Kapitel 39

Bryden sah ihn überrascht an, bevor seine zuvor noch schmeichelnde Stimme kalt wurde. „So ein Unsinn. Ihr seid derjenige, der Lügengeschichten erzählt", rief der Mann erbost und erhob sich.

Auch Myron war aufgestanden und bat Bryden, seine Stadt zu verlassen und nach Niska zurückzukehren. Er sollte sie in Ruhe lassen und es nicht mehr wagen, auch nur einen Fuß über die Landesgrenze zu stellen.

Wutentbrannt warf Bryden seinen schwarzen Mantel über die Schulter und funkelte den jungen Herrscher böse an. „Damit Ihr eines wisst: Ich weiß, dass Ihr ohne Erlaubnis in meinem Land gewesen ward und meine Männer getötet habt. Ihr werdet es bereuen, nicht mit mir verhandeln zu wollen. Dafür werdet Ihr büßen", rief er zornig und verließ eilig den Speisesaal.

Zurück blieben die vier Anwesenden, die etwas klirren hörten und sahen sich erstaunt an. Vermutlich hatte er seinen Zorn an einem Bild oder einer Vase im Flur ausgelassen.

„Wie kann man nur so bösartig sein?", fragte Kathleena entsetzt. Ihr geschockter Blick sprach Bände. Sarin und Myron schüttelten den Kopf. Auch ihnen war es unverständlich, dass sich jemand so daneben benahm.

„Er ist ein Magier der dunklen Sorte. Woher hat er sie nur bekommen? Sie galt als längst ausgerottet", meinte Sarin nachdenklich.

„Wenn er wirklich aus Virtanen kommt, dann ist mir einiges klar. Das Land wird von Hass und Gier betrieben. Und das schon seit langer Zeit. Es ist gut möglich, dass sich von dort die dunkle Macht langsam ausbreitet", warf Myron ein. Er hatte seinen Arm um Aria gelegt, um sie zu beruhigen. Dass die junge Magierin sich in Brydens Gegenwart nicht wohlgefühlt hatte, war ihm sofort aufgefallen.

Myron war der Meinung, dass die ganze Sache eher von Virtanen ausging, anstatt von Niska selbst. Es war gut möglich, dass sie die Leute sogar manipulierten und Virtanen das eigentliche Land war, welches über alle anderen Länder herrschen wollte.

Wobei alle einstimmten war, dass sie mit Keltar in Verbindung bleiben sollten. Es war gut, wenn sie gegenseitig mehr aufeinander aufpassten. Noch nie hatten sie von so einer Bedrohung gehört. Der letzte Krieg lag schon mehrere Jahrhunderte zurück. Jeder musste noch mehr auf der Hut sein und sollte es ihm melden, wenn sie etwas Unnormales bemerkten. Das wurde ihm von den Anwesenden versprochen.

Später, als sie auf den Weg zu Myrons Schlafzimmer waren, wirkte Aria verstört. Sie konnte nicht behaupten, dass sie den Mann wirklich mochte. Von Anfang an war er ihr unsympathisch gewesen. So, wie er sich gegeben hatte, legte dieser vermutlich keinen Wert darauf.

Seufzend und fluchend versuchte Myron, seine Stiefel von den Füßen zu bekommen. Aria, die ihm schließlich dabei half, sah ihn fragend an. So aufgewühlt kannte sie ihn einfach nicht. Auf ihre Frage hin, was mit ihm los sei, antwortete Myron, dass er ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache hatte.

„Etwas wird auf uns zukommen, womit wir nicht rechnen werden", meinte er nachdenklich und begann, sich zu entkleiden. „Wir sollten anfangen, dir höhere Magie beizubringen." Dankbar nickte er ihr zu, als sie die Stiefel säuberlich in die Ecke stellte. Wie sehr er mit seiner Vermutung recht behalten sollte, ahnte Myron zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Nach einigen Tagen und harten Übungen saßen sich die beiden in der Bibliothek gegenüber. Vor ihnen stand eine Tasse Tee und Gebäck, während draußen der Wind um das Schloss heulte. Obwohl es Frühling war, herrschte schlechtes Wetter. Deshalb brannte ein gemütliches Feuer im Kamin, der eine behagliche Wärme im Raum spendete.

Sie hatten einige Magieübungen wiederholt, die er Aria in den letzten Tagen beigebracht hatte. Wie viel besser sie schon geworden war, konnte man täglich sehen.

„Wärst du damit einverstanden, wenn ich meinen Zeigefinger an deine Stirn lege?", fragte er plötzlich. Gerade eben wollte Aria ein Gebäck nehmen und essen, weil sie eine kleine Pause machten.

Stirnrunzelnd fragte sie ihn, wofür das gut sei. Myron erklärte ihr, dass das die Anfänge waren, um die mentale Kommunikation lernen zu können. Somit konnten sie sich unterhalten, auch wenn sie nicht in einem Raum waren. Das funktionierte auch über längere Distanzen hinweg.

Jedoch bestand gerade am Anfang die Gefahr, dass sich andere unbemerkt einschleichen und somit das Gespräch belauschen konnten. „Daran werden wir arbeiten, damit du es genau spürst, wenn das jemand tun möchte. Im Falle eines Kampfes wird das von großem Vorteil sein. Sarin und ich unterhalten uns sehr oft so. Ganz einfach, um nicht aus der Übung zu kommen", erklärte Myron seiner aufmerksamen Zuhörerin.

Bevor sie jedoch überhaupt mit irgendeiner Übung davon anfangen konnten, wurden sie durch ein Klopfen an der Tür gestört. „Mylady Aria? Die Stute Meredith ist sehr unruhig. Es scheint, als würde sie ihr Fohlen bald auf die Welt bringen", berichtete der Stallmeister ihr.

Mit Sarins Hilfe hatte sie gelernt, was sie tun musste. Deshalb hatte der Stallmeister sich dazu entschlossen, die tragende Stute ihr anzuvertrauen.

Entschuldigend warf Aria Myron einen Blick zu. „Es tut mir leid. Die Übung muss bis später warten. Ich habe mir in den letzten Tagen bereits Sorgen um Meredith gemacht. Sobald es vorbei ist, komme ich wieder, in Ordnung?", fragte sie den jungen Herrscher.

Dieser nahm sie zärtlich in den Arm und küsste sie sanft. „Soll ich mitkommen?", fragte er, doch sie schüttelte den Kopf und meinte, dass Bertil, der Stallmeister bei ihr war. Und sie würde mit Sicherheit den Weg danach allein zurückfinden.

Myron bat sie, auf sie aufzupassen. Er würde so lange bei Kathleena und Sarin sein. Die junge Magierin versprach es und ging dann mit Bertil mit. Auf dem Weg zum Stall bemerkte sie, wie dunkel es war. Außerdem hatte es wieder zu regnen angefangen. Der unangenehme Wind peitschte ihnen diesen heftig ins Gesicht.

„Meredith hat sich wirklich den richtigen Zeitpunkt ausgesucht", bemerkte Aria leise, als sie die Stalltür hinter sich schloss. Behagliche Wärme schlug ihnen entgegen und die friedliche Stimmung verlieh ein wohliges Gefühl.

Einige Pferde wieherten ihnen zu, andere ließen sich beim Heu fressen nicht stören. Aria zog den liebgewonnenen Stallgeruch tief ein. Wenn draußen so schlechtes Wetter war, würde es keiner mitbekommen, wenn Meredith abfohlen würde. Das war wohl auch der Plan der Stute.

Aria ging langsam zu ihrer extra großen Box und sah über die Trennwand hinüber. Meredith lag bereits auf der Seite und sie wusste, dass die Stute bereits in den Wehen lag.

Zu ihrer Erleichterung war bei der Stute alles in Ordnung und die Geburt verlief ohne Komplikationen. Bald darauf konnten Aria und der Stallmeister ein neues Lebewesen auf der Welt begrüßen. Meredith hatte einen kleinen Hengst zur Welt gebracht, dessen Fell so schwarz wie die Nacht glitzerte. Nur eine kleine Blesse war auf der Stirn des Fohlens zu erkennen. Es fehlte nur noch ein geeigneter Name für ihn. Darüber konnten sie sich später noch Gedanken machen.

Mit einem winkenden Gruß zu Bertil verließ Aria den Stall und trat hinaus in die Dunkelheit.

Irgendwie war es plötzlich sehr unheimlich geworden, denn es waren keine Menschen mehr auf den Straßen zu sehen. War sie etwa so lange im Stall gewesen, dass es so spät geworden war? Aria verspürte ein unwohles Gefühl und für einen Augenblick lang war sie versucht, Bertil zu bitten, sie zu begleiten.

Sie freute sich schon sehr auf einen gemeinsamen Abend und auf die Hände von Myron, die ihre nackte Haut streicheln würden. Doch zuerst wollte sie ein ausgiebiges Bad nehmen. Mit diesen Gedanken versuchte sie sich abzulenken, solange sie die Straßen der Stadt entlanglief.

Plötzlich griffen aus der Dunkelheit kalte Hände nach ihr und hielten ihren Mund zu, damit sie nicht schreien konnte.

Voller Panik versuchte sie sich zu befreien und die Hände von ihrem Mund zu bekommen, doch diese blieben fest darauf liegen. Sie spürte einen kalten Windhauch um sie herum, bevor sie das Bewusstsein verlor. Kurz darauf war sie verschwunden.

Myron saß zur gleichen Zeit mit Sarin und Kathleena im Zimmer des Heilers. Sie sprachen über die nächsten Tage, was sie alles zu tun hatten. Als es an der Tür klopfte, freute sich der junge Herrscher darüber, dass Aria kam.

Doch als Bertil seinen Kopf zur Tür reinsteckte und nach ihr fragte, kam ein ungutes Gefühl in ihr hoch. „Wie? Ich dachte, sie sei noch im Stall?", fragte Myron verwirrt.

Bertil verneinte das und erklärte, dass Aria vor etwa einer halben Stunde den Stall verlassen hatte, nachdem der Hengst geboren war. „Sie meinte, ich solle sie holen, wenn etwas ist", sagte Bertil zu ihm.

Auch ihm stand die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. Entsetzt sahen sich die Anwesenden an? Myron hatte ein ungutes Gefühl gehabt, welches er immer wieder verdrängt hatte. Wieso war er seinem Gefühl nicht einfach gefolgt oder war mit ihr in den Stall gegangen, auch wenn sie das nicht gewollt hatte?

„Lasst sie uns sofort suchen", kam es panisch über seine Lippen. Seine Alarmglocken klingelten und er ahnte nichts Gutes. Er war den Tränen nahe, als sie nach draußen gingen.

Draußen verteilten sie sich in alle Richtungen. Überall sahen sie nach und Myron wurde ganz verzweifelt. „Aria!!! Wo bist du?", schrie er in die Nacht hinein. „Wo bist du nur?" 

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