Kapitel 43

Während des Frühstücks reden wir über unnötiges Zeug, bis Herr Markus meint, dass wir uns in einer Stunde in der Lobby treffen, um dann in die Stadt zu gehen. Ich lege mich wieder auf mein Bett, um mich ein wenig auszuruhen, und denke nach, wie ich hierhergekommen sein könnte. Als ob Can sich die Mühe machen würde. Die anderen könnten es bestimmt auch nicht gewesen sein. Vielleicht war ich es und habe es vergessen? Irgendwie muss ich wegen dem, was sich vor einigen Stunden abgespielt hat, lächeln. Aber daran kann ich auch später denken. Ich muss nachdenken, wie ich Can das Leben hier auf der Klassenfahrt erschweren kann. "Shana, wo ist mein Lippenstift?", will Viyan wissen. "Der müsste noch bei den Jungs irgendwo liegen." Sie stöhnt auf. "Hol ihn mal." Ich runzele die Stirn. "Hol du ihn doch." "Nein, du hast ihn dagelassen." Ich zucke mich den Schultern. "Du willst ihn ja benutzen, nicht ich. Außerdem kannst du so Malik sehen", meine ich schmunzelnd. Danach höre ich, wie sich die Tür öffnet und kurz danach, wie sie sich schließt. Ich dachte es wäre Viyan. "Shana", höre ich Aleyna kleinlaut nach mir rufen. Was will sie jetzt? Ich mache mir nicht die Mühe aufzustehen. "Was willst du?" "Ich sage es jetzt mal ganz nett: Halt dich fern von Can, verstanden?" Ich lache auf. "Verpiss dich, bitte", gebe ich herablassend von mir. Jetzt werde ich extra in seiner Nähe sein. "Bleibst du nicht fern von ihm, wirst du es bereuen!", faucht sie. Ich stöhne genervt auf und setze mich aufrecht hin. "Geh doch einfach! Wieso hängst du so an ihm?! Wenn du mir was antun willst, dann tu es! Can wird dich doch eh nur ins Bett kriegen wollen und mehr nicht! Wenn er es nicht schon getan hat!", brülle ich sie an. Cathleen und Saliha schauen stumm zu, und auch Viyan, die ich erst jetzt bemerke, sagt nichts. "Er wird sich in mich verlieben", sagt sie siegessicher, was mich lachen lässt. "Soll er doch, aber da du so hässlich bist, wird es sehr schwer werden."

Ohne etwas zu sagen, verlässt sie endlich unser Zimmer. Das Mädchen braucht echt Aufmerksamkeit. "Shana, was war das?", fragt Saliha entrüstet. "Ich habe keine Ahnung", seufze ich. Nach zehn Minuten Lästern über Aleyna, haben wir nur noch zwanzig Minuten, bis wir uns in der Lobby treffen müssen. In dieser Zeit denke ich darüber nach, was mir alles so mit Can passiert ist. Es sind hauptsächlich schlechte Dinge passiert. Selten gab es Harmonie zwischen uns. Kann man das mit dem Bett als harmonisch gelten lassen? Wann er wohl mit dem Testen beginnt? Irgendwann erheben wir uns und laufen runter, wo sich schon fast alle versammelt haben, doch als auch die Letzten kommen, welche Malik, Ramazan und Can sind, laufen wir zur Haltestelle, da wir damit logischerweise schneller ankommen. Ist Cihan eigentlich auch hier? Ich habe ihn gar nicht gesehen. Ich steige in den Bus ein und bemerke, dass sehr viele stehen müssen und man dadurch automatisch eingequetscht wird. Ich befinde mich gerade in der Mitte des Busses. Vor mir ist Saliha, Viyan befindet sich natürlich in der Nähe von Malik und Cathleen ist irgendwo untergegangen. Ich kann mich nirgendwo festhalten, da macht der Bus schon eine Kurve, sodass ich nach hinten taumele, aber von jemanden abgefedert werde. Der Bus wird immer voller und somit entsteht immer mehr Körperkontakt. Saliha klebt schon förmlich an mir. "Anscheinend hast du mich vermisst", flüstert mir Can zu. Och nö. Er ist also diese Person, die die ganze Zeit hinter mir ist. Ich drehe mich um, bemerke aber leider zu spät, dass das eine sehr schlechte Idee war.

Ich bin ihm zu nahe. Zwar war ich das schon die ganze Zeit, aber als ich noch nicht realisiert habe, wer da hinter mir ist, war es um einiges angenehmer. Zusätzlich muss der Bus genau jetzt wieder eine Kurve fahren, sodass ich noch mehr an Can hänge, ist das nicht herrlich? Er schmunzelt, und mir ist sehr warm. "Saliha, rückt mal ein bisschen!" "Ich kann nicht", seufzt sie. Also mir gefällt es, hehe. Ich lehne meine Stirn gegen seine Brust. Es hat eh keinen Sinn, nach einem Platz zu suchen. Er legt seine Hand auf meinen Rücken, die ich aber schnell wegschlage. "Ich sorge nur dafür, dass du nicht runterfällst." Natürlich! An etwas anderes würdest du doch niemals denken. "Ich brauche deine Hände dafür nicht", sage ich trocken. Schon wieder kommt so eine dämliche Kurve, und sofort kralle ich mich an Cans grauen Pullover fest. Gott, riecht er gut! Im selben Moment hält er mich an der Taille fest und lacht. "Natürlich brauchst du meine Hilfe nicht", kommt es sarkastisch von Can. Ich will einfach so schnell wie möglich ankommen. "Also, wenn du willst, kannst du wieder bei mir schlafen", flüstert er, doch Saliha kriegt es mit und zieht erschrocken die Luft ein. "Sei leise!", zische ich, was ihn auflachen lässt. "Wer hat mich in mein Zimmer getragen?", murre ich leise. "Ich", meint er, als wäre es etwas Normales. "Natürlich! Und jetzt sag." "Shana, ich war es", brummt er etwas gereizt. "Alles klar." Ihm ist klar, dass ich ihm nicht glaube, und das lässt ihn seufzen.

"Ramazan", ruft er durch den Bus. "Ja, Fremder?" Warte, er wird es doch nicht im Bus vor allen danach fragen? "Ich hab' doch Sh-," Sofort lege ich meine Hand auf seinen Mund. "Schon gut, hab's verstanden", flüstere ich kleinlaut und spüre, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln formen. Kurz danach küsst er meine Handfläche, woraufhin ich meine Hand schnell zurückziehe. Der erste Kuss, hehe. Oh mein Gott. Hat er das jetzt wirklich gemacht? Nach gefühlten zwanzig Minuten steigen wir endlich aus und laufen, nachdem wir Herrn Markus zugehört haben, in unseren Gruppen herum. "Shana", säuselt Cathleen krankhaft grinsend und spielt auf ihrem Handy ein Video ab. Auf dem Video sind Can und ich, genau dort, wo er meine Handinnenfläche küsst. Danach zeigt sie mir noch die achtundzwanzig Fotos, die sie von uns geschossen hat. Auf den Bildern schaut mich Can mit einem irgendwie besonderen Blick an. Als ob ich irgendwas wäre, was ihm seinen Frieden gibt. Oder ich übertreibe. Wir laufen durch die große Stadt und betreten jeden Laden, der irgendwie gut aussieht. Bis jetzt habe ich mir nur ein Oberteil und Ohrringe gekauft. Ohrringe sind ein Muss. Seitdem ich sieben Ohrlöcher habe, habe ich einen Ohrring-Tick. Aber bei den Mädchen sieht es nicht anders aus. Viyan und Cathleen haben sich neue Schminke gekauft und Saliha hat sich ebenfalls ein Oberteil gekauft. Gerade wollen wir an Hunkemöller vorbeilaufen, bis Saliha Ramazan dort drinnen findet. Sofort begeben wir uns zum Unterwäscheladen.

"Was machst du da?", frage ich Ramazan, der mich lächelnd beäugt. "Es ist Sale. Ich will Malik und Can eine Freude bereiten und bin abgehauen." Wir fangen an zu lachen. "Helft mir mal", fordert er, was wir dann auch machen. Am Ende haben wir für Malik einen Slip aus rosa Spitze und für Can einen neongrünen String. "Denkt ihr, es wird ihnen auch gefallen?", murmelt Ramazan, während er der Frau das Geld gibt. "Ja, vor allem passt das pink zu Maliks Hautfarbe", sage ich fest entschlossen. "Außerdem passt rosa zu ruhigen Menschen", fügt Saliha hinzu. "Er wird bestimmt hinreißend aussehen. Und Can! Sein Arsch wird zum Anbeißen sein!", stöhnt Ramazan verträumt. Das glaube ich dir. Während wir laufen, kriegt Ramazan einen Anruf. "Hey, Schatz." Ich bin mir sicher, dass er mit Can telefoniert. Am Gebrülle bin ich mir auch ziemlich sicher, dass er es ist. "Ich bin mit Shana und so." Danach sagt er, dass wir in der Nähe von McDonalds sind. "Können wir zu McDonalds? Die Idioten kommen gleich." "Ich habe eh Hunger", meint Saliha, woraufhin ich ihr zustimme. "Ihr habt doch gerade eben gegessen?", fragt Viyan entgeistert. "Trotzdem haben wir Hunger." Im McDonalds holen Saliha, Ramazan und ich uns etwas zu essen und zwingen Cathleen und Viyan mit uns zu essen. Nachdem wir zu Ende gegessen haben, kommen auch schon Malik und Can. "Wo warst du?", fragt Malik. Ramazan zeigt stolz auf seine weiß-pink gestreifte Hunkemöller Tüte. "Hast du etwas für etwas für deine Weiber gekauft?", fragt nun Can schief lächelnd, was mich zum Grinsen bringt.

"Also, wenn du so genannt werden willst", antwortet Ramazan frech. Cans lächelnd verwandelt sich zu einem verwirrten Ausdruck. Er schnappt sich die Tüte und holt mit entsetztem Gesicht die zwei Unterteile raus. "Dein Ernst?!", sagt dieser und hält den rosa farbigen Spitzenslip in die Luft, den Ramazan ihm aus der Hand reißt. "Der gehört Malik", knurrt er kleinlaut und zieht die Augenbrauen beleidigt zusammen. Nun ist Cans Blick noch geschockter, weswegen ich mich nicht mehr halten kann und anfange zu lachen. Can flüchtet mit dem String in der Hand aus dem Fastfood-Restaurant. Ich laufe hinterher. Er soll es bloß nicht wagen das Ding wegzuschmeißen. Damit kann ich ihn ärgern! Ich renne, da er so schnell ist. Als er in eine Gasse läuft, halte ich ihn an der Schulter fest. "Du lässt den String in Ruhe!" Es ist schon etwas lächerlich, wegen eines Unterwäscheteils zu diskutieren, aber diskutieren tue ich schon immer. Er will ihn mit einem arroganten Blick in den Müll schmeißen, doch ich drücke ihn weg und zerquetsche so fest wie es geht seinen Rumpf. "Gib ihn mir!" "Niemals!", ruft er theatralisch, also drücke ich noch fester zu. Er ist zwar muskulös, aber ich weiß, dass auch ich ihm was anhaben kann. Das höre ich auch, als er ächzt. "Shana, nicht so wild." Ich murre. "Wenn du willst, gehen wir zurück ins Hotel", schnurrt er in einem perversen Ton. Er schreit kurz auf.

"Was kneifst du in meinen Nippel?!" Er ist fassungslos, was mich zum Lachen bringt. Das nutzt er aus, um mich an die Wand zu drücken. "Und jetzt?" Can grinst frech und zieht seine rechte Augenbraue hoch. Drei, zwei, eins. "VERGEWALTIGUNG!", schreie ich, was ihn zusammenzucken lässt. "Bist du krank?" Ich befreie mich und schnappe mir den neongrünen String. "Leg dich nicht mit Shana an!", summe ich triumphierend und stecke das Stück Stoff in meine hintere Hosentasche. Ich renne wieder zum McDonalds und sehe schon die anderen, die nach uns Ausschau halten. "Da bist du ja", lacht Saliha. "Hier." Ich gebe Ramazan außer Puste den String wieder. Er grinst mich an. "Du bist die Beste." Ich drehe mich um, als ich Cans Anwesenheit spüre. "Was war das gerade eben?" Ich zucke mit den Schultern. "Alles hätte passieren können", säusele ich schlicht. "Was ist passiert?", fragt Malik. "Das Mädchen schreit einfach Vergewaltigung herum. Als ich aus der Gasse kam, haben mich voll viele schräg angeguckt", knurrt Can und fährt sich über das Gesicht, woraufhin alle anfangen zu Lachen.

"Warte ab, bald wird wirklich etwas passieren."

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