Shell Shock
Leonora quietschte erschrocken auf, als Anskar ihr mit einer Handvoll Schnee über die Länge des Rückgrats fuhr und sie damit endgültig aus ihrem Schlummer riss. Sie fuhr mit weit aufgerissenen Augen zu ihrem Liebhaber herum, der Mund halb geöffnet in fassungsloser Anklage. Anskar grinste von Ohr zu Ohr und rieb sich die Hände mit dem Rest des Schnees ein.
Ihr schwante schlimmes.
Sie fing an zu bibbern, zog die Bettdecken ans Kinn und wickelte sich in einen schützenden Kokon. „Du! Du! Du! Du MONSTRUM! Raus aus meinem Bett!"
„Muahahahaaha!" Anskar warf sich auf sie und umarmte sie mit den garantiert eisigsten Händen des Universums – wahre Eispranken aus dem neunten Level der Hölle!
„Ihhhh. Neeeein!", quiekte Leonora und verbog sich akrobatisch, um diesen Frostfingern zu entkommen. Mit wenig Erfolg. Sie war schneller und beweglicher als Anskar, doch ihr Schutzkokon behinderte sie mehr, als dass er half. Immer wieder fanden grausame Eisfinger den Weg an ihr warmes Fleisch. Vermutlich weckten ihre Schreie jeden anderen Gast des Atomic. Schon jetzt hämmerte jemand an die Wand. Ihr Bettkampf wandelte sich jedoch schnell in seiner Natur und schon bald nahm Leonoras Stöhnen eine lustvollere Qualität an. Während eines kritischen Moments wurde ihr morgendliches Liebesspiel jedoch unsanft unterbrochen.
Es hämmerte an der Tür.
„Hey ihr zwei!" rief King. „Hier sind zwei einarmige Straßenratten, die behaupten, dass sie euch kennen. Soll seine Hoheit sie wieder rauswerfen?"
„Wen nennst du hier einarmige Straßenratte, halbe Portion?"
Bennys Stimme, welche prompt in einen Hustenanfall überging, gefolgt von einer Litanei beschwichtigender Worte seines Bruders.
King fing an zu prusten. „Bwahaha! Frech ist der Hässlichere der zwei auch noch!"
Der Sukkubus löste sich aus Anskars Umarmung und sprang auf.
„Hey", meinte dieser kleinlaut. „Ich ... uhm ... ich war noch nicht ganz fertig."
„Tja, ich schon", meinte Leonora und hielt drei Finger hoch. „Schon dreimal."
„Aber... aber", stammelte Anskar und deutete auf sein pralles Glied.
Leonora grinste, zuckte mit den Schultern und meinte, „Reib ihn doch mal mit Schnee ein. Das soll ja gut bei Schwellungen sein."
Anskars Augen verengten sich. „Touché, Weib."
Leonora blies ihm einen Kuss zu, schlang ihr Bettlaken um sich, tänzelte zur Tür und riss diese auf. Drei Augenpaare richteten sich auf sie – und weiteten sich. Dennys Augen fielen ihm fast aus dem Kopf. Stellenweise lag das Laken wie eine zweite Haut an ihr und überließ nicht viel der Vorstellungskraft. Leonora zog das dünne Laken etwas enger um sich, was nur umso mehr von ihrem athletischen Körper erahnen ließ. Denny sah aus, als würde ihm jeden Moment ein Schwall Blut aus der Nase schießen.
King grinste. „Gar nicht schlecht, Baby."
„Perverser Stummel", grummelte Benny so leise, dass wohl nur Leonora ihn hören konnte.
Der Sukkubus deutete eine Verbeugung an. „Vielen Dank, eure Hoheit."
King grinste, wandte sich zum Gehen, und lief Benny dabei „versehentlich" fast über den Haufen. Der missmutige Junk-Hunter starrte den Veränderten hasserfüllt an, sagte jedoch nichts. King nahm die bösen Blicke mit königlicher Verachtung entgegen.
Leonora lächelte die Zwillinge an. „Was gibt's?"
Schweigen folgte, dann rammte Benny seinem Bruder einen Ellenbogen in die Rippen, was ihn wieder in das Hier und Jetzt brachte. Denny hob seine Augen von Leonoras Brüsten und lief innerhalb von Sekunden knallrot an. Er plapperte unsinnige Entschuldigungen hervor, fing sich jedoch, als ihm Benny erneut in die Rippen boxte.
„Au." Denny entwickelte ein starkes Interesse an der Decke, und seiner visuellen Versuchung beraubt, fand er endlich Worte die Sinn ergaben. „Ich ... Wir", stammelte er. „Uhm ... Braucht ihr noch Stadtführer? Das Wetter ist gut genug für ne kleine Tour, wenn ihr noch Lust dazu habt, mein ich."
„Was ich euch geraten haben will!" warf Benny ein. „Schließlich sind wir extra wegen euch in der Stadt geblieben und waren schon mehrmals hier, um euch aufzusammeln. So wie es vereinbart war, eh?"
„Oh, das tut mir leid", begann Leonora. „Wir waren so ... ehm ... erschöpft, dass wir tagelang kaum aus dem Bett gekommen sind. Zimmerservice ist eine wunderbare Sache."
Benny schnaubte und unterdrückte einen Hustenanfall. „Muss schön sein, wenn man reich ist."
Denny gab seinen Bruder einen Rippenstoß. „Bro ..."
„Bro mich nicht schon wieder Bro-tkopf!"
Leonora strengte sich an, ein ernsthaftes Gesicht beizubehalten. Es gelang ihr nicht und um es zu verbergen, drehte sie sich halb um. „Skar? Was denkst du? Wollen wir uns die Stadt ansehen? Vielleicht Hel einen Besuch abstatten?"
Anskar taumelte in Sicht, eine Decke um die Füße und ein Laken wie eine Toga um sich gewickelt und gab ihr einen Daumen hoch. „Klingt gut! Wird Zeit, das wir das Zeug auf dem Schlitten endlich loswerden."
Leonora drehte sich zurück und wieder schoss Dennys Blick zur Decke. Der Sukkubus grinste diebisch. „Ok, sieht so aus als machen wir eine Stadt-Tour. Geht schon mal vor und bestellt euch was zu Essen. Wir kommen dann gleich nach. Ihr seid selbstverständlich eingeladen."
Dennys Gesicht erhellte sich. Benny murmelte etwas von „Soilent-verseuchter-Küche", schwieg jedoch, als sein Bruder ihn böse anfunkelte.
Diese zwei ...
Leonora konnte sich ihr Lachen gerade noch verkneifen. „Bis gleich!"
Sie schloss die Tür, amüsiert, dass Denny verzweifelt versuchte noch einen Blick von ihr zu erhaschen. Solche Stielaugen sah man normalerweise nur an Schnecken.
„Quälerin!" sagte Anskar, trat an sie heran und schlang seine starken Arme um ihre Hüfte. Als sich seine Männlichkeit gegen ihr Gesäß presste, wusste sie, dass er sich dabei nicht nur auf den jungen Junk-Hunter bezog. Sie drehte sich zu ihm herum und die Laken fielen zeitgleich zu Boden.
Der Sukkubus hob ihre Hand in gespielter Überraschung vor den Mund. „Huch? Was ist denn hier los?"
Sein Glied war noch immer angeschwollen, wenn auch nicht mehr ganz so prall wie vorher, was sich schnell änderte, als sie damit zu spielen begann. Anskar grinste, packte sie zärtlich am Hals und küsste sie lang und innig, bevor er sie sanft in die Knie zwang.
Seine Männlichkeit fand den Weg in ihren Mund fast automatisch.
***
Anskar klopfte an Theodors Tür. „Theo! Wir sind's! Wir wollen Hel einen Besuch abstatten, kommst du mit?" Zu ihrem Erstaunen erklang ein überraschter Fluch von Jenseits der Tür gefolgt von etwas, dass klang, als wäre jemand aus dem Bett gefallen. Weitere Flüche folgten, leiser diesmal. Anskar und Leonora blickten sich verwirrt an.
„Das war doch nicht Theodors Stimme, oder?" sagte Anskar.
„Zumindest nicht nur", stimmte Leonora zu.
Die beiden starrten sich an, sprachlos für den Moment. Mehr Gepolter und unterdrücktes Fluchen – diesmal Baby-Schimpfwörter in der Art, wie Theodor sie gerne benutzte – folgten. Wenig später öffnete Theodor die Tür gerade mal weit genug, dass er seinen zerzausten Kopf herausstrecken konnte. Seine Drahtgestellbrille saß schief auf der Nase. „Skar? Nora! Ich ... ähm ... Ich hab nicht erwartet, dass ihr so früh wach seid. Geht doch schon mal vor und Frühstückt. Wi— Ich komme gleich nach."
Anskars und Leonoras Augen verengten sich in perfekter Synchronisation.
Der Sukkubus lehnte sich vor und schnupperte an Theodor.
„Hey, halt deine verruchte Nase fern von—"
Er brach ab, als Leonoras Augen sich weiteten und sie sich überrascht zurücklehnte und ein gespielt entrüstetes „Theodor!" von sich gab.
Die Mine des kleinen Wartungstechnikers entgleiste. Das Inbild eines Ehebrechers, den man auf frischer Tat ertappt hatte. „Ich ... Ich ..."
Anskars Blick ruckte zwischen den beiden hin und her. „Was? Was passiert hier?"
Leonora schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme. „Unser lieber Freund Theodor stinkt geradezu nach Sex."
Anskars Augen weiteten sich. Man sah ihm an, dass er lachen wollte, doch der momentane Schock hielt seine Lippen im Zaun.
„Ich? Sex? Pah. Niemals. Vermutlich ist das euer eigener Duft, der euch ins Gesicht schlägt, ihr Karnickel ihr. Ich—"
Leonora lehnte sich vor, schnupperte erneut.
Theodor fing an mit der Hand vor sich herumzufuchteln. „Halt deine infernalische Nase von mir fern, Weib! Es gibt noch so etwas wie Privatsphäre. Ich—"
Leonora riss ihre Augen noch weiter auf. „Ich kenne diesen Geruch! Kenne ihren Geruch."
Der kleine Mann ließ Kopf und Schultern hängen. „Menno ..." Er trat zur Seite, öffnete die Tür und da stand ...
Gretchen Klein.
Die Zwergin raffte das Laken, um ihre gewaltige Oberweite etwas besser zu verbergen. Sie winkte schüchtern. „Hi Leute."
Anskars und Leonoras Kinnladen klappten zeitgleich herunter, so als hätten sie es eingeübt.
„Tu nich so überrascht", begann Theodor und wanderte zu der Zwergin, um seinen Arm um ihre Schultern zu legen. „Deine Nase hat dir doch schon alles verraten."
„Bluff ... Ein Bluff", murmelte Leonora.
Jetzt waren Theodor und Gretchen an der Reihe für Gesichtsentgleisungen. Sie gaben ein komisches Paar ab. Theodor mit seiner haarlosen Hühnerbrust, den spindeldürren Armen und Beinen und die Walküre, deren Glieder dicker waren, als die von Anskar.
Theodor fing sich zuerst. Sein Gesicht lief rot an, doch nur er wusste ob aus Scham oder Wut. „Nun ... Wenn es euch beiden nichts ausmacht ... Wir würden uns gerne ankleiden. Und zwar alleine!"
Das Paar jenseits der Tür nickte betäubt, bewegte sich aber nicht.
„Tür zu!" kreischte Theodor. „Aber dalli!"
„Natürlich. Sofort!" rief Leonora und eilte sich, dem nachzukommen. „Wir warten dann einfach unten."
Gretchen machte einen Schritt vor und hob die Hand. „Sagt es bitte keinem. Zumindest noch nicht, in Ordnung? Ich könnte in Probleme kommen, wenn herauskommt das Theobär und ich ..."
„Theobär?!" keuchte Anskar.
Er sah aus als könnte ein Lüftchen ihn umblasen.
„Natürlich", sagte Leonora. „Wir werden schweigen wie ein Doppelgrab. Hand aufs Herz."
Sie schloss die Tür und für einen Moment starrten sich der Sukkubus und der Berserker nur an, dann führte Leonora einen kleinen Freudentanz auf und zog Anskar weiter.
„Wohoo!", rief sie, so leise wie sie konnte. „Ich freu mich so für Theo."
Anskar ließ sich hinterherziehen, Granatengeschockt bis zum Kern seines Wesens. „Ich glaub, jetzt kann mich nichts mehr überraschen. Absolut gar nichts."
***
Wie immer hatten Kings Köche sich selbst übertroffen. Verdammte Axt, wer hätte gedacht, dass er noch einmal Waffeln essen würde? Wie immer sättigte die Nahrung nicht, aber bei Gott es war lecker. Die Zwillinge legten eine ähnliche Begeisterung an den Tag – ihnen mochte es an Armen fehlen, doch mit Sicherheit nicht an Appetit. Sogar Benny hatte ein widerwilliges Kompliment ausgesprochen, wenngleich so leise, dass wohl kein anderer ihn verstanden hatte.
Theodor – der Mann der Stunde – erschien erst zu Tisch, als sie fast fertig waren. Gretchen war nirgends zu sehen. Sie war entweder noch immer in ihrem Zimmer oder hatte es irgendwie geschafft sich unbemerkt aus dem Atomic zu stehlen. Alles in Allem verhielt ihr kleiner Romeo sich bemerkenswert normal. Leonora zappelte förmlich an Anskars Seite, voll von dieser besonderen weiblichen Neugierde, was geheime Liebschaften und Techtelmechtel anbelangte. Der große Mann hatte das Gefühl er müsste sie nur anstupsen und eine Tzunami-Welle aus Fragen würde über Theodor hereinbrechen.
Er grinste in sich hinein. Immer diese neugierigen Stalker ...
Es war fast Mittag, als sie das Atomic verließen. Ein vergleichsweise schöner Tag begrüßte sie, was bedeutete, dass sie einen uneingeschränkten Blick auf den wütenden Wolkenhimmel in seinen vielen bizarren Farben erhaschten. Anskar schüttelte den Kopf. Der Gott dieses Himmels musste ein depressives Kind mit einem Malkasten sein. Wenigstens hatte es aufgehört zu schneien. Sogar einige Vögel waren zu sehen, dicke schwarze Krähen, die durch die kalte Luft glitten und sie mit Krächzen begrüßten.
„Das wir euer Zeug schleppen war aber nicht Teil der Abmachung", murrte Benny, als er den Tragegurt seines Rucksacks justierte. „Das kostet extra. Wir haben nur zugestimmt Führer zu sein, nicht Packesel."
Anskar, der neben einem Seesack auch noch und einen Rucksack trug, starrte auf den kleineren Mann herab. „Für jemanden, der sich gerade auf unsere Kosten die Backen vollgestopft hat, jammerst du ganz schön ... Bro."
Denny lachte auf, was ihm einen bösen Blick seines Bruders einbrachte.
„Es widerspricht mir zwar ihm Recht zu geben", begann Theodor, „aber können wir nicht den Schlitten nehmen? So wie bisher?"
Anskar schüttelte den Kopf. „Auch du, Brutus? Pech gehabt, Jungs. Ich habe diesen Schlitten tagelang durch das vereiste Niemandsland da draußen gezogen und will verdammt sein, wenn ich ihn jetzt auch noch durch ganz Waagen zerre. Wenn ihr wollt könnt ihr euch natürlich daran versuchen ... Nein? Dacht ich mir, also Klappe zu, sonst trägt der nächste der Jammert auch noch meinen Seesack.
Missmutige Blicke. Grummeln. Bennys Husten.
Leonora grinste und beobachtete einige Kinder, die in einer Gasse einen grauen Schneemann bauten. „Irgendwas, das wir beachten sollten?"
Denny schüttelte den Kopf. „Bleibt einfach an uns dran, ok? Wir Sorgen schon dafür, dass ihr nicht in Schwierigkeiten geratet."
Sie stampften los, blind gegenüber der vermummten Gestalt, die aus einem der Häuser gegenüber des Atomics trat und ihnen mit dem Surren leiser Servos folgte ...
*******************************************
Hallo Leute und Willkommen zum ersten Sonntags-Update.
Sort of...
Ich hoffe es hat euch gefallen. :)
Es gibt auch mal wieder was Neues (und nicht so tolles). Um meine Changen bei den diesjährigen Wattys zu erhöhen, bin ich so wie es aussieht dazu gezwungen diese Art Kommentare wohl wegzulassen. Die Aussage ist, dass es den Redefluss stören könnte, aber ich tippe mal drauf, dass die Computerprogramme, die bei den Wattys die Vorauswahl treffen, nicht mit diesem "Stilbruch" klarkommen und man deswegen durchfallen könnte.
Um das zu vermeiden, werde ich die Tage durch alle Online-Kapitel durchgehen um sicherzustellen, dass ich auch alle Kommentare gelesen habe und drauf antworten.
Danach muss ich Text Passagen so wie es aussieht löschen. :/ Das bedeutet aber nicht, dass eure Kommentare verloren gehen. "Nur" der Kontext wird wohl fehlen. ^^ Ich sag euch das nur, damit ihr euch nicht wundert. Kommentiert aber nur fleissig weiter, idealerweise in in den Story-Textpassagen selber oder ohne eine Passage zu markieren am Ende.
Ist ne doofe Situation die mich auch ein bisschen ärgert, weil mir diese Kommentar immer sehr Spaß machen, aber was will man machen. 😑
M.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top