- drei -

"Wach?", ist die erste Nachricht, die ich auf meinem Handy entdecke, nachdem ich am Vormittag die Augen geöffnet habe. Den ausgiebigen Schlaf habe ich nach der langen Nacht, dem wilden Sex und dem vielen Alkohol dringend gebraucht.

Statt auf Emilys Frage zu antworten, rufe ich sie kurzerhand an.

"Aiden also, ja?", nimmt sie den Anruf nüchtern an, ohne mich überhaupt zu begrüßen.

"Dir auch einen guten Morgen, Emily", antworte ich sarkastisch. "Guten Morgen", erwidert meine beste Freundin und ich höre an ihrer Tonlage, dass sie grinst.

"Na geht doch", gebe ich zufrieden zurück. "Ja, Aiden, wieso?", beantworte ich nun endlich ihre Frage.

"Bist du bei ihm?" Empört schnaube ich durch die Nase. "NEIN? Was soll ich denn jetzt noch bei ihm? Ich schlafe nur in meinem eigenen Bett, du kennst doch die Regeln."

"Du bist echt merkwürdig, Ariana", beginnt sie nachdenklich. "Du hast Männern gegenüber immer so eine kalte, herablassende Art und zum Dank kleben sie dir am Arsch. Ich hingegen bin nett und liebevoll und kriege nur Arschtritte." Ernüchterung macht sich in ihrer Stimme breit.

"Reden wir jetzt von Alex?", frage ich wohlwissend. "Ja", seufzt sie leise. Ich habe mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen.

"Okay, Em. Du erzählst mir zuerst, was gestern Abend im Chelsea passiert ist und danach darfst du mich hemmungslos über meine Nacht mit Aiden ausquetschen. Deal?"

"Deal", stimmt meine Freundin ein und legt sofort los. "Alex und ich haben wieder geflirtet wie verrückt. Wir haben auch miteinander getanzt, aber irgendwie passiert nie mehr als unverfängliches Flirten."

"Vielleicht bist du bei ihm einfach in der Friendzone?"

"Nein, Ari, das glaube ich nicht. Dafür flirtet er zu krass mit mir. Aber langsam muss da mal was zwischen uns laufen, ich bin schon viel zu lange auf dem Trockenen."

"Ja, Em, weil du dich die ganze Zeit mit Alex aufhältst. Das bist du doch selbst Schuld. Es gibt genug heiße Typen, die du mit einem Fingerschnips haben könntest."

"Ich weiß", murmelt sie. "Aber diese Typen sind nicht Alex."

Ich schüttele verständnislos meinen Kopf, auch wenn Emily das nicht sehen kann. "Pass auf, wir gehen heute Abend ins Luxury und reißen uns zwei heiße Typen auf. Aber nicht diese kleinen Jungs von der Uni, sondern zwei richtige Männer. Erwachsen, heiß, reich. Vielleicht kriegst du Alex endlich aus dem Kopf, wenn du siehst, dass es noch ganz andere Möglichkeiten für dich gibt."

"Okay", gibt sie widerwillig nach. "Aber jetzt erzählst du mir erstmal, was da mit Aiden war. Wieso überhaupt Aiden?"

"Keine Ahnung", gebe ich ehrlich zu. "John hat mich gestern so abgefuckt und ich musste einfach weg von ihm, bevor ich völlig ausraste. Als ich zur Toilette gestürmt bin, bin ich gegen Aiden gestoßen und er hat die Chance genutzt um mich hemmungslos anzubaggern. Die Dinge nahmen ihren Lauf, wir haben rumgeknutscht und ich bin kurzentschlossen mit zu ihm. Hat sich aber gelohnt. War zwar 'ne Standardnummer, aber immerhin über eine Stunde und er hat danach ganz anständig darauf bestanden, mich nachhause zu fahren."

"Ich hatte Aiden auch schon. Solide Leistung, würde ich sagen, aber nix besonderes."

"Hundertprozentig. Ich treffe mich gleich mit Phil, er hilft mir bei meiner Hausarbeit und danach komme ich zu dir, okay? Dann können wir uns zusammen fertig machen."

Sie stimmt zu und wir verabschieden uns voneinander. Als mein Blick auf die Uhr wandert, stelle ich erschrocken fest, dass es bereits 12.30 Uhr ist, dabei habe ich mit Phil abgemacht, um 13 Uhr bei ihm zu sein.

Schnell springe ich aus dem Bett, was strafend mit einem stechenden Schmerz in meinem Kopf quittiert wird. Deshalb mache ich einen Abstecher in die Küche und nehme eine Aspirin mit einem großen Schluck Wasser, bevor ich für eine schnelle Dusche ins Bad eile.

Nachdem ich mich ausgiebig eingeschäumt und meine Haare gewaschen habe, stelle ich für die letzten Sekunden das Wasser auf die kälteste Stufe. Ich quietsche unwillkürlich auf, als die eiskalten Wassertropfen auf meine Haut prasseln. Als ich mich danach in mein kuscheliges Handtuch hülle, zittere ich immer noch vor Kälte, aber ich bin hellwach.

Schnell trockne ich mich ab und ziehe eine schwarze Leggings mit beigen Overknee-Stiefeln und einem weißen Oversize Strickpulli an. Ich föhne meine Haare und binde sie zu einem unordentlichen Dutt. Dann tusche ich noch meine Wimpern und schmeiße mein MacBook und meine Unterlagen in eine große Tasche.

Deutlich über der Geschwindigkeitsbegrenzug fahre ich mit meinem Cabrio zu Phil, der zum Glück nicht weit entfernt von mir wohnt. Er lebt noch bei seinen Eltern in einer riesigen, schicken Stadtvilla, in der er eine Einliegerwohnung im Dachgeschoss für sich alleine hat.

Mit Schrittgeschwindigkeit rolle ich auf den imposanten Vorhof der Villa West und parke mein Auto hinter Phils sauteurem Bugatti Chiron.

Seine Eltern sind ziemlich wohlhabend, er ist vermutlich der wohlhabendste Typ in seiner Clique, was er sich jedoch im Gegensatz zu Alex oder John nie anmerken lässt. Die beiden sind ziemlich arrogant und bilden sich auf das Geld ihrer Eltern gehörig was ein, während Phil hingegen niemals damit prahlt. Eine weitere Eigenschaft, für die ich ihn so mag.

Ich werfe einen prüfenden Blick auf meine Armbanduhr. 13.10 Uhr. Passt.

Zügig laufe ich zu der mächtigen, gläsernen Eingangstür, der Kies knirscht unter meinen Füßen.

Nur wenige Momente, nachdem ich geklingelt habe, öffnet die Haushälterin mir und begrüßt mich freundlich.

"Guten Tag, ich wollte zu Phil", erkläre ich lächelnd.

"Gerne, ich begleite Sie zu seinem Penthouse."

"Nicht nötig, ich kenne den Weg, vielen Dank", antworte ich und laufe durch das imposante Treppenhaus in den zweiten Stock.

Oben angekommen klopfe ich an die Eingangstür, aber es kommt keine Reaktion. Langsam öffne ich die Tür und rufe in die Stille der Wohnung: "Phil?"

Keine Reaktion.

Ich streife mir die Stiefel von den Füßen und tapse ins Wohnzimmer, aber auch hier ist keine Spur von dem gutaussehenden, jungen Mann.

Ein Verdacht schleicht sich in meinen Kopf. Er wird doch wohl nicht..

Ich laufe zielstrebig ins Schlafzimmer und sehe auf den ersten Blick, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege. Phil liegt im Bett und schläft tief und fest wie ein Baby. Die Bettdecke bedeckt ihn gerade mal bis zu den Hüften, sein durchtrainierter Oberkörper ist komplett nackt.

Ich lasse einen gefälligen Blick über seinen Körper schweifen, die ausgeprägten Muskeln, die sanft gebräunte Haut. Sein Brustkorb hebt und senkt sich friedlich, während er atmet.

Phil sieht gut aus, nackt sogar noch besser, als ich dachte.

Schnell verwerfe ich diesen Gedanken wieder und trete an sein Bett. Ich setze mich vorsichtig auf die Bettkante und berühre ihn leicht am Arm. "Phil, aufstehen."

Verschlafen öffnet er die Augen und schreckt hoch, als er mich neben sich sitzen sieht.

"Ari?", fragt er ungläubig. "Was machst du hier? Träume ich noch?"

Ich grinse ihn schief an und schüttele energisch mit dem Kopf. "Phil West, hast du mich etwa vergessen? 13 Uhr? Meine Hausarbeit? Verhaltenspsychologie? Die Bedeutung der Körpersprache für die menschliche Kommunikation? Klingelt da was?"

Phil reibt sich mit seiner rechten Hand über die Augen und rauft sich dann durch die Haare. Er sieht selbst verschlafen immer noch gut aus, wie ein Model aus einer Werbung für Bettwäsche. "Fuck, Ari, sorry. Ich habe total verpennt."

"Das sehe ich", gebe ich trocken zurück, kann mir jedoch ein weiteres Schmunzeln nicht verkneifen.

Phil schlägt die Bettdecke zurück und steht auf. Er trägt lediglich eine enge, schwarze Calvin Klein Boxershorts und meine Blicke kleben mehr auf ihm, als sie sollten.

Er scheint das zu bemerken, denn er sagt verlegen: "Gib mir fünf Minuten. Ich gehe schnell duschen und ziehe mir was drüber und danach legen wir los, okay?"

Ich nicke zustimmend. "Ich koche in der Zeit Kaffee."

"Du bist ein Engel, Ari", verkündet er lächelnd und küsst mich auf die Wange, bevor er ins Bad verschwindet.

Langsam schleiche ich in die Küche und widme mich seinem edlen Kaffeevollautomaten. Ich schalte die Maschine an, koche mir einen Milchkaffee und Phil einen schwarzen Kaffee mit zwei Stückchen Zucker, so wie er ihn am liebsten mag. Dann nehme ich die beiden Tassen und stelle sie auf den Wohnzimmertisch.

Zehn Minuten später kommt Phil himmlisch riechend und deutlich wacher ins Wohnzimmer und setzt sich neben mich. Er trägt einen schwarzen Nike Hoodie und eine einfache graue Jogginghose und seine dunkelblonden Haare hängen nass von seinem Kopf.

Wortlos reiche ich ihm seinen Kaffee, den er dankend annimmt und einen großen Schluck trinkt. Dann stellt er die Tasse zurück auf den Tisch, klatscht in die Hände und fordert mich auf: "Auf geht's. Zeig mal her, was du schon hast."

Ich klappe mein MacBook auf und öffne die Datei mit dem Entwurf meiner Hausarbeit. Abschnitt für Abschnitt gehen wir den Text zusammen durch, diskutieren angeregt und verbessern einzelne Textstellen.

...

Nach zwei Stunden ist die Luft mehr als raus. Ich lasse mich auf der dunklen Couch nach hinten sinken. "Ich kann nicht mehr!", seufze ich erschöpft. Phil lächelt mich an. "Willst du was essen, Ari?" "Was für eine Frage. Immer." "Pizza?" "Pizza!"

Phil nimmt sein Handy aus der Tasche seiner Jogginghose und bestellt zwei große Pizzen, eine mit Salami und Peperoni für mich und eine mit Thunfisch für sich.

"Sollen wir unsere Serie weiter gucken?", bietet er an, als der Bestellvorgang abgeschlossen und sein Handy wieder in seiner Hosentasche verschwunden ist. Er kennt mich einfach zu gut.

Phil und ich haben vor einigen Wochen angefangen "Suits" zusammen zu schauen und haben uns versprochen, nicht ohne den anderen weiter zu schauen.

"Sei ehrlich Phil, hast du ohne mich weiter geguckt?" Ich lege den Kopf schief und sehe ihn prüfend an.

"Nein, ehrlich nicht. Du etwa?" "Nein", antworte ich und hebe die Hand zum Schwur.

Zufrieden nickt er, schaltet die Folge an, bei der wir zuletzt aufgehört haben, und legt sich neben mich auf die Couch.

Nach einer halben Stunde klingelt es endlich an der Tür und Phil verschwindet im Flur um kurz darauf mit zwei wohlduftenden Pappkartons und einem breiten Grinsen im Gesicht wieder aufzutauchen.

Ich hole mein Portemonnaie aus der Tasche und will Phil das Geld für meine Pizza geben, doch er schaut mich beleidigt an. "Steck das bloß weg. Wenn ich für dich gekocht hätte, hättest du mir auch kein Geld gegeben. Also pack dein Portemonnaie weg, sonst koche ich beim nächsten Mal wieder."

Ein freches Lachen schleicht sich auf meine Lippen und ich lasse den schwarzen Geldbeutel zurück in meine Tasche gleiten. "Das wollen wir ja wohl beide nicht."

Phil hat viele Talente, aber kochen ist ganz sicher keins davon. Er hat ein einziges Mal für mich gekocht und das endete mit einem laut piepsenden Feuermelder und versalzenen Nudeln.

Wir essen unsere Pizza und schauen unsere Serie weiter, bis die Sonne allmählich hinterm Horizont verschwindet und orangenes Licht durch die großen Fenster fällt.

Ich raffe mich auf, bedanke mich herzlich bei Phil für seine Hilfe und verabschiede ihn mit einem Kuss auf die Wange, bevor ich weiter zu Emily fahre.

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