Kapitel 18

Aria blieb noch eine Weile im Bett liegen, wobei sie an die Decke starrte und die Nacht noch einmal in Erinnerung rief. Dabei musste sie schmunzeln und wurde dabei von dem Klopfen von Lea unterbrochen. Als die rundliche Frau das duftende Frühstück hereinbrachte, strahlte Aria.

„Euch scheint es heute gutzugehen, Mylady Aria", sagte Lea erfreut und stellte das Tablett auf dem Tisch ab. Aria reckte sich und gähnte herzhaft, bevor sie anfing zu essen. In der Zwischenzeit hatte Lea den Raum verlassen, um die neue Kleidung zu holen. Sie war am Morgen eingetroffen und man hatte die Hersteller großzügig für ihre schnelle Arbeit belohnt.

Als die Kammerzofe in das Zimmer zurückkam, stand Aria am Fenster und sah nach draußen in die grauen Wolken. „Es ist schade, dass Ihr heute vielleicht nicht ausreiten könnt", sagte Lea bedauerlich, doch Aria verneinte.

„Eigentlich ist es nicht schade. Ich habe immer noch Schmerzen in meinen Beinen von gestern, außerdem wird Myron mich heute mehr in Magie lehren und dann noch den Waffenkampf beibringen." Bei diesen Worten stieß Lea einen leisen Pfiff aus, den man als bewundernswert, aber auch als überrascht aufnehmen konnte.

„Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht eine Frau getroffen, die gerne Waffenkampf lernen möchte, Mylady", erklärte sie ihr und schüttelte den Kopf, was Aria zum Grinsen brachte.

„Dann bin ich wohl die Erste, die es möchte. Aber für mich ist es wichtig, verteidigen zu können, wenn ich mit meiner Magie noch nicht so weit bin", beharrte das Mädchen auf ihren Wunsch. Das konnte Lea zwar nachvollziehen, aber die Männer seien doch dafür da, um die Frauen und Kinder zu beschützen. „Stimmt, ich möchte aber nicht mehr hilflos sein. Ich möchte helfen und andere beschützen, nicht nur selbst beschützt werden", erwiderte Aria darauf.

Dann sah das Mädchen die neue Kleidung und ihre Augen begannen zu strahlen. „Das ist meine neue Kleidung?", rief sie begeistert aus und sah sich die neuen schwarzen Stiefel, deren Leder glänzte, genau an. Dann widmete sie sich den schwarzen Hosen, die aus wertvollen Leinen hergestellt worden waren. Auch die Hemden, welche in zarten Tönen gehalten wurden, hatten sehr gute Qualität.

Aria hob zuerst das weiße Hemd hoch und begutachtete es, dann das hellblaue und schließlich das cremefarbene. Sie war glücklich, so eine gute Kleidung nun tragen zu können. Sofort probierte sie eine Hose und das weiße Hemd an, drehte sich um sich selbst und war sehr zufrieden.

Aria widmete sich danach dem Kampf mit den Stiefeln, denn diese anzuziehen, war alles andere als einfach. Dadurch, dass das Leder noch neu war, fühlte es sich steif und unnachgiebig an. Das würde sich mit der Zeit ändern, wenn sie diese täglich trug, da das Leder erst mit der Zeit weicher werden würde.

Aria kannte das sehr gut und sie machte sich nichts daraus, dass sie nun einen Kampf mit den Stiefeln ausfechten musste. Als sie es endlich geschafft hatte, war sie überglücklich. Die schwarzen Stiefel passten ihr wie angegossen und im selben Augenblick dachte sie daran, wie es möglich war, die perfekte Größe für sie herauszufinden, ohne dass man sie richtig gemessen hatte. Doch dann fiel ihr mit einem Lächeln ein, dass Myron das wohl mit Magie herausgefunden hatte. Vielleicht konnte man damit besser abschätzen.

In ihrer Freude überhörte sie das Klopfen an der Tür. Erst als Myron eingetreten war, bemerkte sie es und sie sah ihn. Der junge König sah sofort die Veränderung in ihrem Gesicht. „Vielen Dank Myron!", rief sie ihm glücklich zu.

„Du siehst sehr gut mit diesen Kleidern aus, Aria. Sie passen dir wirklich vorzüglich", lächelte er und Aria freute sich über das Kompliment. „Hast du gut gefrühstückt? Möchtest du dann mit ein wenig magischem Training anfangen?", fragte er das Mädchen sogleich darauf und als es nickte, meinte er nur, dass sie vielleicht in einen anderen Raum gehen sollten. „Einer der Kaminzimmer ist sehr gut geeignet dafür. Er ist sehr gemütlich, du wirst dich dort wohlfühlen."

Er verließ das Zimmer und Aria folgte ihm durch die Flure. Auf dem Weg zu dem Kaminzimmer trafen sie Kathleena, die an diesem Morgen besonders hübsch aussah in dem dunklen, langen Kleid. Ihre Haare waren zu einem Kranz nach oben gesteckt und ihr Gesicht strahlte.

„Du siehst umwerfend aus, Mutter. Gibt es heute Besuch?", fragte Myron sie und Kathleena lächelte ihn an.

„Weißt du, Sarin kommt nachher auf eine Tasse Tee vorbei, um die neuesten Heilungsmethoden mit mir zu besprechen", erwiderte die Mutter und ihr Sohn fing an, zu verstehen.

Dabei grinste er spitzbübisch und meinte geheimnisvoll: „So so ... Sarin kommt heute also vorbei ...? Komisch, dass er mir das vorhin nicht schon gesagt hatte."

Doch Kathleena konnte das breite Lächeln ihres Sohnes sehr gut deuten. „Wir sprechen später darüber mein Sohn. Aria, lasse dir Zeit mit dem Training. Du kannst nicht gut in Magie werden, wenn du keine Geduld hast", wandte sie sich an das Mädchen, das schweigend und wartend neben Myron gestanden hatte.

Erst als die Mutter gegangen war, sah sie Myron mit großen Augen an. „Was meinte sie und du damit ...? Also mit Sarin?", fragte sie verwirrt.

„Ich habe das Gefühl, dass die beiden sich ziemlich nahe gekommen sind. Und es würde mich sogar sehr freuen. Meine Mutter war jahrelang allein gewesen, seitdem mein Vater gestorben ist. Und Sarin, na ja du kennst ihn ja, er hatte noch nie eine Frau geheiratet. Ich denke, dass die beiden gut zusammenpassen. Aber ich werde warten, bis sie es uns selbst erzählen. Es ist ihre Angelegenheit, wie lange sie es geheim halten wollen. Ich frage mich nur, warum ich das früher schon nicht gemerkt habe." Mit diesen Worten setzten sie den Weg zum Kaminzimmer fort. Dabei sah Myron wirklich nachdenklich aus.

Als sie ankamen, schaute sich Aria in dem gemütlichen Raum ausgiebig um. Die Wände waren voll mit Bücherregalen und Bilder. Das Mädchen hatte noch nie so viele Bücher gesehen. Langsam schritt sie an den Regalen entlang und versuchte zu entziffern, was auf den Buchrücken stand. Allerdings waren sie wohl in einer fremden Sprache geschrieben, da sie diese Buchstaben nicht kannte und die Wörter für sie nichts bedeuteten.

Der König ließ sie eine Weile gewähren, denn es war ihm wichtig, dass sie sich wohlfühlte. Myron bat sie schließlich, sich in einen Sessel nahe an dem Kamin zu setzen, er saß bereits auf dem gegenüber stehenden Sessel.

„Hör gut zu, wir fangen mit etwas sehr Kleinen an. Etwas du immer wieder üben musst, damit du sicherer damit umgehen kannst. Sieh her", sprach er zu ihr, nachdem sie Platz genommen und ihn neugierig angesehen hatte. Er hatte ihre volle Aufmerksamkeit. Myron machte eine Bewegung mit seiner Hand, die plötzlich zu leuchten begann. Ein kleiner Lichtball erschien in seiner Hand und Aria staunte.

„Wie du siehst, habe ich gerade eine kleine Lampe erschaffen. Magie kommt von deinem Herzen Aria. Du musst dich auf alles konzentrieren, was du gerade tun willst. Wie zum Beispiel diese Lampe hier. Stelle sie tief in deinem Herzen vor. Lasse die Kraft dieser Vorstellung durch deinen Arm in deine Hand fließen. Probiere es aus", bat er sie.

Aria versuchte genau das zu tun, was Myron ihr gesagt hatte. Doch obwohl sie sich die Lichtkugel bildlich vorstellen konnte, schaffte sie es nicht, diese Kraft in ihren Arm, geschweige denn in ihre Hand zu leiten. Sie sah dabei sehr enttäuscht aus. Bei ihm sah alles so einfach aus.

„Du musst deinem Körper und deiner Kraft sagen, wo sie langgehen muss. Du bestimmst es, wo sie aus dir ausbrechen soll. Gebe nicht auf, versuche es immer wieder. Es macht nichts, wenn es noch nicht klappt. Dir fehlt noch die Übung dafür", ermutigte Myron das Mädchen. Es war wichtig, wenn sie nicht gleich aufgab, sondern immer weiter daran übte.

„Versuche es mal so: Du stellst dir die Lichtkugel vor, dann sagst du ihr in Gedanken, dass sie durch deinen Arm und deine Hand gehen soll", schlug er vor. Das versuchte Aria einige Male. Obwohl es noch nicht funktionierte, bewunderte Myron sie für ihre Geduld. Er selbst hatte nicht so viel Geduld gehabt, erst mit der Zeit hatte er es gelernt.

Plötzlich leuchtete ihr Arm für einen kurzen Moment, dann lag eine sehr kleine Kugel in ihrer Hand. Freudestrahlend sah Aria ihn an. Doch sie brauchte auch Zeit, um zu verstehen, wie sie das getan hatte. „Sehr gut, Aria. Du hast es geschafft", lobte er sie ausgiebig. Er war richtig stolz auf sie, denn sie schien schnell zu lernen und zu verstehen. Eine sehr wichtige Eigenschaft für einen Magier. „Jetzt probiere es noch einmal, dieses Mal mit einer größeren Kugel. Übe das ein paar Mal, bis es keine große Anstrengung mehr kostet, das zu tun."

Aria übte das sehr oft, manchmal klappte es besser, manchmal weniger. Doch nach einiger Zeit bekam sie den richtigen Kniff heraus und es funktionierte auf Anhieb gut. Sie war sehr stolz und glücklich, dass sie das nun beherrschte.

„Doch denke nicht, dass du nun damit aufhören kannst, das zu üben. Magie muss sehr oft geübt werden, damit es ins Blut übergeht", warnte er leicht. Viele machten den Fehler, gleich danach aufzuhören, weil sie es ja beherrschten. Doch das waren nur winzig kleine Schritte in die richtige Richtung.

„Auch wenn man denkt, man beherrscht es im Schlaf, sollte man immer wieder Übungen machen. Irgendwann wird es dann ein Teil von dir sein und du musst nicht mehr großartig darüber nachdenken, wie du etwas tun musst. Lass uns eine kleine Pause machen, damit du dich erholen kannst", schlug er vor, als er zufrieden mit ihr war.

Aria nickte und lehnte sich zurück. Sie wusste nicht, woher Lea es wusste, doch schon nach kurzer Zeit brachte sie Tee und Gebäck in das Kaminzimmer. Es war seltsam, man musste nichts sagen, es wurde einem gebracht. Lag es vielleicht an der Magie? Während sie sich bei Tee unterhielten, fragte Aria den jungen Mann, wie alt seine Mutter sein. Das mit Sarin ging ihr nicht aus dem Kopf.

„Meine Mutter ist fünfundfünzig Winter alt. Sie hat ein gutes Alter für Sarin, wobei das überhaupt keine Rolle spielt. Mein Vater Mirano war zehn Winter älter als sie selbst. Wenn die beiden den Bund der Ehe eines Tages eingehen würden, würde ich mich für sie freuen", gestand er ihr und musterte das Mädchen nachdenklich. „Sarin war sein ganzes Leben allein, doch ich hatte nie das Gefühl, dass er sich einsam fühlte. Ich habe dir ja erzählt, dass er wie ein Bruder für mich war. Meine Eltern haben ihn wie ihr Sohn behandelt, auch wenn er nur wenige Jahre jünger ist als Kathleena", erklärte er ihr.

Aria verstand etwas nicht, deshalb musste sie es Myron fragen, obwohl es nicht wichtig war. „Wenn Kathleena ihn heiratet, werden sie dann die Herrscher des Landes oder bleibst du es?", fragte sie ihn. Myron lächelte leicht und wunderte sich, dass sie über so etwas nachdachte.

„Ich werde es bleiben, als Mirano starb, war es von vornherein klar, dass ich der Nachfolger werde. Selbst meine Mutter trat in den Hintergrund zurück, sie möchte diese Stellung behalten. Aber jetzt komm, wir machen noch ein paar Übungen, damit du geschickter darin wirst und dann werden wir das mit den Waffen probieren", lächelte Myron ihr zu und sie setzten den Unterricht bis in den frühen Nachmittag fort. Bis dahin hatte Aria gelernt, wie man eine Lichtkugel herbeizaubert, eine Kerze anzündet und Wasser zum Kochen brachte. Myron war sehr zufrieden mit ihren Leistungen.

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