Kapitel 33

Es klingelt, während ich an meinen Freunden vorbeilaufe. Saliha schaut mich komisch an. Am Ende werden sie es eh alle wissen. Also brauche ich es jetzt nicht zu erzählen. Ich habe auch nicht wirklich die Lust dazu es zu tun. Dieser Junge ist ein so gestörtes Arschloch! "Was meinte er?", fragt Malik. "Er denkt, dass wir ficken", sage ich trocken und laufe stur an ihnen vorbei in das Gebäude. Aber ich kenne den Weg nicht. Ich laufe also zurück und höre, wie Malik und Ramazan Can anschreien. Ich verstecke mich hinter der Säule. Selbst wenn sie mich nicht sehen tue ich es, irrelevant aber egal. Das erinnert mich an die Abschlussfahrt, wo meine Freundin mit ihren Freund - der übrigens mal in mich verliebt war - Schluss gemacht hat und ich nicht dabei sein sollte, also habe ich mich hinterhergeschlichen und mich hinter einer Hecke versteckt. "Wieso erzählst du sowas?", ruft Ramazan, er scheint wohl etwas sauer zu sein. Ich finde es total süß, dass sie sich für mich einsetzten, obwohl sie selber solche Player sind. Can sagt etwas, was ich jedoch nicht verstehe, da er zu leise redet. Rede doch lauter, du Esel! "Trotzdem kannst du sowas nicht sagen!", kommt es jetzt von Malik. Can sieht sehr angespannt aus, er versucht seine Körperspannung zu entspannen, aber sein Kiefer verkrampft sich und seine linke Faust ballt sich und sie zittert sehr stark. Wow, wieso zittert sie so heftig? "SCHNAUZE HALTEN!", brüllt Can sehr laut, weswegen ihn viele angucken. Er guckt sie alle finster an, weswegen die Schüler ihre Blicke senken, und begibt sich auf dem Weg zum Matheunterricht.

Ich muss schnell weg, sonst sieht er, dass ich zugeschaut habe. Ich entferne mich schnell von der grauen Säule. Ich konnte auch einfach Cathleen oder so Fragen, die sitzen ja immer noch auf der Bank und tuscheln. Schnell laufe ich in das Gebäude rein, wo viele andere reinlaufen und warte, bis meine Freunde kommen. Solange wippe ich mit meinem linken Bein. "Was ist passiert?", frage ich Viyan, als sie und die anderen beiden Mädchen mich endlich erreicht haben. "Also Malik und Ramazan meinten halt was das soll, warum er sowas behauptet, dann meinte Can, dass du dann nicht so ein großes Geheimnis daraus hättest machen sollen, dann meinte Ramazan, dass es trotzdem kein Grund ist sowas zu behaupten, weswegen Can richtig aggressiv geworden ist", fasst Viyan zusammen. Ich verdrehe die Augen. Was interessiert ihn das? Warum macht er sich so einen Kopf drum? Dann denkt er noch an sowas. Er ist doch derjenige, der herum fickt und nicht ich. Wieso versteht der Idiot das nicht? Arschloch. "Da steckt etwas anderes dahinter", murmele ich. "Wie kommst du darauf?", fragt Saliha. "Niemals würde ein Junge, der mich nicht mag, so etwas abziehen", beantworte ich ihre Frage und laufe dabei zum Mathekurs. Ob ich eine Wette bin? Ja! Er und Cihan haben bestimmt eine Wette am Laufen, wer mich zuerst kriegt! Aber ob Can deswegen so weit gehen würde und ihn zweimal blutig schlägt, nur um zu gewinnen? Außerdem sind es doch Feinde. Sie können auch nicht so getan haben, als ob sie Feinde wären, da Ramazan und Malik Cihan auch nicht mögen. Ob sie auch dahinterstecken? Nein, das kann nicht sein, sonst würden sie Can ja nicht anschreien. Sie hätten mich bestimmt vorgewarnt.

Nach Mathe und Philosophie, wo das Thema Liebe und Vertrauen lautet, laufen Malik und ich zur Haltestelle, um zur Stadtbibliothek zu fahren. Die letzten beiden Stunden sind ausgefallen. Irgendwie ist es komisch alleine mit Malik zu sein. Ich glaube die Schüchternheit kommt wieder hoch. Ich hoffe, ich kriege ein paar Wörter raus. "Was ist los?", fragt er mich, als wir die Bibliothek betreten. "Nichts, was soll sein?", stelle ich die Gegenfrage. "Du bist so still." "Das ist normal bei mir", antworte ich schlicht. Wir setzen uns hin. Malik gegenüber mir. "Jetzt sag, was du hast." "Ich habe wirklich nichts." "Doch, sonst wärst du niemals so still." Ich seufze einmal tief. "Ich finde es einfach nur komisch, dass ich mit einem Jungen in der Bibliothek bin. Vor allem, wenn es der beste Freund meines Feindes ist", sage ich wahrheitsgemäß. "Du findest es komisch mit mir hier zu sein?" Dabei zieht er fragend eine Augenbraue hoch. "Ja, ich bin sowas nicht gewohnt", gebe ich schulterzuckend von mir. "Ich verstehe nicht, wie Can sowas von dir behaupten kann", murmelt er. Was meint er? "Was meinst du?" "Er sagt, dass du wie die anderen bist. Du verstellst dich angeblich." Das hat er nicht gesagt! "Wie kommt dieser Esel drauf, wenn er mich nicht wirklich kennt?", zische ich. "Das weiß ich auch nicht, aber egal jetzt, das ist nicht von Relevanz. Lass uns mal lieber über dein massives Matheproblem reden", wechselt er ruhig das Thema und schmunzelt. "Lachst du mich etwa wegen meiner Mathekenntnisse aus?", möchte ich schmollend wissen. "Nein, nein." Er lächelt und holt seine Mathenotizen raus. Er lacht mich aus.

"Guck, du musst erst die Funktion ableiten", fängt er an, doch ich verstehe kein Wort. "Du kannst direkt nochmal von vorne anfangen und diesmal auch so, dass ich es verstehe", sage ich, nachdem er es mir versucht hat zu erklären. Er lacht kurz auf und fängt dann noch einmal an. "Malik, ich möchte dir mal kurz sagen, dass du viel Geduld und Durchhaltevermögen brauchst, um mir diese Scheiße zu erklären, denn ich kann und werde niemals Mathe können." Das ist einfach Fakt. "Das kriegen wir schon hin." Er lächelt. Wie süß. Ich muss mich an das erste Mal erinnern, wo Malik und ich vor der Sporthalle waren. Wie ich ihn verabscheut habe, weil er neben mir geraucht hat. Ich muss wegen der alten Erinnerungen lachen. "Wieso lachst du?" Er verliert sein warmes Lächeln nicht. "Ich musst an unser erstes Mal denken." Was habe ich da gerade gesagt? Sofort weiten sich meine Augen, während mein Mund leicht offen steht. Er guckt mich schelmisch an, weswegen ich die Hände vor dem Gesicht palmiere. Gott, wieso kann ich mich nicht präziser artikulieren? "Unser erstes Mal? Scheint wohl schön gewesen zu sein, wenn du daran denkst und lächeln musst", neckt er mich. Mir wird warm, weil ich mir Malik ohne T-Shirt vorstelle, huch! "Nein, nein. Ich musste daran denken, als du vor der Sporthalle neben mir geraucht hast und ich deswegen ein wenig ausgerastet bin. Und jetzt sitzen wir hier und du erklärst mir Mathe mit diesem warmen Lächeln. Das ist alles", rattere ich runter und murmele den Teil mit dem warmen Lächeln. "Mein warmes Lächeln, also", neckt er mich wieder und zieht schalkhaft die Augenbraue hoch. Wieso erwähne ich das? Ich brumme geniert vor mich hin und verdränge die sich wiederholende Wärmewelle auf meinem Rücken. Beim dritten Mal erklärt er es langsamer und auch so, dass auch ich es verstehe - also in der Kindersprache. "Hast du es diesmal verstanden?" "Ich glaube schon. Gib mir eine Aufgabe."

Er holt eine Aufgabe aus dem Buch und schreibt sie für mich auf. Ich löse sie und frage, ob es richtig ist, was er bestätigt. Sofort lässt mein Gehirn Dopamin frei. "Oh mein Gott, ich kann es!", sage ich fröhlich und klatsche in die Hände, bin aber wieder still, da wir in einer Bücherei sind. "Löse noch eine Aufgabe, die ist aber ein bisschen schwerer", meint er. "Pff, das schaffe ich. Ich bin schon besser als du", gebe ich hochmütig von mir, weswegen er lachend den Kopf schütteln tut. Auch diese Aufgabe habe ich richtig gelöst. "Ich werde Mathe studieren", sage ich stolz. "Gut, dann erledige diese Aufgabe." Er schmunzelt und zeigt auf eine Aufgabe, die einer Fusion aus einem Kreuzworträtsel, Lückentext und Mathe ähnelt. Ich schaue ihn geschockt und entgeistert an. "Was. Ist. Das?", frage ich ruhig und tippe zu jedem Wort, das meinen Mund verlässt, auf die Aufgabe. Das ist doch kein Mathe mehr. Diese Aufgabe erklärt er mir mindestens fünfmal, selbst dann verstehe ich es nicht. "Ich habe keine Lust mehr", stoße ich patzig hervor. Was ist das für eine gottverdammte Scheiße? "Komm, noch einmal und wenn du es diesmal nicht verstehst machen wir nächste Woche weiter, okay?", schlägt er vor. Ich atme einmal tief durch. "Okay." Dieses Mal habe ich es ein kleines bisschen verstanden, trotzdem habe ich den Unterricht für heute beendet. "Ich habe keine Lust mehr, nö. Ich bringe mich einfach um. Was für Studieren? Was habe ich mir dabei gedacht? Natürlich wird mir Mathe mein Leben zerstören. Was suchen Buchstaben in Mathe?!", lasse ich frustriert raus - sowohl verbal, als auch nonverbal -, nachdem wir die Bibliothek verlassen haben. "Du bist so pessimistisch. Denkt doch mal ein wenig positiv. Du bist gerade in der Oberstufe, das schafft nicht jeder." Er benutzt wieder diese sanfte Tonlage, die so gar nicht zu ihm passt. Aber er hat recht, das schafft nicht jeder. "Trotzdem", murre ich. "Lass uns mal kurz hier hin", sagt er und zeigt auf die Shisha-Bar. Sehr kontrastiv - meines Erachtens -, wenn man die Bibliothek gegenüber bedenkt. "Was wollen wir, beziehungsweise willst du da?" Ich will nicht mit einem Jungen, aka. Player gesehen werden, der zu einer Shisha-Bar geht. Das wäre ein typisches Klischee für ein Mädchen, das leicht zu kriegen ist. Ich lese den Namen der Bar. Orange Shisha Lounge. Oh nein! Niemals gehe ich da rein!

"Malik ich komme nicht mit!", flüstere ich panisch, weswegen er mich verwirrt anguckt. "Wieso? Was ist los?" "Mein Bruder ist da möglicherweise drinnen und wenn er es nicht ist, dann mein Cousin oder die Freunde meines Bruders. Das riskiere ich nicht, sonst bin ich tot!", erkläre ich ihm meine Situation. "Ich wollte eh nur in die Ecke, um zu rauchen, da sieht uns keiner", versichert er mir. Widerwillig gehe ich mit. Er geht direkt über die Straße, während ich brav warte, bis die Ampel grün wird. Wenn ich über Straßen laufe, dann kriege ich Panik und renne, auch wenn das Auto mehrere Meter entfernt ist. Beim Laufen ziehe ich mir meine graue Kapuze über und schaue öfters flüchtig nach links und rechts, nur als Sicherheitsmaßnahme. Man weiß ja nie, wer sich hier so herumtreibt. Als auch ich am Ziel angelange, hat Malik seine Zigarette schon angezündet. Ich gucke immer noch, ob jemand in diese Ecke kommt, aber zum Glück kommt keiner. "Für eine Zigarette mussten wir hier hin kommen? Außerdem sind Zigaretten schädlich. Sie verursachen Thrombosen, Schlaganfälle und sogar den Tod", tadele ich ihn. Er konnte ja auch vor der Bücherei rauchen oder gar nicht. Wenn er so weiter macht kriegt er noch Falten. Er hat doch so ein schönes Gesicht. Er ist so blass für einen Afghanen. Diese Augen! Schwarze Jacke, darunter ein schwarzes T-Shirt in diesem Wetter? Schwarze Hose, Nike W Air Presto in grau - sehr eintönig. Breite Statur, wie Ramazan und Can. Die drei sind eigentlich sehr gleich. Alle drei sind gut gebaut, haben wunderschöne Augen und sind... attraktiv? Hässlich sind sie nicht, das kann ich nicht leugnen, aber es ist komisch, sie gutaussehend zu nennen, da sie irgendwie meine Freunde sind, außer Can natürlich. Er sieht auch gut aus. Nein, er hat nur eine schöne Augenfarbe. Du würdest seinen Körper am liebsten ablecken. Bevor er antworten kann, hören wir Geschrei. Zwei Jungs schreien sich an. Natürlich renne ich sofort zu dem Geschehnis, da ich ebenfalls die Neugierde in Person bin. Ich schaue unauffällig um die Ecke und sehe...

Ich sehe, wie sich Can und Cihan anschreien.

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