Kapitel 61
Freitag, 31. März
Seit dem Vorfall reden Can und ich seit mehr als zwei Wochen nicht mehr miteinander. Für die anderen war es ein Wunder, dass wir uns so lange nicht gestritten haben - für mich selber auch irgendwie. Wenn ich neue Informationen recherchiert habe, dann habe ich es Can per WhatsApp geschickt, da er meine Nummer von Ramazan geklaut hat. Des Weiteren sitzen Ramazan und Malik mit Can in den Pausen einen Tisch weiter entfernt von uns, was mir nichts ausmacht, denn er kennt die beiden länger, als ich jemals könnte. Ich muss sagen, dass mich Can etwas an mich erinnert, wenn ich mich mit jemanden streite. Falls es dazu kommt, lasse ich es nicht zu, dass meine Freunde sich in der Nähe von dieser Person aufhalten, so als ob die Person eine ansteckende Krankheit hätte. Oder ich rede sehr schlecht über sie oder mache beides. Wenn schon, denn schon. Den heutigen Tag betrete ich in Jogginghose und Dutt, da meine Locken über Nacht zu komischen Wellen mutiert sind. Manchmal wünsche ich mir, ich hätte einfach glattes Haar, dann müsste ich nicht aufpassen, wie ich schlafen muss. "Kann mir jetzt einer sagen, was diesmal passiert ist?", fragt Malik, der sich mit den beiden anderen Jungs in der Freistunde zu uns gesetzt hat. "Dein Freund ist krank. Das ist passiert", sage ich abwertend, was Can schnauben lässt. Ramazan schmunzelt, da er es lustig findet, mich sauer zu sehen. "Eure Freundin sollte mal einen Beruhigungskurs machen." Ich schnappe laut nach Luft. "Wer von uns hat die krassen Stimmungsschwankungen? Ich oder du?" Das ist doch nicht sein Ernst. "Du willst mir also weismachen, dass sich deine Launen nie ändern?" "Oh mein Go-," "Sagt doch endlich, was passiert ist!", unterbricht mich Saliha, woraufhin Stille einkehrt. Ich werde ganz sicherlich nicht erzählen, dass Can mich auf sein Bett gedrückt hat, sich über mich gestemmt hat und sich unsere Nasenspitzen berührt haben. Und dass er sich vor mir ausgezogen hat lasse ich ganz vorweg! Er soll die scheiß Schuld bloß nicht auf mich schieben, denn er war derjenige, der meinte sich auszuziehen und sich an mich ranzumachen. Sein Oberkörper ist aber schon ein Schnittchen, das kann man nicht leugnen. "Sie kann ihr Temperament nicht zügeln." Das hat er nicht gesagt! "Ich? Ich kann mein Temperament nicht zügeln? Du kannst es nicht seien lassen, einen auf Magic Mike zu machen!", platzt es aus mit heraus, woraufhin Ramazan und Malik anfangen laut zu lachen. Was mich irritiert ist, dass Can schmunzelt. Wieso schmunzelt der? "Freut mich, dass du bei meinem nackten Oberkörper an Magic Mike denken musst." Meine Kinnlade klappt nach unten. Er hat mir eiskalt die Wörter im Mund verdreht! Das kann er doch nicht machen! Dieser Idiot! Saliha, Ramazan und Viyan summen im Chor ein in für Länge gezogenes Uh und schauen mich vielsagend an. Es ist echt warm hier drinnen. "Du würdest niemals an Channing Tatum ran kommen!" Er lacht kurz auf. "Stimmt, ich sehe tausendmal besser aus", kontert er. Na ja, wo er recht-, nein, er liegt falsch! "Du bist hässlich! Das habe ich dir letztens schon gesagt und du kannst dich nie im Leben so bewegen, wie er es getan hat." "Du hast mir keine Zeit gelassen, dich vom Gegenteil zu überzeugen", sagt Can unschuldig, doch seine Augen spiegeln was ganz anderes. Provokation und Belustigung. "Dann mach es jetzt." Siegessicher lehne ich mich zurück, denn Can würde sich nie vor geladener Klasse ausziehen und strippen. Er grinst mich an. "Aleyna, Elisabet und die anderen", macht Can die ganzen Mädchen aus unserer Klasse aufmerksam. "Can? Was hast du vor?", frage ich ernst und schaue zu Malik und Ramazan. Can schaut mich schalkhaft an und zwinkert mir zu, bevor er sich das graue T-Shirt auszieht. Meine Freundinnen lachen leise, während ich ihn entsetzt anstarre. Das ist doch nicht sein Ernst. Das kann er doch nicht wirklich ernst meinen. Schämt er sich denn gar nicht? "Ja, Mann! Wir dürfen uns nackt machen!", ruft Ramazan euphorisch und will sich die Hose aufknöpfen, wird aber von einem kopfschüttelnden Malik aufgehalten, weswegen er schmollt. Als er sich sein Oberteil ausziehen will, greift Malik wieder ein. "Setz dich. Hier iss einen Keks", bietet Malik ihm an, was er lächelnd annimmt. Für einen kurzen Moment habe ich vergessen, dass Can oben ohne ist, doch durch das Gekicher, welches dem Husten eines Pferdes ähnlich ist, werde ich wieder aufmerksam gemacht. "Cano! Voll gut siehst du aus", wiehert Aleyna und schaut ihn gierig an. Habe ich schon mal erwähnt, dass sie so spricht, wie Chantal auf Fack ju Göthe?
"Und? Bin ich hässlich?", fragt Can mich und stemmt seine muskulösen Arme vor mir auf den Tisch ab. Ich erhebe mich und stemme ebenfalls die Hände auf dem Tisch ab. "Ja", sage ich provokativ und ziehe kurz die rechte Augenbraue in die Höhe. "Kann ich ein Foto machen?", fragt Viyan, weswegen ich sie geschockt anschaue. "Fällst du mir jetzt in den Rücken oder was?", frage ich entsetzt, als sie aufsteht, um mit Can - der immer noch oben ohne da steht - ein Foto zu machen. Sie wird das zu hundert Prozent als ihren WhatsApp- und Homehintergrund benutzen. "Deine Freundin hat Geschmack", informiert mich Can, den ich mit verdrehenden Augen erblicke. "Jetzt zieh dich an!", fauche ich, doch das Einzige was er tut, ist mit seinen Brustmuskeln zu zucken, was mich hypnotisiert. Er hat echt schöne Nippel! Genug von Brustwarzen! "Gefällt dir was du siehst?", fragt er. Klischee. "Nein, es ekelt mich an." Ich schmeiße ihm sein T-Shirt ins Gesicht, welches er sich dann - Gott sei Dank - anzieht. Passend dazu endet die Stunde, woraufhin ich noch eine Stunde durchhalten muss und dann endlich frei habe. "Shana?", fragt mich Ramazan, als wir vor dem Schultor stehen. "Ja?" Ich schaue ihn an. "Willst du auf meinen Geburtstag kommen?", fragt er unsicher und kratzt sich am Nacken. Wie süß. "Klar, wann hast du denn Geburtstag?" "Morgen." Morgen ist der 1. April. "Du hast am ersten April Geburtstag? Das erklärt so einiges", murmele ich zuletzt, was alle lachen lässt, doch dann realisiere ich, dass er morgen Geburtstag hat. "Warte, Morgen? Was soll ich dir kaufen? Warte, lass uns einfach jetzt in die Stadt gehen!", sage ich hysterisch und ziehe Ramazan am Arm, der sich aber nicht rührt. "Shana, ich möchte nichts", sagt er grinsend. "Doch, du möchtest was!" Ich ziehe ihn fester. "Nein, Shana", verneint Ramazan und zieht mich zu sich. "Komm einfach." Er lächelt warm und legt einen Arm um mich. "Ihr seid natürlich auch eingeladen", fügt Ramazan hinzu und schaut zu Saliha und Viyan. Da es heute ein sonniges Frühlingswetter ist, beschließen wir uns zum Kanal zu laufen. "Wirst du achtzehn?", fragt Saliha, woraufhin alle drei Jungs anfangen zu lachen. "Unser Nesthäkchen wird siebzehn", antwortet Malik lachend. Warte, WAS? Ich schaue geschockt zu Ramazan, der mich schüchtern anlächelt. "Du bist nur zwei Monate älter als ich", stelle ich geschockt fest. Aber er hat mir doch schon am ersten Schultag gesagt, dass er sechzehn ist. Das muss ich ja komplett weggelassen haben. Ramazan sieht so viel älter aus, auch, wenn er sich ab und zu - okay, sehr oft - nicht so benimmt. Ich meine, seine braun-grünen Augen strahlen etwas Erwachsendes aus. "Und was willst du morgen machen?", fragt Viyan, während wir fast an unserem Ziel ankommen. "Wir haben einen Raum gemietet. So ein Standard-Ding bei uns. Bisschen Musik, Essen, dies das", zählt Ramazan auf. "Werden viele kommen?", frage ich skeptisch, denn ich hasse fremde Menschen. "Kommt drauf an, was du unter viele verstehst", antwortet Ramazan mit nach oben gezogenen Augenbrauen. Ich verstehe daraufhin genervt die Augen. "Shana hasst fremde Menschen", informiert Viyan die Jungs. "Aber ihr wart Shana doch auch einmal fremd." Malik sieht verwirrt aus. "Ich hab sie auch anfangs gehasst. Außer Saliha, da ich noch sehr jung war, als wir uns kennengelernt haben", erzähle ich. Ich habe wirklich alle Freunde, die ich in der Realschule kennengelernt habe, gehasst, einfach so aus Prinzip. "Ja, Mann! Sie hat mich anfangs nicht mal angeschaut", sagt Viyan vorwurfsvoll und schlägt mir gegen den Oberarm. Wenn wir schon bei Geburtstagen sind. "Malik? Wann hast du Geburtstag?" Er schaut mich lächelnd an. "Rate." Ich sage direkt, dass er irgendwann im November Geburtstag hat, woraufhin er mich beeindruckt anschaut. "Wie kommst du darauf?", fragt er mich, als wir uns auf eine Bank setzen. "Wegen deinen Augen. Das Blau erinnert mich an den Winter." Dabei schaue ich ihm in die Augen und könnte sie ihm ausreißen. "Stimmt, am 21. um genau zu sein." "Und ich?", meldet sich Can zu Wort. Ihm blicke ich lange in die Augen, da ich seine am faszinierendsten finde. Gott, sind die schön! "August." Wenn ich in seine Augen sehe, muss ich an Löwen denken. Dominante Löwen, die stärksten Löwen, denen sich keiner in den Weg stellt. "Korrekt", antwortet er. "Also bist du vom Sternzeichen her Löwe?", frage ich, was Can mit einem Nicken bestätigt. Passt doch. "Er fährt gerne die Krallen aus", schnurrt Ramazan und formt eine Katzenpfote mit seiner rechten Hand, während er sich an Can anschmiegt. "Turn the music on!", ruft Ramazan und fängt an zu tanzen. Seitdem ich Ramazan kenne, brauche ich kein Fernseher mehr. Er ist mehr als nur Unterhaltung. Viyan macht von Hannah Montana - Best of both worlds an, was mein Lied ist. Ich stehe mit Ramazan auf und fange an mit ihm zu singen und zu tanzen. Nach dreimal durchsingen setzen wir uns atemlos, aber mit einem Lächeln hin. "Was machen wir jetzt?", fragt ich schwer atmend. "Wollen wir schwimmen?", schlägt Ramazan vor und kassiert von uns schräge Blicke. Als Zusatz kriegt er von Can einen Schlag auf den Hinterkopf. "Was denn?", fragt Ramazan unschuldig. "Es sind gerade mal siebzehn Grad und willst du nackt schwimmen gehen oder was?", stellt ihm Can die Gegenfrage, woraufhin er mit den Schultern zuckt. "Also ich würde dich gerne nackt sehen", sagt Ramazan grinsend und will Can in den Schritt fassen, doch dieser reagiert zu schnell.
"Haben wir ihn nicht schon nackt gesehen?", grübelt Malik jetzt. "Nein, habt ihr nicht!", zischt Can. "Oh, doch! Wann war das nochmal?", denkt Ramazan mit und fängt an zu grinsen, genau wie Malik, Saliha, Viyan und ich. "Waren wir nicht alle drei nackt?", stellt sich Ramazan selbst die Frage und kriegt von seinen beiden Freunden schräge Blicke. Die Mädchen und ich lachen uns schlapp und sind auf die Antworten gespannt. "Im Kindergarten! Wir waren total klein, meine Mutter hat noch Bilder. Eure müssten die Bilder auch noch haben", grinst Malik. "Genau. Mensch, Can! Jetzt weiß ich, warum ich so geil auf dich bin", sagt Ramazan pervers grinsend und schaut auf Cans Schritt. Ich muss wieder an den Tag denken, wo ich Can aus Versehen in den Schritt geschlagen habe und dachte, es sei sein vermeintlich fetter Bauch. Diese Erinnerung lässt mich schlucken. Das war echt unangenehm. "Junge, wie lange willst du da noch drauf starren?", murrt Can leicht beunruhigt und hält sich die Hände schützend auf den Schoß. "Dein Ding hab ich doch schon gesehen", haucht Ramazan und blickt mit Malik lasziv zu Can. Die beiden hauchen ihm Luftküsse zu, die er mit angeekeltem Gesicht aufnimmt. "Und bald werde wir ihn wieder sehen." Dabei streicheln Malik und Ramazan synchron über Cans Schenkel, was ihn erschrocken aufspringen lässt.
Herrlich diese Jungs!
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