- siebenundzwanzig -

Am nächsten Morgen werde ich von der gleißend hellen Sonne geweckt, die mir erbarmungslos ins Gesicht scheint. Müde kneife ich die Augen zusammen und versuche weiter zu schlafen, doch es gelingt mir nicht.

Es dauert einen Moment, bis mir klar wird, wo ich bin. Die Erinnerungen an letzte Nacht schleichen sich nur langsam wieder in meinen Kopf.

Ich drehe mich vorsichtig zur Seite und schaue direkt aufs Phils Brust. Ich nutze den unbeobachteten Moment, um ihn schamlos zu betrachten, wie er beinahe nackt neben mir liegt und friedlich schläft. Seine Brust ist leicht gebräunt und durchtrainiert, er hat breite Schultern und seine Haut glänzt im Sonnenlicht. Auch sein Bauch ist super durchtrainiert, die Haut spannt über den ausgeprägten Bauchmuskeln. Hat dieser Mann eigentlich überhaupt Körperfett, oder besteht er nur aus Knochen und Muskeln?

Langsam lasse ich meinen Blick weiter runtergleiten, vorbei an der schwarzen Calvin Klein Boxershorts mit dem breiten, weißen Gummibund, wie er sie immer trägt, zu seinen Oberschenkeln. Von seinem ganzen Körpergewicht muss gut ein Viertel hier verteilt sein, anders kann ich mir diesen gigantischen Umfang nicht erklären. Die dunkelblonden Haare sind von der Sonne ausgeblichen, genau wie an seinen Armen. Der linke von ihnen ist von der Schulter bis zum Handgelenk mit einem Muster im Maori-Stil tätowiert.

Ich löse mich von seinem Körper und betrachte stattdessen sein Gesicht. Er schläft wie ein Baby, so friedlich, dass auch die dunklen Bartstoppeln an seinem markanten Kinn und seinen Wangen ihm keine Härte verleihen. Seine vollen Lippen liegen aufeinander, über ihnen die gerade Nase mit dem leichten Huckel. Der einzige Makel, den ich an ihm feststellen kann. Ansonsten sieht er aus wie gemalt.

Zufrieden lege ich meinen Kopf wieder an seine Brust und schließe meine Augen, doch plötzlich überkommt mich die Angst. Was, wenn er gleich aufwacht und nicht mehr weiß, was in der letzten Nacht zwischen uns passiert ist?

Vorsichtig versuche ich aufzustehen, doch Phil verstärkt den Griff um mich und zieht mich im Halbschlaf wieder an sich. Scheiße. Ich unternehme noch einen zweiten Versuch, mich aus seinen Armen zu befreien, doch auch dieser scheitert. Seine Arme liegen wie Schraubzwingen um meinen Körper und ich habe keine Chance, ihm zu entkommen, ohne ihn zu wecken.

Nervös starre ich an die Decke, bis sich Phil nach einigen qualvollen Minuten endlich regt. Er streckt sich und schlägt dann die Augen auf. Sein Blick fällt auf mich und sein Mund verzieht sich zu einem Lächeln.

Er zieht mich noch enger an sich und drückt mir einen Kuss auf den Haaransatz. Meine Anspannung löst sich ein wenig. Immerhin ist er nicht geschockt über meine Anwesenheit, das ist doch schonmal ein gutes Zeichen.

"Morgen", murmelt er verschlafen. Seine Stimme ist rauer als sonst, was ziemlich sexy klingt. "Guten Morgen", erwidere ich und lächele ihn unsicher an.

Phil streichelt sanft über meine Schulter und fragt: "Bist du schon lange wach?" Ich nicke. "Wieso?"

"Die Sonne hat mir ins Gesicht geschienen", antworte ich halb ehrlich. "Wieso hast du die Vorhänge nicht zugezogen?" "Hätte ich ja, aber du hast mich so festgehalten, dass ich mich keinen Millimeter bewegen konnte", erkläre ich schmunzelnd.

Verlegen rauft sich Phil durch die Haare und nuschelt: "Sorry."

Wir liegen einen Moment lang schweigend da, Arm in Arm und unter der Bettdecke eingekuschelt, bis Phil sich irgendwann aufrichtet. Er löst seine Arme von mir und seine Wärme verschwindet sofort.

Phil fährt sich mit den Händen über sein Gesicht und beginnt zerknirscht: "Also.. Ich war gestern sehr betrunken, Ari."

Er bereut es. Er bereut es und sucht jetzt eine Entschuldigung. Ich sollte schnell gehen und es ihm nicht so schwer machen. War ja klar, dass er mit mir..

"Trotzdem wusste ich genau, was ich tue", fährt Phil fort und grinst verlegen. Dann drückt er mir einen Kuss auf die Wange, schlägt die Bettdecke zurück und steht auf. Er verschwindet im Badezimmer und ich bleibe im Bett zurück. Kurz darauf höre ich wie die Dusche angeht.

Er wusste also genau, was er tut und er bereut nichts. Bleibt nur die Frage zu klären, wie es nun mit uns weitergehen soll und was da überhaupt zwischen uns ist. Aber es ist schön, genauso, wie es ist, also kein Grund, irgendetwas zu überstürzen. Man kann sich nämlich auch die schönen Dinge durch zu viel nachdenken kaputt machen. "Zerdenken" nennt man das dann, glaube ich.

Ich schlage ebenfalls die Bettdecke zurück und stehe langsam auf. Ich werfe einen Blick in den großen Spiegel an Phils Kleiderschrank. Seine Shirts stehen mir wirklich ausgezeichnet. Was mir nicht steht, sind die Schminkreste der gestrigen Nacht in meinem Gesicht und die verwuschelten Haare.

Ich muss dringend auch ins Bad, entschließe mich aber dazu, noch zu warten bis Phil fertig geduscht hat, um uns beiden eine unangenehme Situation zu ersparen. Ich weiß nämlich nicht, wie ich reagiere, wenn er plötzlich nackt vor mir steht. Dass er seit Neuestem ständig in Unterhose vor mir herumläuft und mir seine Adoniskörper präsentiert, ist schon Herausforderung genug für mich.

Wie vom Teufel gerufen betritt Phil wieder das Schlafzimmer, nur mit einem Handtuch um seine Hüften geschlungen. Ich mustere ihn anscheinend etwas zu auffällig, denn er grinst mich frech an.

Beschämt senke ich meinen Blick. "Ich gehe auch mal ins Bad", informiere ich ihn und laufe aus dem Schlafzimmer. Ich ziehe die Badezimmertür hinter mir zu, streife mir Phils Shirt ab und stelle mich unter die Dusche.

Als das heiße Wasser auf meinen Körper einprasselt, geht mein Gedankenkarussel wieder los. Was wird aus uns? Hat Phil tiefere Gefühle für mich? Ist es nicht doch besser, wenn wir einfach nur Freunde bleiben? Ihn zu verlieren, wäre furchtbar für mich..

Ich schäume mich mit seinem herb duftenden Duschgel ein und wasche mein Gesicht. Meine Haare habe ich zu einem Dutt gebunden und verzichte darauf, sie zu waschen. Phil hat weder Spülung, noch die richtige Bürste, um meine Mähne zu bändigen.

Trotzdem fühle ich mich wie neugeboren, als ich aus der Dusche komme und mich in das flauschige Handtuch wickele, welches Phil mir schon bereitgelegt hat. Außerdem hat er mir eine neue, verpackte Zahnbürste aufs Waschbecken gelegt. Ich reiße die Pappe auf, schmiere Zahnpasta auf die Zahnbürste und putze meine Zähne.

Als ich fertig bin, laufe ich wieder ins Schlafzimmer. Ich ziehe mir ein frisches Shirt aus seinem Schrank und tausche es gegen das feuchte Handtuch. Es wird dringend Zeit, dass ich mal ein paar Klamotten und einen Kulturbeutel hier bunkere, so oft wie ich momentan hier bin.

Auf der Suche nach Phil gehe ich in den Flur und folge der leisen Musik, die aus der modernen, offenen Wohnküche dringt. Phil steht am Herd, den muskulösen Körper bedauerlicherweise unter einem dunkelblauen, enganliegenden Shirt und einer grauen Joggingshorts versteckt.

Ich beobachte ihn dabei, wie er Frühstück zubereitet. Wortlos reicht er mir eine der zwei Tassen, in die er schon Kaffee eingeschenkt hat und befüllt dann zwei Teller mit warmen Aufbackbrötchen, gebratenem Speck und Rührei.

"Daran könnte ich mich glatt gewöhnen", sage ich zufrieden, während ich unsere zwei Tassen ins Wohnzimmer trage. Phil folgt mir mit den zwei Tellern. "Kannst du gerne haben."

Wir frühstücken und entscheiden danach, eine Runde spazieren zu gehen. Vorher fahren wir bei mir vorbei, wo ich mich schnell umziehe. Phils Shirt lasse ich bewusst auf meinem Bett liegen. So habe ich wenigstens etwas von ihm bei mir, wenn ich wieder alleine hier liege.

Ich ziehe eine Jeans, eine khakifarbene Bomberjacke und ein weißes Oversize-Shirt sowie Nikes an, kämme meine Haare und kehre wieder zurück zu Phil, der in meinem Auto auf mich gewartet hat.

Wir gehen fast zwei Stunden lang in der Fußgängerzone bummeln. Obwohl Samstag ist, ist es zum Glück relativ leer. Phil kauft sich zwei Shirts und einen Windbreaker im Nikestore, ich hingegen finde nichts.

Als wir auf dem Rückweg zum Auto bei einem Juwelier vorbei laufen und Phil sich die Armbanduhren in der Auslage des Schaufensters ansieht, bleibe ich an einem Armband hängen.

Es ist ein silbernes Kettchen, welches rundherum mit Mondsteinen besetzt ist.

"Gefällt es dir?", fragt Phil, der plötzlich neben mir auftaucht und liebevoll einen Arm um mich legt.

"Ja, ich hatte in meiner Kindheit ein ähnliches Armband. Meine Oma hat es mir geschenkt. Ich habe es geliebt und es Tag und Nacht getragen, bis ich es irgendwann leider verloren habe."

Phil macht einen Schritt auf die Tür zu. "Komm, ich kaufe es dir."

Ich schüttele energisch den Kopf. "Nein Phil, auf keinen Fall." Ich will nicht, dass er so viel Geld für mich ausgibt.

"Na los, komm schon", versucht er mich zu überreden und küsst mich auf die Wange, doch ich bleibe standhaft und so laufen wir zurück zum Auto.

Phil legt wieder seinen Arm um meine Schultern und ich genieße es, dass er der ganzen Welt zeigt, dass ich zu ihm gehöre. Mit jeder Stunde fühlt sich seine ungewohnte Nähe nicht mehr so fremd an und auch die Stimmen in meinem Kopf verstummen zunehmend.

Trotzdem hält er sich mit Küssen zurück und scheint, mich nicht überfordern zu wollen. Als er mich nachhause fährt und vor meiner Wohnung parkt, sieht er mir tief in die Augen. Ich versinke in dem warmen Braun, das aussieht wie flüssige Schokolade mit abertausenden Karamellsplittern.

Phil legt zaghaft seine Hand an mein Gesicht und streicht mit seinem Daumen über meine Wange.

Mein Herz klopft schneller und meine Lippen sehnen sich danach, endlich wieder von ihm geküsst zu werden.

Als er sich mir nähert, schlägt mein Herz schneller, doch Phil drückt mir lediglich einen sanften Kuss auf die Wange und bedankt sich für den schönen Vormittag.

Ich nehme das als Anreiz, nichts zu erzwingen, bedanke mich bei ihm und steige aus.

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