Kapitel 7
Zur gleichen Zeit war Myron bei seiner Mutter. Er saß in ihrem Stubeund sah sie über den Herd weg an, während sie sprachen. „Sie ist bezaubernd, Mutter. So wunderschön und ihre Stimme hat einen einzigartigen Klang", schwärmte Myron ihr vor und ein Funkeln spiegelte in seinen Augen wider.
Kathleena lachte darüber auf. Es schien sie zu amüsieren, wie glücklich er zu sein schien. „Mein Sohn, du wirst es doch wohl nicht geschafft haben, dich nach so langer Zeit verliebt zu haben?", fragte sie schmunzelnd.
„Oh Mutter, ich weiß es selbst nicht. Aber jedes Mal, wenn ich sie sehe oder an sie denke, wird mir ganz schwindelig. Ihre wunderschönen Augen ziehen mich in einen Bann, von dem ich mich nur schwer befreien kann. Sie lässt mich die Welt um mich herum vergessen und ihre Stimme ... klingt wie Gesang, dem man sich nur schwer entziehen kann", erklärte Myron seiner Mutter. Seine Augen sprühten förmlich vor Funken.
Doch plötzlich wurde er nachdenklich und sein Gesicht verdüsterte sich. „Allerdings ist sie aus sehr schlechten Händen", murmelte er unglücklich. „Wir haben sie im Wald gefunden. Dort wurde sie von Männern gejagt, die sie zu ihrem Herren zurückbringen sollten. Aria wurde dort schwer misshandelt. Ihr Vertrauen ist nicht sehr groß und sie hat Angst. Und selbst dabei hat sie einen Willen und ist stur", fügte er mit einem Lächeln hinzu, doch die tiefe Furche auf seiner Stirn war noch zu sehen.
„Und das bereitet dir nun Sorgen, habe ich recht?", fragte Kathleena den jungen Mann. Sie kannte ihren Sohn gut genug, um zu wissen, wie er auf solche Dinge reagierte.
Myron nickte. „Ja, du hast recht. Da sie über magische Fähigkeiten verfügt, muss sie mir vertrauen, damit ich ihr beibringen kann, es zu kontrollieren und anzuwenden. Oder ... du bist diejenige, die es schafft, ihr Vertrauen zu erlangen", meinte er nachdenklich und sah seine Mutter an.
In ihrem Gesicht spiegelte sich ein Lächeln und er verstand, was in ihr vorging. Seine Mutter würde ihr helfen können, wieder zu vertrauen. Sie war sehr vertrauenswürdig und manchmal war es, als könnte sie Gedanken lesen.
„Wenn du willst, stelle sie mir vor. Ich möchte das Mädchen gerne kennenlernen. Vielleicht ist es besser, sie vertraut mir zuerst, bevor du mit deinem Training anfangen willst. Sonst wird es vielleicht schwer, dass sie dir richtig vertraut", schlug sie vor. Kathleena wusste, dass ihr Sohn manchmal rau wurde, wenn er jemanden trainierte. Aber nicht, um sie schikanieren, sondern, um anzuspornen. Viele verstanden das allerdings falsch und hörten mit dem Training auf.
Damit war Myron einverstanden. „Bringe sie, wann immer du möchtest", bat sie ihn noch, bevor er aufstand und sie einmal kurz umarmte. Er hatte ein inniges Verhältnis zu seiner Mutter und war dankbar, dass sie immer für ihn da war. Myron verließ die warme Stube, in der Kathleena gerne saß und sah von den großen Fenstern im Flur hinaus. In der Nacht hatte es viel geschneit und die Straßen waren unter dem dichten Schnee vergraben. Zudem war es um einiges kälter geworden, was ihm die Eisblumen an den Fenstern verrieten.
Es wäre schön, jemanden an solchen Abenden bei sich zu haben. Mit jemanden vor dem Kamin sitzen, reden und lachen. Das hatte er noch nicht in seinem Leben gehabt, außer mit seinen Eltern, als er noch klein gewesen war. Als er jedoch größer wurde, hatte er sich auf die Pflichten als Thronfolger vorbereiten müssen und es hatte nicht mehr so viele Abende gegeben, an denen sie gemeinsam vor dem Feuer gesessen waren und viel gelacht hatten.
Während er den Flur entlangging, hing Myron seinen Gedanken nach und stieß plötzlich mit Sarin zusammen. Beide hatten nicht wirklich aufgepasst, doch der Heiler bewahrte ihn davor, zu stürzen, indem er seinen besten Freund am Arm packte.
„Nanu, bist du in Gedanken gewesen, Myron? Sonst rennst du doch auch nicht andere unschuldige Leute über den Haufen", lachte Sarin. Er beobachtete den jungen König genau, der ihm verlegen recht geben musste.
„Das war ich in der Tat. Hast du nach dem Mädchen gesehen? Wie heilen ihre Verletzungen?", erkundigte er sich, um von seinem eigenen Missgeschick abzulenken. Dabei war das nicht einmal schlimm, da es Sarin gewesen war, mit dem er zusammengestoßen war.
„Einige heilen besser, die anderen weniger. Es wird einige Zeit dauern, bis sie vollständig genesen ist. Heute scheint sie im Übrigen nicht mehr so verängstigt zu sein wie gestern", informierte er Myron. Zusammen gingen sie ein Stück, wobei sie nebeneinander herliefen.
„Sie hat mich sogar einiges zur Magie gefragt und war sehr neugierig. Bei der Untersuchung und Behandlung jedoch war sie sehr unruhig und zurückhaltend. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr nicht angenehm war, berührt zu werden. Zumindest dort, wo sie die Verletzungen hat", erklärte der Heiler nachdenklich.
Das hatte sich der junge König schon gedacht. So wie sie reagiert hatte, verband sie diese Berührungen wohl mit schlechten Erfahrungen. „Ich habe übrigens mit ihr über Kathleena gesprochen. Ich würde sie ihr gerne vorstellen. Was meinst du?", fragte Sarin den Schwarzhaarigen.
Dieser nickte zustimmend und blieb für einen Moment stehen, da sie an einer Abzweigung angekommen waren, wo sich ihre Wege für diesen Moment wohl trennen würden.
„Eine sehr gute Idee. Ich habe gerade eben mit meiner Mutter darüber gesprochen und sie möchte Aria sehr gerne kennenlernen. Meinst du, sie ist in der Lage, ihr Vertrauen zu gewinnen?", fragte Myron seinen Freund.
Sarin nickte und lächelte. „Kathleena ist die beste Person dafür", meinte er. Davon war er überzeugt, denn mit ihrer ruhigen Art kam sie bei vielen Menschen eher durch als die Männer.
Dankbar nickte Myron seinem Freund zu. Er teilte seine Meinung und meinte, dass er nun zu dem Mädchen gehen und mit ihr sprechen würde. Mit einem Schulterklopfen ließ er den Heiler stehen und eilte davon. Sarin sah ihm noch hinterher, bevor er in die andere Richtung ging.
Kurz bevor Myron ihr Zimmer erreichte und an die Tür klopfte, hielt er inne und holte tief Luft. Als er ihre Stimme hörte, die ihn hereinbat, machte sein Herz einen Sprung. Sie hatte es ihm wirklich angetan. Wie ein kleines Kind freute er sich darauf, sie zu sehen.
„Wie geht es dir, Aria?", fragte er freundlich und trat näher an den Sessel, in dem sie saß. Dabei betrachtete er das Mädchen, welches sie noch am Vortag gerettet hatten. Sie sah ein wenig erholter aus und er war dankbar, dass Sarin so gute Arbeit geleistet hatte.
„Danke, gut", lächelte sie und warf ihm unsicher einen Blick zu. Bei ihm war sich Aria nicht ganz sicher, wie sie sich benehmen sollte. Oder wie er es erwartete. Ohne zu fragen, setzte er sich ihr gegenüber, dort, so Sarin bereits gesessen war.
„Ich habe gehört, Sarin möchte dich meiner Mutter vorstellen", begann er lächelnd und bemerkte, wie sie ihn ausgiebig musterte. „Ich hatte die gleiche Idee. Kathleena ist sehr neugierig darauf, dich bald kennenlernen zu dürfen", sprach Myron weiter.
„Seid ihr wirklich dreißig Winter alt?", fragte sie ihn, direkt ohne auf seine Worte einzugehen. Das war etwas, was sie noch immer nicht glauben konnte. Myron sah unglaublich jung aus.
„Ja, das bin ich", sagte er amüsiert und seine Augen lachten. „Weißt du, ich bin das einzige Kind und meine Eltern hatten immer Angst, durch ihre Arbeit würden sie mich vernachlässigen", begann Myron zu erzählen. Dafür setzte er sich ein wenig gemütlicher in den Sessel und überschlug seine Beine galant.
„Als Sarin meinen Vater gerettet hatte und er hier arbeiten durfte, war ich glücklich, weil er für mich da war. Er spielte immer mit mir, wenn er nicht gerade bei Kathleena lernen musste. Sarin passte auf mich auf, wenn meine Eltern zu einem Treffen musste und ich nicht mitkonnte. Er war mein Beschützer. Und auch wenn er viel älter ist, ist er ein Bruder für mich", sagte er nachdenklich. Myron hatte dabei wirklich Glück gehabt.
Aria fragte ihn, wie sich das anfühlte, dass er so viel Respekt von einem merklich älteren Mann bekam. „Weißt du, auch wenn Sarin älter ist, wir beide haben viel Spaß miteinander. Wir lachen viel, machen Scherze und hecken sogar heute noch Streiche aus. Dafür sind wir nie zu alt. Auch wenn ich der König bin, dieses Verhältnis zwischen uns hat sich nie verändert. Nur, dass er mich mit meinem Titel anredet, wenn wir unterwegs sind. Sonst immer mit meinem Namen. Ich sehe das nicht so streng, denn er ist einer meiner engsten Vertrauten. Und ich respektiere und schätze ihn sehr", erklärte Myron.
Nachdenklich spielte Aria mit einer Haarsträhne und sah ihn an. „Ich hätte nie gedacht, dass es so etwas geben würde. Ich meine so eine vertraute Verbundenheit, blindes Vertrauen und gleichzeitig Respekt", meinte sie leise. „Ich habe viel Liebe zwischen euch entdeckt. Also brüderliche Liebe", sagte sie schnell, da sie nicht missverstanden werden wollte.
Myron lächelte und nickte. „Genau das ist es. Er war für mich da, genauso wie meine Mutter, als mein Vater starb. Er genießt eine hohe Stellung bei uns und nutzt sie nicht aus." Der junge König sah sie gebannt an, wie sie ihre langen Haare um den Finger wickelte und nachdenklich aussah.
Verdammt, wusste sie nicht, wie ihn das faszinierte? Etwas regte sich in ihm, doch er unterdrückte es so gut es ging. Ihre blauen Augen lagen auf ihren Haarspitzen, während sie über etwas nachdachte.
„Ich möchte gerne Eure ... Entschuldigung, deine Mutter kennenlernen", sagte sie entschieden und lächelte. Sie hatte sich dazu durchgerungen, seine Mutter kennenzulernen. Wenn beide Männer bereits so liebevoll von ihr sprachen, war sie bestimmt nett. Zumindest hoffte sie das.
Myron stand erfreut auf und reichte ihr die Hand. „Dann komm, ich bringe dich zu ihr. Ich hole dich später auch wieder ab." Aria stand auf, ohne seine Hand zu nehmen und seufzte. Noch immer tat ihr Körper weh, vor allem wenn sie sich zu schnell oder zu viel bewegte. Sie schickte Myron ein entschuldigendes und leicht gequältes Lächeln zu und folgte ihm, als sie sich auf den Weg machten.
Aus Rücksicht auf Aria ging er langsam, so konnte sie sich schonen und gleichzeitig umsehen. Im Stillen bewunderte sie den edlen Stil des Hauses. Das Mädchen sah viele Türen, als sie durch den Flur ging und sie fragte sich dabei, was sich dahinter verbarg. Sie stellte fest, dass der Palast wohl sehr groß sein musste, denn Myron bog mehrmals ab und ohne ihn hätte sich Aria wohl verlaufen. Ob sie sich jemals hier auskennen würde?
Sie konnte gutes Essen riechen und die Wärme und Behaglichkeit fühlen, die aus jedem Winkel des Hauses strahlte. Als sie und Myron an der großen Treppe, die auf beiden Seiten hinunterführte, ankamen, schnappte sie leise nach Luft. Das hatte sie bei ihrer Ankunft überhaupt nicht bemerkt. Irgendwie fühlte sich alles wie in einem Traum an. Schmunzelnd ging Myron weiter zu einer Tür und klopfte an, anstatt die Treppe hinunterzugehen. Arias Herz klopfte heftig, als sie auf die Stimme wartete, die sie kurz darauf hereinbat.
Myron öffnete die Tür und eine Wärme schlug Aria entgegen, als sie das Zimmer betraten. Die Stube bestand aus einem Kamin, in dem ein Feuer brannte, aber auch ein kleiner Herd, auf dem sie mit einem flüchtigen Blick einen Kessel stehen sah. An den Wänden standen Kommoden, die farblich in einem hellen Braun auf die Harmonie im Raum abgestimmt waren. In einem gemütlichen Sessel saß eine jemand, der gerade eine Tasse auf den Tisch abstellte.
Eine schlanke, kleine Frau mit langen schwarzen Haaren, die im Nacken zusammengebunden waren, sah sie freundlich an. Auf den ersten Blick konnte Aria erkennen, dass sie die gleichen schönen Augen wie ihr Sohn hatte. Ihre Neugier hatte sie kurz aufsehen lassen, doch sofort senkte sie wieder den Kopf. Schüchtern sah sie auf den Boden, als Myron sie sanft, aber bestimmt in Kathleenas Richtung schob.
„Das ist Aria, Mutter", stellte er sie vor. Kathleena kam auf Aria zu und blieb vor ihr stehen. Noch immer hielt Aria ihren Blick auf den Holzboden gesenkt, doch Kathleena nahm überraschenderweise ihr Kinn in die Hand und hob es leicht hoch, sodass Aria sie ansehen musste. Das Mädchen war darüber so erstaunt gewesen, dass sie sogar die Luft anhielt.
Doch als sie in ihr Gesicht sah, fühlte sie sofort, dass sie keine Angst vor dieser Frau haben musste. Sie strahlte so viel Güte und Wärme aus, dass es schwerfallen würde, das zu ignorieren. „Myron hat sehr viel von dir erzählt. Du bist sehr hübsch, deine Augen zeigen viel Kraft und Entschlossenheit", stellte Kathleena mit einem prüfenden Blick fest. Dabei musterte sie das Mädchen nicht bösartig, sondern liebevoll. „Möchtest du dich zu mir setzen und dich ein wenig mit mir unterhalten, so lange Myron seiner Arbeit nachgeht?", fragte sie mit einer weichen Stimme und sah über Arias Kopf hinweg ihren Sohn an und nickte diesem leicht zu. Myron verstand und zog sich zurück leise. Nun war Aria allein mit der Frau, die sie sanft in einen Sessel nahe dem Kaminfeuer schob und ihr eine Tasse in die Hand drückte.
Myron machte sich auf den Weg in den Stall. Dort bat er einen Angestellten, Sarin auszurichten, dass er mit ihm ausreiten wollte und machte sich dann daran, seinen schwarzen Hengst Emiras zu satteln. Schon nach kurzer Zeit kam Sarin und begrüßte den jungen König. Sie unterhielten sich, so lange der Heiler seine Stute versorgte und vorbereitete. Sie führten ihre Pferde aus dem Stall heraus und saßen auf.
Zusammen ritten die beiden Männer vom Hof und direkt auf den Wald zu, indem sie Aria gefunden hatten. Doch zuerst ließen sie ihre Pferde auf dem Feld galoppieren, damit diese sich austoben konnten. Aber auch für die Männer fühlte sich der Galopp wie eine Befreiung an. Da es sehr kalt war, sprachen sie dabei so gut wie nicht. Die Schneeflocken wirbelten unter den Hufen der Tiere, blieben aber auch auf den Mänteln der Männer liegen, da es noch immer schneite.
Erst als sie langsamer wurden und den Wald erreichten, trotteten die Pferde friedlich nebeneinander her und die Männer fanden wieder ihre Worte. Das Leder der Sättel knirschte bei den Bewegungen der Pferde und gaben ein beruhigendes Gefühl.
„Es hat viel geschneit", stellte Sarin fest und meinte, dass sie nachsehen sollten, ob sich Arias Verfolger getraut hatten, zurückzukommen und die magische Linie zu übertreten. Myron und lenkte sein Pferd in die Richtung, wobei er sich genau an den Vortag erinnerte. Da sie nun Tageslicht hatten, konnten sie den Weg besser erkennen. Beide Männer brauchten manchmal diese Ruhe, wenn sie etwas besprechen wollten.
Als sie an die Stelle kamen, an der sie das Mädchen das erste Mal getroffen hatten, wurden sie stumm. In ihren Gedanken wiederholte sich der Vortag und beide erschauerten. Doch mit Befriedigung sahen sie, dass keiner über die magische Linie getreten war, obwohl bereits viel Schnee lag. Das war das Gute an der Magie, dass man sie nicht sehen konnte. Allerdings bekam man sie zu spüren, wenn man versuchte, sich über die Linie hinwegzusetzen. Das fühlte sich für den Betroffenen nicht wirklich gut an.
„Lass uns umdrehen. Es wird bald dunkel und der Wind hat zugenommen", sagte Sarin und wendete sein Pferd. Sie waren zufrieden zu sehen, dass alles in Ordnung war und machten sich auf den Weg nach Hause. Dort sprachen sie über einige Dinge, über die sich Myron Gedanken gemacht hatte.
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