Kapitel 6
Samstag, 27. August
Wir haben Samstag und Viyan hat beschlossen, mich aus dem Schlaf zu zerren, damit wir in die Stadt gehen. Die Woche verging verdammt schnell. Can und Aleyna hatten wohl ihre Maulkörbe um, dass sie nichts getan haben und somit meine Nerven nicht strapaziert haben. "Und? Haben du und dein Lover schon heimlich rumgemacht?" Ich verdrehe schmunzelnd die Augen. Wenn ich den Typen küssen sollte, dann trinke ich Schwefelsäure. Ich weiß nicht einmal sein Aussehen. Ich habe ihn nie richtig beachtet. Nur einmal sahen seine Augen so leuchtend aus. Bestimmt sind sie eigentlich braun, langweilig und hässlich. Hässlich, weil er Can ist. "Jede Stunde." Wir laufen zur Haltestelle, fahren zum Bahnhof und nehmen von dort den Zug, da wir in eine andere Stadt fahren wollen. Ich werde das Gefühl immer noch nicht los, dass etwas passieren wird. Vielleicht eskaliert es ja schon mit mir und Aleyna. Auf dem Weg zu den Zügen sehe ich vom weiten Malik. Begrüßen tue ich ihn nicht, weil ich ihn nicht kenne, wenn dann nur flüchtig. Ich könnte ihn jetzt nicht begrüßen. Egal, ob es ein Lächeln oder nur ein Nicken wäre. Ich müsste ihn länger kennen oder Sympathie zu ihm haben. Plötzlich schreit jemand hinter mir und packt mich an meinen Schultern, woraufhin ich aufschrecke und mich umdrehe. Wen erblicke ich? Ramazan. "Dein Ernst? Ich bin fast gestorben!" Statt mir zu antworten kichert er gespielt, wie ein krankes Kind und rennt zu Malik, springt ihn förmlich an. Der Junge ist krank, aber ich mag ihn. "Der Junge ist krank!", wiederholt Viyan lachend meinen Gedanken. Ich schaue amüsiert zu Ramazan. Wir begeben uns zu den Zügen und fahren nach Oberhausen, ins CentrO. Beim Bummeln muss ich an Can denken, Idiot. Bestimmt leckt er gerade mit Aleyna herum. Ich verstehe nicht, wie solche Menschen, wie Aleyna, überhaupt begehrt werden können. Da stimmt doch etwas nicht. Und Can? Wie können Mädchen auf den fliegen? Merken sie denn nicht, dass er nur das Eine will? Wollen sie auch nur das Eine oder was? Macht Liebe so dumm und blind? Ist das überhaupt liebe? So viele denken, es sei Liebe, aber dann war es nur das Verknalltsein für drei Wochen maximal. Das ist schon traurig. Ich will mich nicht verlieben. Zumindest nicht in der Oberstufe. Ich will mich voll und ganz auf die Oberstufe konzentrieren, da passt die Liebe nicht rein. Und außerdem gibt es keinen in der Stufe, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht oder optisch etwas an sich hat. "Dieser Malik hat schon etwas an sich. Findest du nicht?", holt Viyan mich zurück. Ich schaue kurz vom Weg auf. "Malik? Keine Ahnung. Er hat schöne Augen." Moment mal. Ich grinse pervers. "Stehst du auf Malik oder was?" "Nein, was redest du? Ich habe nur gesagt, dass er etwas an sich hat", murrt sie. Ich verdrehe grinsend die Augen. Nach drei Stunden gehen wir zur Coca-Cola Oase, um etwas zu essen. Ich hole mir mein Standard 9er-Hotwings Menü und Viyan etwas vom McDonalds. Wie kann man kein KFC mögen? Ich persönlich bin nicht wirklich die McDonalds-Fanatikerin. Zwar hasse ich das Essen dort nicht, würde Bürger King jedoch immer präferieren. Wieso ist es immer so voll hier? Man muss immer nach Plätzen suchen oder warten. Viyan kommt mit einem Lächeln und ihrem Burgern zurück. "Rate, wer hier ist." Ihre Stimme sagt mir, dass sie aufgeregt ist. "Wer soll hier sein, Viyan?" "Dein Lover", sagt sie und grinst mich an. Dieser Idiot ist hier? Was will er hier? "Er sitzt ein paar Tische hinter mir, aber seitlich zur dir. Er sitzt mit dem Rücken zu dir. Erzähl, was siehst du?" Ich schaue hinüber und sehe ihn und ein Mädchen, aber nicht die Hündin Aleyna, sondern ein Mädchen mit hellbraunen Haaren. "Da ist ein Mädchen bei ihm. Locker denkt sie, dass es etwas Ernstes sein wird", erzähle ich in einem genervten Ton und verdrehe meine Augen. Kann der nicht wo anders essen? Gibt es keine anderen Städte, wo der essen kann? Ausgerechnet in Oberhausen? Idiot. Jetzt stört mich seine Aura beim Essen. Bestimmt lügt er sie die ganze Zeit an, sagt, dass sie die Einzige ist und sonstiges. Gott, wie ich solche Jungs hasse. Sei doch einfach ehrlich und versuch eine richtige Beziehung zu führen. Wie kann man so dreist sein und jemanden so belügen? Das ist asozial. Nach dem Essen entscheiden wir uns zurück zu fahren. Ich komme zu Hause an und gehe direkt schlafen, weil jemand ohne Vorwarnung zu mir nach Hause gekommen ist und mich aus dem Bett gezerrt hat.
Der nächste morgen beginnt und ich bin schon um 09:33 Uhr wach, da ich gestern um vor acht nach Hause gekommen bin. Auch heute ist nichts Besonderes los. Womöglich, weil es Sonntag ist und da passiert nie was. Ich muss für Spanisch lernen. Kaum ist man eine Woche auf dieser Schule, will diese dämliche Lehrerin einen Vokabeltest schreiben. Wieso kann sie nicht damit warten? So ein Test rennt nicht weg. Ich beschließe mich zu duschen. Lernen kann ich später und hetzen will ich mich dieses Jahr nicht, da es nur die Einführungsphase ist. Ich werde das Gefühl immer noch nicht los, dass irgendwas passieren wird. Bloß was wird passieren? Nach einer halben Stunde verlasse ich das Bad. Meine Mutter hätte sonst die Tür eingetreten, weil sie findet, dass ich zulange Dusche. Ich trockene meine Haare, lackiere meine Nägel in einem braunton und snappe meinen Freunden den Rest des Tages. Ich habe keine Hobbies, aber das stört mich nicht. Doch, ich lese - aber nur im Bett. Ich kann nur ein Buch lesen, wenn ich im Bett liege, da ich da meine Ruhe habe. Ich stelle mir vor, wie ich Can wieder fertigmache. Unbewusst bewege ich mich dabei und grinse, weil meine Konter so gut sind. Es ist faszinierend, wie er immer wieder zurückkommt, aber dann sowieso wieder in Grund und Boden geschmettert wird. Und Ramazan? Wir könnten sicherlich gute Freunde werden. Solche Menschen wie er können immer zu mir kommen. Ihre Sympathie ist immer willkommen. Mit ihm würde die Klassenfahrt sicherlich lustig werden, wenn wir enger miteinander befreundet sind. Am Ende des Tages lege ich meine Kleidung für morgen bereit, putze meine Zähne und gehe schlafen. Dabei denke ich an mögliche Situationen, die mir mit diesem Idioten Can passieren könnten. Natürlich kontere ich in Gedanken und muss ab und zu schmunzeln.
Der nächste Morgen steht an. Ich stehe quälend auf und ziehe meine hellblaue high-waisted Jeans an, ein weißes T-Shirt und meine schwarzen Vans Authentic. Ich parfümiere mich ein, esse etwas, putze meine Zähne, ziehe meine Lederjacke an und verlasse die Wohnung. Dieses Wetter ist so toll. Zu schade, dass bald der Herbst kommt und ich erfrieren werde. Mir kommt der Winter immer tausendmal länger vor, als der Sommer. Ich muss unbedingt wissen, was passieren wird. Wer wird daran beteiligt sein? Was wird der ausschlaggebende Grund sein? Um 07:39 Uhr komme ich an. Der Busfahrer war schnell unterwegs, vielleicht hat er auch gespürt, dass mir heute was passiert. Schicksal? Mal wieder steigere ich mich zu sehr in Belangloses rein. Aber sooft ist Belangloses eben das Gegenteil. Im Gebäude angekommen, sehe ich keiner meiner Freunde, also laufe ich ganz ruhig durch die Flure und höre dabei Musik, habe sie aber leiser gestellt, für den Fall der Fälle. Ich weiß, dass irgendetwas passieren wird. Ich laufe und wen sehe ich? Cans Bande - wer hätte es gedacht? Heute sind es aber nicht die drei Hündinnen. Nur Malik, Ramazan und Cans Wenigkeit. Ramazan bemerkt mich und lächelt warm. Er ist wirklich goldig. "Shana, komm hier hin." Wie niedlich! Ich lächele ihn an. "Nein, sie soll nicht kommen." Mein Lächeln fällt sofort. Hat er das wirklich gesagt? Das hat er nicht gesagt! Unverschämter, arroganter Arsch! Ich laufe einige Schritte auf sie zu. Ich schaue kurz in sein Gesicht, weil er mich so aufregt. Wieder scheint die Sonne auf seine Augen. "Wer bist du, dass du mir befehlen kannst, wo ich hingehen darf? Du Nichtsnutz", sage ich aufgebracht. Was denkt er sich? "Ich bin ein Nichtsnutz? Pass auf, wie du redest!", zischt er gereizt. Ich verdrehe meine Augen und schaue schnaubend zur Seite. "Was wenn nicht? Willst du mich schlagen? Vor jemanden in Leggings müsste ich nichts zu befürchten haben." Man schmeckt die Provokation nur so heraus, so habe ich es am liebsten. Auf einmal steht er auf, läuft auf mich zu und-, heilige Scheiße, ist der riesig! Oh mein Gott! Er überragt mich um gut zwei Köpfe. Kommt davon wenn du ihn nie beachtest!, tadelt meine innere Stimme. Menschen stecken voller Überraschungen. Ich schließe meine Augen und muss mir mein Lachen verkneifen. Ich presse meine Lippen so fest es geht aufeinander. Wieso kann ich jetzt nicht ernst bleiben? Vielleicht weil er so groß ist? Ich schaue zu ihm hoch, die Lippen immer noch zusammengepresst, um nicht zu lachen, die rechte Augenbraue hochgezogen und erblicke seine Augen, die so hellbraun sind, dass man denken könnte sie seien gelb. Wow, sie sind wunderschön. Durch die schwarze Umrandung um die Iris und seine dichten, langen und schwarzen Wimpern, kommen sie noch mehr zur Geltung, wunderschön. Es kam also doch nicht von der Sonneneinstrahlung. Konzentrier dich lieber auf seine Größe, er isst dich gleich auf! Stimmt, im Stehen ist er noch breiter. "Kannst du jetzt immer noch groß reden", sagt er mit einem arroganten Lächeln. Groß trifft es ziemlich gut.
"Gorilla", hauche ich schon fast. Er zieht seine Augenbrauen zusammen. "Was?", zischt er. Denkt er ernsthaft, ich werde klein beigeben? Nicht mit mir! "Gorilla!", gebe ich lauter von mir und kann mich nicht mehr halten. Ich breche in ein schallendes Gelächter aus und auch Ramazan und Malik fangen an zu lachen. Ich schaue wieder zu Gorilla-Can und bemerke wie seine Halsader herausstricht, sein Kiefer angespannt ist und seine Augenbrauen zusammengezogen sind. Als er meinen Unterarm packen will, weiche ich aus und lache noch mehr. Gott, das tut so gut, ihn fertigzumachen. Als Can es ein zweites Mal versuchen will und scheitert, spannt sich der Rest seines Körpers an und er kommt mir näher. Renn, Shana. Renn um dein Leben! Ein letztes Mal schreie ich Gorilla und renne den Flur runter und die Treppen hinauf, dicht gefolgt von Can. Er wird mich umbringen, ich muss schneller rennen. Lachen tue ich trotzdem, was ihn noch mehr provoziert. Ich liebe es. Ich will um die Ecke laufen, bis ich gepackt wurde und gegen die Wand gedrückt wurde, wie klischeehaft. Er ist richtig aggressiv. Sowas ist doch normal für Gorillas oder etwa nicht? Ich versuche mein Lachen zu unterdrücken, vergeblich, denn ich fange wieder an zu Lachen. Ich glaube, wenn Can meine Schulter nicht gegen die Wand gedrückt hätte, wäre ich schon längst zu Boden gefallen vor Lachen. "Hör auf zu lachen!", schreit er auf einmal und ich verstumme. Ich glaube da ist jemand nicht gut gelaunt. "Niemand, wirklich niemand wagt es mich zu provozieren und dann kommt ein hergelaufenes Mädchen und denkt, dass sie es tun kann?" Er ist mir sehr nahe, aber ich schaue auf die Wand hinter ihm, aus reiner Provokation. "Ja, tue ich", gebe ich stolz von mir. Diesmal schaue ich in seine Augen und bemerke graue Sprenkel in seiner Iris. "Und ich werde es wieder tun, worauf du dich gefasst machen kannst." "Werde nicht noch frecher, als du es schon bist!", sagt Can bedrohend. "Wirst du mich sonst schlagen?", frage ich ihn herausfordernd. Er kommt mir noch näher als zuvor. Wehe er tut was, was ich denke, was Jungs sonst in Geschichten jetzt tun. Er legt seine Hand auf meine linke Wange, die ich sofort wegschlage. Can nimmt beide Handgelenke von mir in eine Hand und stemmt sie über meinen Kopf. Was zum?! Oh mein Gott! Christian? Ich habe eindeutig zu oft Fifty Shades of Grey geguckt. Er ist mir so nahe, dass sich unsere Nasenspitzen leicht berühren. Oh Gott. Can legt seine freie Hand wieder auf meine Wange und lächelt ganz leicht. Das fühlt sich unangenehm an. Ich versuche so weit wie es geht den Kopf weg von ihm zu ziehen und winde mich, denn wenn er versucht mir meinen ersten Kuss zu rauben, wird mein Knie zwischen seinen Beinen landen und ihm die Zeugungsfähigkeit rauben! "Lass los, du krankes Ding!", zische ich. Can schaut mich für einen ganz kleinen Moment wütend an. Dann fängt er leise an zu lachen. Das war irgendwie gruselig. Seine Stimmung hat sich so schnell geändert. "Ich kriege was oder wen ich will und wenn ich will-," Er kommt mir näher und geht an mein Ohr, was mich erschaudern lässt. "nehme ich mir sogar deine Jungfräulichkeit." Meine Augen weiten sich. Okay, das reicht! Sofort landet mein neues Lieblingsknie zwischen seinen Beinen, woraufhin er meine Hände loslässt, sodass ich ihm eine scheuern kann, was ich auch genieße. Er geht zu Boden, aber rappelt sich langsam auf. "Fahr zur Hölle, du ehrenloser Hund!", ist das Letzte, was ich sage, bevor ich mit zügigen Schritten zurücklaufe. Was fällt diesem Jungen überhaupt ein? Was denkt er, wer er ist? Wenn er meine Jungfräulichkeit kriegt, dann schneide ich ihm den Schwanz ab! Asoziales Stück Scheiße! Spinnt der eigentlich? Was ist er für ein krankes Arschloch? Vor Wut und Aufregung zittere ich. Woher hat er diesen Mut, solche Dinge zu tun? Krank, er ist einfach krank und gestört. Es hat geklingelt, der Unterricht beginnt also jetzt. Das heißt, ich habe zwei Stunden Deutsch und Can sitzt vor mir. Ich zittere am Körper, weil ich mich noch nie in so einer Situation befand. Noch nie war mir ein Junge so nahe, wie er. Von einem egoistischen Arsch lasse ich mich nicht besiegen, ich werde kämpfen und gewinnen. Ich werde ihn bis aufs Blut provozieren, sodass er total ausrastet. Hoffentlich kriegt er dann noch Ärger, dieses beschissene, psychisch gestörte Schwein, das mir an die Wäsche wollte. Wenn meine Brüder das erfahren, dann sollte er schon einmal anfangen zu beten, dieser komische, aggressive Riese. Argh, ich will ihn umbringen! Wie kann er nur so krank sein und mir so etwas zuflüstern? Ist er notgeil? Der Typ kann nur eine Störung haben. Ich werde ihn nicht gewinnen lassen! Er wird mich nicht klein kriegen!
Die Spiele haben erst jetzt begonnen.
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