Kapitel 4
„Was für ein beschissener Tag!", fluchte er, schnappte sich im Lauf die Axt, welche neben der Tür gelehnt hatte. Mit langen Schritten ging er zu einem Holzblock und einem riesigen Haufen vorbereiteter Holzstämme, die einige Meter entfernt lagen, bereit zur Weiterverarbeitung. Es war trocken und nicht bewölkt, perfektes Wetter, um das Holz zum Heizen einzulagern.
Wie sollte er diese Misere nur wieder hinbekommen? Aufgebracht und wütend vor Hilflosigkeit machte er sich bereit, die Stämme fachmännisch in kleine Stücke zu zerhacken. Die monotone Tätigkeit hatte seinem Geist schon öfter geholfen, Klarheit in schwierigen Situationen zu erlangen. Vielleicht half es auch diesmal. Er schnappte sich das erste große Stück und legte es auf den Hackblock. Dann positionierte er sich, holte Schwung mit der Axt und zerteilte den kleinen Stamm mit einem gekonnten Hieb.
Nach und nach versiegte seine Wut auf die Situation. Sein Lykaner zog sich zurück und seine Gedanken klärten sich. Er hätte sich nicht so hinreißen lassen sollen, wegen Celeste! Er benahm sich wie ein pubertierender Teenager, statt eines erwachsenen Mannes. Und zu allem Überfluss hatte er seine Erasthai in Angst und Schrecken versetzt. Er hatte es ihr schonend beibringen wollen.
Es war nicht von der Hand zu weisen, die Frau ging ihm jetzt schon ordentlich unter die Haut. Wenn sie dachte, dass er sie jemals gehen lassen würde, so wird sie noch früh genug merken, dass Lykaner ihre Erasthais niemals wieder hergaben, sobald sie diese einmal gefunden hatten.
Während er sich grimmig durch die Holzstämme arbeitete, dachte er über das weitere Vorgehen nach. Er hatte versprochen ihr Raum zu geben und er konnte nur hoffen, dass dies richtig gewesen war. Als Celeste so verängstigt vor ihm kauerte, hatte er auf das Gefühl in seinem Inneren vertraut. Die vage Ahnung, dass es besser wäre, sie nicht zu bedrängen, sondern ihr Zeit zu geben, um über alles nachzudenken. Irgendetwas sagte ihm, dass seine Gefährtin in so einer Situation nicht gut reagierte, wenn sie unter Druck gesetzt wurde.
Es hatte ihn innerlich fast zerrissen, als seine lykanische Seite lieber seine Erasthai in die Arme nehmen und beschützen wollte, anstatt sich von ihr zu entfernen. Doch er hatte erfolgreich dagegen angekämpft und war nach draußen gegangen. Er musste einfach darauf vertrauen, dass die Verbindung, welche er durch die körperliche Nähe vertieft hatte, gefestigt genug war. Und dann die Situation mit ihrer Freundin. Zeit war hier entscheidend, denn wer wusste schon, was diese Typen mit ihr vorhatten. Er hatte bisher nicht viel rausfinden können. Es war eine seltsame Gruppierung von Werwölfen, dem Anschein nach Rogues und Menschen. Verdächtig an dieser Geschichte war, dass Rouges in der Regel Einzelgänger waren und sich selten lange an einem Ort aufhielten, geschweige denn sich zu einem Pack zusammen rotteten, vor allem gemeinsam mit Menschen. Aris hatte den Grund dafür bisher nicht herausfinden können und das ärgerte ihn angesichts der Entführung einer Unschuldigen erst recht. Er wusste nur, wo sie ihre Sammelstelle hatten, und da würde er heute Nacht vorbeischauen und sehen, ob er etwas über den Verbleib der jungen Frau erfahren würde. Vielleicht war ihm die Mondgöttin ja hold und er konnte direkt eine Rettungsaktion starten.
So in Gedanken versunken arbeitete er sich durch den gesamten Holzhaufen. Als er das letzte Stück mit seiner Axt zerteilte, hörte Aris, wie die Tür der Blockhütte geöffnet wurde. Sofort zog es seinen Blick mit all seinen anderen Sinnen dorthin.
Und da stand sie, seine Erasthai. Er sah ihr verweintes Gesicht, ihre zerzausten Haare und kurz darauf kam ihm ihr Geruch in die Nase. Bei der Göttin, er war kaum von ihr getrennt und schon hatte er diesen exquisiten Duft nach Karamell und Frau vermisst. Wie ein Drogensüchtiger ging er unbewusst einen Schritt in ihre Richtung und sofort schlug ihm wieder ihre Angst entgegen und er erstarrte auf der Stelle. Aris hatte sein Versprechen nicht vergessen, aber zum Teufel, wenn ihr Anblick ihn unberührt ließ. Sie sah so verletzlich und traurig aus. Doch sie hatte sich trotz aller Angst zu ihm herausgetraut und Stolz überkam ihn. Sie war eine Kriegerin! Seine Erasthai war nicht so einfach unterzukriegen.
„Celeste", kam es rau und voller Verlangen von seinen Lippen und sie sah ihn mit riesengroßen Augen an, als wäre sie ein Reh und er der böse Wolf. Oh, wenn sie wüsste, wie gefährlicher er in Wahrheit war.
„Wirst du Anni retten?", fragte sie ihn gerade heraus.
Aris zögerte, er wollte ihre Freundin retten, für sie, seine Erasthai. Doch würde er rechtzeitig kommen? Er weigerte sich, ihr leere Versprechen zu geben. „Ich werde tun, was ich kann, Schönheit. Wenn Sie noch gerettet werden kann, werde ich das tun", antwortete er ihr, so ehrlich es ihm möglich war.
Mutig ging sie einen weiteren Schritt auf ihn zu, als könne auch sie, der Anziehung zwischen ihnen nicht widerstehen und blickte ihm leicht zitternd, dennoch entschlossen, in die Augen. „Zeig es mir", verlangte sie mit gefasster Stimme. „Zeig mir dieses Lykaner Dingens ... Oder was auch immer das ist."
Entsetzt starrte er sie an. „Schönheit, ich glaube nicht, dass das eine ..." setzt er an, doch sie unterbrach ihn.
„Zeig. Es. Mir." Ihr Körper zitterte, ihre Stimme war dagegen fest und bestimmend.
„In Ordnung", seufzte er „aber lass mich erst ein paar grundlegende Dinge erklären, damit du auch verstehst, was ich dir zeigen werde", blickte er nicht minder entschlossen zurück.
Sie sah ihn abschätzend an und nickte dann.
Kurz überlegte er, wo er anfangen sollte. „Werwölfe sind den natürlichen Tieren recht nahe. Sie leben in Rudeln, haben einen Anführer, ihren Alpha, usw. Doch sie sind zur Hälfte auch Menschen. Und sie haben von der Mondgöttin auserwählte Gefährtinnen, entweder Mensch oder Werwolf. Mit ihrem 18. Geburtstag können sie ihre Gefährtinnen erkennen", erklärte er zögerlich. „Lykaner ...", er sah ihr tief in die Augen, „wir sind anders. Legenden zufolge stammen wir direkt von der Mondgöttin ab. Wir sind grausamer, stärker, schneller und leben länger als Werwölfe. Wir unterliegen nicht dem Drang, uns bei Vollmond zu verwandeln oder in Rudeln zu leben ... Und wir sind auch keine Wölfe", sah er sie forschend an.
Celeste erwiderte seinen Blick mit Neugier und Verwirrung. Noch schien sie nicht ängstlich zu sein. „Was seid ihr dann?", kam es von ihr.
„Für einen Menschen? Monster ..." beantwortete er trocken ihre Frage. „Ja, Celeste, wir sehen nicht aus wie ein Wolf. Ein Lykaner ist eine Tötungsmaschine, ausgerichtet um Tod und Vernichtung zu bringen. Wir jagen aufrecht, wir haben Klauen und Fangzähne und wir leben sehr, sehr lange. Und unsere Moral ist gnadenloser. Töten oder getötet werden, wir zeigen keine Gnade oder Mitleid", versuchte er sie auf den kommenden Anblick seiner Lykaner-Form vorzubereiten.
„Und wir können unsere Erasthais in allen magischen Rassen und unter euch Menschen finden. Allerdings ist das höchst selten und ein wahrer Glücksfall für jeden Lykaner", lächelte er sie liebevoll an, bevor er zu einer weiteren Erklärung ansetzte. „Wir hören zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr auf im natürlichen Rhythmus zu altern und die meisten Lykaner verbringen Jahrtausende bzw. ihr ganzes Leben ohne eine Seelengefährtin. Und du bist meine, Celeste ...", sah er sie an, voll mit allen Gefühlen, die er bereits für sie hegte.
Sie räusperte sich und wandte den Blick ab. Dann holte sie tief Luft und sah ihm wieder fest in die Augen. Entschlossenheit strahlte von ihr in Wellen ab. „Okay. Ich bin bereit! Zeig es mir!"
Er schloss ergeben die Augen und atmete tief durch. „Denk daran, Schönheit. Ich würde eher sterben, als dir etwas anzutun."
Damit zog er sich den Pullover aus. Jetzt stand er mit nacktem Oberkörper ein paar Meter von ihr entfernt. Lange nicht genug Abstand, als dass sie eine Chance hätte, ihm zu entkommen. Dann begann er sich zu wandeln. Wenn sie bei seinem Anblick gleich panisch flüchten würde, war sie hoffentlich bereit, von ihm gejagt zu werden. Denn eins hatten Lykaner und Werwölfe gemeinsam: Sie lebten für die Jagd. Und nichts konnte einen vollständig gewandelten Lykaner aufhalten.
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