Kapitel 32
Am nächsten Morgen stellte Sarin erfreut fest, dass es Belynia wirklich sehr viel besser ging. Sie konnte aufstehen und wieder laufen. Sehr früh war er bereits zu ihr gegangen, ohne dass Myron oder Aria mitgekommen waren, denn diese hatten noch geschlafen.
Sie hatten sogar das Abendessen verpasst, weil sie zu müde gewesen waren und nicht aufgewacht sind. Keltar hatte sie schlafen lassen, weil er wusste, wie erschöpft sie gewesen waren. Das war das Mindeste, was er für seine Freunde tun konnte.
In einem Gespräch mit Mikuyo und Belynia erfuhr Sarin, dass der Botschafter, welcher aus Niska gekommen war, die Frau bereits am ersten Abend berührt hatte. Als er ihr einen Kuss auf die Hand zur Begrüßung gegeben hatte.
Seitdem hatte sich ihr Zustand immer mehr verschlechtert. Als Sarin ihnen jedoch seine Vermutung offenlegte, konnten sie nicht glauben, dass es wirklich solche gemeine Menschen gab. Sie waren entsetzt darüber, dass die Leute und Magier aus Niska mit solchen üblen Methoden arbeiteten, nur um genügend Hilfen von den anderen Ländern zu bekommen.
Jedoch leuchtete ihnen nun ein, warum Belynia so krank geworden war. Das hatten sie davor nicht verstehen können, denn Mikuyos Frau war zuhause gewesen und war mit sonst keinem Fremden in Kontakt gekommen. Sarin konnte Belynia damit beruhigen, dass sie mit Sicherheit keine gesundheitlichen Schäden davontragen würde.
Später, als Sarin und die anderen bereits beim Frühstück saßen, tapsten Myron und Aria noch ziemlich verschlafen herein. Lächelnd wurde ihnen entgegengesehen und freudig wurden sie begrüßt. Sogar Belynia saß mit am Tisch und Aria bekam nun die Gelegenheit, die hübsche Frau eingehend zu betrachten.
Sehr hübsch war Mikuyos Frau mit den blonden Haaren, welches in schönen Locken auf ihren Schultern ruhte. Ihre Augen, die davor noch sehr dunkel ausgesehen hatten, erstrahlten in einem bezaubernden Grün. Aufmerksam sah sie den zwei Nachzüglern entgegen.
Wenn Aria richtig schätzte, war sie ungefähr so groß wie Mikuyo. Kurz warf sie einen Blick auf den blonden Mann, dessen Gesicht heute richtig strahlte. Verliebt sah er immer wieder zu seiner Frau, die seinen Blick liebevoll erwiderte. Belynia stand schließlich auf und kam auf Myron und Aria zu.
Sie zog Myron in eine freundliche Umarmung, doch bei Aria blieb sie stehen und musterte sie eingehend. Es war kein unangenehmes Mustern der jungen Frau, aber die blonde Magierin sah verlegen auf den Boden. Noch immer hatte sie sich nicht daran gewöhnt, mit anderen gleichgestellt zu sein.
„Ich danke Euch, Mylady Aria", sagte Belynia mit einer zarten Stimme und nahm Aria kurzerhand in den Arm. Sarin hatte ihr erzählt, wie gut Aria mitgeholfen hatte, sie zu heilen. Dafür war sie sehr dankbar. Ihre Umarmung wurde zögerlich von der Magierin erwidert.
Aria selbst wusste nicht, was sie sagen sollte und warf Myron einen hilfesuchenden Blick zu, der sie jedoch aufmunternd anlächelte. Sie würde mit solchen Situationen noch öfters konfrontiert werden, da war er sich sicher.
Noch immer hielt Belynia das Mädchen in der Umarmung, als sie diese herzlich willkommen hieß. „Es ist mir eine Freude, Euch kennenlernen zu dürfen, Mylady Aria", sagte sie zu ihr. Erst dann ließ sie Aria los und musterte sie noch einmal einen kurzen Augenblick, bevor sie sich wieder an den Tisch setzte.
„Myron hat von Euch noch gar nichts erzählt. Auch nicht in dem Brief, den er uns hatte zukommen lassen", bemerkte Belynia mit einem verschmitzten Seitenblick auf Myron. Dieser lächelte jedoch nur und tat, als hätte er nichts gehört. Schließlich war zu der Zeit noch gar nicht sicher gewesen, dass Aria überhaupt mitkommen würde.
Während des gemeinsamen Frühstücks wurde Belynia in Arias Geschichte eingeweiht, was dieser nicht unbedingt gefiel, da sie dabei wieder an ihre Vergangenheit erinnert wurde. Dennoch spürte Aria, dass die Erinnerungen verblassten, je länger die Zeit voranschritt und es war nicht annähernd so schlimm wie das erste Mal, als sie Kathleena davon erzählt hatte.
Fröhliche Erinnerungen zwischen Keltars Familie und Myrons wurden hervorgeholt und Belynia erfuhr von der bevorstehenden Hochzeit von Kathleena und Sarin. Ihre Augen strahlten dabei und verstohlen warf sie Myron einen Blick zu. „Es ist an der Zeit, dass Ihr in Sarins Fußstapfen tretet", neckte sie ihn mit dem Hinweis, dass er bald heiraten sollte. Die perfekte Frau hatte er offensichtlich schon gefunden. Als Antwort bekam sie ein Lachen von Myron, das ausdrücken sollte, dass er nichts dagegen hatte, den Bund der Ehe einzugehen.
Nach dem Frühstück, als das Dienstmädchen bereits anfing, den Tisch abzuräumen, wandte sich Belynia an Aria und fragte diese, ob sie vielleicht mit ihr und Cassandra für einige Zeit in die Stadt gehen wollte. Die Männer waren sowieso mit ihren Verhandlungen beschäftigt.
Begeistert nickte Cassandra zu diesem Vorschlag und auch Aria sah es als eine willkommene Abwechslung an. So viel von anderen Ländern und Städten hatte sie noch nicht gesehen, weshalb es mit Sicherheit ein schöner Tag werden sollte. Sie war gespannt darauf, was Ralanti alles anbot.
Keltar nickte seiner Schwiegertochter anerkennend zu. „Ein wirklich guter Einfall, Belynia", lobte er sie lächelnd. Sie war immer schon für Überraschungen gut gewesen und hatte stets gute Einfälle. Mikuyos Frau lachte leise und strich sich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Sie kam mit dem bärtigen Mann sehr gut zurecht.
„Macht euch einen schönen Tag. Aber zieht euch warm an, es ist sehr kalt draußen", bemerkte er mit einem Blick aus dem Fenster. Es schneite nicht, doch der Himmel war blau und die Sonne schien. Ein Hinweis darauf, dass es sehr kalt war. Aber das verrieten auch die Eisblumen, die sich an dem Fensterglas gebildet hatten.
Gerade zog Aria ihren Mantel an und machte sich bereit, mit den beiden Frauen in die Stadt zu gehen, als Myron auf sie zukam. Liebevoll schloss er seine Arme um die junge Magierin und küsste sie innig. „Wenn du etwas Schönes für dich findest, lass es mich wissen, ja?", bat er sie leise und rückte ihre Pelzmütze zurecht, bevor er ihr noch einmal einen Kuss auf die Nase gab und sie dann mit den beiden wartenden Frauen allein ließ.
Die Männer zogen sich in Keltars Arbeitszimmer zurück, um ihren Geschäften und Verhandlungen nachzugehen. Aufmunternd lächeln schob Cassandra die junge Magierin vor sich aus der Tür. Aria war stehen geblieben und hatte Myron hinterher gesehen. Dabei hatte sie nicht bemerkt, dass Belynia und Keltars Frau gehen wollten.
Gemeinsam unternahmen die drei Frauen einen gemütlichen Rundgang durch die Stadt. Viele Geschäfte wurden von ihnen unsicher gemacht, wobei sie nichts kauften, sondern sich einfach umsahen. Noch nie hatte Aria so viele verschiedene Geschäfte gesehen.
Obwohl Myrons Stadt größer als Ralanti war, hatte sie bisher noch nicht viel Gelegenheit gehabt, dort wirklich einzukaufen. Alles, was sie bekam, wurde bereits geliefert. Dennoch nahm sie sich vor, dass sie mit Myron zusammen unbedingt durch die Stadt gehen wollte. Genau wie jetzt mit den beiden Frauen.
Aria sah so viele Juwelen, Pelze, aber auch vornehme Kleider und vieles mehr. Dabei kam sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. In jedem Geschäft, in welches sie gingen, konnte sie sich nicht sattsehen. Die Waren sahen zum Teil ganz anders aus als in Myrons Stadt. Das lag vermutlich an den unterschiedlichen Rohstoffen, was sie zur Verfügung hatten.
Da Belynia sich noch schonen musste, ließen sie sich viel Zeit und machten auch eine Pause, in der sie gemeinsam etwas zum Mittag aßen. Cassandra wusste, dass die Gespräche der Männer sehr lange dauerten, weshalb es eine schöne Abwechslung war, mit Aria und Belynia in der Stadt zu sein.
In einem Geschäft blieben sie sogar länger, denn es stellte viele verschiedene Schmuckstücke aus. Aria drehte sich sogar im Kreis, um sich einen Überblick über den großen Laden zu machen. Sie folgte Cassandra durch die Regale und blieb auf einmal stehen.
Dort lag ein Armreif, der ihr den Atem verschlug. Er war silbern und besaß kleine, rote Juwelen, die eingearbeitet waren. Glänzend lag er in der Auslage und Aria konnte nicht widerstehen. Sie war sich sicher, diesen schon einmal gesehen zu haben.
Zitternd nahm sie den Reif in die Hand und erinnerte sich an ihre Mutter, die genau so einen getragen hatte, bevor sie gestorben war. Aria hoffte inständig, dass es nur eine Nachbildung des Reifs war. Als sie das Schmuckstück jedoch genauer betrachtete, fielen ihr die Eingravierungen auf und Tränen traten in die blauen Augen des Mädchens.
Die Namen Keira und Liron waren eingraviert. So hatten ihre Eltern geheißen und als sie bemerkte, dass noch zwei weitere Namen vorhanden waren, schluckte sie schwer. Aria und Soraya. Ihre Schwester hatte diesen Namen besessen.
Obwohl die Gravierungen leicht verblasst waren, konnte man sie bei näherer Betrachtung genau erkennen. Es gab keine Verwechslung mehr. Dieser Reif hatte ihrer Mutter gehört. Doch woher kam er nur? Es war so lange her gewesen, als sie gestorben war. Hatten die Männer sie vielleicht ausgeraubt und diese Dinge gestohlen? Wie kam es dazu, dass sie hier in Ralanti ein Erinnerungsstück an ihre Familie fand?
Aria wischte sich die Tränen aus den Augen und schluchzte leise, was die Aufmerksamkeit von Cassandra auf sich zog. Sofort kam diese her und musterte sie eindringlich. „Aria, was ist denn mit Euch los?", fragte sie leise. Ihr Blick fiel auf den Reif, den die Magierin noch immer in der Hand hielt.
Beinahe trotzig wischte sich Aria die Tränen aus den Augen, aber sie kamen immer wieder. Cassandra nahm das Mädchen in den Arm, welches in Tränen ausbrach. Sie konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Zu sehr schmerzten sie die Erinnerungen daran.
Nachdenklich versuchte Cassandra herauszufinden, was Aria so in Aufruhr versetzt hatte. Es musste etwas mit dem Reif zu tun haben, da war sie sich sicher. Sanft streichelte sie den Rücken der Magierin, die noch immer weinte.
Über den Kopf hinweg nickte Belynia ihr zu, als sie näher gekommen war. Beide hatten das Gefühl, dass es mit dem Reif zu tun hatte. Vorsichtig nahm sie Aria diesen aus der Hand und betrachtete ihn genauer. Dadurch verstand Keltars Frau, was für den plötzlichen Gefühlsausbruch gesorgt hatte.
Kurzerhand entschloss sie sich, diesen zu kaufen, um sich wenigstens bei Arias Hilfe zu bedanken. Sie löste sich von ihr und bat Belynia leise, auf sie aufzupassen und zu trösten. Ein Nicken als Einverständnis war die Antwort und Cassandra ließ die beiden für einen Moment allein.
Eindringlich sprach sie mit dem Verkäufer und konnte den Reif für einen guten Preis erhalten. Diesen ließ sie sehr gut verpacken, damit man nicht gleich sah, was sich in der Schachtel befand. Nachdem sie das Geschenk in ihrer Manteltasche verstaut hatte, ging sie zu den wartenden Frauen zurück.
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