Kapitel 110
Montag, 13. Mai
Ich laufe fröhlich auf dem Schulhof herum, da ich doch einen NC von 1,0 erhalten habe und keinen von 1,1. Ich könnte die ganze Welt umarmen! Nichts könnte mich traurig machen. Wirklich nichts! Das Wartesemester kann ich komplett vergessen und komme dem Studium näher. Mein Leben könnte gerade nicht perfekter sein. Mein Blick gleitet zu den Bäumen und dann zum Tor, wo Can steht und mir zuwinkt. "Komm her!", sagt er mit einem Lächeln, welches ich sofort erwidere. "Ich komme!", ruft plötzlich eine Stimme im Hintergrund, die von Elif. Er meinte nicht dich. Sie rennt auf Can zu und springt ihn an. Lachend umarmt er sie und gibt ihr dann schließlich einen langen Kuss auf den Mund. Wieso? Ich kann mich nicht bewegen, ich bin wie angewurzelt. Ich will wegschauen, doch kann es nicht. "Ich bin so froh, dich zu haben", gibt Can verliebt von sich und schaut dann in mein verletztes Gesicht. "Hätten wir diese Wette nicht gehabt, wäre ich jetzt nicht glücklich, Shana. Freust du dich denn nicht für uns?", fragt er mich lächelnd. Meine Augenbrauen ziehen sich verwirrt zusammen. Wieso sagt er das vor Elif? Weiß Elif etwa Bescheid und hat es Can verziehen? Ich schaue verletzt, doch fühle mich nicht so. Ich fühle nichts. Es ist mehr eine Verwirrtheit in mir. "Ich-," Ich werde von Elif unterbrochen. "Ist doch egal, was sie denkt", gibt sie arrogant von sich und schaut mich missbilligend an, weswegen sich Wut anhäuft. "Wer hat mit dir geredet?", zische ich. "Das ist egal, denn Can liebt mich", sagt sie und fängt an zu lachen. Ich will auf sie zu gehen, meine Wut an ihr auslassen, doch kann mich nicht bewegen. Wieso zum Teufel kann ich mich nicht bewegen?! "Gott, sie dachte, du empfindest etwas für sie. Als ob du Gefühle für so ein Mädchen haben könntest." Can fängt ebenfalls an zu lachen, was mir meinen Brustkorb beben lässt. Wieso hintergeht er mich? Elif kichert wie eine dreckige Hexe und küsst Can am Hals. Was ist hier los? "Dachtest du ernsthaft, dass da etwas zwischen uns läuft?", gibt er plötzlich kalt von sich. Meine Brust bebt vor Wut. Wie kann er nur so etwas sagen? Wie kann er es nur wagen? "Du verfluchtes Arschloch! Wie kannst du so eine Schlampe mir vorziehen?", brülle ich und kann mich endlich wieder bewegen. Bestimmt nur eine Schockstarre. Can lässt Elif los, die erschrocken nach Luft japst. "Nenn sie nie wieder so!", zischt er. "Sie ist aber eine Schlampe", gebe ich provokant von mir und zeige auf dieses Miststück. "Sei leise! Beleidige Elif nicht!", bellt er. "Ach! Bist du jetzt etwa wieder auf ihrer Seite?" Zwischen seinen zusammengezogenen Augenbrauen bildet sich eine Zornfalte. "Was soll das heißen?", will er wissen. "Stell dich nicht so dumm an, Can. Erst stehst du auf ihrer Seite, weil du zu ignorant bist, um zu erkennen, dass sie daran Schuld ist und dann, wenn dein verdammtes Gehirn realisiert, dass dieses Weib die Schuld trägt, kommst du zu mir. Du bist das ignoranteste Stück Scheiße, das ich je in meinem Leben gesehen habe!", brülle ich am Ende und werde gegen eine Wand geschubst. "Nimm das zurück!", knurrt er, was mir Unbehagen bereitet, doch ich kann nicht aufhören die Wahrheit zusagen. "Ihr seid beides lächerliche Missgestalten, Can. Zwei Huren haben sich anscheinend gefunden. Geht das doch feiern?" Cans Blick sagt mir, dass er vor Wut kocht, doch genau das spornt mich an, weiter zu machen. Seine Ader pocht und sticht so sehr stark heraus. "Hör auf!", bellt er, was ich ignoriere, auch wenn er mich gerade wieder an den Tag vor der Sporthalle erinnert. "Vergiss es! Geh doch wieder zurück zu deiner schlampigen Freundin, vögele sie und nimm es wieder auf!", keife ich mit einem kleinen, provozierenden Lächeln und sehe, wie er seine flache Hand erhebt und sie schnell in die Richtung meines Gesichtes bewegt.
Ich schaue geschockt in den Himmel. Was zum Teufel? Was war das? Um mich herum ist es schwarz, mein Herz schlägt bis ins unermessliche, hektisch atmen und schwitzen tue ich auch etwas. Hat Can mich gerade geschlagen? Ich drehe mich um meine eigene Achse und bemerke meine Decke, die meine nackten Beine streift. Ich realisiere gerade gar nichts. Ich schlage mir leicht ins Gesicht und merke erst jetzt, dass ich kerzengerade auf meinem Bett sitze. Ich schnappe mir mein Handy und schaue auf die Uhr: 03:03 Uhr. Ich seufze und fahre mir über meine Stirn. "Es war nur ein Traum", flüstere ich und versuche mich zu beruhigen. Ich zittere und bekomme Tränen. Was war das? Was war das für ein Traum? Can hat mich in meinem Traum geschlagen. Ich schlucke und schließe fest meine Augen. Es war nur ein Traum. Aber wieso träume ich so etwas? Ich kriege dieses Bild nicht aus meinem Kopf, wie Can seine Hand erhebt. Sonst vergesse ich doch immer meine Träume, wieso vergesse ich dann ausgerechnet diesen Traum nicht? Was hat das zu bedeuten? Wieso träume ich so etwas? Wieso reagiere ich so? Sonst weine ich nie nach einem Traum. Das, was im Traum war, verletzt mich immer noch. "Wieso hast du mich in meinem Traum geschlagen, Can?", flüstere ich mit bebender Unterlippe. "Liebst du Elif so sehr, dass du dich vergisst?" Eine Träne verlässt mein linkes Auge. Ich ziehe meine Knie an mich heran und schluchzte. "Würdest du mich jemals Schlagen wollen?", flüstere ich und kneife meine Augen ganz feste zusammen, weswegen zwei Tränen auf mein Nasenbein herunterrollen und die Haut dort kitzeln. "Du hast doch gesagt, dass du mir niemals ein Haar krümmen würdest." Ich weiß gerade nicht weiter. Ich will Dinge vergessen, doch genau diese Dinge tätowieren sich in mein Gedächtnis ein. Es war nur ein Traum. Das redet mir zumindest mein Unterbewusstsein ein, woraufhin ich mir meine Tränen wegwische und meine Nase hochziehe. Das kommt alles von diesem Gefühlsstress, ich habe es zu lange in mir gelassen. Ich entsperre mein Handy, gehe auf WhatsApp und sehe, dass Can online ist, als ich auf unseren Chat gehe. Ich sperre mein Handy wieder und entferne das Ladegerät, da es hundert Prozent Akku hat. Es vibriert, woraufhin ich auf dem Display Cans Namen lesen kann.
'Du bist wach? Wieso?', steht dort, doch antworten tue ich nicht.
Herrgott, wieso habe ich das geträumt? Can hat mir versichert, dass er mich niemals verletzen könnte, doch warum ist das Gegenteil in meinem Traum passiert? Was, wenn es sich zur Realität entwickelt? Ich sollte nicht so viel darüber nachdenken. Ich muss fit für die Schule sein, da wir heute die ganzen Tänze durchgehen werden. Ich könnte es mir aber erlauben zu spät zu kommen, da wir heute eigentlich nur tanzen werden. Ich lege mich seufzend hin und starre in den Himmel. Eine weitere Vibration wird durch mein Handy ausgelöst, weswegen ich es greife und wieder Cans Namen lese.
'Wieso kannst du nicht schlafen?' Ich schließe seufzend meine Augen. Weil ich geträumt habe, dass du mich, wegen Elif schlägst. Ich antworte wieder nicht, sondern lege mich auf meinen Bauch, schließe meine Augen und versuche wieder einzuschlafen und versuche nicht an Can zu denken.
Vollkommen unmotiviert steige ich aus dem Bus aus und laufe in meiner grauen Jogginghose, meinem schwarzen T-Shirt und meiner Lederjacke zur Aula. Ich schaue auf meine Schuhe, dessen Schnürsenkel sich fast öffnen und bücke mich genervt, um diese wieder fest zubinden. "Scheiß Jordans!", beleidige ich meine Schuhe, da es mich heute besonders aufregt, dass die Schleifen immer nur eine halbe Stunde halten. Ich laufe weiter und schalte Faded von Alan Walker weg. Ich brauche aggressivere Lieder. Was gibt es besseres, als Deutschrap? Tango und Cash von Eko Fresh und Bushido dröhnt durch meine Kopfhörer in meine Ohren, während ich mich der Aula nähere. Ein mulmiges Gefühlt breitet sich in meinem Magen aus, als ich mich wieder an meinen Traum erinnern muss. Can ist bestimmt schon drinnen. Scheiß drauf, Shana! Ich werde mich davon nicht unterkriegen lassen. Ich laufe durch den Pausenflur, durch das Foyer und öffne eine der großen Holztüren. Viele blicken zu mir, da sie anscheinend auf mich gewartet haben. Unter anderem auch Can, dessen Blick ich schnell ausweiche. Ich laufe mit einem neutralen Blick zur Bühne und lege meine Tasche vor ihr ab. "Stellt euch schon mal in die richtige Position", gebe ich kühl von mir und ziehe meine Lederjacke aus. Ramazan dreht mich zu sich und umarmt mich. "Was ist los?", fragt er leise und löst sich von mir. "Ich muss heute noch mit dir reden", gebe ich zurück und stelle mich vor die ganzen Abiturienten. Die Tür wird aufgemacht, doch ich schaue nicht hin. "Entschuldigung!", höre ich Viyan rufen. "Der Bus hatte Verspätung!", beendet Saliha ihren Satz. "Stellt euch dazu, wir beginnen mit dem Eröffnungstanz." Wir gehen den Eröffnungstanz zweimal trocken durch und dann auf Musik. Ich wollte keine klassische Musik und habe mit den anderen entschieden, dass wir Love Me Like You Do von Ellie Goulding nehmen. Den Anfang des Liedes haben wir extra in die Länge gezogen, damit es zeitlich passt, wenn wir alle dann die Aula betreten. Mit Musik gehen wir den Tanz dann dreimal durch, was jedem eigentlich Spaß macht, nur mir nicht. "Was hast du?", fragt mich Ramazan, der fürs Proben mein Partner ist. "Ich habe schlecht geschlafen." Ich will es nicht hier preisgeben, da ich Cans Blicke auf mir spüre und genau das mich erschaudern lässt.
Die ganzen Proben sind für heute vorbei, was mich erleichtert. Die Probe für die Show hat mich etwas aufgelockert, da sie sehr amüsant war. Ramazan hat sich wie eine Königin gefühlt, als Can ihn hochgehoben hat. Ich trinke etwas und packe es dann in meine Tasche, woraufhin mich jemand an meiner Schulter antippt. Ich drehe mich zu der Person hin, da ich erst einmal dachte, dass es Ramazan wäre, doch es ist Can, weswegen ich vom Schauder, der meinen Rücken runtergleitet, zusammenzucke und schluckend zu ihm schaue. "Alles in Ordnung?", fragt er und lächelt mich zart an. Mein Bauch kribbelt. Ich nicke zögernd und trete einen Schritt zurück, um dann meine Tasche zu nehmen. Er tut mir nichts. "Bist du dir sicher?", hakt er nach und will mein Gesicht in seine Hand nehmen, die ich panisch wegschlage. Meine Hand schnellt zu meinen Mund. Was mache ich da? Die Angst, die Erinnerung des Traumes kommt hoch. Ich will mich nur schützen. Verdutzt und verwirrt lässt er seine Hand fallen und mustert mich. "Shana, was ist los?" Ich schaue in der Aula nach Ramazan, der nicht zurück gekommen ist. Er meinte, dass er auf die Toilette muss. Wieso kommt es mir wie eine Ewigkeit vor? Ich schaue zu Viyan und Saliha die mich besorgt und fragend anschauen. Ich schüttele nur meinen Kopf und schlucke. Schnell schultere ich meine Tasche und will an ihm vorbeilaufen, als er mit seinem Arm eine Art Grenze bildet. Ich zucke erschreckend zusammen und schaue zu Boden. "Shana, rede mit mir", versucht Can weiter, dem ich jetzt ängstlich in die Augen schaue. Da ich nicht antworte, seufzt er und hebt seine Hand hoch, weswegen ich mir sofort meine Hände anhebe. Was ist los mit mir? Cans Augen weiten sich. Ich will einfach nur nach Hause. Dieses Gefühlschaos bringt mich noch um. Niemals hätte ich gedacht, dass ein Traum mich so mitnehmen könnte, dass er mich so beeinflussen könnte. "I-ich wollte mir nur durch die Haare fahren", bringt Can verzweifelt von sich. "Setz dich, Shana", bietet Saliha mir an, was ich aber ablehne. "Shana, ich würde dir nie etwas antun, das weißt du", sagt Can mit einer gekränkten Stimme. "Was ist passiert?", höre ich Ramazan sagen, weswegen ich mich von meinen beiden Freundinnen löse und aus der Aula laufe. Ramazan steht vor der Tür, auf die ich zu laufe und flüstere, dass er mitkommen soll. Ich laufe schnell und suche nach einem Ort, wo keiner hinkommen könnte. "Shana, wohin willst du gehen?", fragt mich Ramazan, als er mich erreicht hat. Ich antworte nicht, sondern greife nach seiner Hand und laufe dann nach rechts, den Weg hinunter und überquere die Straße, danach laufen wir am Lidl vorbei und wechseln die Straßenseite, als ich einen Park erblicke. "Was war gerade los?", fragt er mich, als ich seine Hand loslasse. "Ramazan, ich habe geträumt, dass Can mich geschlagen hat", erzähle ich ihm und versuche nicht emotional zu werden. Seine Augen weiten sich. "Wie? Wieso?" Ich zucke mit meinen Schultern und halte meine Stirn in meinen Händen. "Ich weiß es nicht", flüstere ich und schließe meine Augen. "Es hat sich so echt angefühlt, Ramazan." "Was ist denn genau in deinem Traum passiert? Kannst du dich noch erinnern?" Ich nicke und öffne meine Augen wieder. Wie könnte ich düsen Traum bloß vergessen? Meine Hände bleiben auf meiner Stirn. "Ich war auf dem Schulhof, habe mich gefreut, dass ich doch einen 1,0er Durchschnitt erreicht habe. Dann war da Can und Elif kam auch ihn zugerannt, sie habe sich vor mir geküsst und mich ausgelacht. Ich hätte mir angeblich Hoffnungen gemacht. Ich war total wütend und anfangs konnte ich mich nicht einmal bewegen, erst als ich wütend wurde und mit Can diskutiert habe. Wir haben uns angeschrien und ich musste an das eine Mal denken, als er mir solch eine Angst eingejagt hat und dann habe ich ihm gesagt, dass er doch wieder mit Elif schlafen soll und es dann noch einmal aufnehmen soll. Er hat dann wütend seine Hand erhoben und wollte mir ... eine Backpfeife geben", erzähle ich und schließe fest meine Augen. "Ich bin sofort aufgestanden und dachte, dass Can mich wirklich geschlagen hat. Es kam mir so verdammt echt vor, dass ich einige Minuten brauchte, um zu realisieren, dass es kein Traum war. Es geht mir nicht aus meinem Kopf und ich dachte gerade, dass Can mich schlagen wollte", gebe ich mit bebender Stimme von mir, die ich versuche zu kontrollieren.
Ramazan nimmt mich sofort in seine Arme und streicht mir über meinen Rücken. "Wieso habe ich das geträumt?", frage ich und lasse einige Tränen raus. "Hast du das Wochenende an ihn oder an die beiden gedacht?" Ich bestätige es mit einem Ja und löse mich danach von meinem besten Freund. "Er hat mir am Freitag erzählt, dass er Elif seine Liebe gestanden hat und sie diese erwidert hat. Er hat sich so glücklich angehört", flüstere ich und schüttele meinen Kopf. "Hast du dir Gedanken über deine Gefühle gemacht?" Ich beiße mir auf meine Unterlippe, als ich meinen Kopf schüttele. "Denkst du, der Traum kam daher, dass du traurig, wegen der neuen Information warst und sie in deinem Kopf herumgeschwirrt ist?" Das könnte möglich sein, da ich oft von Sachen geträumt habe, als ich mir Gedanken über sie gemacht habe. "Du hast womöglich Recht", gebe ich nickend von mir und presse meine Lippen aufeinander. Ramazan nimmt mich wieder sanft in den Arm, worüber ich sehr dankbar bin. Was wäre ich nur ohne ihn jetzt? "Er würde dir niemals ein Haar krümmen. Das könnte er dir nicht antun", versichert Ramazan mir und gibt mir einen kleinen Kuss auf den Scheitel. "Ramazan, ich mag ihn", presse ich hervor und schlinge meine Arme fester um ihn. "Dieser Traum nimmt mich mit, weil ich ihn mag. Ich will nicht, dass er Elif liebt", gestehe ich und schlucke den Klos, der sich gerade eben gebildet hat, runter. "Ich will ihm nicht verfallen, Ramazan", flüstere ich und versuche das Beben in meinem Brustkorb zu kontrollieren, doch es ist zu stark, sodass auch Ramazan es spürt und er anfängt mich zu beruhigen. "Ich muss mich fernhalten, doch kann es nicht." Ich blinzele, woraufhin eine Träne mein Auge verlässt. Ich löse mich von Ramazan und wische mir meine Träne weg. "Genieße die Zeit mit ihm noch", gibt er etwas verzweifelt von sich. "Geht nicht mit Trauer auseinander", rät er mir, weswegen ich meine Augenbrauen etwas zusammenziehe. "Wenn ihr die Zeit noch miteinander verbringt, wirst du glücklich sein. Zwar wirst du traurig sein, wenn ihr dann ganz weg seid, aber dann hast du noch die schönen Erinnerungen, stimmst?", erklärt er mir in einem sanften Ton und lächelt mich an. Ich schaue in seine braun-grünen Augen und nicke leicht lächelnd. "Natürlich sind unsere Erinnerungen besser, weil ich Sexy-Ramazan bin, aber du weiß ja was ich meine", scherzt er und entlockt mir damit ein kurzes Lachen. "Danke, Ramazan. Du hast Recht", gebe ich schniefend von mir und lächele wieder. "Komm, ich kauf' dir ein Eis, damit du wieder glücklich bist." Er kneift mir leicht in meine Wange und legt dann einen Arm um mich. "Brauchst du nicht zu-," "Komm, ich kauf' dir ein Eis, damit du wieder glücklich bist", sagt er diesmal in einem ernsten Ton und sieht mich mit aufgerissenen Augen an. Wir laufen den Weg wieder zurück, um zum Kiosk zu laufen. Meine Augen fangen an zu jucken und zu tränen. Ich glaube die Pollenallergie kommt wieder, herrlich! Die zwei Jahre davor waren eigentlich allergiefrei für mich, ich hatte nur etwas trockene Augen, aber mehr nicht, doch dieses Mal wird es schlimm, das spüre ich. "Was ist los?", fragt Ramazan mich. "Nichts, es ist nur meine Pollenallergie." Ich höre ihn schnauben. "Du und deine tausend Allergien. Wenn ein Film über dich gedreht werden soll, dann wird er: „Tausend und eine Allergie" heißen." Ich lache und schüttele wegen Ramazans Kreativität meinen Kopf.
Ramazan kauft zweimal das Kaktuseis und gibt mir dann eins. "Dankeschön", murmele ich und öffne die Verpackung. Ich schaue dann kurz zu Ramazan und sehe, wie er lasziv an seinem Eis lutscht. "Oh, wow! Das schmeckt so gut!", gibt er mit sehr viel Begeisterung von sich und stöhnt, als er das Eis wieder in seinen Mund nimmt. Ich knabbere schmunzelnd am Knistermantel, was mir Ramazan nachmacht und euphorisch seinen Mund öffnet, damit ich höre, wie laut es knistert. Ich mache es ihm gleich und öffne lachend meinen Mund. "Meins hat lauter geknistert", gibt er angeberisch von sich und betrachtet mich mit einem arroganten Blick, den ich erwidere. "Träum weiter." Er schnaubt und fängt wieder an, sein Eis zu... befriedigen? Wieso befriedigen alle ein Eis? Irgendwie schäme ich mich dieses Eis zu essen, wenn Ramazan so sexuell sein Eis degustiert. Ich lasse mich aber noch davon beirren und genieße das Eis in kleinen Zügen, bevor ich dann mit kleinen Bissen anfange. Ramazan schaut mich verdutzt an, weswegen ich fragend meine Augenbrauen zusammenziehe. "Brutale", murmelt er und will ein Bein über das andere schlagen. "Keine gute Idee", sagt er dann und lässt sein rechts Bein wieder fallen, woraufhin er sich mit einem bockigen Blick zur Seite dreht. "Also ich gehe gut mit meinem Eis um, pff." Wir reden und albern noch herum, bevor wir zur Haltestelle laufen und von dort aus nach Hause fahren. "Bis morgen", verabschiede ich mich und umarme ihn wieder, bevor ich nach links laufe und er nach rechts. Ramazan hat mir echt gut getan. Ich hätte auch mit Saliha oder Viyan reden können, aber Ramazan hat zu Can und zu mir guten Kontakt, weswegen ich es effektiver fand. Soll ich es den beiden sagen? Es ist doch sowieso bald vorbei, also ist es glaube ich nicht nötig es zu erwähnen, außerdem würde ich mich unwohl fühlen. Ich laufe an der Pizzaria vorbei und biege rechts ab, wo ich dann Can sehe, der an seinem Auto angelehnt ist und auf seinem Handy herumtippt. Was sucht er hier? Ich schlucke und will weiterlaufen, so tun, als ob ich ihn nicht gesehen habe, doch dann hebt er einen Blick und kommt auf mich zu. Er tut mir nichts. Ich schlucke und gehe nach hinten. "Was suchst du hier?", frage ich, doch kriege keine Antwort. Er greift nach meinem Handgelenk und zieht mich zur Einfahrt, die zum Spielplatz führt. "Can, die Freundinnen meiner Mutter könnten uns sehen", flüstere ich hysterisch, was ihn anscheinend nicht interessiert. Er zieht mich in eine Ecke, wo beide der Freundinnen meiner Mutter uns unmöglich sehen können und stellt sich vor mich. Ganz ruhig, Shana. Mein Herz schlägt schnell, schneller als davor, außerdem breitet sich eine unangenehme Wärme auf meinem Rücken aus, die nicht von der Maisonne kommt. "Was war heute los mit dir?", möchte Can wissen und mustert mein Gesicht. "Hast du geweint?" Er zieht seine Augenbrauen zusammen und fährt mit seinem Zeigefinger über mein unteres Augenlid. Zwar zucke ich diesmal nicht zusammen, doch schiebe trotzdem seine Hand weg. "Nein, habe ich nicht", verneine ich, da ich schnell nach Hause möchte. "Wieso hattest du heute Angst vor mir?", will er wissen und zuckt kurz mit seinem Mundwinkel. Ich will ihm nicht sagen, dass ich von ihm geträumt habe, auch, wenn es ein negativer Traum war. Mein Stolz lässt es nicht zu, dass er weiß, dass er in meinen Gedanken herumschwirrt. Ich zucke mit meinen Schultern und schaue auf den Holzzaun, der hinter Can steht. Er umfasst vorsichtig meinen Kiefer, doch trotz der Zärtlichkeit seines Griffes, muss ich scharf die Luft einziehen und bemerke meinen beschleunigten Herzschlag. Auch, wenn sein Griff meine Lymphknoten kribbeln lässt, entferne ich seine Hand und gehe einen Schritt zurück, weswegen er aufrückt. Mit zusammengezogenen Brauen mustert er mein Gesicht und meine Haltung. "Can, ich will nach Hause", bitte ich ihn, als er mir näher kommt und mein Rücken schon die Wand erreicht hat. "Sag mir, was los ist", haucht er und schiebt mein Haar sanft hinter mein linkes Ohr. Ich schüttele meinen Kopf und drücke ihn an seiner Brust weg. Ich laufe an ihm vorbei, werde dann aber aufgehalten, als sich seine Hand um mein Handgelenk schlingt. "Can, lass mich bitte gehen", gebe ich trocken von mir und bin überrascht, dass meine Stimme so fest ist. Seine Reaktion kann ich nicht sehen, da ich mit dem Rücken zu ihm stehe, doch ich weiß, dass er sich gerade viele Fragen stellt. Er will wissen, was los ist, warum ich vor ihm die Hände hochgehoben habe. Ich höre Can seufzen, woraufhin er mit seinem Daumen einmal über mein Gelenk streicht und es los lässt. "Sag es mir bitte, wenn du darüber reden willst", sagt er und geht an mir vorbei.
Ach, Can. Das gibt es so vieles, was ich sagen will, doch ich kann es nicht.
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