Kapitel 38

Bald darauf begann der Frühling Einzug zu halten. Aus Schnee wurde Regen und die Felder verwandelten sich in ein Schlammfeld. Beinahe täglich kamen die Männer, die auf dem Feld arbeiteten, mit matschigen Stiefeln nach Hause. Selbst wenn man nur ausritt, musste man danach alles wieder saubermachen. Danach sehnte man sich nach einem heißen Bad, um die Erschöpfung, die der Schlamm mit sich brachte, zu bekämpfen.

Immer öfters schien die Sonne und merklich wurde es wärmer. Oft waren die Leute vor ihren Läden oder Häusern zu beobachten, die jede kleine Pause nutzten, um sich die Sonnenstrahlen auf die winterblassen Gesichter scheinen zu lassen.

Mittlerweile wusste jeder in der Stadt darüber Bescheid, dass ihr Herrscher eine Geliebte hatte, mit der er ein gemeinsames Kind erwartete. Die Menschen freuten sich darüber, denn schon lange hatten sie darauf gehofft, dass Myron eine Frau fand, damit der Thronfolger gesichert war.

War Aria in der Stadt unterwegs, um etwas einzukaufen oder in die Trainingshalle zu gehen, wurde sie von allen Seiten freundlich begrüßt und gefragt, wie es ihr ging.

Anfangs hatte es ihr nicht so gefallen, da sie nicht genau gewusst hatte, was sie sagen konnte und was nicht. Doch die Unsicherheit hatte sich recht schnell abgelegt, je öfter sie angesprochen wurde. Die Freundlichkeit der Menschen in Myrons Stadt war einfach herzlich. Es fiel schwer, dem zu widerstehen. Aria fühlte sich dadurch von den Menschen auch akzeptiert und oft fragte man sie, ob sie Hilfe brauchte.

Myron und Sarin waren wieder vollständig genesen, nachdem sie sich noch mehrere Tage unter der strengen Beobachtung von Kathleena hatten ausruhen müssen.

Sarin untersuchte fortan Aria regelmäßig, um zu prüfen, ob ihr Kind gesund war und so wuchs, wie es sein sollte. Das war auch für die junge Magierin sehr wichtig, denn das Wohl des Ungeborenen lagen ihr sehr am Herzen.

Dennoch ging sie ihren täglichen Übungen im Waffenkampf und Heilung weiterhin nach. Dabei passte Myron auf sie sehr gut auf, dass sie sich nicht überanstrengte. Mehr als einmal hatte es eine kurze, hitzige Diskussion gegeben, wenn er der Meinung gewesen war, dass es reicht und Aria weitermachen wollte. Doch der Gedanke an das Kind ließen sie es leichter akzeptieren.

Aria passte zudem auf eine trächtige Stute auf, die bald ihr erstes Fohlen auf die Welt bringen sollte. Sarin hatte bereits ein neues Pferd bekommen, seit Helinta gestorben war. Er war nun im Besitz eines weißen Hengstes, der noch ziemlich ungestüm und wild war. Durch seine langjährigen Erfahrungen mit Pferden hatte er jedoch keine großen Probleme.

Die Vorbereitungen für Kathleenas und Sarins Hochzeit lief bereits unter Hochdruck. Jetzt, nachdem die ersten Blumen nach dem Winter ihre bunten Farben zeigten, war es an der Zeit, dass die Hochzeit stattfand. Die Stadtbewohner halfen, wo sie nur konnten, um eine gute Unterstützung für das Liebespaar zu sein.

Eines Abends saßen die vier beim gemeinsamen Abendessen und sprachen über den Tag, als ein Hausmädchen kam und einen Besuch ankündigte. „Mylord, ein Herr aus Niska ist gekommen, der ...", begann sie diesen anzukündigen. Weiter kam sie jedoch nicht, denn die Tür wurde einfach aufgestoßen und sie zur Seite geschubst.

Das sorgte bereits für ein Stirnrunzeln, denn so benahm sich sonst keiner seiner Gäste. Aria sprang auf, um zu dem Hausmädchen zu gehen. Sie wollte sehen, ob er ihr weh getan hatte. Zum Glück ging es ihr gut und mit einem freundlichen Nicken von Kathleena konnte sie sich zurückziehen.

Eine große Gestalt kam zum Vorschein. Lange, weiße Haare, die schmierig nach hinten gekämmt waren, ließen ihn bereits gruselig wirken. Doch die dunkelbraunen Augen, die sich im Raum wie ein Habicht auf Futtersuche, machten es um einiges schlimmer. Der schwarze Umhang, den er trug, wehte wie eine unheimliche Aura um ihn. Als würde Wind in dem Speisesaal herrschen. Sein Blick blieb für einen Moment an Aria hängen, um sie zu mustern. Unmerklich zuckte Aria dabei zusammen und zog die Schultern hoch. Solche gruseligen Menschen jagten einem wirklich Angst ein!

„Lord Myron!", posaunte der imposante Mann mit einer herrschenden Stimme. Einfach hereingeschneit war er, ohne höflich zu warten. „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Lord Bryden, der neue Herrscher über Niska!", stellte er sich vor, als er auf den Weg zu Myron war. Dieser war aufgestanden, um sich vor dem fremden Mann kurz zu verneigen.

Stirnrunzelnd hatte Myron die Szene zur Kenntnis genommen. Auch er stand auf und reichte dem fremden Mann ihm gegenüber die Hand. „Freut mich, Euch kennenzulernen, Lord Bryden", sagte Myron mit einer Tonart, die den anderen zeigte, wie sehr es ihm missfiel.

Sofort konnte der junge Herrscher die dunkle Macht spüren, sobald er die Hand von Bryden annahm. Diese versuchte, in ihn einzudringen. Mit seiner eigenen Magie wehrte er das jedoch ab.

Es zuckte kurz um die Mundwinkel des Weißhaarigen, ohne etwas dazu zu sagen. Er gab auch Sarin und Kathleena die Hand. Bei beiden versuchte er sein Glück, war jedoch erfolglos.

Auch wollte er Aria die Hand reichen. Diese hatte sich hinter Myron versteckt. Sofort war Bryden klar, dass sie eine Magierin war. Wenn auch noch nicht sehr geschickt wie die anderen es waren.

Wahrscheinlich würde sie von den anderen sofort beschützt werden, sollte er es bei ihr versuchen. Also reichte er ihr die Hand und lächelte die junge Magierin an.

Diese erwiderte sie Geste nicht. Sie nahm zwar seine Hand an, sah ihm jedoch nicht ins Gesicht. Stattdessen hielt sie ihren Blick auf den Boden gesenkt.

„Ein wenig ängstlich, die Kleine, nicht wahr?", lachte Bryden und seine strahlend weiße Zähne kamen zum Vorschein. Als würde es ihm nichts ausmachen, dass sie die Geste nicht erwiderte. Anscheinend machte er sich sogar über sie lustig.

Myron warf Aria einen schnellen Blick zu und hoffte, dass Bryden bei ihr nichts versucht hatte. Sobald sie allein waren, würde er sie darüber ausfragen. Ob sie irgendwas gespürt hatte, als sie seine Hand gehalten hatte.

Höflich bat er den ungebetenen Gast an den Tisch und wollte von ihm wissen, was ihm die Ehre verschaffte, dass Bryden ihn aufgesucht hatte. Gleichzeitig schenkte er ihm einen Becher Wein ein.

Der neue Herrscher über Niska schwenkte sein Weinglas hin und her und nahm einen Schluck, bevor er antwortete. „Ich bin gekommen, um über einige Anliegen mit Euch zu sprechen, Lord Myron. Aber zuvor sollte ich mich wohl vorstellen", begann er zu sprechen. Seine braunen Augen sah den Anwesenden ins Gesicht, als wollte er, dass sie genau zuhörten.

„Ursprünglich komme ich aus dem Land Virtanen im äußersten Westen dieser Welt. Auf einigen Reisen habe ich die Leute aus Niska getroffen und dabei erfahren, dass ihr alter Herrscher sehr krank war", erzählte er. Dieser Herrscher war kurz daraufhin verstorben und die Leute, die Bryden auf seinen Reisen kennengelernt hatte, baten ihn, das Land zu führen.

Dass er sich den Leuten eher aufgezwungen hatte, verriet er dabei nicht. Bryden kannte einige dunkle Magier aus dem Land und hatte sich mit ihnen zusammengeschlossen. Diese waren der ausschlaggebende Punkt gewesen, dass er der neue Herrscher sein wollte. In der Hoffnung, ein Land voller dunkler Magier hervorbringen zu können.

„Wie Ihr wisst, liegt Eure Landesgrenze an unserer. Ich habe mitbekommen, dass aus Ralanti eine Verschwörung auf uns zurollt. Das letzte Mal, als meine Männer dort waren, wurden sie von ihnen angegriffen und ausgeraubt. Durch ihre Weigerung wurden sie von Menschen aus Ralanti getötet und hatten daraufhin Krieg geschworen", erzählte Bryden den Anwesenden am Tisch. Dabei lehnte er sich zurück und sah erwartungsvoll in die Gesichter.

Myron und die anderen wussten, dass Bryden nicht die Wahrheit sprach. Oder sie besser verdrehte. Schon oft waren ihnen Gerüchte zu Ohren gekommen, dass Reisende von den Leuten aus Niska angegriffen wurden. Genau wie sie selbst. Es gab keinen Grund für Keltar und seiner Familie, ihm solche Dinge zu verschweigen. Dabei vertraute Myron ihnen sehr. Wären sie vor kurzem nicht zufällig in Ralanti gewesen, hätte er es vielleicht geglaubt.

Anstatt etwas darauf zu erwidern, ließ er Bryden weiterreden, denn dass er noch nicht fertig war, sah man ihm an. „Wir sind nicht sehr stark und suchen Hilfe bei anderen, um uns in einem Kampf zu unterstützen. Genau deswegen habe ich den beschwerlichen Weg auf mich genommen, um mit Euch darüber zu reden. Wärt Ihr bereit, mich in einem Kampf gegen Ralanti zu unterstützten? Ich würde Euch natürlich sehr gut entlohnen", brachte Bryden nun endlich den Grund für seinen Besuch hervor.

Aria konnte erkennen, wie Myrons Mundwinkel zuckten, doch noch äußerte er sich nicht dazu. Nachdenklich sah er in den Kerzenleuchter, der auf dem Tisch stand und ein warmes Licht im Raum verteilte, denn die großen Leuchter waren abgeschwächt worden. So mochten es Myron und die anderen am liebsten.

Doch selbst dieser warme Schein erschien plötzlich kühler als zuvor. Das lag mit Sicherheit an Brydens Anwesenheit. Myrons Blick wanderte zu Sarin und Kathleena, um sie fragend anzusehen.

Aria wusste, dass Myron niemals auf das Angebot eingehen würde. Nicht nach dem, was passiert war. Zumal der junge Herrscher keiner war, der gerne Krieg wollte. Dazu kam, dass Keltar und seine Familie seine Freunde waren und er wusste, wie die Leute in Ralanti waren.

„Nun, was sagt Ihr dazu, Lord Myron?", unterbrach Bryden die Stille, die seit seinen letzten Worten geherrscht hatte. Einschmeichelnd wirkte der kalte Ton des Mannes, der jedoch wirkungslos bei allen war.

„Ich muss Euch enttäuschen, Lord Bryden", begann Myron schließlich zu sprechen. „Vor kurzem war ich erst in Ralanti und habe da einige Dinge erfahren, die nicht gerade sehr schön gewesen waren. Einer Eurer Botschafter war dort gewesen und hat die Schwiegertochter des Herrschers dort schwer krank gemacht", sprach er weiter.

Bryden wollte etwas erwidern, wurde jedoch von Myrons Hand aufgehalten. „Ich war noch nicht fertig. Bitte unterbrecht mich nicht, denn ich habe Euch auch nicht unterbrochen", klang es schärfer als zuvor von und Aria war überrascht, wie herrschend Myron sein konnte. So kannte sie ihn gar nicht.

„Es war nicht eine einfache Krankheit, sondern mit dunkler Magie ausgelöst worden. Ich bin mir nicht sicher, welchen Zweck Euer Botschafter damit verfolgt hatte, doch mit Euch werde ich keine Geschäfte machen. Eurer Geschichte schenke ich keinen Glauben. Ihr könnt gerne weiterhin Lügen und Gerüchte verbreiten, doch damit es klar ist: Ich werde nicht an Eurer Seite stehen, solltet Ihr einen Krieg anzetteln", stellte Myron klar. Seine Stimme klang ernst dabei und wirkte wie Eis, sodass Aria einen Schauer über den Rücken lief. 

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