Kapitel 18

Aris verstand die Verwirrung und das Entsetzen von Celeste nur allzu gut. Mit ein Grund warum er den Zettel so lang vor ihr geheim gehalten hatte. Nicht nur, dass er sich Sorgen gemacht hatte, wie sie es aufnehmen würde, er hatte im Vorfeld auch sichergehen müssen, dass nicht sie die Adressatin des Schreibens war: Erasthai oder nicht, sie hätte ebenso eine Verräterin sein können, seine Gegnerin. Nachdem er jetzt Zeit mit ihr verbracht hatte, war er sich sicher, dass Sie das Opfer war in dieser verzwickten Sache. Verunsichert fuhr er sich durch die Haare. Wie konnte er sie trösten? Wie ihre Zweifel an ihrer besten Freundin zerstreuen? Er fühlte ihre Emotionen durch die gewachsene Verbindung und litt mit ihr. Wie gerne würde er ihr versichern, dass alles in Ordnung kommen würde, Annabeth bestimmt nur ein Opfer war. Doch entspräche das der Wahrheit? Mit Sicherheit konnte er es nicht sagen. Daher trat er hinter die Stuhllehne, fasste sie an den Schultern, damit Celeste sich an ihn lehnte. Er beugte sich hinunter, legte seine Arme um ihre Taille und küsste sie auf den lockigen Hinterkopf. Vertrauensvoll schmiege sie sich an ihn. Aris schloss die Augen und saugte ihre Nähe geradezu in sich auf und versuchte, ihr Zuversicht und Mut durch die unvollständige Verbindung zu geben.

Caspian stand noch immer vorm Schreibtisch, ebenfalls sichtlich in Gedanken versunken, bis dieser sich müde mit der rechten Hand durchs Gesicht wischte und laut aufseufzte. „Schöne Scheiße", fluchte er flüsternd vor sich hin, ehe er seinen Freund ansah. „Ich muss wieder zu Gwen zurück und wir kommen in diesem Moment so nicht weiter. Erst brauchen wir mehr Informationen." Aris nickte ihm zu. „Ich bin sicher eine Journalistin und der lykanische Schatten kriegen das auch ohne mich hin. Bringt soviel in Erfahrung, wie ihr könnt, recherchiert und erkundet. Ich muss ins Bett", gähnte er hinter vorgehaltener Hand. „Haltet mich auf dem Laufenden und wenn ihr meine Hilfe braucht, ihr wisst, wo ihr mich findet." Damit machte er kehrt und ging zur Tür hinaus und ließ die anderen zurück.

Aris löste sich von seiner Erasthai, drehte sie auf den ledernen Stuhl zu sich, um ihr dann beide Hände auf die Wangen zu legen. Celeste tief in die Augen blickend, sprach er zu ihr: „Ich weiß du bist durcheinander, Schönheit. Doch wir dürfen keine voreiligen Schlüsse ziehen, hm?" Er küsste sie aufmunternd auf die Nasenspitze, was sie überrascht blinzeln ließ. „Lass uns auf Caspian hören und so viel rausfinden über diesen Typen wie nur möglich!", versuchte er sie aus ihrem Gedankenkarussell zu befreien. „Du recherchierst und ich versuche, unser Suchgebiet einzuschränken. Schließlich kann er mit diesem Hubschrauber ja nicht bis nach Amerika geflogen sein", zwinkerte er schelmisch, ehe er aufstand und in den Schubladen des antiken Ungetüms Caspians Laptop suchte. Sie beide kannten sich lange genug, dass Aris wusste, dass er einen hier hatte und sein König kein Problem damit haben würde, wenn er ihn benutzen sollte. Da ein zweiter Stuhl fehlte, setzte er sich hinter Celeste unter das großzügigste Fenster, Beine aufgestellt und den Laptop mittig dazwischen auf dem Boden. Die junge Frau hatte bereits begonnen eifrig auf ihrem Exemplar zu tippen und zu klicken, bis er sein Gerät gestartet hatte und so verbrachten sie nächsten Stunden schweigend mit Nachforschungen, ein jeder konzentriert auf seine Aufgabe.

Er sammelte Fakten und Daten über den von Williams genutzten Hubschrauber. Dann verbrachte er einige Zeit damit, Umkreis und Reichweite des Fluggerätes zu berechnen, um den Suchradius um das Tal, wo er Annabeth gefunden hatte, einzudämmen. Glücklich war Aris mit dem Ergebnis nicht, Gegenrechnungen erbrachten jedoch keine anderen Resultate. Das infrage kommende Gebiet war sehr weitläufig. Genervt schob er den Laptop auf die Seite und sah zu Celeste. Deren Feuereifer und die Energie hatten stark nachgelassen und Aris erwischte sie dabei, wie ihre Augen zu fielen und sie diese erschrocken wieder aufriss.

„Zeit fürs Bett!", entschied er an seine Schönheit gewandt und diese zuckte leicht zusammen, angesichts der unerwarteten Ansprache. Er erhob sich von seinem Platz auf dem Boden, schritt zu ihr hinüber und klappe demonstrativ den Computer zu.

„Was?", protestierte die junge Frau halbherzig, doch er bückte sich bereits und hob sie kommentarlos auf seine Arme. Erschrocken klammerte sie sich an seinen Nacken, als er auch schon zügig aus dem Zimmer lief.

„Du bist fast im Sitzen eingeschlafen.", wandte er sich amüsiert an seine Erasthai. „Glaubst du, ich sehe das tatenlos mit an?", lächelte er sie sanft an. „Meine Top-Journalistin braucht ihren Schlaf, um in der besten Verfassung zu sein, ihre Freundin zu retten", zwinkerte er und Celestes angesetzter Protest erstarb auf ihren Lippen. Ihr Widerstand erschlaffte und sie ließ sich angelehnt an seine Brust ins Bett tragen.

Müde murmelte sie: „Ist das eigentlich so ein Fetisch von dir wehrlose Frauen herum zutragen?", und gähnte herzhaft.

Er lachte leise, ehe er ihr mit sanfter Stimme antworte: „In diesen Genuss kommt allein meine Erasthai", bevor er sie vorsichtig auf dem Bett absetzte. Er reichte ihr ein weiteres seiner Shirts aus dem Schrank, holte sich selbst bequeme Sachen zum Schlafen und ging ins Badezimmer, um sich umzuziehen und Celeste etwas Privatsphäre zu gönnen.

Im Bad angekommen atmete er erst einmal tief durch, nachdem er die Tür sorgsam zugemacht hatte. Zitternd lehnte Aris sich mit den Händen aufs Waschbecken. Augen geschlossen, versuchte er sich zu beruhigen. Sein Lykaner zerrte an den Ketten, die er ihm auferlegt hatte, und er hatte Mühe, ihn zurückzudrängen. Die Nähe zu Celeste war angenehm, doch gleichzeitig schürte es sein Verlangen und den Drang zur Paarung.

Es verging eine Weile, die er mit zitternden Schultern und schweren Atemzügen vornübergebeugt stand, ehe er sich sicher fühlte zu seiner Erasthai zurückzukehren. Er zog sich um, erledigte die Badezimmerroutine und wappnete sich ein letztes Mal, bevor er die Tür öffnete. Leise glitt er ins Schlafzimmer, wo er Celeste bereits schlafend vorfand. Er krabbelte auf die freie Seite ins Bett und zog sich die Decke bis zur Hüfte. Sein Oberkörper war frei und er trug lediglich eine leichte Pyjamahose. Ob seine Gefährtin wohl erneut so erstarren würde wie das letzte Mal? Bestimmt würde sie wieder knallrot anlaufen. Er lächelte vor sich hin, ehe er sich zu ihr drehte und sie im Schlaf betrachtete. Seine wunderschöne Erasthai lag friedlich da, ebenfalls auf der Seite, eine Hand vor ihrem Kopf liegend. Ihre vollen braunen Locken lagen in alle Richtungen verstreut, einige wenige fielen ihr ins Gesicht. Der Verlockung nicht widerstehend, strich er sie hinter ihr Ohr und seine Finger glitten weiter über ihren Hals. Oh Göttin, er wollte sie so sehr, brauchte sie wie die Luft zum Atmen. Dieser Gedanke traf sein Innerstes wie einen Hammerschlag. Sein Lykaner erwachte erneut, drängte ihn, sich über sie zu lehnen und die Verbindung endlich zu besiegeln. Erschrocken zog er die Hand weg und krümmte sich leicht. Seine Haut schien im plötzlich zu eng, sein Lykaner donnerte erneut mit voller Wucht gegen die mentale Barriere, die ihn unter Kontrolle hielt. Einer Feuerwalze gleich brannte sich Verlangen und Besitzgier durch seinen Körper. Es war schmerzhaft und es kostete ihn unglaubliche Anstrengung, dem nahezu allumfassenden Drang zu widerstehen, doch es gelang ihm ... irgendwie. Besser er schlief auf der Couch und hielt einen gewissen Abstand, zumindest vorerst. Er wollte sich gerade von Celeste abwenden und aus dem Bett steigen, da ergriff sie seine Hand mit sanftem Griff. Überrascht blickte er zurück. Hatte er sie etwa geweckt? Doch sie hatte die Augen geschlossen. Undeutlich hörte er sie murmeln.

Er verstand ein „geh nicht", und ihr Griff um seine Hand wurde fester. Kurz flogen ihre Augen auf, blickten ihn flehend an, und schlossen sich erneut. Seufzend legte er sich wieder hin, diesmal auf den Rücken. Seine freie Hand wollte er grade unter seinen Kopf schieben, da lösten sich Celestes Finger aus seinen und sie ruckte zu ihm heran. Sie kuschelte sich an ihn, legte ihren Kopf auf seine Brust und stieß ein erleichtertes Seufzen aus. Ihr Arm wanderte über seinen Bauchmuskeln auf seine Seite, blieb federleicht unterhalb seiner Rippen liegen. Aris hielt angespannt den Atem an, Sie war so nahe, er fühlte Haut an Haut. Hilflos konnte er nur still daliegen und gegen sich selbst ankämpfen. Verzweifelt machte er Atemübungen, versuchte, seinen Fokus auf etwas anderes zu lenken, als auf die Frau die so lieblich halb auf ihm lag. Das würde eine verdammt lange Nacht werden und er schloss die Augen, ausweglos gefangen in dieser Situation und seinem inneren Disput.

Irgendwann musste er wohl doch eingeschlafen sein, denn das Zwitschern von Vögeln und die Strahlen der Morgensonne weckten ihn. Celeste lag noch immer in seinen Armen und schlief entspannt. Panisch schaute er auf Hals und Nacken und suchte die Schultern ab. Hatte er sich in der Nacht markiert? Er konnte sich nicht erinnern. Er hatte mit allem, was ihm einfiel, gegen seinen Lykaner angekämpft, um genau das zu verhindern. War er am Schluss zu ausgelaugt gewesen und hatte nachgegeben? Als er sich vorsichtig bewegte, um die junge Frau nicht zu wecken, konnte er nichts finden. Erleichtert stieß er die Luft aus. Aris wollte Celeste nur zu gern endlich sein Eigen nennen, doch sie war noch nicht bereit dazu. Mit aller Sanftheit löste er sich von ihr und stand auf. Er erledigte die Morgentoilette bevor er zum Frühstücken in die Küche ging. Kurz erwägte er, seine Erasthai zu wecken, entschied sich dann aber dagegen. Sie brauchte ihren Schlaf. Er würde sich ihre Nachforschungen allein ansehen und versuchen mit Hilfe dessen, das Suchgebiet einzuschränken. Celeste hatte einige Immobilien gefunden, bei denen Alexander Williams als Eigentümer verzeichnet war. Mal sehen, welche davon in Hubschrauber-Reichweite des Tals lagen. Dort würde er anfangen, sich umzusehen.

Zwei Stunden später sass er in einem kleinen Café gegenüber eines eben dieser Häuser, vor sich einen weiteren frisch gebrühten Americano und die aktuelle Tageszeitung. Er hatte Celeste vor seinem Aufbruch nicht mehr gesehen und hoffte, sie würde ihm nicht böse sein, dass er sie jetzt ausschloss. Sie war in Gesellschaft von Gwen besser aufgehoben momentan, da diese eine neue Einkaufstour geplant hatte. Caspian traf sich mit Konstantin, seinem Cousin, ein weiterer loyaler Freund. Dessen Erasthai würde die beiden anderen Frauen ebenfalls begleiten und Aris war sich sicher, das Celeste ihn vorerst nicht vermissen würde. Vor allem da eine erste Observierung ziemlich langweilig werden konnte und er konnte sich partout nicht vorstellen, dass sie geduldig mit ihm hier stundenlang sitzen würde. Zumal er mit Sicherheit dann zu abgelenkt wäre, um sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Lächelnd nippte er an seinem heißen Getränk.

Bisher hatte er eine Stunde hier zugebracht und nichts Verdächtiges feststellen können. Auch danach blieb alles ereignislos und er beschloss, sich das Gebäude näher anzusehen. Vielleicht gelang es ihm hinein, zukommen und ein paar Wanzen zu installieren.

Er bezahlte seine Rechnung, überquerte die Straße und suchte sich seinen unauffälligen Weg ins Haus. An der Eingangstür fand er eine alte Dame vor, der er höflich anbot, ihre Einkäufe hineinzutragen. Dankbar nahm sie an und er hatte seinen Weg hinein gefunden. Als er ihr geholfen hatte, lud sie ihn weiterhin zum Tee ein und er erfuhr ein paar interessante Sachen über die Mieter hier. Die alte Dame war offensichtlich einsam und froh jemanden zum Reden zu haben. Als er sich endlich aus ihrer Gesellschaft lösen konnte, war es bereits Nachmittag.

Beim Verlassen des Gebäudes klingelte sein Handy. Gwens Name leuchtete auf und er ging verwundert ran. Waren die Frauen nicht auf Einkaufstour? Weswegen rief sie ihn an? Seinen Kreditkarten-Rahmen konnte sie nicht gesprengt haben, der war grenzenlos.

„Gwen," meldete er sich, „was kann ich für dich tun?"

Im ersten Moment hörte er nur den lebhaften Hintergrund der Einkaufsmeile, dann die aufgelöste Stimme seiner Königin.

„Aris! Der Göttin sei Dank!", rief sie aufgeregt ins Telefon. „Du musst so schnell wie möglich her kommen! Es geht um Celeste."

Sofort war er alarmiert und lief eilig zu seinem Auto, dass er sich von Caspian geliehen hatte.

„Was ist mit ihr?", sprach er beunruhigt in den Apparat, während er in seiner Lederjacke nach dem Schlüssel suchte.

Gwen antworte jetzt panisch: „Sie ist weg!" Er erstarrte in seinem Tun. „Sie wollte auf die Toilette als wir in einem Café einen Zwischenstopp gemacht haben. Das ist jetzt eine halbe Stunde her. Ich ging nachsehen und sie war nicht da!" Gegen Ende klang sie fast hysterisch.

Sein Herz setzt für einige Schläge aus und sein Lykaner drängte mit aller Macht in den Vordergrund. Seine Erasthai war verschwunden und dieser wollte ihr nachjagen. Doch Aris musste gerade jetzt einen ruhigen Kopf bewahren. Mit der Hand fuhr er sich durch die Haare und gezwungen gelassen sprach er zu Gwen: „Wo seid ihr? Bleibt da, ich komme. Ruf Caspian an, er soll euch abholen."

Sie bestätigte, gab ihm die genaue Adresse durch und er jagte mit dem Auto wie der Teufel durch die Stadt zum genannten Standort.


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