Kapitel 106

Mittwoch, 27. März

"Fünf, sechs, sieben, acht!", gebe ich an und muss mir ein Lachen verkneifen, als die Jungs Ballett tanzen. Man sieht so etwas nicht jeden Tag, deswegen genieße ich es umso mehr. "Nein, Can. Du musst mehr in die Knie gehen", korrigiere ich ihn und mache es vor. "Ja, Can. So muss das gehen", sagt Ramazan und macht mit Bravour die Kniebeugung vor. "Perfekt, Ramazan", lobe ich ihn und sehe, wie er stolz anfängt zu grinsen. "Okay, nach der den Kniebeugen, geht die Hälfte nach links und die anderen nach rechts. Sucht euch einen Partner und entscheidet, wer wen hochhebt." Die Jungen schauen fragend durch die Gegend. "Na los! Worauf wartet ihr?" Ich klatsche in die Hände und fange an zu schmunzeln, als die Jungen durcheinander rennen und sich ihre Partner suchen, herrlich. Die Jungen finden sich alle zusammen und teilen sich auf die Seiten auf. "Auf drei rennt ihr in die Mitte und hebt die Person auf, okay?" Ich höre von allen ein Brummen und zähle dann bis drei woraufhin die Jungs, wie geplant zur Mitte der Bühne rennen und ihren Partner hochheben. "Wie viel wiegst du?", höre ich Can, Ramazan fragen. "Shana! Can beleidigt mich als fett!" Ramazan verschränkt bockig seine Arme voreinander und schmollt. "Dann machen wir es einfach so, dass Can und Malik Ramazan hochheben und sind dann der Punkt der Mitte", ändere ich den Plan um. "Dann gehen die anderen an einen bestimmten Punkt und heben ihren Partner hoch, das hört sich doch gut an!", gebe ich motiviert von mir und klatsche in die Hände. "Na los! Alles von vorne!"

"Nach dem Ballettauftritt kommt dann der Dirty Dancing Part. Can du spielst Johnny und auf Wunsch von Ramazan wird er Frances spielen." Ramazan klatscht vor Freude in seine Hände. "Mein Baby wird mit hoch heben und das vor allen", schwärmt Ramazan während Can resigniert seufzt. "Malik kann doch diesen Johnny spielen!" Malik schüttelt sofort den Kopf. "Sei nicht so. Du passt perfekt in die Rolle." Can schaut mich mit einem genervten Blick an. "Für mich, bitte", schmolle ich und verkneife mir ein Lachen. "Mach es für Shana", murmelt Fatih grinsend, woraufhin Malik, Ramazan und dann der Rest mit einstiegt. "Ich habe anscheinend keine Wahl", gibt er seufzend auf. "Super! Das Video schicke ich euch. Das Lied wird etwas verkürzt, aber das Wichtigste ist drinnen. Du musst Ramazan halten können, denn das ist das Highlight der Show." Ich höre, wie Ramazan arrogant summt. "Ja und dafür werde ich ganz sicherlich nicht abnehmen! Du musst trainieren gehen." "Die Choreografie fürs Dirty Dancing machen wir dann privat meinetwegen oder will noch jemand dabei sein?" Ich schaue fragend zu den anderen, die nur den Kopf schütteln. "Dann nicht, aber vom besten Teil werdet ihr nicht verschont", gebe ich gehässig lachend von mir und höre die Jungs aufstöhnen. "Stellt euch mal nicht so an! Sonst posiert ihr auch oberkörperfrei vor Mädchen. Los steht auf!", befehle ich und schmunzele. Das wird mehr als nur herrlich. "Das Ganze wird zu Pony von Ginuwine gespielt. Keine Sorge, eure Brustwarzen werden mit schwarzen Tape zensiert." "Ich will aber, dass man meine Nippel sieht!", ruft Ramazan wütend. "Ramazan, du wirst in der Mitte stehen." Schon fängt er an wie ein Mädchen zu kreischen und quetscht sich nach vorne. "Wenn das Lied beginnt dann bewegt ihr euch etwas herum, ihr betatscht euch gegenseitig und macht obszöne Gesten, aber nicht zu pervers!" Die Jungs nicken eifrig. "Can, mach etwas vor", fordere ich und schmunzele. Er seufzt und stellt sich nach vorne. "Was zum Teufel soll ich machen?", fragt er verzweifelt. "Betatsch dich, betatsch jemand anders oder ich hab's! Du wirst von Ramazan, Malik, Fatih und Tobias betatscht. Komm, wir nehmen Lukas auch hinzu. Jungs! Von mir aus könnt ihr diesen Jungen sogar vergewaltigen." Gegröle kommt aus den Kehlen der Jungen, da sie sich freuen, was mich ebenfalls freut. "Wenn der Sänger anfängt zu singen, werdet ihr auf euch zeigen. In etwa so." Ich zeige mit beiden Zeigefingern auf mich und fahre ganz langsam hinunter. "Dabei müsst ihr mit euren Hüften kreisen, wenn er sagt: ,,I'm just a bachelor." Alle nicken und machen dann das, was ich ihnen gesagt habe. Leider sehen die Meisten aus, wie Stöcker an Seilen. "Nein, Jungs. So." Ich mache das Hüftkreisen vor und höre dann sofort auf, als mir wieder einfällt, dass ich das einzige Mädchen unter den ganzen Jungs bin. "Also so meine ich das", gebe ich peinlich berührt von mir und sehe zu Can, der amüsiert seine Augenbraue hochzieht. "Ihr könnt euch jeder Zeit selbst anfassen oder andere, es muss nur im passenden Moment sein. Wenn ihr das mit den Zeigefingern hinter euch habt, dann schaut ihr zu eurem Partner und packt ihn an der Hüfte, danach lasst ihr euren Kopf kreisen und nehmt den Rücken dabei mit, um dann eine Welle mit dem Oberkörper zu machen." Die Jungs merken sich das, was ich gesagt habe und versuchen es auszuführen. "Sieht doch gut aus. Jetzt machen wir es auf Musik." Ich renne zur Anlage und mache die Musik an. Die Jungs machen komische Gesten und berühren sich gegenseitig, bis ich von fünf auf acht zähle und sie die paar Schritte ausführen und das sehr gut. "Perfekt! Ihr seid ja richtige Tänzer." Ich höre Ramazan verstörend lachen und mache schmunzelnd weiter. "Danach schleicht ihr etwas herum, bis er sagt: ,,Girl when I break you out." Dann tut ihr so, als ob ihr etwas zerbrecht und es über euch laufen lässt. Macht es mal." Ich sehe amüsiert zu, wie die Jungs etwas Imaginäres zerbrechen und es auf sich schütten. Viele verreiben es dann auch, was ich lobe. Natürlich muss Ramazan übertreiben, aber das wird die Leute umso glücklicher machen. "Can, sei kein Stock und beweg dich etwas. Ich weiß doch, dass du es kannst und Malik du auch! Tanz Ramazan an", befehle ich, was er dann auch schmunzelnd tut. "Dann kommt der Teil, wo ihr eure Unterhemden ausziehen werdet. Wenn der Refrain beginnt zieht ihr euch oben aus und werdet schön eure Hüften kreisen lassen, während ihr die Brust eurer Nachbarn links und rechts anpackt. Natürlich könnt ihr auch über die Bäuche gehen, nur nicht bis zum Schritt", erkläre ich den Jungen und muss wieder schmunzeln, als ich das Lied anmache. "Fünf, sechs, sieben, acht!" Die Jungs lernen schnell, leider sieht es nicht ganz so gut aus, sondern eher lustig, aber das macht die Show umso besser.

Die Probe war sehr lustig und amüsant. Die Jungen haben sich gut geschlagen und haben aufmerksam aufgepasst. Can und Cihan haben sich zum Glück im Hintergrund gehalten und haben sich nicht tot geschlagen. Das lag aber auch daran, dass ich den anderen Bescheid gegeben habe, dass sie sich zwischen Can und Cihan stellen sollen, damit keiner von ihnen gereizt wird. Morgen ist Donnerstag, das heißt, dass ich morgen meine Chemieklausur zurückbekomme. Ich hoffe einfach, dass sie meinen NC ins Rollen bringt und wenn nicht, muss ich mich auf meine Abschlussprüfungen verlassen. "Dance-Coach Shana!", ruft mich Ramazan und torkelt auf mich zu. "Ja?", gebe ich schmunzelnd von mir. "Komm, Can fährt dich nach Hause." Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. "Es ist schon 18:00 Uhr", informiert er mich. "Ja, aber es ist noch hell, Ramazan. Sag danke von mir, aber es ist nicht nötig." Ich will mich mit einer Umarmung verabschieden, was Ramazan ausnutzt und mich zum Auto trägt. "Ich habe gehört, dass du mitfahren möchtest?", fragt Can mich gespielt überrascht. "Eigentlich nicht, aber ich wurde gekidnappt. Ich hatte also keine andere Wahl", sage ich amüsiert und will hinten ins Auto steigen, als mir Malik den Weg versperrt. "Ramazan und ich wollen alleine hinten sitzen", flüstert er grinsend und zwinkert mir zu. "Okay?", gebe ich fragend, aber schmunzelnd von mir und laufe zum Beifahrersitz. "Also ich finde, dass ich die Hauptrolle verdient habe", summt Ramazan während der Fahrt. "Das hast du auch mehr als verdient. Du wirst das Beste aus dem Auftritt machen", sage ich und stelle mir Ramazan in einem rosa Tutu vor. "Wann ist nochmal die Klassenfahrt?", frage ich. "Am 2. Juni, ein Sonntag", sagt Malik, woraufhin ich mich wieder erinnere. "Wir fahren nach Barcelona!", ruft Ramazan und klatscht sich in seine Hände. "Dann werde ich einige Latinas klären. Buenos días bonita, puedo echar mi cabeza en tu trasero y dormir un poco?" Sofort fangen wir an zu lachen, da man bei Ramazan einfach nicht anders kann. Wenn man bei ihm nicht lacht, dann hat man einfach keinen Sinn für Humor. "Wir sind bald weg", murmele ich und schmolle. Ich hoffe, dass ich auf dem Abschlussball nicht weinen werde, da ich sehr, wirklich sehr emotional werden kann. "Ist da etwa jemand traurig?", neckt Ramazan mich und kneift mir in meine Wange. "Lass mich", gebe ich beleidigt von mir und verschränke meine Arme vor meiner Brust, während ich die einzelnen Tränen wegblinzele. Nicht emotional werden, Shana. "Ich lasse dich niemals gehen, Shana!", kommt es theatralisch von Ramazan, der mir von hinten seine Hand entgegenstreckt, die ich in meine nehme und schmunzelnd zudrücke. "Ich will auch", mischt sich Malik ein, dessen Hand ich ebenfalls in meine freie Hand nehme. "Lässt du mich etwa gehen?", frage ich Can leicht amüsiert und sehe, wie er anfängt zu schmunzeln. "Was wäre ich nur ohne dich?", fragt er sarkastisch und kneift in meine Wange. Ich glaube, ich werde auf der Feier sowas von weinen. Can lässt Malik und Ramazan raus und fährt weiter. "Du hättest mich auch rauslassen können, ist ja nicht weit weg", sage ich und schaue aus dem Fenster. "Wir fahren ja auch nicht nach Hause", säuselt er. "Wohin bringst du mich?", frage ich und kann mir mein Lächeln nicht verkneifen. "Ich habe gehört, dass Düsseldorf schön sein soll, wenn die Sonne untergeht. Dann fängt der Fernsehturm an zu leuchten." Ich atme freudig auf. "Ich liebe es, wenn Städte anfangen zu leuchten!" Can nickt lächelnd. "Ich weiß." Er weiß es. Er weiß es und fährt mit mir dahin. Diese Kenntnis macht mich so glücklich, dass es mir sogar egal ist, dass er mit Elif zusammen ist. Scheiß auf sie! Wenn mich jemand glücklich macht, dann lasse ich mir das nicht kaputt machen. Meiner Mutter schreibe ich, dass Ranjas Mutter mich zu sich nach Hause genommen hat und sie mich nach Hause bringen wird. Einigen wird es jetzt unmoralisch vorkommen, aber, wenn man aus orientalischem Hause kommt, kann man als Mädchen nicht mit einem Jungen rausgehen. Das geht einfach nicht.

"Oh mein Gott!", kreische ich schon fast und hüpfe auf und ab. "Warte! Bist du müde?", frage ich und lehne mich über die Mittelkonsole, um ihn anzusehen. "Nein, alles bestens", gibt er lachend von sich und schaut mich kurz an, bevor er sich wieder auf die Autobahn konzentriert. "Aber du kannst mich ruhig unterhalten, während ich uns dahinfahre." Ich grübele, wie ich ihn unterhalten kann. "Bist du in der BDSM-Branche tätig?", frage ich ihn, als mir unsere Situationen von damals in der Sporthalle wieder einfallen. "Nennst du mich dann Sir und kniest dich vor mich hin?", fragt mich Can schelmisch, woraufhin ich entsetzt ein Nein von mir gebe. "Gut, ich finde Daddy sowieso besser." Er fängt an zu lachen. Es wird schon etwas warm hier drinnen. "Aber du bist auch nicht ganz ohne. Du kennst dich schon mit diesen perversen Dingen aus, nicht wahr?" Da hat er recht. Ich scheue mich vor solchen Dingen nicht und in unserer Generation lernt man halt viel mehr von diesem Thema. "Das kann schon sein", gebe ich mit geschürzten Lippen von mir. "Dann habe ich endlich mal eine, die weiß, was ich will", gibt er in einem perversen Ton von sich. "Vergiss es, Can." "Ach, komm schon. Du willst mich doch auch. Mein Körper, mein Gesicht." Ich ziehe amüsiert die Augenbraue hoch. "Was heißt hier auch? Heißt das, dass du mich willst?", gebe ich schmunzelnd von mir und verschränke meine Arme vor meiner Brust. Can fährt langsamer und schaut dann zu mir. "Ja", haucht er und schaut mich ernst an, bevor er wieder auf die Straße guckt. Wow, das war aber gut gespielt. Ich schlucke das aufbrausende Gefühl, welches sich gerade gebildet hat, runter und schaue zu den Autos an denen wir vorbeifahren. "Was ist jetzt mit deinem Numerus Clausus?", fragt Can nach, woraufhin ich seufze. "Ich hoffe, dass ich wenigstens einen 1,1er Durchschnitt schaffe." "Wie konnte das denn passieren?" Wenn du dich in meinen Gedanken festsetzt, kann ich nicht anders. "Ich weiß es nicht", gebe ich etwas resigniert von mir und schaue zu Can, wie er konzentriert das Auto fährt. Beide Hände sind am Lenkrad. Seine Haltung ist lässig, aber auch bestimmend. Nur ein Blick kann seine Haltung beeinflussen und sie dominant oder lässig wirken lassen. "Wir sind gleich da", informiert er mich und fährt auf die Ausfahrt zu. Wir kommen der Stadt immer näher und Parken im Parkhaus. Der typische und für mich angenehme Geruch des Parkhauses steigt in meine Nase und erinnert mich an gute, alte Zeiten. Mit viel guter Laune hüpfe ich schon fast aus dem Haus raus und drehe mich um mich selbst. "Du vergötterst ja die Städte bei Nacht", stellt Can schmunzelnd fest. "Ja, das tue ich." Wir laufen durch die Königsallee, wo ich mich über die ganzen überteuerten Preise beschwere. "Nur weil das jetzt echtes Leder ist, müssen die es nicht für hunderte von Euro verkaufen. Ich kaufe das Hähnchen von Lidl ja auch nicht für sechzig Euro und es ist auch ein richtiges Hähnchen." Ich höre Can leise lachen und drehe meinen Kopf zu ihm. "Ist doch so! Außerdem sind die Sachen total hässlich", lästere ich und schaue mir den Himmel an. Die Sonne geht langsam unter und das Wetter ist angenehm, was mich glücklich macht. Gutes Wetter plus Can machen mich glücklich.

"Warst du schon mal im Fernsehturm?", fragt mich Can, woraufhin ich misstrauisch den Kopf schüttele. Ich weiß, dass der Eintritt Geld kostet und halte meinen Fünfeuroschein in meiner Hand, damit ich es direkt vor den Verkäufer schmeißen kann. "Hast du Hunger?", fragt mich Can und verkneift sich ein Lachen. "Nein, habe ich nicht. Ich bin satt", gebe ich etwas bissig von mir, da ich keine Lust habe, dass Can immer wieder Geld für mich ausgibt. Langsam reicht es auch. "Wo willst du überhaupt studieren?", frage ich Can. "Ich weiß es nicht. Ich gucke mir Universitäten mit einem sehr guten Status an und überlege dann." Ich nicke. Der Glückliche hat einen Durchschnitt von 1,0. "Wie läuft es mit dir und Elif?", rutscht es mir aus, weswegen ich mir auf die Zunge beiße. Idiot! "Ganz gut. Haben uns letzten getroffen", gibt er kryptisch von sich. Ich schlucke und frage nicht weiter nach. Ich sollte eigentlich in meinem Zimmer sitzen und schon mal für die Prüfungen lernen, damit ich den NC von 1,1 schaffe, aber stattdessen laufe ich mit Can durch die Straßen Düsseldorfs. Er lenkt mich wirklich ab. Das ist der Grund, warum ich keine Beziehung während der Schulzeit haben wollte. Meine Noten verschlechtern sich. Ich wollte eigentlich im Studium der Liebe eine Chance geben, aber wenn sie mich so beeinflusst, dann lasse ich es einfach sein, da mir die Karriere sehr wichtig ist. Wir laufen zur Rheinuferpromenade und setzen uns da hin. Der Himmel ist blau-gräulich und wird vom Wasser reflektiert. "Shana, darf ich dich etwas fragen?" Ich schaue etwas überrascht und neugierig zu Can. "Nur zu." Er fährt sich durch sein schwarzes Haar und fängt an zu reden. "Würdest du mit jemanden wie mir etwas anfangen? Nur so rein hypothetisch gesehen." Ich ziehe meine Augenbrauen leicht verdutzt zusammen. "Ich-, ähm-, also wirklich eine Ahnung habe ich nicht. Ich muss ja wissen, wie sein Charakter ist und ob er mich liebt", antworte ich leiser zum Schluss. "Ja! Er muss mich lieben und das richtige Lieben, nicht dieses: Ich-liebe-dich-aber-schreibe-mit-anderen-Mädchen-lieben. Es muss wirklich aus dem Herzen kommen." "Und woher weißt du, dass es aus dem Herzen kommt?", fragt er und beißt sich auf seine Unterlippe, was mich etwas aus der Fassung bringt. "Er... er ändert sich. Er hängt bestimmte Dinge an den Nagel, wie zum Beispiel das Schlafen mit Mädchen oder sonstiges. Er verändert sich, weil er seiner Geliebten gefallen will und kämpft auch darum", erzähle ich verträumt und schaue lächelnd aufs Wasser. "Was ist, wenn das Kämpfen allein nicht reicht?" Mich beeindrucken seine Fragen, da sie etwas tiefgründiges für mich haben und da Can ein totaler Playboy ist. "Beten", gebe ich schlicht von mir und schaue in seine verwirrten, gelben Augen. "Ich würde zu Gott beten. Du bist zwar nicht der religiöseste Mensch, das ich bin ich zwar auch nicht, aber wenn du einen Wunsch hast und er dir nur gut tun kann, er dein Leben bereichert, dann wird dir Gott diesen Wunsch erfüllen, weil er es ebenfalls möchte", erkläre ich ihm. "Gott will es und dann passiert es also." Ich nicke, als dieser Satz Cans Mund verlässt. "Und was muss ich sagen?" Ich schaue ihn lächelnd an. "Haben dir deine Eltern nie etwas davon erzählt?" Er nickt. "Doch, aber da war ich jünger. Einige Dinge sind noch im Kopf geblieben, aber nicht alles." Ich finde es niedlich, dass Can über das Beten redet. Es ist mal wieder eine Seite von ihm, die man nicht oft sieht und die total antagonistisch ist, wenn man nur die rebellische Seite Cans kennt. "Frag das deine Eltern, sie kennen sich besser aus, als ich", gebe ich Can den Tipp und erwidere sein lächeln. "So etwas erwartet man gar nicht von dir", kommt es nun von Can. "Wie meinst du das?" Er dreht sich mit seinem Körper zu mir, was ich ihm nach tue. "Dass du über Gott reden kannst. Ich weiß, dass du einige Suren kennst. Ich hätte das niemals von dir erwartet." Ich lächele kurz. "Das habe ich schon oft gehört. Mein Aussehen und mein Verhalten sprechen nicht für solche Gedanken, aber wenn die Menschen es dann wissen, dann sehen sie mich etwas anders. Zwar nicht als eine ganz andere Person, aber sie haben immer im Hinterkopf, dass ich meine Religion nicht komplett vernachlässige", erzähle ich. "Viele hätten auch niemals gedacht, dass ich Bücher lese." Ich sehe Überraschung in Cans Gesicht auftreten und verdrehe meine Augen. "Sag ich doch. Ich sehe nicht so aus." Ich mag diese Art von Gesprächen. Man redet über alles und braucht keine bestimmte Reinfolge dafür. Man redet einfach darauf los und lernt so mehr Dinge über den Gegenüber kennen.

"Wann war deine erste Beziehung?", frage ich aus Neugierde. "Mit vierzehn Jahren." Ich ziehe verblüfft die Augenbrauen hoch. "Hast du da auch deinen ersten Kuss verloren?" Er schüttelt seinen Kopf. "Den habe ich in der Grundschule verloren", sagt er lachend, während ich schmunzelnd die Augen verdrehe. "Was ist mit dir?", fragt er mich jetzt mit einem belustigten Blick. "Ich hatte noch nie eine Beziehung." Sein Lächeln fällt sofort und er zieht seine Augenbrauen zusammen. "Echt nicht?" "Echt nicht." Verdutzt schürzt er etwas seine fülligen Lippen. "Ich dachte immer, du lügst. Also hattest du noch keinen ersten Kuss?" Ich schüttele den Kopf und betrachte genauestens seine Mimik. Er kneift kurz seine Lider zusammen, genau wie er kurz seine Lippen aufeinanderpresst. Er versteckt seine eigentliche Reaktion. "Gut, gut", murmelt er und schaut aufs Wasser. "War das wieder eine Sache, die man nicht von mir erwartet hätte?", frage ich nach und sehe, wie Can nickt. "Du siehst... reizend aus", gesteht er, woraufhin mein ganzer Rücken warm wird. "Ouh, okay", nuschele ich. Hat mir Can gerade ein Kompliment gemacht? "Ich meine, du schreckst vor vielem nicht zurück, hast perverse Gedanken und das mögen Jungs. Mädchen, die nicht verklemmt sind und mal Spaß haben können, über sich selbst lachen können und... ich rede zu viel", hört er plötzlich auf und wirkt... wirkt Can etwa leicht verlegen? Träume ich? "Nein, nein. Erzähl ruhig weiter." Ich grinse. Er räuspert sich und schaut wieder zu mir. "Wenn sie Humor haben. Wenn ein Mädchen Humor hat, dann ist das sehr sexy. Sie sollte nicht zu eitel sein. Man kann sich zwar wie eine Lady verhalten, aber bitte nicht, wenn man alleine mit dem Freund, Mann oder was auch immer ist." Ich stimme ihm zu. Eitelkeit ist ein No-Go. "Sollen wir zum Turm? Nicht, dass es für dich zu spät wird." Ich stehe auf und lasse mich von Can zum Turm führen. Wir reden auf dem Weg nicht. Wir haben viel gesagt und denken über das, was der andere gesagt hat, nach. Wir reflektieren die Sätze und bilden unsere eigene Meinung dazu, weswegen die Stille nicht unangenehm, sondern entspannend ist. Er war verlegen. Ich muss deswegen lächeln. Einen verlegenen Can sieht man nicht immer - sehr selten. Den nervösen Can habe ich schon gesehen und werde es niemals vergessen. Der sonst so arrogante und selbstsichere Can hat angefangen zu stammeln und war nervös, als er sich bei mir entschuldigt hat, was ich auch niemals vergessen werde. Hätte er sich nicht entschuldigt, wären wir jetzt nicht hier. Wir kommen dem Turm näher, also halte ich meinen Fünfeuroschein bereit und grinse. Can lässt mir den Vortritt, was mir sehr gelegen kommt, da ich sofort auf den Verkäufer zu laufe. "Wir nehmen zwei Karten", sagt Can und will sein Geld hinhalten, weswegen ich auf brutalster Art und Weise seine Hand wegschlage. Er schaut mich entrüstet an und will das Geld wieder von den Verkäufer halten, der schon verdutzt schaut. "Heute haben wir ein Angebot: zwei Karten für fünf Euro", sagt der blonde Junge, woraufhin ich meine fünf Euro auf den Tisch haue und Can nach hinten schubse. Er fliegt zwar nicht, aber einige Schritte tritt er zurück. "Bitteschön", sagt der blonde Junge verwirrt. Glücklich und stolz nehme ich die Eintrittskarten und laufe grinsend zu Can. "Ich habe uns Karten gekauft", gebe ich stolz von mir und zeige ihm die Karten. "Nimm das Geld." Er hält mir fünf Euro hin, woraufhin ich entsetzt den Kopf schüttele. "Shana", knurrt er und kommt mir näher, weswegen ich zum Aufzug renne. Zu unserem Glück sind wir einer der Einzigen hier, also können wir es uns erlauben, etwas herumzualbern. Ich fange kurz an zu kreischen, als Can auf mich zu rennt und mich festhält. Die Aufzugtüren öffnen sich, woraufhin wir in den Aufzug stürmen und hochfahren. "Komm her!", befiehlt er, doch ich mache das Gegenteil und weiche ihm immer aus, wenn er mir immer zu nahe kommt. Ich lache und will ihm wieder ausweichen, als er mich dann an den Oberarmen greift und festhält. "Can", gebe ich unschuldig lächelnd von mir und versuche mich zu lösen. Die Türen öffnen sich, weswegen ich anfange zu grinsen. Ich laufe amüsiert raus und japse nach Luft. "Wie schön!", schwärme ich und laufe auf die Panoramafenster zu.

Der Himmel verläuft von blau-lila zu einem orange-rot, was perfekt zu den ganzen Lichtern der Gebäude und Autos, die fahren, passen. Die Fenster liegen schräg an, weswegen ich mich dagegen lehnen will, aber meine Höhenangst es mir verbietet. Ich versuche es ein zweites Mal, doch als ich dann sehe, wie hoch wir sind, lasse ich es lieber sein. Zwei Hände legen sich um meine Taille, weswegen eine Gänsehaut meine Oberschenkel und Arme einnimmt. "Lehn dich nach vorn", flüstert Can mir zu, der sich dicht hinter mich gestellt hat. Da er mir zu nahe ist, will ich mich lösen, doch Can hält mich fest. "Ich tue dir nichts. Ich will dir nur helfen. Lehn dich nach vorne", raunt er mir zu, weswegen ich erschaudere. Ich lehne mich langsam nach vorne und stütze meine Hände am Fenster ab. "Noch etwas", sagt Can und drückt mich sanft noch vorne, weswegen ich mich versteife. "Das Fenster ist doch da. Du fällst nicht, da ich dich halte", versichert er mir, doch ob das meinen schnellen Herzschlag reguliert, weiß ich nicht. Ich schließe meine Augen und ziehe leise und erschrocken die Luft ein, als meine Brust das Fenster berührt. Langsam öffne ich meine Augen und fühle mich so anders. Als ob ich schwebe. Die Metallabtrennungen sehe ich nicht mehr. Ich habe eine wirklich perfekte Sicht auf alles. "Wie fühlst du dich?", fragt mich Can und lässt langsam meine Taille los. "Als ob ich fliege", flüstere ich und sehe mir die Autos an, die von hier oben, wie rennende Lampen aussehen. "Es ist sehr schön", kommt es leise von mir, während ich mit meiner Hand über das Fenster fahre und merke, wie Can sich zu mich stellt. Sein Parfüm steigt mir direkt in die Nase. Er ist signifikant und riecht einfach himmlisch. Ist das nicht meine Duftkombination? Ich muss unwillkürlich anfangen zu lächeln. "Was ist los?", möchte Can wissen, zu dem ich mich drehe. "Du riechst gut", sage ich und ziehe neckend die Augenbraue hoch. "Das habe ich schon immer getan." Ich verdrehe meine Augen und schnalze belustigt mit meiner Zunge, während ich mir wieder die Aussicht ansehe. "Ich werde von Aussichten bei Sonnenuntergang oder Nacht niemals genug kriegen", nuschele ich verträumt und seufze. "Du liebst diese Ausblicke ja wirklich." Ich nicke und schaue mit einem Lächeln zu ihm. "Sie sind einfach wunderschön. Gibt es nichts, was du wunderschön findest?", frage ich ihn und sehe, wie seine Mundwinkel zucken. "Doch, das gibt es etwas." Er lächelt. Es ist ein zufriedenes Lächeln. Ich blicke von seinen Augen runter zu seinem Adamsapfel bis hin zu seinen Schlüsselbeinen und schaue dann seufzend aus dem Fenster. "Mehr als wunderschön sogar", haucht er, was einen Schauer über meinen Rücken jagt. "Das musst du mir dann irgendwann mal zeigen." Ich höre ihn kurz auflachen und drehe mich zu ihm. "Das werde ich", sagt er selbstsicher und fährt mir mit seinen Fingerknöcheln über meine Wange. Diese Berührung erhitzt meinen Körper. Sie ist so neu, genau wie das Gefühl, wenn Can mich nur irgendwie berührt. In meinem Bauch kribbelt es. Langsam fährt er mit seinen Fingerknöcheln nach oben und dann mit seinen kühlen Fingerkuppen meine Wange hinunter, was dazu führt, dass sie meine Nackenhaare zu Berge stellen. Es fühlt sich so gut an, doch die Tatsache mit Elif macht es kaputt. Ich erwache aus meiner Starre und entferne vorsichtig seine Hand von meiner Wange, woraufhin ich beschämt aus dem Fenster gucke. "Was ist los?", fragt er mich und stellt sich näher zu mir, weswegen ich etwas Platz schaffe. "Du bist doch mit Elif zusammen", flüstere ich. "Und?" Er versteht anscheinend nicht, was ich meine. "Das ist nicht gut, dass wir uns so nahe sind, wenn du vergeben bist", gebe ich heiser von mir und schaue auf das große, leuchtende Gebäude. Can dreht mich zu sich und hebt mein Kinn an. Ich schaue in seine Augen. Diese Augen, die mich immer faszinieren und mich immer in einen Bann ziehen. Diese Augen, die einen an einen starken, nein, an den stärksten Löwen erinnern. Diese Augen in denen graue Sprenkel tanzen und dessen Pupillen sich immer weiten. "So rein", flüstert er und mustert mich. Durch sein Blick kribbelt mein Bauch verdammt stark. Peinlich berührt schaue ich weg, doch werde von Can wieder gezwungen zu ihm zu sehen. Seine Augenbrauen sind zusammengezogen, sein Blick nachdenklich und etwas wütend. Er stellt sich näher an mich heran, weswegen ich weiter nach hinten trete, woraufhin sich Cans rechte Hand an meiner Taille befestigt, mich zu sich zieht und ich mir ein leises, scharfes einziehen der Luft nicht verkneifen kann. "Du hasst Elif doch, nicht wahr?", raunt er mir zu und schaut mir fest in meine Augen. Ich nicke, da ich plötzlich unfähig bin zu sprechen und spüre, wie sich mein Herzschlag beschleunigt, als sich Can nach vorne lehnt. Gott, was passiert hier bloß nur mit mir?

"Du könntest mich jederzeit dazu führen, sie zu betrügen. Wieso machst du es nicht?", flüstert er in mein Ohr und wartet auf meine Reaktion. Ich bin zum Teils geschockt und entsetzt, aber irgendwie fühle ich mich... geehrt? Besonders? Wunderbar? Ich könnte ihn jederzeit verführen. Aber dann muss das doch heißen, dass Can doch nichts für Elif empfindet. Ich verstehe einfach nichts mehr. "Wie kannst du nur so etwas sagen, Can?", frage ich etwas wütend, aber nicht so wütend, dass die anderen aufmerksam werden. Can schaut mich neutral an, wartet, dass ich weiter rede. "Du bist mit Elif zusammen. Schon seit einem Jahr! Du hast Gefühle für sie und sie auch bestimmt für dich!", erzähle ich mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Sie empfindet nichts für mich", kommt es rau von Can, dessen Stimme in meinen Lymphknoten kribbelt. "Wieso ist sie dann mit dir zusammen?" Er lacht trocken auf und kommt mir mit seinem Gesicht sehr nah. "Du bist zu rein für mich", flüstert er gefährlich nahe an meinen Mund. Oh Gott! Ich traue mich nicht zu atmen, mich nur ein Stückchen zu bewegen, da ich Angst habe, dass sich unsere Lippen streifen. Langsam und vorsichtig drehe ich meinen Kopf zu dem Fenster, in der Hoffnung seine Nähe nicht zu spüren. Mein Herz schlägt noch schneller, weswegen ich versuche es unauffällig zu normalisieren. "Du hattest recht", flüstert er in mein Ohr und streift mein Ohrläppchen mit seiner Lippe. Hätte ich keine drei Ohrringe an, würde mein Ohr bestimmt vor Gänsehaut explodieren, stattdessen kribbelt es an meinen Lympfknoten und an meinem Steißbein, wie jedes Mal, wenn Can mir etwas zuflüstert. "Was-, was meinst du?", frage ich heiser und schlucke. Ich schaue kurz zu ihm, doch dann wieder aus dem Fenster, da mir sein Blick zu intensiv ist. Er beugt sich etwas zu mir hinunter und küsst meine Schläfe, was mein Herz tausendmal schneller schlagen lässt und meine Temperatur so sehr steigen lässt, dass ich meinen könnte, ich hätte Fieber. Wieso macht er das? "Can, du bist vergeben", murmele ich, obwohl sich seine Berührungen so gut anfühlen. "Habe ich dich nicht verdient?", fragt er mich. Mein Hals ist plötzlich ganz trocken und schlucken kann ich auch nicht mehr. Ich verstehe nichts. "Can, was redest du da?" Ich löse mich von ihm und schaue zur Bar, wo sich einige Leute prächtig amüsieren. "Vergiss es. Lass uns bitte raus." Ich nicke und schaue auf mein Handy, das mir sagt, dass wir 19:37 Uhr haben. Eine bedrückende Stille macht sich im Aufzug breit. Was meint er nur? Was redet er da? Wieso macht er das? Ich verstehe ihn nicht, da er in Rätseln redet. Wie soll ich ihn bitte verstehen?

"Möchtest du ein Eis?", fragt er mich plötzlich, weswegen ich meinen inneren Monolog unterbreche und den Kopf schüttele. "Doch, möchtest du." Er läuft aus dem Aufzug raus und steuert auf den Eiswagen zu. "Can, meine Laktoseintoleranz!", erinnere ich ihn und sehe wie sich seine Schultern anspannen. "Du isst es. Du isst immer Milchprodukte. Diese Ausrede zieht schon lange nicht mehr, Shana." Er schaut mich kurz angriffslustig an, bevor er zum Verkäufer läuft und bestellt. "Irgendwann bringe ich dich um, Can", flüstere ich seufzend und laufe zu ihm. Bei Can und dem Eismann angekommen, hat Can ein Hörnchen in der Hand und gibt es mir. Dankend nehme ich es entgegen und laufe mit Can durch die Stadt. Warte, wo ist denn sein Eis? "Can!", meckere ich. "Fällt dir aber früh auf", neckt er mich. Sofort halte ich ihm mein Eis hin. "Was soll ich damit?", fragt er mich. "Lecken!", befehle ich und sehe, wie er anfängt zu schmunzeln. "Nicht dieses Lecken!" Gott, wie pervers er doch nur ist. "Jetzt leck!" Ich halte ihm das Schokoladeneis vor die Nase und warte, dass er etwas davon isst. "Aber du hast schon davon gegessen", sagt er und will meine Hand wegschieben. Sein Ernst? "Sag mir bitte nicht, du bist so ein Penibler, wenn es um so etwas geht." Ich schaue ihn genervt an, während er sichtlich amüsiert ist. "Nein, aber vielleicht bist du ja so", gibt Can schlicht von sich. "Liebster Can! Würde ich dir dieses Eis anbieten, wenn ich so ein Spießer wäre? Falls du dich daran erinnern kannst: Ich habe aus deiner Flasche getrunken." Er fängt an zu grinsen. "Unseren ersten Kuss habe ich mir anders vorgestellt", neckt er mich und kriegt sofort einen Schlag gegen seine Brust. "Rede nicht soviel, sondern fang an zu lecken!" Schon wieder fängt er an zu schmunzeln. "Wo soll ich anfangen?", fragt er schmunzelnd und hält mein Handgelenk fest. "Das ist mir doch vollkommen egal." Verrwirrt kneife ich meine Lider zusammen. "Dann fange ich bei dir an. Aber wir müssten dann an einen Ort, wo niema-," "Can!", unterbreche ich ihn sofort hysterisch und fahre mir mit meiner freien Hand beschämt über meine Wange. "Leck jetzt sofort das verdammte Eis ab!", zische ich und halte es vor seinen Mund. Die Leute, die an uns vorbeilaufen denken sich bestimmt, dass wir gestört sind. Can hält schelmisch mein Handgelenk fest und leckt dann ganz langsam eine Stelle ab. Dabei sieht er mir in meine Augen und sendet obszöne Signale, weswegen ich empört die Luft einziehe. Seine Zunge bewegt sich langsam in winzigen Schritten auf und ab, was sehr hypnotisierend wirkt. Diese Zunge kann bestimmt ganz viele Dinge machen... glücklich machen. Was zum?! Was habe ich auf einmal für perverse Gedanken? Er lässt mein Handgelenk los und leckt sich mit seiner Zungenspitze über seine Unterlippe, was einen ganz kirre macht. Ich drehe benommen die Seite des Eises, welches gerade von Can befriedigt wurde zu mir und sehe, dass er dort eine Kuhle reingeleckt hat. Ach du heiliger Käsekuchen. "Perversling", murmele ich beim Laufen und höre ihn lachen. Ich drehe Cans Seite um und lecke kurz über meine Seite, bevor ich es ihm wieder hinhalte. "Ich habe doch schon geleckt", informiert er mich mit einem perversen Unterton in der Stimme. "Leck noch mal", zwinge ich ihn und laufe auf die Bank zu. "Gefällt es dir, wenn ich etwas lecke?", fragt er und verliert dieses dreckige Grinsen nicht. "Ja, Can! Ich wünschte, ich wäre dieses Eis und muss mich beherrschen, nicht auf dich zu springen", gebe ich sarkastisch von mir und sehe wie Cans rechte Augenbraue hochgeht, genau so wie sein rechter Mundwinkel. Immer die rechte Augenbraue. "Das hättest du mir doch nur sagen müssen. Es gibt für alles eine Lösung", säuselt er. "Leck das verdammte Eis!", befehle ich und schaue auf die Straße, bis Can das Eis wieder zu mir schiebt und ich gedankenverloren mit meiner Zungenspitze auf der kühlen Oberfläche kleine Kreise mache. "Du vergrößerst die Kuhle", säuselt Can, woraufhin ich mir das Eis anschaue. Du hast theoretisch mit Can herumgemacht, hehe. "Freut mich, dass wir unsere Zunge im selben Loch hatten", sagt Can und lächelt mich freundlich an, na toll! Ich will gerade etwas sagen, da klingelt mein Handy. "Das ist meine Mutter!", sage ich etwas schreckhaft und drücke das Eis in Cans Hand, bevor ich ihm den Rücken zukehre.

"Ja?"

"Shana, es ist schon spät. Dein Vater hat gleich Ladenschluss. Komm nach Hause."

"Ähm, okay. Ich sag der Mutter Bescheid und dann fährt sie mich."

"Okay, bis gleich." Ich lege auf und drehe mich zu Can, der verstanden hat und sich erhebt.

"Iss das Eis auf", sage ich zu ihm und laufe dabei. "Nein, du." Ich stöhne genervt auf. "Stöhn nicht, leck lieber." Ich schaue Can mahnend an, während er mich angrinst. "Du-, Can ich kriege Bauchschmerzen", gebe ich mit zusammengekniffenen Augen von mir und halte meinen Bauch fest. Ich habe zwar wirklich etwas Bauchschmerzen, aber sie sind nicht wirklich stark. Ich simuliere, damit Can das Eis aufisst. "Willst du dich hinsetzen?", fragt er mich sofort und schaut mich besorgt an, während ich mir ein Lachen verkneifen muss. "Nein, lass uns zum Auto. Iss bitte das Eis auf", nuschele ich am Ende und grinse heimlich, als er das Eis aufisst. Gut so. "Hast du noch Schmerzen?", fragt mich Can, als wir uns ins Auto setzen. "Nein, es geht wieder", versichere ich ihm und schnalle mich an. Er murmelt ein Okay und fährt dann los, als er sich ebenfalls angeschnallt hat. Wir reden während der Fahrt über albernes Zeug und lachen viel, weswegen mir die Fahrt sehr kurz vorkommt. Ich sage ihm, dass er weiter weg von meiner Straße parken soll, da mein Vater gleich nach Hause kommen müsste, was er dann auch tut. Ich schnalle mich ab und schaue etwas schüchtern zu ihm. Wo ist meine Selbstsicherheit hin? "Danke für den Tag", murmele ich und räuspere mich danach. "Bedank dich nicht, das mache ich gerne", sagt Can und zieht mich in eine Umarmung, die ich sofort erwidere. Seinen herben Duft ziehe ich ein und löse mich von ihm. "Bis morgen", flüstere ich und verlasse das Auto, da sein Blick wieder so intensiv war. Ich halte mir im Aufzug die Schläfe, genau den Part, den Can geküsst hat und muss unwillkürlich anfangen zu lächeln, was aber sofort wieder verfliegt, als ich an Elif denken muss. Ich hasse sie und das wirklich, aber ich kann ihr doch nicht den Freund ausspannen. Sie liebt ihn doch eh nicht, redet mir mein Unterbewusstsein ein, doch woher soll ich das wissen? Ich werde sie ganz sicherlich nicht fragen.

Mal sehen, was sich ergibt.

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