- acht -

Emily und ich halten uns nicht mehr lange in der Shishabar auf, da wir spontan entscheiden, noch feiern zu gehen. Wir fahren direkt von der Bar zu meiner Wohnung, um uns umzuziehen und für den Abend fertig zu machen.

Heute siegt ausnahmsweise die Vernunft und ich entscheide mich dazu, keinen Alkohol zu trinken, da ich morgen nach der Uni mit Phil meine Hausarbeit fertigstellen will und dazu definitiv einen klaren Kopf brauche. So gerne ich Party mache, so wichtig ist mir trotzdem mein Abschluss und den will ich auf keinen Fall aufs Spiel setzen.

Ich flechte meine Haare zu Boxerbraids und schminke mich. Heute lege ich sogar meinen kräftigsten roten Lippenstift auf. Auch wenn ich Emily vor kurzem noch damit aufgezogen habe - nach dem Desaster mit Colin ist mir die Lust auf Männer für heute gehörig vergangen.

Ich entscheide mich für einen schwarzen Minirock aus Leder, der knackig eng sitzt und mir Kurven zaubert, die ich sonst nicht habe. Dazu kombiniere ich ein weißes T-Shirt, eine schwarze Clutch und Highheels aus Lackleder.

Als Emily auch endlich fertig ist, fahren wir in einen Laden namens Cielo. Das Cielo ist kein Club, sondern viel mehr eine gehobene Bar. Mit der Intention, einfach ein bisschen auf andere Gedanken zu kommen und mich weder abzuschießen noch mir einen heißen Bettgefährten für heute Nacht aufzureißen, scheint mir diese Location die geeignete Wahl zu sein.

"Ein bisschen Himmel kann heute nicht schaden", scherze ich zynisch, als ich an der Seite meiner besten Freundin in das Cielo laufe. Ein Wortwitz, schließlich bedeutet der Name des Etablissements nichts anderes als Himmel auf Spanisch oder Italienisch.

Meine schöne Freundin beschließt spontan, aus Solidarität ebenfalls nichts zu trinken. Wir bahnen uns unseren Weg durch das Gedränge zur Bar und bestellen zwei Redbull. Mit den Dosen in der Hand suchen wir uns schließlich einen Tisch in der hintersten Ecke des belebten Lokals.

Das Cielo ist elegant eingerichtet, mit tiefen Ledersesseln in warmen Brauntönen, die sich harmonisch mit den dunklen Holzvertäfelungen und den glänzenden Marmorböden verbinden. Die Beleuchtung ist gedämpft und erzeugt eine intime Atmosphäre, während goldene Akzente in den Leuchten und Dekorationen für einen Hauch von Luxus sorgen. Die lange, polierte Theke aus schwarzem Marmor bildet den Mittelpunkt des Raumes, hinter der erlesene Spirituosen in perfekt ausgeleuchteten Regalen präsentiert werden.

"Dass ich in dem Schuppen mal mit einem Energydrink sitze, hätte ich auch nicht für möglich gehalten", sinniert Emily vor sich hin und zupft an ihrem roten Kleid, dass fantastisch zu ihren fuchsroten Haaren passt.

"Na, kannst du mal sehen. Dann ist heute wohl für uns beide ein Tag voller neuer Ereignisse.. auf die ich gut hätte verzichten können", antworte ich grimmig in Anspielung auf Colins Abfuhr.

Kurz fürchte ich, mich wieder in Gedanken an den heißen Dunkelhaarigen mit den stechend blauen Augen zu verlieren, doch ich schiebe sie in aller Vehemenz bei Seite, als sich plötzlich zwei Männer ungefragt an unseren Tisch gesellen.

Ich überlege gerade, die beiden mit einem salzigen Spruch wegzuschicken, doch verwerfe den Gedanken, als ich in Emilys Herzchenaugen sehe. Die beiden Männer, die sich höflich als Travis und Zane vorstellen, sehen ein bisschen aus wie zweieiige Zwillinge: beide strohblond mit hellblauen Augen und strahlend weißen Zähnen. Selbst ihre Outfits passen zueinander. Und beide sind zu einhundert Prozent sterotype Fuckboys. Hot, einfach gestrickt und auf der Suche nach schnellem Sex - das rieche ich schon mehrere Kilometer gegen den Wind.

Wir plaudern eine Weile mit den beiden, doch bald schon verliert mich das Gespräch über ihre Arbeit bei einer lokalen Fashionbrand. Desinteressiert ziehe ich mich aus der Unterhaltung zurück und lasse meinen Blick durch den Club schweifen, auf der Suche nach etwas Interessanterem als diese beiden Schwachmaten.

Unter normalen Umständen würde es mir reichen, dass sie gut aussehen, schließlich will keinen von ihnen heiraten, aber heute bin ich von der seichten Unterhaltung mit den beiden oberflächlichen Schönlingen einfach nur gelangweilt. Meine Gedanken driften immer wieder zu Colin, so sehr, dass ich schon halluziniere und ihn lässig an der Bar lehnen sehe.

"Kneif mich", flüstere ich Emily zu, die neben mir sitzt. Sie schaut mich fragend aus großen Augen an. "Los, kneif mich", fordere ich erneut. Sie kneift mir so doll in den Oberarm, dass ich zusammenzucke. "Aua, nicht so feste!", zische ich und reibe mir über die schmerzende Haut. Das gibt morgen einen blauen Fleck.

Ich schaue zurück zur Bar und sehe Colin immer noch an der langen Marmortheke stehen, in einem hellblauen Hemd, das seinen Augen unverschämt gut schmeichelt, und mit einem Whiskeyglas in der linken Hand.

Keine Halluzination.

In dem Augenblick dreht er wie vom Teufel gewollt seinen Kopf. Seine Augen treffen direkt auf meine, brennen sich nahezu ein. Er verharrt kurz in seiner Bewegung, stutzt und dann lächelt er mich an, sodass zwei Reihen weißer Zähne zum Vorschein kommen.

Ich unterdrücke die aufkeimende Verwirrung über seinen plötzlichen Sinneswandel, freue mich einfach über den schönen Anblick und lächele zurück. Sein Blick schwenkt an mir vorbei zu Emily und dann zu den beiden blonden Idioten.

Seine Augen schnellen zurück, ein Hauch von Enttäuschung liegt in ihnen. Dann schüttelt er den Kopf, genau wie vorhin in der Bar.

Nein, nein, nein, Colin. Nicht nochmal.

"Ich komme gleich wieder", sage ich mehr zu mir selbst, als zu Emily und laufe mit schnellen Schritten auf Colin zu.

"So schnell sieht man sich wieder", kommentiert er süffisant.

"Schicksal", beschließe ich selbstbewusst.

"Oder die Strafe für all meine Sünden", gibt er schlagfertig zurück.

Ich frage mich, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung ist. Dieser Mann überfordert mich. Dass er in dem schummrigen Licht wie weichgezeichnet und damit noch makelloser aussieht, bringt mich zusätzlich aus dem Konzept.

Ich hasse es, dass er mir mein Selbstbewusstsein mit einer solchen Leichtigkeit raubt.

Ich hasse es, und gleichzeitig macht es mich wahnsinnig an.

"Noch da, Kätzchen?", fragt er triumphierend, wohlwissend, dass er mich verunsichert hat und legt den Kopf schief. Seine Lippen umspielt ein überlegenes Lächeln.

"Ich bin nur gerade im Kopf alle meine Sünden durchgegangen", lüge ich und zwinkere ihm zu.

"Ach Ariana", seufzt er. "Ich wollte gerade gehen, aber plötzlich macht der Abend doch noch einen Sinn."

Na geht doch.

"Du kannst gerne gehen, ich kann dich  begleiten", schlage ich vor und schenke ihm einen verführerischen Augenaufschlag.

"Klar, und dann? Kann ich dich direkt in meinem Auto ficken oder soll ich anstandshalber warten, bis wir bei mir sind?", fragt er trocken und sieht mir dabei direkt in die Augen.

Perplex erwidere ich seinen Blick. Wieder mal macht er mich sprachlos.

"Komm, wir fahren mit meinem Porsche, auf so was stehst du doch bestimmt", provoziert er weiter.

Das Schlimmste an seiner Aussage ist, dass sie stimmt. Ich würde sofort mit ihm mitgehen - auch ohne Porsche. Ohne Diskussion, ohne ihn näher kennenzulernen, und selbst nach all den unverschämten Dingen, die er mir heute schon an den Kopf geschmissen hat.

"Nein danke, Colin, das habe ich nicht nötig", antworte ich getroffen und schlucke hart. Er schlägt mich mit meinen eigenen Waffen.

"Ich bitte dich, Ariana, mach hier nicht auf extravagant, wenn jeder von uns locker mit dir Sex haben kann."

"Was soll das eigentlich?", frage ich scharf. Langsam macht mich seine herablassende Art wütend. "Wenn du keinen Bock auf mich hast, was soll dann das ganze Grinsen und Zwinkern?"

"Ich spiele mir dir", antwortet er nüchtern. "Genauso, wie du es mit mir tust. Oder was soll dein ganzes Zwinkern, Grinsen, deine anzüglichen Sprüche und dein Haare zwirbeln?"

Ich gehe nicht auf seine Frage ein, sondern antworte mit einer Gegenfrage: "Bin ich dir zu hässlich?"

Colin lacht auf und verdreht die blauen Augen. "Ach komm schon, Ariana, sei nicht albern. Du weißt nur zu gut, wie attraktiv und sexy du bist. Nur deshalb kannst du dir den ganzen Zirkus doch erlauben."

"Aus welchem Grund willst du mich dann nicht kennenlernen?" Meine Stimme klingt verzweifelter, als sie sollte und ich beiße mir strafend auf die Zunge.

Was zur Hölle ist nur los mit mir?

Natürlich ist Colin heiß, aber es ist auch nicht so, als hätte er einen magischen Schwanz, mit dem er mehr kann, als andere Männer - und von denen muss ich mich nicht beleidigen und erniedrigen lassen, damit sich mich ficken. Die reißen sich darum.

"Willst du mich denn kennenlernen? Oder willst du nur vögeln? Hab ich deinen Jagdinstinkt geweckt, weil du mich nicht so leicht rumkriegst, wie die anderen Kerle?"

Ertappt beiße ich mir auf die Unterlippe. An seiner Vermutung könnte durchaus was dran sein.

Er nickt wissend. "Siehst du. Deshalb habe ich kein Interesse an dir, tut mir leid", beschließt er und nimmt einen Schluck aus seinem Glas.

"Meine Güte, du machst mich echt wahnsinnig! Du hast keinen Grund, dich so aufzuspielen!" Vor Wut werde ich so laut, dass die beiden Männer hinter uns interessiert ihre Köpfe zu uns drehen.

Colin sieht das und es gefällt ihm nicht. Sein Gesicht verdunkelt sich. Kurzentschlossen packt er meinen Arm und zieht mich raus aus dem Club.

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