Arianna

Die Sonne brennt auf uns herunter, Schweiß rinnt von meiner Stirn, mein T-Shirt klebt an meinem Rücken. Ich kann Karlas Keuchen hören. Das einmal zum Thema Winter. Denn eigentlich sollte es momentan kühler sein, als in den anderen Monaten. Nur leider spürt man davon Nichts.
"Wie weit noch?", die Stimme von Karlas Oma zittert. Lange wird sie es nicht mehr aushalten.
"Ein paar Kilometer, dann sollten wir Thevensdorf sehen können."
Schweigend schleppen wir uns weiter.
Nach kurzer Zeit setzt Karla sich hin, mit gerötetem  Kopf.
"Pause", haucht sie.
Erleichtert lasse ich mich neben ihr nieder. Der zerschlagene Asphaltboden glüht förmlich.
Um die kaputte Straẞe herum wiegt sich gelbes, hohes Gras in dem sachten Wind.
Stöhnend sinkt auch Karlas Oma zu Boden, die Hände fest um ihre Wasserflasche geklammert.
"Warum hast du uns nicht vorgewarnt, Arianna?"
Ich zucke mit den Schultern.
"Habe ich doch."
Lautstark atmet sie aus.
"Ja, wow. Sofern man das so nennen kann."
"Kann man. Wie heißen Sie eigentlich?"
"Ich bin Helen. Und das ist Karla."
Ich lache trocken auf.
"Ich weiß."
Ein Rauschen lässt mich zusammenfahren.
"Was ist das?"
"Was?"
Hören Sie es wirklich nicht?
Nervös zwinge ich mich, aufzustehen.
Da sehe ich es.
Eine Art... Ding fährt da über die Straße, auf uns zu.
Ein großes Ding auf Rädern.
"Ein Auto!"
Verwirrt sehe ich zu Helen, die mit schreckgeweiteten Augen dasitzt.
"Das könnte die Regierung sein."
"Wir müssen ins Gras.", flüstert Karla.
Das Auto kommt näher.
Entschlossen nicke ich und ziehe die beiden mit ins Gestrüpp.
Die Gräser piksen in meine geröteten, verbrannten Schultern, pulsierender Schmerz schießt durch meine Arme.
Das Auto rollt langsam an uns vorbei.
Ich halte automatisch den Atem an.
Es hält.
"Scheiße."
Ich drücke mich tiefer ins Gras und kralle mich an Karlas feuchten Händen fest.
Mein Herz rast.
"Hey, ich habe euch gesehen. Kommt da raus."
Jetzt setzt mein Herz aus.
Verzweifelt krieche ich rückwärts, Karla tut es mir gleich.
Es raschelt und Helen steht auf.
Mein Körper hört auf, zu reagieren.
Entsetzt beobachte ich, wie sie die Straße betritt.
Wie Karla sich erhebt und sich neben ihre Oma stellt.
Wie der junge Mann, der vor seinem Auto steht, die Hand hebt und Helens Hand... schüttelt?!
Verwirrt stelle ich mich hinter Karla.
"Ich bin Sven, Hi. Was macht ihr hier einfach so? Das ist doch... "
Er stockt und mustert mich, seine Augen verengen sich.
Er verzieht seine Lippen zu einem bösen Grinsen.
"Das ist doch nicht gesund. Ihr wollt sicher nach Thevensdorf?"
Sein Gesichtsausdruck entspannt sich wieder, freundlich lächelt er Karla an.
"Ich wohne dort, ich kann euch gerne mitnehmen."
"Danke!"
"Ehm... ich glaube, es ist besser, wir gehen zu Fuß."
Wütend dreht sich Helen zu mir um.
"Kleine, ich will das überleben. Das war doch eigentlich auch der Grund für diese Reise? Ganz ehrlich, wenn du laufen willst, dann tu das ruhig, aber ich und Karla fahren mit!"
Verschüchtert senkt Karla den Blick.
"Willst du überhaupt fahren, Karla?", frage ich hoffnungsvoll. Vielleicht hat sie auch erkannt, wie böse dieser Sven wirkt.
"Ich-"
"Natürlich will sie!"
"Helen, lass sie ausreden!"
"Also, ich, ich... ich würde schon lieber fahren, wenn das geht..."
"Siehst du?"
Triumphierend sieht Helen mich an, Wut kocht in mir hoch.
Ich verhelfe dieser Frau zur Flucht und sie verhält sich gleich so?
"Nagut, ich komme mit. Irgendwer muss ja auf euch aufpassen."
Emotionslos lacht diese nervige Frau.
"Aufpassen. Wers glaubt."
"Also, ihr kommt jetzt alle mit?", mischt sich Sven ein.
Karla nickt, beleidigt verschränke ich die Arme vor der Brust.
Die haben sich doch gegen mich verschworen!
Fröhlich öffnet Sven die Wagentür und bedeutet uns, hinein zu gehen.
"Das ist ja schön, da wird die Fahrt auch gleich lustiger!"
Dankbar steigen Karla und Helen ein, mürrisch folge ich und schlage die Tür hinter mir zu.
Es ist angenehm kühl, aber der Sitz drückt mir unangenehm in den geschundenen Rücken.
"Anschnallen, bitte!", flötet der Idiot.
Genervt schließe ich die Augen und lausche der Musik, die er anmacht.
Der Sitz beginnt zu vibrieren.
"Na dann, es geht los!"
Langsam gebe ich mich der Schwärze des Schlafes hin.

*

"Hey, wir sind da!"
Ich zucke zusammen und schlage prompt mit der Stirn gegen einen Menschen.
Sven.
Achja. Der Idiot.
Er zieht den Kopf zurück und fährt sich durch die Haare.
"Also, so geht es auch."
Am liebsten würde ich ihm in seine grinsende Fresse schlagen.
Mit zusammengepressten Zähnen steige ich aus und drücke mich an Sven vorbei.
Sein Oberkörper streift mich.
"Hast du eigentlich etwas gegen mich?"
Genervt verdrehe ich die Augen und hebe den Blick.
"Nein, gar nicht.", sage ich ironisch.
Er lacht.
"Dann ist ja gut, finde ich toll, dass du mich magst."
"Pffh."
"Nein, ehrlich. Was hast du gegen mich?"
"Du wirkst böse. Ich mag keine Jungen. Ich mag dich nicht. Du bist unsympathisch. Sowas halt."
"Du magst keine Jungen?"
"Ich wurde früher immer in diese Dating Häuser geschickt. Widerlich."
"Ach, ihr kommt also aus dieser Stadt da, in der kaum einer das Haus verlässt?"
"H-m."
"Ich finde das so komisch, weil, man muss in so ein Dating Haus  gehen, um andere Menschen kennenzulernen?"
"Offiziell braucht man keine Menschen kennenlernen. Man soll halt einen Freund finden, damit... du weißt schon. Die Bevölkerung wächst."
"Das ist ja krank."
"Jap. Kannst du mich bitte jetzt loslassen, wie gesagt, ich mag dich nicht und will an dir vorbei."
"Ach, ich soll dich loslassen? Bist das erste Mädchen, die das will."
Er zieht eine Augenbraue hoch und setzt einen Blick auf, von dem er wahrscheinlich denkt, er wäre attraktiv.
"Hallo, ist dein Verstand noch existent? Kannst du mich loslassen?"
"Nur weil ich so ein gnädiger, sozialer Typ bin."
Kopfschüttelnd gehe ich zu Karla.
Sie schaut sich eingeschüchtert um,
ihre blauen Augen wirken noch dunkler als zuvor.
"So, meine Damen. Hier sind wir also. Anders als bei euch laufen Menschen rum. Nur halt nicht drauẞen. Es ist ja schon ziemlich heiß hier."
Er legt eine Hand auf meine Schulter.
"Und das nicht nur wegen mir."
"Boah, das zieht nicht. Lass mich in Ruhe."
Enttäuscht weicht er zurück und meidet meinen Blick.
"Also, ihr könntet bei mir wohnen-"
"Nein. Dieses Mal auf jeden Fall nicht."
Helen rollt mit den Augen.
"Nur weil du ihn nicht magst?"
An Sven gewandt fügt sie hinzu:
"Natürlich würden wir gerne bei dir wohnen."
Ich kann dieses Weib echt nicht leiden.
"Helen, Nein. Wir ziehen nicht bei ihm ein. Karla, sag du doch mal was!"
"Ähm, ich..."
"Zwing meine Enkelin nicht, zu reden!"
"Warum denn nicht?!"
"Sie ist nicht gut darin!"
"Na und?! Du bist ja auch nur-"
"Leute, hey, beruhigt euch! Ihr braucht nicht bei mir wohnen. Ich glaube, Arianna weiß, was sie sagt."
Etwas an dieser Aussage ist falsch.
Ich weiß nur nicht, was.
"Woher weißt du ihren Namen?"
Ich drehe mich zu Karla um.
Sie hat Recht.
Meinen Namen habe ich nicht erwähnt.

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