Kapitel 42
Dienstag, 7. März
Ich werde durch ein sanftes rütteln geweckt. "Nerv nicht!", brumme ich. Wieder einmal wird an mir gerüttelt. Mein Gott, was will der Typ jetzt? Ich will doch nur weiterschlafen! "Was?", fauche ich. "Wir sind da." Ouh, er wollte mich nur wecken. "Ouh", murmele ich kleinlaut und nehme meine Tasche, um auszusteigen. Um 02:34 Uhr kommen wir im Meininger Hotel an. Davor durften wir uns bei McDonalds etwas zu essen holen. Wir treten gespannt in unser Zimmer, kreischen bei der grau-weiße Einrichtung sofort los. Nicht, weil es hier sonderlich gut aussieht, sondern weil wir einfach froh sind, dass wir endlich hier sind. Es gibt ein Bett, was über dem Eingang liegt. Man kommt mit einer dunkelgrauen Holztreppe hoch. Dort werde ich auf jeden Fall schlafen. Jedenfalls gibt es noch zwei Hochbetten und eine Terrasse. Ich schmeiße mich direkt auf mein neues Bett und bemerke, wie meine Müdigkeit verflogen ist. "Oh mein Gott, wie geil!", staunt Saliha. Cathleen legt sich direkt auf das Bett, was Viyan ihr nachtut. Saliha kriegt das Einzelbett und Viyan schläft über Cathleen. Es klopft an der Tür, woraufhin ich Ramazan höre. "Hey, Nachbarn", trötet er nasal. Oh Gott, jetzt sind wir sogar Nachbarn! Can so nah an der Backe zu haben, war nicht mein Wunsch. "Shana, wo bist du?", trällert Ramazan. "Na?", begrüße ich ihn und schmunzele. "Die schlafen ja fast alle. Kommt ihr beide doch zu uns." Ich stimme zu, doch Cathleen meint, dass sie später nachkommt, da sie etwas mit ihrem Freund besprechen muss. Das heißt nichts Gutes.
*
"Warst du nicht gerade noch müde?", fragt mich Malik, als ich das Zimmer betrete. "Ja, aber die zwei Stunden haben mir irgendwie gereicht." Ich lege mich auf das unbenutzte Bett. "Was machen wir jetzt?", frage ich. "Wir rauchen Shisha." "Und was soll ich dann hier?" Ramazan weiß doch, dass ich nicht rauche. Außerdem reagiere ich oft sensibel auf den Rauch. "Wir werden ja nicht nur Shisha rauchen, sondern auch reden." Ramazan grinst komisch. Seine Lippen bilden eine Linie und zeigen nach oben. Irgendwann kommt Can mit einer fertig gebauten Shisha und legt sie auf den Boden. Ich bleibe solange auf dem Bett und decke mich ein. "Shana, setz dich doch zu uns", bietet Malik mir an. "Nein, lieber nicht. Ich will so fern wie möglich vom Rauch bleiben." "Aber guck mal, was man mit diesem Rauch machen kann." Manchmal denke ich, dass Ramazan echt etwas zurückgeblieben ist. Aber er ist süß. Diese Art passt zu ihm. Er macht mit dem Rauch Ringe und zeigt sie mir stolz. "Erzählt mal was." Ich will unterhalten werden. Jetzt fängt Ramazan an schelmisch zu grinsen. "Shana, auf was stehst du nochmal bei Männern? Nippel? Waren da nicht noch Peitschen dabei?" Och, nö. Ich murre verlegen. "Doch keine Peitschen, Gott! Dominanz heißt nicht gleich auspeitschen." "Also ich stehe total darauf gepeitscht zu werden. Can macht das sehr oft bei mir", schnurrt Ramazan und nimmt den Schlauch aus Cans Hand, um ihn dann langsam in seinem Mund zu führen. Ich lache, doch die Jungs beleidigen ihn. "Junge, wir wollen noch rauchen!" Malik schnalzt mit genervt mit seiner Zunge und reinigt das Mundstück.
Ich bemerke, dass ich wieder müde werde, doch das liegt nur daran, dass ich liege. Ich will aufstehen, aber das Bett ist zu gemütlich. "Ich habe gehört, wir gehen morgen in die Stadt?" Wenn das stimmt, muss ich erst gucken, wie das Wetter wird. Ohne das Wetter zu kennen, kann ich nicht raus. "Ja, wir dürfen shoppen", bestätigt Ramazan meine Aussage. Can ist total still. Vielleicht ist er müde. Als so großer Junge ist es sicherlich unbequem in einem so engen Bus. "Shana, warst du ehrlich noch nie verliebt?", fragt mich Malik plötzlich. Mich verdutzt die Frage. "Ich war es noch nie, wieso?" "Nur so", murmelt er leicht grinsend. Ich kann gar nicht anders, als dabei an Can zu denken. Das hat sicherlich irgendetwas damit zu tun. "Was habt ihr anfangs von mir gedacht?" Ich grinse. Ich muss es wissen. "Ich dachte, du hasst mich", schmollt Malik, woraufhin Ramazan ihm zustimmt. "Arroganz pur." Can antwortet zwar gelassen, aber es reizt mich trotzdem. "Eher ein sehr starkes Selbstbewusstsein", entgegne ich spöttisch. "Besserwisserisch." "Ich weiß es halt besser als du, Can." "Irgendwann bringe ich dir den Respekt bei, den du vor mir haben musst." Werden wir sehen! Ich lache auf. "Im Leben nicht", gähne ich. "Als ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich, dass du Ärger bedeutest." Ich erinnere mich an unser erstes Aufeinandertreffen. "Ich bin halt konsequent, so war anscheinend niemand vor mir." Keine Antwort. Stattdessen übernehmen Malik und Ramazan die Unterhaltung. Ich werde immer müder und bemerke gar nicht, wie ich einschlafe.
Irgendwann wache ich total erhitzt. Ich drehe mich einmal und bemerke, dass ich noch im Raum der Jungs bin. Oh Mann. Ich stehe langsam auf und bemerke erst beim zweiten Umschauen, dass Can im selben Bett liegt wie ich. Ouh ... das ist nie passiert! Wie viel Uhr haben wir? Ich suche im Raum nach einem Handy, um zu gucken wie viel Uhr wir haben. Auf Maliks Bett finde ich endlich eins. 05:05 Uhr. Ich hoffe, dass unser Raum nicht abgeschlossen ist. Ich schleiche mich heraus, atme erleichtert auf, als ich rein kann. Einer hat sie für mich offen gelassen. Schnell nehme ich mir Schminke aus Viyans Koffer und schleiche mich mit Eyeliner und Lippenstift bewaffnet zurück. Can wird jetzt einen Vorgeschmack meiner Drohung bekommen. Langsam und vorsichtig schreibe ich die Ansätze für Ich liebe Shana auf seine Stirn, bin kurz davor den letzten Buchstaben anzusetzen, als ich laut nach Luft japse. Can zieht mich ins Bett! Oh Gott! Ich quieke unterdrückt. Ich will die Jungs nicht wecken, wenn ich an seine nackte Brust gedrückt werde "Can, lass los!", flüstere ich hysterisch, bekommen aber nur ein Brummen als Antwort. "Ich weiß, dass du wach bist!", zische ich. Als Bestätigung drück er mich noch mehr an seine Brust. Wenn er provozieren will, dann provoziere ich eben zurück! Immerhin muss ich noch mein Meisterwerk vollenden.
Ich schaffe es, das letzte a aufzuschreiben, noch bevor mein Arm runtergedrückt wird. "Du störst mich", brummt er rau. "Nein, du störst mich." Nun öffnet er verwirrt die Augen. "Du liegst in meinem Bett." Bei dieser Antwort überfährt mich ein kleiner Schauer. Das muss er nicht noch einmal erwähnen. "Und du hältst mich gefangen", entgegne ich und will mich losreißen, doch er hält mich fest. "Wäre doch lustig, wenn die anderen sehen würden, wie süß wir kuscheln oder nicht, Shana?" Oh, Scheiße! Nein! "Nein!", wispere ich hysterisch, trete hektisch gegen seine Beine, halte aber sofort inne. Ich spüre seine Beinhaare. Nein, nein, er ist doch nicht in Boxershorts?! "Can?" Wieder brummt er. "Bist du nur mit einer Boxershorts bekleidet?" Jetzt lacht er leise. "Ja", raunt er mir zu. Oh mein Gott! Ich muss weg! Dieser Riese muss mich loslassen! "Can, bitte!", flehe ich. Ich würde vor Scham sterben, wenn mich die Jungs mit Can eingekuschelt im Bett sehen. "Nein." Ich rolle mich zu einer Kugel, um so wenig Körperkontakt wie möglich mit ihm zu haben. Trotzdem umschlingen seine Arme mich. "Bitte Can, lass mich gehen", flüstere ich ernst, bekomme aber keine Antwort. Ich seufze resigniert, schließe meine Augen. Das hat keinen Sinn mehr. Er wird mich nicht gehen lassen. "Denk bloß nicht, dass du mich irgendwie jetzt getestet hast." Wie soll man jetzt schlafen? Vielleicht schaffe ich es ja, solange wachzubleiben, bis er einschläft.
Ich werde durch ein Klopfen der Tür geweckt, stehe aber nicht auf. Soll doch Can aufstehen. Wieder klopft es. "Steh auf, Can!", schnauze ich müde und schlage nach hinten, treffe aber nur eine Wand. Wo ist er? Verwirrt drehe ich mich um und bemerke, dass ich in meinem Zimmer bin. Aber wie? Habe ich das alles nur geträumt? "Can also?", fragt Viyan grinsend auf dem Weg zur Tür, wo Herr Markus ihr sagt, dass wir um 08:30 Uhr frühstücken werden. Hoffentlich hat sie es vergessen ... nur kommt sie hoch zu mir wartet mit angezogenen Augenbrauen. Na toll. Ich fasse mich einfach kurz. Sofort quietscht sie auf und schlägt mir auf meinen Oberschenkel. "Du kleine Bitch! Sie schläft einfach mit Can!", redet sie sich ein. "Ich glaube dein Eyeliner und Lippenstift liegen noch dort", murmele ich in einem entschuldigenden Ton. "Scheiß mal darauf. Die waren eh nicht teuer, aber ihr beiden! Ihr werdet so viel erleben!", seufzt sie verträumt. Wir wecken die anderen und machen uns fürs Frühstück fertig. Heute sind es fünfzehn Grad, als entscheide ich mich für eine schwarze Lederjacke, ein beiges Oberteil und eine schwarze Hose. Meine Haare lasse ich offen in meinen Locken fallen. Ich laufe schon einmal vor, während die anderen sich schminken und mich wegen des gestrigen Geschehens aufziehen. Im gleichen Moment, indem ich das Zimmer verlasse, verlässt auch Aleyna ihr Zimmer.
Wir sind Nachbarn!? Es ist ja schon schlimm genug, dass Can mein Nachbar ist, aber Aleyna? Ernsthaft? Ich laufe mit unverhohlenem Ekel an ihr vorbei, bleibe aber dann stehen, als Malik mich ruft. Wenigstens habe ich jetzt einen Begleiter. "Hast du gut geschlafen?" Wenn man bedenkt, dass Can bei einem war? "Es hätte besser sein können", murmele ich geniert. Ich will ihn nicht zu lange anschauen, weshalb ich den Blick abwende und mir verlegen über meine Wange fahre. "Wie hast du es geschafft, Can anzumalen? Er kriegt das Ich liebe Shana gar nicht weggewaschen. Er hat eigentlich einen leichten Schlaf." Wenn ich das nur bedacht hätte, wäre mir so einiges erspart geblieben. "Beim Schreiben gab es einige Komplikationen, aber irgendwie habe ich es hingekriegt, ohne geschlagen zu werden von ihm." Er zieht lachend die Augenbrauen zusammen. "Er würde dich doch niemals schlagen." Wir betreten die Frühstückshalle. An den großen Tischen können jeweils immer zehn Personen sitzen. "Setzt ihr euch zu uns?", fragt mich Malik, was ich mit einem Nicken bestätige.
Nach zehn Minuten kommen auch die anderen. Ich schiele heimlich zu Can und sehe noch leichte Spuren des Eyeliners, schmunzele deshalb triumphierend. In der Halle hört man Gequatsche von unseren Mitschülern. Auch wir sind nicht leise, bis Aleyna und ihre Freundinnen sich zu uns setzten. Ich schaue entsetzt in die Runde. Was suchen die jetzt hier? "Was wird das?", fragt Viyan patzig. "Wir wollen uns setzten. Sieht man das nicht?", kommt es arrogant von Aleyna. Was redet sie so mit ihr? Ihre Freundinnen reden nie mit. Sie sind einfach nur Deko. "Sieht man nicht, dass wir das nicht wollen?", frage ich bissig und zeige auf alle, die hier sitzen. "Ich hab nichts dagegen, dass Aleyna mit ihren Mädchen hier sitzt." Hat Can das jetzt wirklich gesagt? Ich schaue ihn fassungslos an, bemerke, wie Malik Can unter dem Tisch tritt und wie Ramazan anfängt zu husten. Meine Freundinnen flüstern sich gegenseitig Sachen zu, doch ich versuche gerade zu realisieren, dass Can und Aleyna jetzt gegen mich arbeiten. Mir wird warm deshalb. Dieser kleine, dreckige Wichser. Ich schlucke kurz und räuspere mich. "Dann könnt ihr beide jetzt gehen." "Hä? Dich stört es, also geh du!" Meine Wut steigt immer weiter hoch, je mehr ich ihrer verstellt hohen Stimme erleiden muss. "Wieso soll ich jetzt gehen?!", zische ich und will weiterreden, doch Saliha kommt mir zu vor.
"Bist du dumm? Wir waren zuerst hier. Außerdem wollen wir alle nicht, dass ihr Schabracken hier seid." Als Unterstützung kriegt sie von uns Mädchen und Ramazan ein zustimmendes Summen und zwei arrogante Kopfnicker. Mich macht es rasend, dass Can sich auf ihre Seite stellt. Ich bin verdammt sauer deshalb, aber ich will es nicht sein. Mir ist doch klar, dass er sie benutzt. Ich muss mich beruhigen. Ich sollte viel lieber ihr entsetztes Schnappen nach Luft und ihr ergebenes Aufstehen genießen. "Kommst du?" Sie schaut abwartend zu Can. Er schaut zu ihr auf und sieht sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Geh doch, du elendiger Riese. "Nein." Ich weiß nicht, ob es mich erleichtert oder ob ich will, dass er geht. Aleyna ist fassungslos und ich ergötze mich daran. "Aber ... aber-," "Ich habe gesagt, dass es mir nichts ausmacht, wenn ihr hierbleiben würdet, aber niemals würde ich mit euch irgendwo hingehen", erwidert er wie gewohnt voller Arroganz. Ihm ist sein Brötchen gerade auch wichtiger als Aleyna, die entsetzt abhaut. Ich grinse verstohlen.
Trotzdem bleibt Can ein Wichser.
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*Die Bilder sind wirklich aus dem Meininger Hotel und dienen zur Verdeutlichung, wurden aber für die Geschichte etwas umgeändert.
-Helo
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