Kapitel 30

Noch vor Myron war Aria am nächsten Tag aufgewacht. Lächelnd sah sie auf den Mann, der neben ihr lag und streichelte sein verwuscheltes, schwarzes Haar. Anscheinend schlief er sehr tief, denn Myron regte sich nicht. Ruhig und gleichmäßig atmete er tief ein und aus, was sie beruhigte.

Vorsichtig setzte sie sich im Bett auf, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken. Nachdenklich ließ sie den gestrigen Tag an sich vorüberziehen, um die Eindrücke verarbeiten zu können. Dabei streichelte sie Myron die ganze Zeit.

Keltar war ihr anfangs wirklich unheimlich gewesen. Das forsche Auftreten des bärtigen Mannes hatte sie richtig eingeschüchtert. Doch im Laufe des Abends hatte Aria bemerkt, dass es nur die äußere Hülle des Mannes gewesen war. Hinter der rauen Fassade war Keltar sehr nett und freundlich. Aber auch immer zu Witzen aufgelegt.

Um Mikuyos Frau machte sie sich allerdings Sorgen. Wie schwer krank mochte sie wohl sein, wenn er den ganzen Abend sorgenvoll ausgesehen hatte? Ob es heilbar war oder vielleicht doch schon zu spät? Bei dem Gedanken wurde ihr übel, denn es würde sie zutiefst mitnehmen, wenn Mikuyos Frau ohne Hilfe sterben würde. Dennoch vertraute sie auf Sarins langer Erfahrung im Heilen und hoffte, dass er ihr helfen konnte.

Plötzlich wurde das Atmen von Myron unregelmäßiger, was ein Anzeichen dafür war, dass er aufwachte. „Guten Morgen, Myron", flüsterte Aria und Myron musste zuerst mehrmals blinzeln, bevor er sie richtig sehen konnte. '

„Aria, bist du schon lange wach?", fragte er die junge Magierin und setzte sich ebenfalls auf. Sanft zog er sie an sich heran und gab ihr einen innigen Kuss. Glücklich, dass sie bei ihm war, drückte er sie an sich und vergrub für einen Moment seine Nase in ihren Haaren.

„Nein, ich bin kurz vor dir aufgewacht", gestand Aria ihm. „Ich musste an gestern Abend denken, aber auch an die Frau von Mikuyo." Auch der junge König hatte sich einige Gedanken dazu gemacht. Eigentlich galt Mikuyo als fröhlich und aufgeschlossen, doch die Sorgen um seine Frau hatten ihn verändert. Nun hofften sie, dass Sarin ihr helfen konnte und Keltars Sohn somit die Sorgen nehmen konnte.

Einige Minuten blieben sie noch im Bett liegen und sprachen darüber, bevor sie aufstanden und sich anzogen. Immerhin waren sie hier, um Geschäfte zu machen und nicht, um sich auszuruhen.

Aria zog sich an und begann, ihre Haare zu flechten, die sie dann wie einen Kranz um ihren Kopf legte. Myron stieß einen leisen Pfiff aus, als er sie so sah. Es stand ihr fantastisch. Er zog sie an sich heran und küsste sie innig, bevor sie zu Sarin ins Nebenzimmer gingen, um ihn aufzuwecken. Das stellte sich jedoch als überflüssig heraus, da der Heiler bereits länger als die beiden wach war.

Gemeinsam aßen sie mit Keltar und seiner Familie Frühstück in dem Esszimmer. Mikuyo sah Aria überrascht an, da sie wirklich hübsch mit dem anders gelegtem Haar aussah. Er schien sehr müde zu sein und sie überlegte, ob er wohl die ganze Nacht am Krankenbett seiner Frau gesessen hatte.

„Habt Ihr gut geschlafen, Myron?", fragte Keltar mit seiner lauten und durchdringenden Stimme und riss sie damit aus der Nachdenklichkeit.

„Natürlich, nach der Menge Wein, die Ihr mir gestern zukommen habt lassen", grinste Myron verschmitzt und neckte ihn, denn er selbst hatte nicht so viel getrunken. Aus dem einfachen Grund, weil es ihm nicht lag, sehr viel zu trinken. Ab und zu ein Glas Wein zum Abendessen, das war ihm genug.

Die Männer sprachen über einige Geschäfte, während Aria und Cassandra schweigsam daneben saßen und frühstückten. Nur ab und zu warfen sich die beiden Frauen einen kurzen Blick zu. Es war, als ob sie sich verstehen würden, denn Cassandra lächelte dem jungen Mädchen freundlich zu und Aria erwiderte es.

„Was haltet Ihr davon, wenn wir heute einen Ausritt unternehmen? Ich möchte Euch gerne meine neu errichteten Häuser und Ställe zeigen", fragte Keltar seinen Freund Myron, der ihm zustimmend nickte.

„Aber ich denke, wir sollten uns erst um Belynia kümmern", wandte er sich damit an Mikuyo, der ihn dankend ansah. Je schneller Sarin nach ihr sah, desto besser.

„Ihr habt recht, lasst uns gleich nach dem Frühstück zu ihr gehen", sagte der Heiler zustimmend. Damit war es beschlossene Sache und die Gespräche ließen nach, während sie genüsslich das Frühstück zu sich nahmen.

Als die kleine Gruppe ein wenig später durch die Gänge des Haupthauses ging, erzählte Mikuyo, dass Belynia hohes Fieber hätte. Ihre Haut hatte sich gelblich verfärbt und kein Arzt konnte sagen, woran sie genau litt.

Sarin hörte ihm genau zu und nickte. Mikuyo öffnete eine Tür und bat die Leute, einzutreten. Selbst Keltar und Cassandra waren mitgekommen, denn sie machten sich genauso große Sorgen wie ihr.

Der Raum war abgedunkelt und nur die eine Lampe neben dem Bett gab ein warmes Licht ab, welches nicht zu grell erschien. Das Zimmer war schön eingerichtet, schöne Farbkontraste waren zu erkennen. Geschmackvolle Möbel waren zu erkennen.

Doch die Blicke waren auf das Bett gerichtet. Es war sehr groß, sodass die schmale Frau darin fast nicht erkennbar war. Als sie nähertraten, war das Gesicht der Frau zu sehen und Aria erschrak. Belynias Gesicht war eingefallen, ihre Augen waren in dunkle Höhlen, sodass man sie fast nicht mehr sehen konnte. Der rasselnde Atem der Frau erfüllte den Raum und die feuchte Schicht auf ihrer Haut war nicht zu übersehen.

Mikuyo setzte sich neben sie und streichelte ihr liebevoll die Haare. „Seit dieser Botschafter von Niska hier war, geht es ihr so schlecht. Ich frage mich, ob er eine Krankheit von ihnen mitgebracht hat", sagte er nachdenklich und eine sorgenvolle Falte erschien auf seinem Gesicht.

Myron und Sarin sahen sich entsetzt an. Da war Magie im Spiel, sie hatten es sofort erkannt. Eine normale Krankheit würde das nicht ausrichten. „Sagt mir, ob sie mit dem Botschafter in Berührung gekommen ist", bat Sarin sie und der blonde Mann bejahte es. Wieder warf Myron seinem Heiler einen Blick zu und er verstand.

„Es ist so ...", fing Sarin langsam an zu sprechen, „dieser Botschafter muss ein Magier gewesen sein." Ein Ausruf des Entsetzens ging durch den Raum und Cassandra schlug sich die Hand vor den Mund. Wieso würden Menschen so etwas tun wollen?

„Ich denke, dass sie mit voller Absicht Eure Frau vergiftet und verzaubert haben. Sie wissen, dass Ihr das nicht heilen könnt, deswegen werden sie gehofft haben, dass Ihr Euch an die Nachbarländer wendet und dort um Hilfe bittet", meinte der Heiler nachdenklich. Er setzte sich an das Bett von Belynia und begann, sie zu untersuchen.

„Des Weiteren glaube ich, dass sie dann die großen Helden spielen wollten und Eure Frau gesund machen wollten, indem sie einen Magier einsetzen, der sie heilen kann. Damit würdet Ihr ihnen einen Gefallen schulden. Sie würden es sich einfach machen, Euch damit zu erpressen, um mit ihnen gemeinsam die anderen Länder einzunehmen", fuhr Sarin fort und sah in die Runde.

Still vor Entsetzen sahen sie sich gegenseitig an, bevor Keltar das Wort ergriff. Dass er außer sich vor Zorn war, spürte man deutlich. „Was fällt diesen Bastarden ein, hierherzukommen und meine Schwiegertochter in so einem Zustand zu hinterlassen?", rief er wütend aus. „Niemals im Leben werde ich mich ihnen anschließen! Wenn ich die in die Finger kriege, dann ...", drohte er zornig, doch Myron unterbrach ihn.

Beruhigend hatte er ihm die Hand auf seinen Arm gelegt und sah ihn bittend an. Es brachte nichts, wenn Keltar nun so wütend war. Das würde weder ihm, noch Belynia in diesem Moment helfen. „Keltar, die Zeit wird kommen, in dem Ihr Eure Rache bekommt. Doch es wäre nicht gut, einen Angriff gegen Niska vorzubereiten. Wir wissen nicht, wie viele Magier sie haben", sagte Myron beschwichtigend zu ihm.

Er hatte nicht geglaubt, dass sie überhaupt welche hatten. Vermutlich hatten sie welche aus anderen Ländern angeheuert, die genauso machtbesessen wie sie selbst waren. Es war sogar möglich, dass sie aus weit entfernten Ländern kamen, damit sie hier unerkannt und somit eine Überraschung für alle waren. Niemand wusste, wie stark sie sein würden.

„Ich gebe Euch jedoch recht, das es ein sehr widerlicher Plan ist, Eure Aufmerksamkeit zu erlangen", sagte der junge König nachdenklich.

Aria warf dem Heiler einen Blick zu und war besorgt. „Werden wir ihr helfen können?", fragte sie leise. Sarin hatte bis dahin nichts mehr gesagt, sondern Belynia untersucht. Jetzt jedoch nickte er.

„Doch es wird einige Tage dauern, da ich die Zauber Stück für Stück brechen muss. Sie sind kompliziert und nicht auf die Schnelle zu beseitigen. Doch ich kann Euch versichern, dass sie wieder vollkommen gesund werden wird", wandte er sich an Mikuyo, der hörbar aufatmete.

Tränen standen in seinen Augen und nur Augenblicke später begann er zu weinen. Keltar und Myron legten eine Hand auf seine Schulter, um ihm zu zeigen, dass sie für ihn da waren. Aria hatte großes Mitleid mit Mikuyo, der sich große Sorgen um seine Frau gemacht hatte.

Die blonde Magierin konnte nicht verstehen, warum Menschen so böse sein konnten. Dabei erinnerte sie sich, was ihr selbst zugestoßen war und sie wurde sehr zornig darüber. Es gab vieles auf der Welt, was nicht richtig war. Viele Menschen litten unter der Herrschaft von grausamen Königen und langsam keimte in ihr der Verdacht auf, dass solche Länder wie Myrons oder Keltars wohl rar waren.

„Bringt mir warmes und kaltes Wasser, Tücher und etwas zu trinken", unterbrach Sarin die unangenehme Stille, indem er sich an Familie wandte. Cassandra nickte und verschwand, um die gewünschten Dinge zu besorgen. Dann nickte er Aria, aber auch Myron zu. „Ich möchte, dass du und Myron mir helft. Die Zauber sind sehr stark, also werden wir es zu dritt versuchen, sie zu brechen", sagte er zu den beiden, bevor er sich noch einmal an die anderen Anwesenden wandte. Diese sollten das Zimmer verlassen. Er versprach ihnen, sie regelmäßig zu informieren. Erst, als Cassandra wieder zurückkam, verließen alle drei mit schwerem Herzen den Raum. Vor der Tür wartete sie ungeduldig und bangten um Belynias Leben. Hoffentlich konnte Sarin ihr helfen.

Seufzend machten sie sich an die Arbeit. Sarin krempelte sich die Ärmel nach oben und dachte einen Moment nach. „Aria, ich bitte dich ihren Kopf zu untersuchen. Sollte sich dort Magie befinden, sage mir bitte Bescheid. Ansonsten versuche bitte, das Fieber zu senken und sie erstmal zu beruhigen. Ich muss mir erst ein Bild von allem machen", bat er die junge Magierin.

Myron wurde gebeten, ihm zu helfen, die Stellen im Körper ausfindig zu machen. Hoch konzentriert machten sich die drei an die Arbeit, jegliche Magie in Belynias Körper zu finden. Aria konnte eine Blockade im Kopf der jungen Frau fühlen und erkennen. Sie gab dem Heiler Bescheid und versuchte dann, mit Hilfe ihrer Magie das Fieber zu senken. 

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