Kapitel 52

Sobald das geschehen war, wehte plötzlich ein warmer Wind durch Virtanen. Die dunklen Wolken über der Stadt verschwanden und ließen der Sonne genug Platz, um ihre warmen Strahlen auf die kahle, niedergemetzelte Stadt zu werfen. Auch Arias Kinder begannen wieder, Laute von sich zu geben, nachdem die dunkle Magie aus ihren Körpern verschwunden war.

Einige der Überlebenden trauten ihren Augen kaum, als sie das sahen. Noch nie hatten sie hier die Sonne gesehen oder die Wärme gespürt. Langsam brachen sie in Jubel aus, als sie verstanden, dass die Tyrannei ein Ende hatte. Es würde einige Zeit dauern, bis sich die Stadt, die teilweise noch in Flammen stand, sich wieder erholt hatte.

Während Aria ihren Kindern nun endlich die erste Muttermilch gab, konnte man erkennen, wie ein blaues Band zwischen ihnen entstand. Eines, welches sie immer zusammenhalten würde. Dazu hatte sie sich auf die Treppenstufen unterhalb von Bryden gesetzt und ließ sich die Sonne in das Gesicht scheinen. Die innere Anspannung und Verzweiflung ließ nach und Freudentränen rollten über ihre Wangen. Gleichzeitig wärmte sie ihre Kinder auch mit der Magie, damit ihre Körper nicht mehr so kalt waren.

Sarin und Myron waren in der Zwischenzeit damit beschäftigt, die Flammen der Stadt zu löschen und die Verletzten zu heilen. Einige davon waren ihnen gegenüber misstrauisch, doch das legte sich, sobald ihre Verletzungen verschwunden waren. Den Verstorbenen konnten sie leider nicht mehr helfen. Für sie war alles zu spät.

Die Fesseln der Sklaverei wurden ihnen von Myron und Sarin abgenommen und endlich konnten die Menschen so etwas wie Freiheit spüren. Die düstere Stimmung begann zu verschwinden und die Leute, die bereits geheilt waren, halfen, die Toten zu begraben und ihnen die letzte Ehre zu erweisen. Mit Hilfe von Sarin und Myron hoben sie Gräber aus und ließen darin die leblosen Körper verschwinden. Auch Brydens Körper wurde vergraben.

Danach stand eine Entscheidung an, die wohl nicht sehr einfach für die restlichen Überlebenden werden würde.

„Ihr habt die Wahl, was ihr tun möchtet. Kommt ihr mit zu mir, bis es euch wieder gut geht oder wollt ihr euch auf die verschiedenen Länder verteilen?", fragte Myron sie direkt nach der Beerdigung der Toten. Er kannte sehr nette Menschen in Sakur und Ralanti, die sich sicherlich um sie kümmern würden.

Unsicher darüber, was sie tun sollten, schlug Myron ihnen vor, zuerst mit zu ihm zu gehen. „Danach könnt ihr entscheiden, wo ihr hinwollt", unterbreitete er ihnen seinen Vorschlag, der dankend angenommen wurde. Keiner wollte in Virtanen bleiben, auch wenn die Stadt nicht mehr so war wie unter Brydens Herrschaft. Zu viele unangenehme Erinnerungen gab es hier und sie wollten diesen entfliehen.

„Ich bin mir sicher, dass einer der Herrscher aus Ralanti oder auch Sakur Leute von euch aufnehmen werden, wenn ihr nicht bei mir bleiben wollt", sagte Myron freundlich zu den Menschen.

Gemeinsam holten sie die Tiere, die überlebt hatten und machten sich nach einigen Stunden auf den Weg in ein neues Leben. Zuvor hatte Sarin Arias Kinder noch untersucht und erleichtert festgestellt, dass alles mit ihnen in Ordnung war.

Die Wolken über den Bergen, die sie zuvor noch bedroht hatten, waren verschwunden. Das erleichterte den Rückweg immens. Mit den Menschen mussten sie langsamer gehen, da einige von ihnen älter und schwach waren. Doch gemeinsam schafften sie den beschwerlichen, steinigen Weg durch die Berge, ohne dass es größere Verletzungen gab. Dafür brauchten sie mehrere Tage, denn sie konnten nicht alle Menschen mit Magie wohin befördern.

Selbst der Wald, den sie durchquert hatten, war kein Labyrinth mehr. Die Bäume ließen mehr Licht hinein und es wirkte sogar romantisch, wenn die Sonne ihre Strahlen durch das Blätterdach warf und ein goldenes Licht auf den Boden warf. Ein gut erkennbarer Weg führte nun durch den Wald und schnell konnten sie diesen hinter sich lassen.

Ihr erster Weg führte zurück nach Sakur, denn Myron wollte sichergehen, ob es Fia gut ging. Schon von Weitem war zu bemerken, dass sich die Stimmung dort geändert hatte. Lachen war hinter den Mauern zu hören, was es bei ihrer Ankunft zuvor gar nicht gegeben hatte.

Am Tor angekommen wurden sie von den Wachen sofort hereingelassen. Die Menschen, die sie zuvor noch wütend beschimpft hatten, waren freundlich gesinnt. Und das alles nur durch das Verschwinden der dunklen Magie.

Myron hatte sich bei Sarin erkundigt, woher er gewusst hatte, was zu tun gewesen war. Sarin gab zu, sich intensiver mit solchen Büchern auseinandergesetzt zu haben, um besser vorbereitet zu sein.

„In einem stand drin, dass die dunkle Magie versiegelt werden muss, damit sie nicht mehr schaden kann. Nur sehr mächtige Zauberer können das tun. Der letzte wird es wohl nicht ordentlich getan haben, sonst wäre sie nicht so schnell wieder befreit worden", sagte Sarin und wirkte nachdenklich. Wer auch immer das letzte Buch versiegelt hatte, war nicht sehr gut damit umgegangen. Es zu verstecken brachte nichts, denn es sollte stets gut beschützt werden, damit sich niemand die dunkle Magie aneignen konnte.

Myron war stolz auf seinen Freund, dass er sich darüber informiert und sogar ein Buch gefunden hatte, welches ein Siegel trug. Es gab nicht viele Bücher, die das besaßen. Sie waren von Magiern hergestellt worden und über das ganze Land verteilt worden. Sarin gab zu, dass Kathleena ihm das Buch übergeben hatte. Früher hatte es Mirano gehört, dass er für solche Fälle gewappnet war, doch er hatte es nie gebraucht, weshalb Kathleena es gut aufbewahrt hatte.

Sobald sie das Tor hinter sich gelassen hatten, kam Fia ihnen entgegen. Obwohl ihr Gesicht noch Trauer über den Tod ihres Vaters zeigte, wirkte sie fröhlicher, denn die Menschen waren zu ihr gekommen, um sich zu entschuldigen. Sie hatten sogar ein kleines Totenfest für ihren Vater abgehalten, damit sie ihm die letzte Ehre erweisen konnten.

Das war alles in den Tagen nach Brydens Tod geschehen. Noch immer kam es den Menschen, die unter ihm hatten leiden müssen, merkwürdig vor, frei zu sein. Einige von ihnen entschieden sich sogar, gleich hier zu bleiben, da ihnen die Stadt Sakur gefiel und die Prinzessin sehr nett war.

Fia hatte vor, ihren Kaufmann sehr bald zu heiraten, damit sie einen Mann an ihrer Seite hatte, der sie unterstützen würde. Aber auch, damit sie Nachkommen zeugen konnten. Das war wichtig, denn momentan gab es keinen Erben mehr.

Zu ihrer Hochzeit waren sie eingeladen worden. In einigen Wochen sollte diese stattfinden, also hatten sie noch genug Zeit, nach Hause zu reiten und sich zu erholen. Fia war sehr froh, dass es den Zwillingen gut ging und Aria auch gesünder aussah. Die Verzweiflung und Trauer hatten sie sehr kränklich wirken lassen.

Nach vier endlosen Reisetagen kamen sie endlich wieder zurück nach Hause. Kathleena, die von der Geburt der Zwillinge bereits erfahren hatte, weinte vor Glück, als sie die Reisenden sah. Sie konnte es nicht fassen, was passiert war und war unendlich dankbar, dass sie noch am Leben waren.

Sie versprach, den Leuten zu helfen, bei ihren Leuten unterzukommen und ein neues Leben zu beginnen. Sehr viele Gedanken darum mussten sie sich nicht machen, dass die Menschen gastfreundlich sein würden. Das war bei ihnen natürlich. Dankbar nahmen die Leute aus Virtanen diese Freundschaft an, auch wenn einige von ihnen noch unsicher waren, ob es alles nur gespielt war oder nicht. Nur die Zeit würde ihnen helfen, diese Unsicherheit abzulegen.

Durch all die Ereignisse hatte Sarin ganz vergessen zu fragen, wie die Kinder eigentlich heißen sollten. Abends beim gemeinsamen Abendessen fragte er die beiden stolzen Eltern. Die Kinder lagen in ihren Wiegen neben ihnen und schliefen, nachdem sie gefüttert worden waren.

Aria und Myron hatten sich schon länger darüber Gedanken gemacht, wie sie die neuen Erdenbewohner nennen wollten. „Unser kleines Mädchen heißt Aurora Elysia und unser Junge heißt Sordan Mirano", lächelte Myron glücklich.

Kathleena war über diese Namen nicht nur überrascht, sondern auch sehr glücklich, denn ihr zweiter Name war Elysia. Ihr verstorbener Mann, aber auch sie wurden damit eine Ehre erwiesen. Das zeigte ihr, wie viel sie Myron bedeuteten.

Beim Abendessen erzählten sie Kathleena alles, was vorgefallen war. Auch von Mirtuls Tod sprachen sie. Für sie war das ein schwerer Schlag, denn sie hatte Mirtul gut gekannt. „Hoffentlich kommt Fia mit allem zurecht", gab sie zu Bedenken. Wenn nicht, würde sie sich hoffentlich bei ihnen melden, damit sie aushelfen konnten. Sie würden alle zusammenhalten müssen.

Die Wochen vergingen, in denen sich die Leute aus Virtanen sich unter Myrons Herrschaft einlebten. Mittlerweile waren sie ein Teil seines Volks und arbeiteten genau wie die anderen. Da die neuen Häuser noch nicht fertig waren, hatten die Menschen sie aufgenommen und es entstand eine starke Bindung und Freundschaft zwischen ihnen. Das freute Myron sehr, denn er konnte erkennen, wie die Menschen regelrecht aufblühten.

Zu aller Überraschung waren die Leute aus Niska plötzlich viel umgänglicher und freundlicher, sodass Menschen keine Angst mehr hatten, wenn sie durch das Land reisen mussten. Myron vermutete, dass die dunkle Magie einen Teil dazu beigetragen hatte, dass die Menschen dort so unfreundlich und hassvoll gewesen waren. Der Handel zwischen den Ländern begann und jeder schien zufrieden damit zu sein, dass sich Niska nicht mehr absonderte, sondern ein Teil des Ganzen wurde.

Die Hochzeit von Fia und ihrem Kaufmann kam und wurde groß gefeiert. Keltar und seine Familie waren ebenfalls eingeladen gewesen. Gemeinsam tauschten sie sich aus und erzählten über die schweren Zeiten, die sie erlebt hatten.

Ihre Zwillinge wuchsen gut heran und Aria war gerührt von der Liebe, die das Volk ihnen entgegenbrachte, nachdem sie die späteren Thronfolger zu Gesicht bekommen hatten. Sie wurden von allen verehrt und gut behütet. Viele Geschenke waren für die Kleinen angefertigt worden, bis Myron meinte, sie brauchten ein Leben lang nicht mehr für die Kinder zu sorgen. So viel Spielzeug, aber auch selbst hergestellte Kleider befanden sich unter den Geschenken.

Noch vor dem nächsten Winter stand Arias und Myrons Hochzeit an. Sie hatten sich entschieden, diese noch in diesem Jahr abzuhalten, denn so lange wollten sie nicht mehr warten. Das Volk war glücklich über die Entscheidung und halfen, genau wie bei Kathleenas Hochzeit, bei allem mit, sodass Myron und Aria so gut wie nichts zu tun hatten, außer die Kleider anzuprobieren.

Kathleena passte in der Zeit oft auf die Kinder auf, die einen Narren an ihr und Sarin gefunden hatten. Obwohl sie noch so klein waren, hingen sie richtig an ihrer Großmutter. Diese konnten sie jeden Tag sehen und das Band zwischen ihnen wurde täglich stärker.

Der große Tag für die beiden war genauso warm wie ein heißer Sommertag. Niemand hatte damit gerechnet, dass es so warm werden würde, aber es war allen recht, denn dieses Wetter passte besser zu einer schönen Hochzeit.

Aria war nervös, als Kathleena und Lea ihr in das seidene Hochzeitskleid halfen. Beide Schultern blieben frei, sodass sie viel Bewegungsfreiheit haben würde. Der Stoff bestand aus einem weißen Satin, welches leicht kühlend war. Das war für so einen Tag auf jeden Fall geeignet.

Arias Kleid besaß Blumenverzierungen, die aus Perlen und Diamanten bestand und somit ihre Figur noch schöner hervorhob. Der Schleier, welches an ihrem Diadem befestigt war, hatte die gleiche Länge wie die Schleppe. Das Diadem glitzerte richtig schön im Sonnenschein. Lea hatte einige Blumen in Arias blonde Haare eingearbeitet und mit ihren weißen Seidenhandschuhen wirkte Aria wie eine richtige Prinzessin. Ihre blond gelockten Haare blieben offen, nur zwei Strähnen an beiden Seiten waren geflochten und am Hinterkopf befestigt worden.

Kathleena hatte eine Halskette für sie anfertigen lassen, die sie ihr schließlich umlegte. „Fertig. Du siehst traumhaft aus", sagte sie zu ihr und trat einen Schritt zurück, um ihre Schwiegertochter betrachten zu können. Schon jetzt zeigten sich einige Tränen in ihren Augen, die sie schnell wegwischte.

Aria wirkte blass um die Nase, als sie aus der Kutsche stieg, die sie zum Marktplatz gebracht hatte. Genau wie bei Kathleenas Hochzeit hatten sie sich entschieden, die Zeremonie dort abzuhalten, damit wirklich jeder etwas davon hatte.

Lieb lächelnd schritt sie an Kathleenas Arm den mit blumengeschmückten Gang entlang zum Altar, an dem Myron bereits wartete und sich nicht an ihr satt sehen konnte. Die Blumenspaliere, die auch schon bei Kathleenas Hochzeit aufgestellt worden waren, leuchteten in prächtigen Farben.

Als Myron Aria sah, konnte er sich nicht zurückhalten und begann zu schniefen. Er konnte es nicht glauben, dass sie zusammen gehörten und freute sich so sehr, dass sie ihre Liebe besiegeln konnten. Sarin legte seine Hand auf die Schulter und sprach aufmunternde Worte zu ihm. Genau das Gleiche hatte auch Myron vor einigen Monaten mit ihm getan.

Schon wieder hatte Sarin sich in den Anzug zwingen müssen, was ihm um einiges schwerer gefallen war, da er seit seiner Hochzeit leicht zugenommen hatte. Das lag vor allem an dem guten Essen und dem ruhigeren Leben, welches sie nun führten.

Obwohl er der Stiefvater von Myron war, hatte sich die Beziehung zwischen ihnen nicht verändert, was sie wirklich gut fanden. Hatten sie doch beide etwas befürchtet, dass sich viel ändern würde. Doch die Freundschaft und die Beziehung waren noch immer so rein und ehrlich, wie zuvor.

Sobald Aria am Altar ankam, überreichte Kathleena ihrem Sohn die Hand seiner zukünftigen Frau und lächelte ihm aufmunternd zu. Myron sah sie dankbar an und erwiderte das Lächeln. Auf dem Weg zum Altar hatte Aria Keltar und seine Familie, aber auch Prinzessin Fia ausmachen können. Freundlich hatte sie ihnen zu gelächelt und sie freute sich, dass sie bei ihrem großen Tag dabei waren.

Aria war richtig glücklich, dass Myron an ihrer Seite war. Richtig gut stand ihm der Anzug, der ganz anders war als der, welchen er zu Sarins Hochzeit getragen hatte. Ihr Blick verriet ihm, wie sehr sie ihn liebte.

Die Zeremonie begann und von überall waren die Schluchzer der Menschen zu hören. Lea saß mit Aurora und Sordan in der ersten Reihe und hatte einen guten Blick auf das Geschehen. Jedoch versuchte sie gleichzeitig, die Kinder ruhig zu halten, damit die Worte des Priesters für alle auch hörbar waren.

Aria, aber auch Myron hielten eine kleine Rede für den anderen, in der sie sich gegenseitig bedankten, dass sie füreinander da waren und sich in den schweren Zeiten unterstützt hatten. Bei diesen emotionalen Reden, bei denen sogar Aria und Myron weinten, blieb kein Auge mehr von den Anwesenden trocken.

Der Priester sprach die Worte, die sie zu Eheleuten werden ließen. Sie tauschten ihre Ringe unter einem ohrenbetäubenden Lärm aus und küssten sich liebevoll vor den Augen der Anwesenden. Ihrer gemeinsamen Zukunft stand nichts mehr im Weg. Glücklich strahlten sie sich an und küssten sich immer wieder als Zeichen ihrer Liebe.

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