wir kuscheln hinten gemeinsam'', schlägt Ramazan vor, was dann umgesetzt wird.

"Rutsch ein bisschen!'', meckert Ramazan. ''Ich? Ich soll rutschen? Du bist doch der Fette hier!'', meckert Viyan zurück. ''Sag sowas nicht! Ich bin ein Muskelpaket", grinst er jetzt. Nachdem wir es geschafft haben einigermaßen bequem im Auto zu sitzen, fahren wir los. ''Spreiz deine Beine nicht so!'', zetert Viyan wieder. ''Können wir das Mädchen auf der Straße absetzen?'', fragt Ramazan ernst, woraufhin Viyan anfängt zu schmollen. Nachdem alle zu Hause abgesetzt wurden, sitzen nur noch Can und ich im Auto. ''Komm nach vorne'', befiehlt er ruhig. ''Geht schon.'' ''Shana, ich bin schon gereizt. Jetzt komm nach vorne!'', bringt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich seufze und setzte mich auf die Beifahrerseite. "Was hat er gesagt?'' ''Haben wir nicht ausgemacht, dass wir ein anderes Mal darüber reden?'' Er seufzt genervt, als wir an der Ampel halten. ''Du hattest genügend Zeit.'' Geduld hat er keine bekommen. ''Nein, hatte ich nicht.'' Sofort fährt er in eine andere Richtung. ''Deine Entscheidung. Solange du nicht redest, fahren wir wo anders hin.'' Gott! Ich habe gerade echt keinen Nerv dafür! Außerdem habe ich Hunger! Can hält an einem Parkplatz an und schaltet das Auto aus. Ich seufze genervt. ''Er hat gefragt, ob da etwas zwischen einen deiner Freunde oder dir und mir läuft, woraufhin ich gefragt habe, wie er auf sowas kommt.'' ''Und danach?'', hakt er monoton nach. ''Er meinte, dass wir alle gut in Kontakt stehen, stimmt ja auch mehr oder weniger. Jedenfalls meinte er noch, dass man Sachen über uns beide erzählen tut. Natürlich habe ich abgestritten, dass etwas zwischen uns läuft, Gott!'' Seine Kiefermuskeln fangen an zu zucken. ''Und dann?'', fragt er kalt. Was hat er denn jetzt? ''Dann hat er mir indirekt mit meinen Eltern gedroht, dass er ihnen irgendwas Falsches erzählen würde. Ich habe ihm dann mit meinen Brüdern gedroht, wegen den zwei Aktionen von ihm'', erzähle ich weiter und sehe, wie Cans Griff um sein Lenkrad fester wird. ''Also ist es zum Teil meine Schuld?'', knurrt er. ''Can, nein! Er ist nur krank'', beteure ich. ''Was meinte er noch?'' Can schaut mich kalt an und atmet tief ein. ''Nichts.'' ''Ich hab doch gehört, dass du gefragt hast, was er will!'', zischt er. Wieso ist Can so sauer? ''Er-, er wollte wieder Kontakt aufbauen.'' ''UND bist du drauf eingegangen?'' Das erste Wort ruft er so laut, dass ich erschrocken zusammenzucken. ''Ich habe Nein gesagt'', hauche ich. Can dreht sich wieder nach vorne und fährt sich über sein Gesicht. ''Er wird dir nichts tun und dir werde ich auch nicht mehr zu nahe kommen'', versichert er mir in einem kalten Ton. Autsch, irgendwie hat das wehgetan. ''Okay'', flüstere ich. Schweigend fahren wir los. Nicht einmal das Radio ist an, nur das Brummen des Motors ist zu hören. Seine spontane Entscheidung muss ich noch verdauen. Was hat er gegen Cihan in der Hand? Ich will ihn nicht fragen, da er schon so total sauer ist. Am besten ich vergesse einfach alles, was zwischen uns passiert ist. Total komisch, wenn man sich die Tage davor abgeschaut hat. Wieso muss er sich sofort fernhalten? Zu Hause angekommen ruft mich meine Mutter zu sich. ''Was hast du?'', fragt sie mich. ''Nichts, was soll sein?'' ''Du bist traurig'', stellt sie fest. ''Nein, ich bin nur Müde.'' Sie setzt sich ihre Brille richtig auf und revidiert mich. ''Du lügst, deine Lippe ist blau.'' Das ist ein Sprichwort, was soviel heißt, wie Du schmollst. Immer, wenn ich traurig oder angepisst bin, sticht meine Unterlippe irgendwie hervor. ''Ein Junge?'' Was? ''Was?'', frage ich geschockt. ''Ist es wegen eines Jungens?'' Wie? Woher? ''Nein! Schule war heute nur etwas hart'', streite ich ab. Sie nickt, doch ich weiß, dass sie mir nicht glaubt. "Sei vorsichtig, denke richtig nach", sagt meine Mutter noch, bevor ich das Wohnzimmer verlasse. "Falls dir Cihan irgendetwas erzählt, dann glaube ihm nicht", informiere ich sie, bevor ich in mein Zimmer gehe. Schnell laufe ich in mein Zimmer, scheuche meine kleine Schwester raus und rufe Saliha an. Sie nimmt sofort an, woraufhin ich ihr anfange alles zu erzählen.

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