Kapitel 46
Der Morgen nach der Hochzeitsnacht begann damit, dass Aria und Myron als Erstes beim Frühstück waren und auf die beiden warteten. Normalerweise waren sie immer später dran als Kathleena und Sarin.
Was in der Nacht bei ihnen geschehen war, wusste Myron nur zu gut und es gab keinen Grund, sich deshalb zu schämen. Deswegen lächelte er seinem Freund und nun auch Schwiegervater zu, als die Frischvermählten in den Speisesaal kamen. Das Glück war Kathleena und Sarin ins Gesicht geschrieben.
Jedoch strahlten auch Aria und Myron um die Wette. Beim Frühstück verkündeten sie ihre Verlobung, was seine Eltern nicht überraschte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie Myron seine Geliebte fragen würde. Nun war es endlich so weit und Kathleena konnte es nicht fassen, dass sie bald so eine wundervolle Schwiegertochter bekommen würde.
Aria hingegen war einfach so glücklich, dass sie einen guten Ehemann, aber auch Vater für ihre Kinder bekommen würde. Dass Myron sehr gut darin sein würde, war ihr klar. So, wie er erzogen worden war, gab es keinen Grund, sich Gedanken zu machen. Zudem bot Kathleena ihnen auch an, auf die Kinder aufzupassen, wenn sie Hilfe brauchten.
Das Einzige, was Aria leicht störte war, dass sie die Tätigkeiten, die sie vorher mit Leichtigkeit hatte ausführen können, nicht mehr tun konnte. Deshalb war Lea so gut wie immer an ihrer Seite und passte auf Aria auf und half, wo es nur ging. Es war nicht nur die Anweisung von Myron, die sie dazu brachte. Aria war in der Zeit eine sehr gute Freundin für Lea geworden. Oft lachten sie miteinander oder erzählten sich gegenseitig Erinnerungen, wenn Lea die Haare von Aria machte oder ihr half, sich zu waschen.
Nie hätte Aria gedacht, so eine gute Freundin zu finden, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stand. Manchmal kam Lea auch einfach nur, um zu fragen, ob sie Lust hatte, im Garten spazieren zu gehen, wenn Myron keine Zeit hatte.
Die Tage vergingen und plötzlich war es Sommer geworden. Der Garten des Schlosses erblühte in seiner schönsten Vielfalt und überall duftete es nach den verschiedenen Gerüchen der Blumen. Es war einer von Arias Lieblingsorten geworden. Dort zog sie sich gerne mit Büchern über die Heilkunst zurück, um zu lesen.
Aber auch Bücher über die Erziehung von Kindern befanden sich sehr oft darunter. Eine Ahnung, was alles auf sie zukommen würde, hatte sie nicht. Manchmal kam Myron zu ihr und sie saßen vor allem Abends gerne im Rosengarten und träumten. Durch die Lichter, die es im Garten gab, war es dort nicht dunkel und die Geräusche der Tiere, die sich in der Nacht tummelten, waren beruhigend. Dabei dachten sie an die Zukunft, wie sie wohl werden würde.
Dabei dachte Myron aber auch daran, wie sehr Aria sich in der Zeit, seit sie bei ihm war, verändert hatte. Wie viel Angst sie gehabt hatte, als sie das Mädchen im Wald gefunden hatten. Aber auch, wie viel Zeit, Liebe und Zuwendung es gebraucht hatte, aus Aria das zu machen, was sie heute war. Ihr Körper hatte sich von den Strapazen ihrer Vergangenheit und von Brydens brutalem Vorgehen erholt. Ihr Körper sah gesund und kräftig aus. Zuvor war sie noch dünn gewesen, aber nun hatte sie schöne, weibliche Rundungen, die sie sehr attraktiv machten.
Aria zeigte ihm aber auch, wie glücklich sie mit ihm war. So oft es ging, liebkosten sich die beiden. Mal war es ein kurzes Streicheln über die Wange, wenn sie keine wirkliche Zeit hatten oder einfach ein Kuss, der voller Leidenschaft war. Egal, ob jemand dabei war oder nicht. Zudem strahlte Aria jedes Mal, wenn sie Myron sah.
Eines Sommerabends saßen sie wieder im Garten und sprachen über die Entwicklung der Zwillinge, als ein Dienstmädchen kam, um Myron einen Brief zu überreichen. Sorgfältig sah er sich den Umschlag an und öffnete ihn.
Die Nachricht stammte aus Sakur, welche vier Tagesreisen südlich von seinem Land entfernt lag. Die Worte, die auf dem Papier geschrieben waren, beunruhigte ihn sehr. Der dortige Herrscher Mirtul sei sehr schwach und krank. Seine Tochter Fia, die den Brief verfasst hatte, befürchtete, dass er bald sterben würde.
Deshalb wandte sie sich an Myron und Sarin, denn sie wusste, dass die beiden Magier waren. Die Geschehnisse mit Belynia waren bis zu ihnen vorgedrungen, weshalb sie hoffte, dass die Magier ihren Vater noch retten konnten. Ihre normalen Ärzte konnten ihm nicht helfen.
Beim Abendessen besprachen die vier diese Sache, nachdem Myron erklärt hatte, worum es in dem Brief ging. Sofort dachten sie an Bryden, ob er seine Finger im Spiel hatte. „Wir haben ihn lange nicht mehr gesehen oder etwas von ihm gehört. Ich vermute, er ist in der Zeit stärker geworden. Und eventuell noch böser", gab Sarin zu Bedenken. Das, was in Sakur geschah, hörte sich mysteriös an.
Myron gab ihm dabei Recht. Da es jedoch seine Pflicht war, anderen zu helfen und zur Seite zu stehen, wollte er so schnell es möglich war, aufbrechen. Wenn Fias Vater wirklich sehr krank war und jede Sekunde wichtig war, fand er es besser, wenn sie ihre Reise so schnellstens antraten.
Er bat seine Mutter, in der Zeit die Herrschaft zu übernehmen. Kathleena nickte ihm zu. Das würde sie auf jeden Fall, denn es war immer besser, wenn zumindest ein Ansprechpartner da war, falls etwas passierte.
Aria bat inständig, mitkommen zu dürfen. Da sie alle drei heilen konnten, fanden sie sicherlich einen Weg, Fias Vater irgendwie zu helfen. Ihr Verlobter hingegen war besorgt, denn Aria war bereits am Ende ihrer Schwangerschaft. Das hieß, die Kinder konnten jederzeit auf die Welt kommen.
Die Magierin blieb jedoch hartnäckig, weil sie ihren Verlobten nicht gerne allein losziehen lassen wollte. Zudem sah sie es auch als ihre Pflicht an, einem Menschen zu helfen, wenn es ihm nicht gut ging.
Nach einer endlosen Diskussion über die Vor- und Nachteile, willigte Myron schließlich widerwillig ein. Kathleena, die ihnen zugehört hatte, lächelte nur. Aria war stark und konnte sich durchsetzen. Das tat sie nicht, um Myron zu verärgern, sondern weil sie ihre Pflichten sehr genau nahm und er ihr sehr am Herzen lag. Jedoch musste sie versprechen, sich nicht zu überanstrengen. Das war Myrons Hauptforderung gewesen.
„Ich schlage vor, wir reiten übermorgen los. Die Reiseplanung für so einen langen Ritt muss gut vorbereitet werden", schlug Myron vor. Dem wurde zugestimmt, da keiner unvorbereitet antreten wollte.
So verbrachten sie den nächsten Tag damit, alles Notwendige in Satteltaschen zu verstauen. Die Pferde wurden auf ihren Gesundheitszustand überprüft, damit sie sicher sein konnten, die lange Reise auszuhalten. Nicht nur die Strecke, sondern auch die Hitze würden ihnen zu schaffen machen. Deshalb mussten sie auf jeden Fall Plätze finden, wo sie die Tiere tränken konnten. Das letzte, gemeinsame Abendessen war ruhig, wobei sie die Strecke besprachen und Kathleena und ihr Sohn sich austauschten, was in der Zeit getan werden musste.
Am nächsten Morgen ritten sie noch vor Sonnenaufgang los. Zu dieser Zeit war es am kühlsten, was jeder von ihnen begrüßte. Sobald die Sonne jedoch weiter am Himmel stand und gnadenlos ihre Strahlen zu ihnen schickten, wurden die Pferde immer lustloser. Anfangs waren sie freudig gewesen und hatten immer wieder zu einem Galopp gedrängt. Nun schritten sie einfach nebeneinander her.
Nur im Schatten des Waldes ritten sie schneller, denn dort war es kühler und sie atmeten auch erleichtert auf, wenn sie durch einen reiten mussten. Die Vögel zwitscherten, was das Zeug hielt und der Geruch von Moos und Blumen wehte ihnen um die Nase. Richtig schön war es.
Sobald sie jedoch ein Feld durchqueren mussten, machte ihnen die brutale Hitze zu schaffen. Immer wieder machten sie kleine Pausen, um die Pferde mit Hilfe der Magie zu tränken. Es gab nicht viele Stellen, an denen Wasser zur Verfügung stand. Deshalb mussten sie mit Magie Wasser aus dem Boden ziehen und es in einem Behälter sammeln, damit die Pferde trinken konnten.
Aria ritt zwischen den Männern, damit sie beschützt war. Durch die Schwangerschaft waren sie noch vorsichtiger geworden und sie wollten jedes noch so kleine Anzeichen wahrnehmen, falls es ihr nicht gut ging.
In einer Pause stupste Fenira ihre Besitzerin liebevoll an, als würde sie ihr für das Wasser danken. Aria begann zu lachen und streichelte zärtlich durch den dichten Haarschopf ihres Pferdes. „Sollen wir weiterreiten?", fragte Myron lächelnd, der die ganze Situation beobachtet hatte.
Er lehnte an der Schulter seines Hengstes Emiras und trank einen Schluck aus der Flasche, die er an Aria weiterreichte. Sie nickte, trank aber zuerst ausreichend, bevor sie sich in den Sattel schwang. Ein schwieriges Unterfangen war das, denn mit ihrem Bauch war es nicht leicht, das zu tun.
Eigentlich war es sinnvoller, nur in der Nacht zu reiten und sich tagsüber auszuruhen. Das würde die Reise jedoch nur unnötig hinauszögern. Vor allem, weil die Nächte kürzer waren als die Tage.
Sarin schlug vor, dass sie ihren Körper, aber auch die der Pferde mit Magie kühlen sollten, damit sie nicht einen Hitzschlag bekamen. Das war keine große Schwierigkeit und Aria atmete erleichtert aus, als sie spürte, wie die Hitze in ihr nachließ. Dass sie nicht früher daran gedacht hatte! Schließlich hatte sie von Kathleena gelernt, wie man Fieber senkte. Das war in dem Fall nicht anders, denn der Körper erhitzte in der prallen Sonne sehr schnell.
Einstimmig beschlossen sie, nur eine kurze Rast in der Nacht einzulegen, damit sie schnellstmöglich in Sakur ankamen. So, wie Fia die Krankheit beschrieben hatte, hörte es sich nicht nach einer normalen Krankheit an. In der Nacht würden sie ein gutes Stück bewältigen können. Jedoch legten sie regelmäßig Pausen ein, um zu essen und zu trinken.
Genauso vergingen die nächsten Tage, bis sie morgens durch einen dichten und kühlen Wald ritten. Dadurch, dass der Weg nur schmal waren, wurden sie gezwungen, hintereinander zu reiten. Ständig mussten sie die herunterhängenden Äste zur Seite schieben, damit diese sie nicht verletzen konnten.
Erleichtert atmeten sie aus, als sie das Ende des Waldes sehen konnten. In der Zeit hatten sie so gut wie nicht gesprochen, da ihnen viele Mücken das Leben zur Hölle gemacht hatte. Hätten sie ihre Münder geöffnet, wären mit Sicherheit einige dieser Tiere darin gelandet. Noch nie hatte Aria so viele Mücken gesehen und das ständige merkwürdige Summen machte sie wahnsinnig. Dank eines Zaubers wurden sie jedoch nicht gestochen.
Sobald sie den Wald verließen, erblickten sie die Mauern der Stadt Sakur. Eine Welle der Erleichterung war zu spüren und die Reiter trieben ihre Pferde in einen Galopp, nachdem diese indirekt darum bettelten und unruhig geworden waren. Lachend über diese Ungeduld gaben sie nach und genossen einfach den warmen Wind, der ihnen um die Nase fegte.
Als sie das Tor zur Stadt erreichten, ließen die Wachen plötzlich ihre Schwerter aufblitzen. „Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier?", fragten sie in einem barschen Tonfall. Myron wunderte sich über diese Unfreundlichkeit, denn er kannte die Leute aus Sakur eigentlich als ausgeglichen und freundlich. War vielleicht etwas vorgefallen, dass sie so reagierten?
„Ich bin Lord Myron. Prinzessin Fia hat mir einen Brief zukommen lassen und mich gebeten, mit meinen Heilern hierherzukommen, um Lord Mirtul zu helfen", antwortete Myron. Beinahe musste Aria lachen, da sie ihren Verlobten noch nie so hatte reden hören. Dennoch spürte sie das Misstrauen, welches ihnen entgegen gebracht wurde.
„Wir dürfen keinen hereinlassen", erwiderte eine der Wachen und sie versperrten den Weg in die Stadt. Eine Weile ging es hin und her und langsam wusste Myron nicht mehr, was er sonst noch tun sollte, damit sie ihm glaubten. Dass sie so misstrauisch waren, hatte sicherlich einen Grund. Die Wachen trauten ihm nicht und zeigten es auch offen.
„Wachen!", ertönte plötzlich eine energische Frauenstimme. Sofort gingen die Wachen auseinander und stellten sich an der Seite auf, um zu grüßen.
„Lord Myron! Ich freue mich sehr, Euch wiederzusehen!", begrüßte sie ihn überschwänglich. Auch Sarin wurde freudig begrüßt. Prinzessin Fia sah auf Aria und lächelte. „Und wer ist das hübsche Mädchen hier?", fragte sie neugierig.
Aria betrachtete die Prinzessin ausgiebig. Die braunen, schulterlangen Haare harmonierten sehr gut mit den grünen Augen, in denen es schimmerte, als würde sie weinen. Etwa vor Freude, weil sie endlich Hilfe bekommen würde? Oder war es vielleicht nur der Staub, der über die trockenen Felder vom Wind hierhergetrieben wurde?
Während Myron seine Verlobte vorstellte, ging Fia um das Mädchen herum und betrachtete sie von oben bis unten. „Ihr habt einen sehr guten Fang gemacht, Mylord. Sehr hübsch und intelligent sieht sie aus", bemerkte sie und schloss damit ihre Begutachtung ab. Dann erst gab sie Aria die Hand und stellte sich vor.
„Ich bin Prinzessin Fia von Sakur. Es freut mich, Euch kennenlernen zu dürfen, Mylady Aria", sagte sie formell und Aria lachte leise. Sie schüttelte die Hand der Prinzessin und sah auf sie hinunter, da sie noch immer auf dem Pferd saß.
Trotzdem wunderte es sie immer wieder, warum Sarin von allen geduzt wurde, während man Myron und sogar sie mit einem Titel ansprach. Aria war noch nicht seine Frau und es stand ihr nicht zu. Aber vielleicht war das so, wenn man mit einem König zusammen war. Also würde sie es wohl akzeptieren müssen.
„Ich muss sagen, dass Aria in der Tat sehr intelligent ist. Sonst hätte sie in der kurzen Zeit nicht die Heilkunst erlernen können", bestätigte Sarin die Worte der Prinzessin. Er warf Aria einen aufmunternden Blick zu, die diesen erwiderte.
„Bitte kommt und seht Euch meinen Vater an. Ich mache mir große Sorgen um ihn", sagte Fia plötzlich eindringlich. Daraufhin nickte der Heiler und ließ sein Pferd antreiben. Bevor er jedoch an den Wachen vorbeireiten konnte, herrschte Fia die Männer an, sich für ihre Unhöflichkeit zu entschuldigen.
Sehr zu Arias Erstaunen zuckten sie bei den harschen Worten von Fia zusammen und sahen betreten zu Boden, bevor sie eine Entschuldigung hervorbrachten. Erst dann war Fia anscheinend zufrieden und deutete mit einer Handbewegung an, ihr zu folgen.
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