Kapitel 4

Nur langsam fing Aria an zu essen, es roch zu verlockend um es zu verschmähen. Zudem sah es auch köstlich aus. Viel besser als das, als diese Wassersuppe, die nach Moder gerochen und nach Salz geschmeckt hatte. Ein kleiner Schauer rann ihr über den Rücken, als sie an das schreckliche Essen ihres alten Herren dachte.

Als Aria das Essen probierte, schloss sie die Augen für einen Moment und ließ es eine Weile in ihrem Mund, bevor sie es langsam kaute und hinunterschluckte. Die Suppe war kräftig gewürzt und es war ein Genuss, sie zu essen. Aria konnte nicht einmal sagen, wie viele Gewürze darin enthalten waren. Aber auch das Fleisch in der Suppe hatte einen vorzüglichen Geschmack und es war butterweich, sodass es im Mund zerfiel. Aber auch das Brot und der Käse, welches sie dazu ein wenig aß, war sehr gut.

Währenddessen bürstete die rundliche Dame hinter ihr die langen Haare, die sie nach dem Bad von den Knoten befreit hatte. Nun fiel es in sanften Wellen an ihrem Rücken hinab, was Lea zu einem verzücktem Ausruf verleitete. „Ihr seht so hübsch aus, Mylady Aria!", rief sie begeistert aus. Wieder einmal zuckte das Mädchen bei diesen Worten zusammen. Es war ein wirklich seltsames Gefühl, so genannt zu werden.

Als die Blonde mit dem Essen fertig war, nahm sie den Becher, der ebenfalls auf dem Tablett gestanden hatte und trank einen Schluck. Sofort breitete sich eine Hitze in ihrem Körper aus, der auf sie einschläfernd wirkte. Es konnte auch am Essen oder den sanften Bürstenstrichen von Lea liegen. So ganz sicher konnte Aria das nicht sagen. Sie trank den Becher in kleinen Schlucken leer und fiel kurz daraufhin in einen tiefen Schlaf.

Lea bemerkte, dass Arias Kopf langsam nach unten sank und ließ von ihr ab, um nach Sarin zu suchen. Dieser kam mit der Kammerzofe zurück und nahm das zierliche Mädchen auf den Arm, um sie zu dem großen Bett zu tragen. Der Heiler deckte sie zu, strich sanft über ihre Wange und legte für einen Moment seine Hand auf ihre Stirn, um ihr beruhigende Magie noch einmal durch ihren Körper zu schicken. Einmal mehr konnte nicht schaden ...

Aria sah Hände, die nach ihr fassten und fühlte harte Schläge auf ihrem Rücken. Sie konnte sich nicht von ihnen befreien. Ihre Peiniger kamen immer näher und obwohl sie die Gesichter nicht richtig sehen konnte, hatte sie das Gefühl, beinahe zu ersticken.

Schweißgebadet fuhr sie aus ihrem Alptraum mit klopfendem Herzen hoch und sah jemanden an ihrem Bett sitzen. Nur der Feuerschein des Kamins erhellte den dunklen Raum. Daher konnte das Mädchen nicht erkennen, wer es war und sofort dachte sie, dass ihre Peiniger sie gefunden hatten.

Voller Panik riss sie die Decke weg und rollte sich auf der anderen Seite aus dem Bett. „Beruhige dich, es wird nichts passieren ...", hörte sie Myrons Stimme. Seine Hand fasste nach ihrer, sodass sie nicht gänzlich aus dem Bett fliehen konnte.

Aria fühlte ihr Herz hinter den Rippen pochen und sie brauchte einige Zeit zu realisieren, was gerade geschah. Keuchend saß sie am Rand des Bettes und versuchte, sich zu beruhigen. Noch immer hielt der junge Mann ihre Hand fest und sie zog sie ein wenig zurück.

„Alles ist gut, niemand außer mir ist hier. Du hattest einen Alptraum?", fragte Myron. Das klang jedoch eher wie eine Feststellung. Ihre Unruhe im Schlaf und das schmerzhafte Keuchen waren nicht zu übersehen gewesen. Myron ließ ihre Hand nun los und wartete einfach ab. Vielleicht brauchte sie Zeit, um sich zu beruhigen. Doch als auch nach ziemlich langer Zeit keine Regung ihrerseits kam, nahm er sie sanft an der Schulter und drückte sie zurück in die Kissen.

Myron fühlte, wie sie sich dagegen wehrte. Aria war noch immer halb in ihrem Traum gefangen, sodass sie nicht ins Bett zurückwollte. Und die Art, wie er sie anfasste, machten es nicht besser. Deshalb ließ Myron ihre Schultern los und fing an, ihren Rücken zärtlich zu streicheln.

Es dauerte einige Zeit, dass sie sich ein wenig entspannte und er konnte spüren, wie sich auch ihr Geist beruhigte. Zuvor war dieser sehr aufgewühlt gewesen. Draußen konnte man den Wind um die Fenster pfeifen hören und dieser rüttelte an den Fensterläden, die geschlossen waren. Bestimmt schneite es wie verrückt, sodass die Welt wohl am nächsten Tag unter einer noch höheren Schneedecke vergraben sein würde.

Myron streichelte noch immer ihren Rücken und nur langsam hörte ihr Herz auf, wie verrückt zu schlagen. „Willst du mir erzählen, was du geträumt hast?", fragte er behutsam. Dabei wusste er, was sie geträumt hatte. Dennoch hoffte er, sie würde es ihm erzählen und sich anvertrauen.

Er hatte nicht in ihren Geist eindringen wollen, sondern einfach nach ihr sehen, ob es ihr gut ging und ob sie etwas brauchte. Doch Aria hatte tief und fest geschlafen, wobei er ihre Aura wahrgenommen hatte. Eine leicht blau weiße Aura hatte sie umgeben und er hatte sofort gespürt, dass sie Angst hatte. Und dass das Mädchen wütend war. Zumindest in ihrem Unterbewusstsein.

Als sie aufgewacht war, verschwand die Aura um sie herum Aria schüttelte nur den Kopf. Nach einer langen Zeit, in der sie gesessen hatte, legte sie sich vorsichtig zurück ins Bett, wobei sie so weit wie möglich von Myron weg sein wollte. Deshalb legte sie sich mehr an die äußere Kante. Sofort versank sie in den Kissen und der weichen Matratze. Myron deckte sie behutsam zu, nahm danach ihre Hand und strich mit dem Daumen darüber.

Er wusste nicht, wie lange er dort gesessen hatte. Das Mädchen hatte die Augen geschlossen, doch sie schlief nicht. Dazu war ihr Atem zu unregelmäßig. Aria schien sehr nachdenklich zu sein, vielleicht auch schüchtern. Wieder wusste das zierliche Mädchen nicht, was es fühlen oder denken sollte.

Einerseits fühlte sie sich hier sicherer, andererseits wusste sie, dass man nirgends dem Zorn ihres alten Herrn sicher war. Aria wollte an das Gute glauben, doch das fiel ihr sehr schwer.

„Wie heißt du?", fragte Myron leise, um die Stille zu unterbrechen, die sich ausgebreitet hatte. Natürlich wusste er bereits die Antwort, da Sarin ihm den Namen verraten hatte. Doch Myron wollte, dass sie mit ihm sprach.

Er wollte ihre Stimme hören, die für ihn wie ein Gesang klang, obwohl sie bis jetzt fast nur krächzen konnte. Vielleicht wegen der Erschöpfung oder wegen der Angst. Das konnte Myron nicht herausfinden.

„Ich heiße Aria", antwortete sie leise und nach einem kurzem Zögern. Sofort breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. Myron konnte sich nicht erklären warum, aber ihre Stimme klang für ihn wie das Glück der Welt. Dabei kannte er sie noch nicht einmal. Es war einfach das Gefühl, was sie ihm vermittelte. Und es lag nicht daran, dass sie magische Fähigkeiten besaß.

„Aria ...", murmelte er leise und sah sie nachdenklich an. Der Name passte zu ihr.

„Kommt er hierher? Wird er mich holen?", fragte sie ihn zögernd. Das war das erste Mal, dass sie mehr als ein paar Worte sprach. Myron schüttelte den Kopf, nicht sicher, ob sie das sehen konnte. Deshalb antwortete er ihr, dass sie hier sicher war und er bestimmt nicht hierherkommen würde.

„Ich hoffe es ...", sagte sie leise. Sanft drückte er ihre Hand, um ihr die Sicherheit zu geben und sie aufzumuntern.

„Versuche zu schlafen, ich bleibe hier und passe auf dich auf, wenn du willst", bot er ihr an. Und zu ihrem Erschrecken wollte sie es sogar. Es fühlte sich sicherer für sie an, wenn er da war. Auch wenn es Myron war, der bei ihr am Bett saß.

Doch konnte sie sich ganz sicher sein bei ihm? Vielleicht hatte er Hintergedanken, die ihr nicht gefielen. Als ob er wusste, was sie dachte, sagte er hastig, dass er nur über sie wachen würde, er versprach nichts anderes zu tun. Komischerweise gab es ihr ein geborgenes Gefühl und nach kurzer Zeit fiel sie in einen traumlosen Schlaf.

Ein Sonnenstrahl kitzelte auf ihrer Nase und wärmte sie gleichzeitig. Langsam blinzelnd öffnete Aria ihre Augen und sah Myron mit verschränkten Armen neben ihrem Bett sitzen. Er hatte die Augen halb geschlossen und es sah aus, als ob er schlafen würde. Jedoch war Myron wach und hatte sich nur ausgeruht.

„Guten Morgen Aria. Hast du gut geschlafen?", fragte er und musterte sie, nachdem er die Augen ganz geöffnet hatte. Seufzend setzte sie sich langsam im Bett auf und nickte.

„Ich habe am Ende ganz gut geschlafen, danke", erwiderte sie und sah sich um. Sie wusste nicht, wie spät es war. Aber da die Sonne noch nicht so hoch am Himmel stand, schlussfolgerte sie, dass es früher Vormittag sein musste.

Aria brauchte kurze Zeit, um ihren Kopf ein wenig freizubekommen und sich an den gestrigen Tag zu erinnern. Ein Schauer lief über ihren Körper, wenn sie an diese Momente dachte. Selbst die, die eigentlich nicht schlimm gewesen waren, fühlten sich nun erst recht seltsam an, da sie so etwas nicht gewohnt war.

„Weißt du, dass du magische Fähigkeiten besitzt?", fragte Myron ohne Umschweife. Er war der Meinung, es sei besser, Klartext zu reden. Zu seiner Überraschung nickte sie, wobei sie ihre Hände zu Fäusten ballte. Aria sah sehr wütend aus.

„Ja meine Eltern waren Magier. Und genau deswegen sind sie gestorben", brachte sie zähneknirschend hervor. Er hatte nicht erwartet, dass sie über ihre Fähigkeiten Bescheid wusste. Viele wussten es nicht und es kam nur durch Zufall entdeckt. Aber die Tatsache, dass ihre Eltern deswegen gestorben waren, brachte ihn aus der Fassung.

„Wie ist das passiert?", fragte er leise. Nach einer kurzen Weile erwiderte sie, dass dort, wo sie geboren war, Magier für Dämonen gehalten wurden, und diese wurden so lange verfolgt, bis man sie umgebracht hatte.

„Ich kann mich sehr genau an diesen Tag erinnern als sie meine Eltern in ihre Hände bekommen haben", begann sie zu erzählen. Sie waren morgens aus ihren Betten gerissen worden, nachdem sie Schreie gehört und Rauch gerochen hatten. Schnell war ihre Familie aufgestanden und hatte versucht, sich zu verstecken.

Doch auch ihr Haus war in Flammen aufgegangen, sodass sie gezwungen gewesen waren, daraus zu fliehen. Von dort waren sie aus dem Dorf gerannt, aber sie waren nicht unentdeckt geblieben. Menschen waren ihnen gefolgt, die sie töten wollten. Also waren sie um ihr Leben gerannt. Dabei hatten sie nicht darauf geachtet, wohin sie gerannt waren.

„Wir standen an einer Klippe, bevor sie meine Mutter gefasst hatten. Plötzlich schubste sie mich hinunter und ich hörte ihre letzten Worte, dass sie mich liebt. Ich wusste, sie wollte mich nur beschützen. Meine Mutter konnte nicht ahnen, dass ich danach trotzdem in schlechte Hände fallen würde." 

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