Kapitel 27

Am Morgen war es endlich so weit. Arias erste Reise mit Myron und Sarin begann. Sie war schon ziemlich aufgeregt gewesen, als sie aufgestanden waren. Nur mit Müh und Not brachte sie etwas zum Frühstück herunter, während die Männer fleißig zugriffen.

Die Pferde warteten bereits gesattelt auf die drei Reisenden im warmen und erhellten Stall. Der Geruch von Leder und Pferd lagen in der Luft. Ein Geruch, den Aria wirklich mochte und nicht mehr missen wollte. Gewissenhaft überprüften sie Sattelzeug und die Satteltaschen. Dabei gingen sie noch einmal alle Materialien, die sie mitnehmen würden, sorgfältig durch. Erst dann zogen sie sich die dicken und warmen Mäntel, sowie die Mützen an und stiegen auf. Mit einem freundlichen Gruß an die Stallwachen verließen sie den Stall.

An diesem Morgen war es nicht wie die Tage zuvor so kalt, was bei den drei ein erleichtertes Aufatmen bewirkte. Es war nicht sehr angenehm, lange zu reiten, wenn es bitterkalt war. Es war noch ziemlich ruhig und nur wenige Leute waren unterwegs. Händler, die sich in ein anderes Dorf oder in eine andere Stadt begaben, waren dabei, ihre Karren zu verladen und die Pferde davor zu spannen. Oder die Händler, die bereits auf dem Weg zu ihren Läden waren, um diese zu öffnen. Auch sie grüßten die drei Reiter entweder mit einem Kopfnicken oder einem Handgruß.

Hinter den Fenstern der Häuser konnte man die Geschäftigkeit der Frauen vernehmen. Wahrscheinlich waren diese gerade dabei, Brot zu backen oder das Frühstück für die Familie vorzubereiten. Es waren sogar gedämpfte Geräusche von Töpfen zu hören, die durch die Mauern drangen. Hier und da war ein Weinen von einem Kind zu hören, ansonsten war es sehr ruhig. Aria fand, dass die Geräusche die ganze Atmosphäre von Myrons Land abrundeten.

Von einem Bäcker bekamen sie noch extra warmes und frisches Brot, welches dieser gerade eben aus dem Ofen geholt hatte. Aber auch für die Pferde bekamen sie trockenes und hartes Brot mit. Myron bedankte sich bei ihm und erklärte dem Bäcker, dass Kathleena ihn entlohnen sollte. Er selbst würde nun einige Tage auf Reisen sein.

Die Leute verhielten sich auch zu Aria sehr freundlich. Sie wurde von allen gegrüßt und bekam ein nettes Lächeln von den Stadtbewohnern geschenkt. Auch wenn die Leute nur die Straße überquerten, hielten sie kurz an, um den König und seine Begleiter Aufmerksamkeit zu schenken.

Nach einer Weile ließen sie die Stadt hinter sich und erreichten das freie Feld. Es war heller, aber auch bewölkter geworden. Nur ab und zu ließ die Sonne ihre blassen Strahlen durch die Wolken blitzen, um zu zeigen, dass es sie noch gab.

Anfangs waren sie schweigend nebeneinander geritten. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Obwohl auch die Müdigkeit ein guter Grund sein konnte, denn ab und zu gähnte einer von ihnen und steckte somit die anderen an.

Die Reisenden hatten nicht vor, die Pferde gleich am ersten Tag zu überlasten, da sie auch noch die Satteltaschen dabei hatten. Sie begnügten sich nur ab und zu mit einem kurzen Galopp, wenn die Pferde fast schon darum bettelten und unruhig wurden. Danach trotteten Emiras, Helinta und Fenira gemütlich weiter. Man sah, dass Aria wirklich eine gute Reiterin war, denn anstatt in Panik zu verfallen, wenn Fenira unruhig wurde, klopfte sie dieser beruhigend auf den Hals und hatte keine Probleme damit.

Die erste Pause machten sie nach einigen Stunden. Die Sonne stand bereits höher, wobei man das gar nicht richtig erkennen konnte. Nur, wenn sie ihre Strahlen zwischen den grauen Wolken zeigte. Die Reisenden hatten einen schönen Platz unter den verschneiten Bäumen gefunden und stiegen ab.

Den Pferden hatten sie die Sattelgurte gelockert, damit diese durchatmen und entspannen konnten. Myron gab Sarin und Aria die trockenen Brote, damit sie diese den Pferden verfüttern konnten. Bei dem kalten Wetter und dem vielen Schnee brauchten die Tiere viel mehr Energie.

Obwohl Helinta das älteste Pferd war, besaß sie eine gute Form und konnte gut mit den jüngeren Pferden mithalten. Das Alter sah man ihr nur an dem grauen Fell, welches sich an einigen Stellen gebildet hatte, an. Am meisten verrieten sie die grauen Haare um die Nüstern und die Augen. Sehr liebevoll sah sie damit aus, obwohl ein Schalk in ihren Augen blitzte.

Während Aria dankbar etwas zum Essen und Trinken annahm, erzählte Sarin kleine Geschichten von seiner Stute. Wie er sie das erste Mal als kleines Fohlen gesehen hatte und überrascht gewesen war, dass Myrons Vater ihm die Stute geschenkt hatte. Sie war ein Nachkommen von seinem eigenen Hengst gewesen. Bei diesen Worten bekam Sarin einen glänzenden Schein in seinen Augen. Er hatte Myrons Vater sehr gern gemocht und verehrt.

Sarin erzählte auch, wie Helinta ihn anfangs gerne abgeworfen hatte, als sie eingeritten wurde. Sie war ein richtiger Wildfang gewesen. Auch hatte sie oft mit ihm auf der Weide Fangen gespielt, wenn sie nicht hereinkommen wollte. Myron und Aria lachten, denn Sarin erzählte diese Anekdoten sehr lustig, wobei er zärtlich seine Stute am Stirnschopf und Hals streichelte.

Myron wusste, wie sehr Sarin an Helinta hing. Das Gespräch heiterte die Reisende richtig auf und sie waren guter Dinge, als sie sich wieder in den Sattel schwangen. Es war noch sehr ungewohnt für Aria, den Gürtel mit dem Schwert an der Seite zu tragen. Anfangs war sie gar nicht damit klargekommen, aber es wurde nun besser.

Fenira schien es überhaupt nicht zu stören. Sie hatte in der letzten Zeit ein gutes Verhältnis mit Aria aufgebaut. Beide brachten sich viel Respekt, Vertrauen und Zärtlichkeit entgegen. Das merkten auch Myron und Sarin, denn die blonde Magierin sprach immer wieder leise zu der Stute, welches diese mit einem Schnauben quittierte. So, als würde sie jedes Wort von Aria verstehen.

Der Tag schritt voran und sie ließen einen weiten Weg hinter sich. Es war wirklich kälter geworden, denn ein unangenehmer Wind hatte angefangen, an ihren Mänteln und Mützen zu rütteln. Auf dem Fell der Pferde hatten sich sogar kleine Eiskristalle gebildet. Schön sah es aus, wenn man es von weitem betrachtete.

Prüfend sah Myron nachdenklich in den Himmel, um die Tageszeit schätzen zu können. „Es wird noch zwei Stunden hell bleiben", begann er zu sprechen. „Wenn wir durch Niska wollen, sollten wir schneller reiten. Der tiefe Schnee hat unsere Reise verzögert", stellte er fest. Er selbst hatte nicht damit gerechnet, dass es an manchen Stellen wirklich tief gewesen war. „Meint ihr, wir schaffen das?", fragte er seine Begleiter.

„Helinta hat noch genug Kraft, für sie sollte es kein Problem sein", erwiderte Sarin. Auch Aria war der Meinung, dass Fenira noch genügend Ausdauer besaß. Das veranlasste die Reiter dazu, ihre Pferde anzutreiben.

Als sie die Grenze zu Niska überschritten, bildeten sich Falten in Sarins Gesicht. Er mochte dieses Land genauso wenig wie Myron. Aria konnte es nicht nachvollziehen, da sie die Beziehungen zwischen den Ländern nicht wirklich verstand. Sie hatte zwar von einigen grausamen Dingen gehört, aber es stand ihr nicht zu, das zu beurteilen.

Die Reisenden blieben dicht zusammen und Myron hoffte inständig, sie würden niemanden treffen. Die Leute in Niska waren ziemlich unangenehm und kämpferisch. Sie ließen keine Option aus, um ihre Kräfte unter Beweis zu stellen. Dabei war es egal, mit wem sie sich anlegten. Vor einem König hatten sie genauso wenig Angst wie vor einem Bettler.

Obwohl Myron keine Angst vor ihnen hatte, wollte er es nicht auf einen Kampf ankommen lassen. Er trieb Emiras mehr an und die Pferde begrüßten den schnellen Trab. Anscheinend fühlten sie sich genauso unwohl wie die Reiter.

Aria bemerkte die kalte und trostlose Stimmung, obwohl sie noch keine Leute gesehen hatte. Die kahlen Bäume, die teilweise sogar verbrannt waren und traurig in der Winterlandschaft herumstanden, gaben dem Ganzen etwas Unheimliches. Als wäre hier vor kurzem ein Krieg gewesen. Das gab Aria das Gefühl, dass Niska ein brutales Land war, obwohl sie selbst noch nie hier gewesen war.

Myron hatte extra einen Weg gewählt, der sie möglichst wenig durch Niska reiten ließen. Dicht an der Grenze durchquerten sie einen kleinen Teil des Landes und erreichten die Landesgrenze zu Ralanti noch rechtzeitig, bevor es dunkler wurde. Gerade in der Dunkelheit der Nacht wollte der junge König so wenig wie möglich in Niska sein, denn zu dieser Zeit zeigte das Land sein wahres Gesicht.

Räuber kamen aus allen Ecken und überfielen gerne Reisende und Händler, die es nicht geschafft hatten, das Land vor der Dunkelheit zu verlassen. Oft fielen sie ihnen sogar zum Opfer. Anscheinend mochten die Menschen in Niska keine Außenstehende und waren sehr darauf bedacht, ihr Land von ihnen rein zu halten.

Mehr als das konnte sich Myron nicht vorstellen. Es gab viele Gerüchte um das Land, welche stimmen konnten. Einige davon waren mit Sicherheit wahr, denn manche Leute kehrten niemals von einer Reise zurück.

Erleichtert seufzten Sarin und Myron auf, als sie die Grenze überquerten. Er hatte niemanden entdecken können, solange sie durch Niska geritten waren. Das hieß, sie waren unbemerkt geblieben, was Myron sehr begrüßte.

Kurz nach der Landesgrenze zu Ralanti änderte sich die Stimmung. Die Landschaft änderte sich und ließ im Halbdunkeln erahnen, dass es nicht so trostlos und leer wie Niska wirkte. Lag es an dem Land selbst? Selbst Aria konnte es nicht begreifen, aber die Anspannung, die alle drei gehabt hatten, fiel langsam von ihnen ab und sie wurden lockerer. Anscheinend waren sie hier sicher.

Sie ritten noch ein gutes Stück in der Dunkelheit weiter, welche nur von einer schwachen Lichtkugel erhellt wurde. Myron und Sarin hatten diese erschaffen, um den Weg zu weisen. Auch Aria hatte es versucht, aber durch ihre Müdigkeit schien sie nicht genügend Konzentration aufbringen zu können. Das war nicht schlimm, denn sie stand erst am Anfang ihrer Ausbildung.

Erst, als sie weit genug von der Grenze zu Niska weg waren und einen Wald erreichten, beschlossen die drei, die Nacht hier zu verbringen. Es war zu dunkel, um weiterzureiten. Für die Pferde war das auch gefährlich und sie wollten das Risiko nicht eingehen, dass sie sich verletzten.

Da sie nicht so viel Platz in den Satteltaschen gehabt hatten, um ein Zelt einzupacken, beschloss Myron, Magie anzuwenden. So würden sie wenigstens die Nacht im Trockenen und Warmen verbringen können.

Mit leisen Worten und einigen Handbewegungen erschuf Myron ein Zelt, welches von außen die Farbe des dunklen Waldes besaß. In der Zwischenzeit versorgten Sarin und Aria die Pferde, indem sie diese von den schweren Sätteln befreiten, die sie anschließend mit ins Zelt nehmen würden.

Die Tiere wurden von ihrem Zaumzeug erlöst und wurden dann mit einem Halfter an die Bäume gebunden, damit sie nicht wegrennen konnten. Sarin richtete das Fressen für die Pferde in Beuteln her, welches er ihnen mit einem Band an den Baum binden konnte. So konnten sie in Ruhe fressen. 

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