Kapitel 40

Wirklich geschlafen habe ich nicht, sondern eher ausgeruht. Nach gefühlten zwei Stunden setze ich mich wieder auf. "Sind wir schon da?", murmele ich mit geschlossenen Augen und packe an die Brust meines Nachbars, ziehe sie aber sofort wieder weg, als ich bemerke, dass es nicht Viyans. Ich muss mir dieses Tun abgewöhnen, bevor es mir zum Verhängnis wird. "Nein, wir sind gerade mal eine halbe Stunde unterwegs", erwidert Can amüsiert. Wow, er kann normal antworten und sogar dabei lachen. Ich strecke mich etwas und will meine Beine von Cans Schoß runternehmen, doch er zieht sie wieder hoch. "Wieso?", frage ich. "Darum." Ich brauche Essen. Ich ziehe meine Tasche auf meinen Schoß und hole eine Dose Pringles raus. Ich will essen, aber ich bin noch müde. "Willst du?" Seufzend halte ich die Dose vor Can, weil ich einfach zu faul bin die Dose zu öffnen. "Du hast keine Lust die Dose aufzumachen, stimmst?" Wie? "Stimmt gar nicht." Woher weiß er das? Er öffnet die Dose und hält mir sogar einen kleinen Stapel an Chips hin. Can kann nett sein. Wow. Dankend nehme ich sie an und sehe, wie Can die Dose wieder in meine Tasche tut, ohne sich welche rausgenommen zu haben. Wow, das ist ja übertrieben nett von Can. "Wieso nimmst du dir keine raus?" "Weil ich keinen Hunger habe." "Iss jetzt ein paar." Dabei halte ich ihm ein paar Chips vor dem Mund, doch er will es immer noch nicht essen, also drücke ich die Chips gewalttätig gegen seine Lippen, bis er sie endlich öffnet.

"Geht doch", summe ich zufrieden. Jetzt müsste seine Erektion aber weg sein. Obwohl? Es kann auch mehr als eine Stunde anhalten. Was Malik und Viyan machen? Unauffällig drehe ich mich nach hinten und sehe, wie beide lachen. Das ist doch gut. Ramazan und seine angebliche Freundin schlafen. Cathleen und Saliha hören beide Musik. Na toll. Keiner von ihnen wird mit mir reden, da sie wollen, dass ich mit meinem Ehemann Can rede. Ich schaue nun zu Can, der nachdenklich auf meine Beine guckt. Habe ich da einen Fleck? Dass er seinen Blick eindringlich zu mir wendet, erwarte ich nicht und zucke deshalb sogar, wenn auch minimal, zusammen. Wir beide sprechen kein Wort. Man hört nur die Stimmen der anderen um uns herum. Wieso schaut er so? Wieso erschaudere ich deshalb? "Ist dir kalt?" "Nein", murmele ich. Sein Blick ist nur so ... fesselnd. "Doch, ist dir." Wieso steht er jetzt auf? Nicht draufgucken gucken, nicht auf die Jogginghose gucken! Komischerweise ist genau jetzt der Verkehr holprig, sodass Can genau vor mir stehen bleibt und sich an meiner Kopflehne abstützen muss. Und genau jetzt muss der Bus anfangen zu wackeln. Seit wann hat Deutschland solche Straßen? Sonst gab es nie sowas! Ich schaue zur Seite, um der Gefahr auszuweichen, auf seine geschwollene Vorderseite schielen zu müssen. Und ausgerechnet jetzt macht der Bus eine starke Bremsung, sodass Can mir noch näherkommt. Ich presse Augen und Lippen sogar zusammen, in der Hoffnung, dieser unangenehmen Situation zu entkommen.

Sein Lachen erweckt meine Aufmerksamkeit. Ich erwidere finster dreinblickend sein Grinsen. Cans fülligen Lippen spitzen sich für einen Kuss. Sofort packe ich seinen Kiefer und drehe ihn nach links zum Ausgang. "Geh. Kein einziges. Wort!", warne ich ihn angespannt. Doch er möchte mich gar nicht ernstnehmen und schmunzelt nur. "Wie du willst." Wenigstens hält er sich an meinen Befehl und verschwindet ohne weitere Neckereien. Ich seufze. Diese Fahrt wird sicherlich noch nervenaufreibender und das bestätigt sich auch, als Can wiederkommt und sich absichtlich langsam zu seinem Sitz gleiten lässt. Idiot, das geht auch schneller! "Hier." Ich kriege seine Lederjacke auf den Schoß geworfen. "Was soll ich damit?" Ich hebe mit Zeigefinger und Daumen den Stoff an, verziehe ohne Grund angeekelt das Gesicht. "Anziehen." Wer weiß, wo die alles schon war. "Wieso sollte ich?" Er dreht sich seitlich zu mir. "Weil dir kalt ist." Ouh! Wie nett. Wow. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich dachte, er lässt wieder den Macho raushängen und will, dass ich die Jacke falte oder später bügele. "Mir ist nicht kalt", murmele ich leicht überrumpelt von seiner plötzlichen Freundlichkeit. Can schnalzt genervt mit seiner Zunge. "Doch und jetzt zieh sie an!" Und schon ist seine Freundlichkeit verflogen. Muss er direkt so barsch werden, nur weil ich es nicht will? Ich schmeiße Can schnaubend die Jacke auf den Schoß und drehe ihm beleidigt den Rücken zu, nur um dann wieder seine Lederjacke an mir zu spüren und seine Kontaktfreudigkeit wieder erleiden zu müssen. "Lass los!", flüstere ich hysterisch, als sich seine Arme fest um meinen Bauch schlingen. Gott, wieso kriege ich jetzt eine Gänsehaut? "Nein." "Komm schon!" Ich versuche mich unter seinen Armen zu bewegen, was nicht viel bringt, außer unnötigen Körperkontakt. "Nein." Ich knurre frustriert. "Can, ich will nicht, dass du eine neue Erektion bekommst!", zische ich leise. Vielleicht lässt er jetzt los, doch stattdessen höre ich ihn lachen. "Da ich dich jetzt spüre, geht die Erste nicht weg. Tut mir leid", flüstert er mir ins Ohr. Oh. Mein. Gott! Mein Mund steht offen und meine Augen weiten. Das hat er nicht gesagt! Was ... was für ein unverschämter Riese!

Natürlich muss auch genau jetzt Cathleen in diesem Moment zu uns gucken und dreckig grinsen. Im nächsten Moment schießt sie mit ihrem Handy Fotos von uns. "Kannst du nichts mehr sagen?", raunt mir Can plötzlich zu, weswegen ich zusammenzucke. Ich will ihn abstechen! "Du bist nichts als ein perverser Riese!" "Besser als rot wie eine Tomate zu sein." Er soll aufhören, mir alles zuzuflüstern! Das kitzelt! "Flüstere nicht!", zische ich. Natürlich sind jetzt seine Lippen wie angeklebt an meinem rechten Ohr. Ich kann sogar sein Grinsen spüren kann. "Wieso denn?" Denk nicht, ich falle darauf rein! Ich muss mir was einfallen lassen. "Du hast Mundgeruch." Jetzt fängt er laut an zu lachen. Toll gemacht. Da er mich plötzlich so lustig findet, muss ich die Bewegungen, die seine Brust beim Lachen macht, leidend hinnehmen. "Kleines, wir beide wissen, dass ich nach Minze rieche." Da hat er recht, Idiot! "Das denkst du vielleicht, und jetzt lass mich los!" Ich rüttele wieder an uns, aber außer Kraft zu verschwenden, erziele ich keinen Erfolg. Kneifen kann ich ihn auch nicht, weil meine Arme unter seinen Armen festgeschnürt sind. Jetzt legt dieser Idiot seinen Kopf auf meinem Kopf ab und lehnt sich mit mir zurück. Ich will mich wieder nach vorne beugen, aber nein! Ein testosterongesteuerter Junge hält mich fest. "Beweg dich nicht, ich will schlafen." "Dann schlaf ohne mich!" Ist das etwa so schwer für ihn? "Psht, nein", murmelt Can.

"Shana", höre ich Saliha flöten. Ich will einfach nur die Plätze tauschen. Das ist so peinlich. Wäre das einer meiner Träume, würde es mir gefallen. Es ist aber Can und das ist nicht schön. Ein übertreibendes Husten holt mich aus meinen Gedanken raus. Das von Viyan, die mich pervers grinsend anschaut. "Kümmere du dich um deinen Malik!", fauche ich leise, weswegen sie und Can leise lachen. "Und du! Lach nicht!", sage ich bissig zu Can. "Stimmt, wir können auch noch andere Sachen machen", raunt er mir mit seiner rauen Stimme zu. Ich könnte durchdrehen, weil ich mich nicht durchsetzen kann! "Halt. Deine. Schnauze!" Ich atme einmal tief ein und aus. Vielleicht muss ich eine andere Strategie anwenden. "Can?", frage ich ganz nett. "Mh?" "Lässt du mich los?" Als Antwort kriege ich nur zwei Arme, die sich noch fester um mich binden. Ich stöhne genervt auf, zu seinem Vergnügen anscheinend. "So weit sind wir noch nicht gekommen." Dieser widerliche Riese! Nach gefühlten fünf Minuten, in denen ich Can die ganze Zeit frage, ob er jetzt endlich loslässt und er stets mit einem Nein antwortet, während Cathleen und Saliha die ganze Zeit zu uns gucken, uns aufnehmen und dabei essen, als wären sie im Kino, kommt Aleyna zu uns. Na toll! Noch eine Clownsgestalt!

"Ähm, Can?" Ihr angewiderter Blick amüsiert mich. Plötzlich gefällt es mir, dass Can mich umschlungen hat. Sie kriegt nur ein Brummen als Antwort zurück. "Kannst du dich nach hinten zu uns setzten? Das ist voll lustig hinten, wir haben Musik angemacht", fragt Aleyna hoffnungsvoll. Irgendwie tut mir Aleyna leid. Sie ist so peinlich verzweifelt. Die Musik, die sie anmachen ist scheußlich. Als würde ich an einer Shisha-Bar vorbeilaufen. Ich mache mich schon mal bereit, um aufzustehen, damit Can gehen kann, doch werde ein weiteres Mal zurückgezogen. "Nein, jetzt geh. Ich will schlafen", murmelt er. Ich ziehe leise die Luft ein, als er sich in meine Halsbeuge kuschelt. Sein Atem kitzelt mich und ab und zu streifen seine Lippen meinen Nacken. Oh Gott. Das waren wirklich seine Lippen! Ich kann mich deshalb nicht einmal mehr auf die entsetzte Aleyna konzentrieren, die beleidigt zurückläuft. Ich hoffe einfach, dass die Jungs das nicht sehen. Ich versuche durch die Lücke der Sitze zu gucken, ob Ramazan noch schläft, was er zum Glück tut. Malik ist immer noch mit Viyan beschäftigt. Wieso ist Can nicht zu Aleyna gegangen? Wieso will er hier bei mir bleiben? Und die entscheidende Frage: Ist seine Erektion jetzt weg oder nicht? Ich schaue auf mein Handy und sehe, dass wir schon seit über zwei Stunden unterwegs sind. Ich will mich entspannen oder irgendwie ablenken, aber meinen lieben Freundinnen gefällt es, mich alleine mit Can zu lassen und mich auszulachen.

'Ihr Idioten, unterhaltet mich!'

'Du hast Can. Er kann dich auf einer ganz bestimmten Art und Weise unterhalten', schreibt Cathleen, die drei Mondgesichts-Emojis und zwei Kakteen hinzufügt.

'Soll ich die Bilder schicken? Cathleen hat sogar Videos!', bietet mir Saliha an, was ich aber ablehne. Für so einen arroganten Großklotz will ich mein Datenvolumen nicht verschwenden.

Danach antworten die beiden Hexen mir nicht mehr, weil sie wollen, dass ich Zeit mit Can verbringe. Immer wieder spüre ich, wie seine Lippen meine Haut streifen. Ich hoffe, er bemerkt es nicht, wenn ich erschaudere. Ob er das wohl mit Absicht macht? "Can?" Ich kriege keine Antwort. "Can?" Wieder keine Antwort. Ich gucke, ob seine Arme noch fest um mich geschlungen sind, was nicht der Fall ist, also befreie ich mich aus seiner Umklammerung. Ich nehme vorsichtig seinen Kopf von meinem Nacken weg, als sich plötzlich seine gelben Augen öffnen und ich deshalb erschrocken kreischen muss. Wie leicht ist sein Schlaf? Ich lasse sofort los, schmeiße seine Jacke auf ihn, damit er sie als Decke benutzen kann. "Kannst mir auch einen Gutenachtkuss geben." "Mach die Augen und den Mund gleich mit zu!" Wenigstens lässt er es sich nicht zweimal sagen, auch wenn ich mir so sicher bin, dass statt seines Grinsens ein perverser Spruch hätte kommen können. Wenigstens habe ich endlich jetzt eine Pause von ihm! Und was jetzt? Er war meine einzige Unterhaltungsquelle. Ich schaue ihn mir genau an. Er hat eine Narbe über seiner linken Augenbraue. Seine langen, dichten Wimpern sind beneidenswert. Wenn er studiert, wird er ein sehr markantes Gesicht haben. Wenn ich einen Lipgloss in der Farbe seiner Lippen finden würde, dann würde ich ihn mir kaufen.

Dann, wenn du es am wenigsten erwartest, werde ich dich Testen, meine Liebe. Meine Augen weiten sich. Ich Idiot! Wieso ist mir das nicht früher eingefallen?! Aber ich habe mich ja nicht darauf eingelassen, sondern habe versucht mich zu wehren. Trotzdem, Scheiße! Jetzt ist die Wut wieder da. Dieser elendige, arrogante Arsch! Ich schlage wutentbrannt auf seinen Schenkel, weswegen er sofort erwacht. "Wofür war das?!", herrscht er mich an. "Halt deine Schnauze!" Er mahlt seinen Kiefer. Ich habe keine Lust mehr auf seine Anwesenheit. Zum Glück macht der Busfahrer eine zwanzig minütige Pause. Ich will weg von ihm. Ich stehe auf, um zu meinen Freunden zu laufen, werde aber von Can am Arm gezogen. "Wir klären das jetzt." Sein Ton duldet keine Widerrede, nur Schade, dass ich gerne widerspreche. Du kannst mich mal, Can! "Nein." Ich will weiter zu Cathleen und Saliha laufen, werde aber von Can an den Kniekehlen gepackt und raus transportiert.

"Ich hoffe deine Arme brechen."
"Ich hoffe deine Beine brechen."
"Ich hoffe du kugelst dir was aus."
"Ich hoffe du kriegst keine Luft mehr."
"Ich hoffe du wirst gleich ohnmächtig."
"Ich hoffe du kriegst einen Muskelkater."

All das schmeiße ich ihm an seinen Kopf, während er mich irgendwo hinträgt, wo niemand ist. "Mag zwar sein, dass du besessen von mir bist, aber das heißt noch lange nicht, dass ich mich dir hingebe", sage ich übermütig. Damit provoziere ich ihn. Ich sehe ihm an, dass er sich zusammenreißt. "Was bringt-," "Sei leise!", brüllt er. Ich breche in Gelächter aus. Es ist einfach zu witzig, jemanden zum Ausrasten zubringen. Aber ich fange mich schnell wieder, als er mich absetzt und erwidere seinen ausdruckslosen Blick.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top