Bei meinem Bolzenschneider!
Heya!
Einige haben es ja bestimmt schon über die Ankündigungen mitbekommen, aber ich hatte es irgendwie geschafft in allen Listen, in denen ARCHETYPE angemeldet ist, in die Top 10 zu kommen. xD
ARCHETYPE ist zwar nach zwei/drei Tagen wieder eingebrochen, aber ich dachte, das muss gefeiert werden ... und wie feiere ich solche Sachen immer? xD
Richtig.
Mit einem Extra-Update!
Daher viel Spaß mit einem alten Freund ...
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Ein Korridor
Walhalla 23
Datum ?, Zeit ? - Ehemaliges Deutschland
Bei meinem Bolzenschneider...
Es war seltsam nach so langer Zeit, die Metall- und Betonkorridore wiederzusehen, die sich Adern gleich durch Walhalla 23 zogen. Der Adamsapfel an Theodor Kapps Hals hüpfte aufgeregt, als er versuchte den sprichwörtlichen Frosch, der sich in seinem Hals breitgemacht hatte herunterzuschlucken.
Es half nichts, wurde nur noch schlimmer.
Schweiß stand ihm in Perlen auf der Stirn und er konnte nicht umhin, seine neue Brille immer wieder nervös zurechtzurücken. Sie war zwar sauber wie alles hier, saß aber schlecht. Auch sein neuer Wartungstechniker-Overall war picobello, fühlte sich jedoch zu warm an, fast so, als wäre er gefüttert. Eine andere, weitaus sinnigere Erklärung für seinen Zustand war, dass er schlicht und einfach Panik hatte im Anbetracht der zwei steroidgeschwollenen Thorianer neben sich. Er sah einmal verstohlen nach links, dann nach rechts, musste seinen Kopf in den Nacken legen, um die verspiegelten Helme der beiden Walhalla Sicherheitskräfte überhaupt zu sehen. Wenn diese zwei Hormon-Hünen aus Versehen gleichzeitig ins Straucheln gerieten, würden sie ihn vermutlich wie einen überprallen Pickel zwischen ihren gepanzerten Körpern zerquetschen.
Oh-Gott-Oh-Gott...
Er schluckte schwer. Ein garstiger Gedanke, aber noch immer besser als das, was am Ende dieses Korridors auf ihn wartete: Das Büro von Amadeus Regis Gruber, dem Odin und uneingeschränkten Herrscher von Walhalla 23. Theodor kämpfte heroisch gegen den Drang an, kehrt zu machen und davon zu laufen – wohin sollte er auch schon gehen? – und tupfte sich mit seinem strahlend weißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Zum gefühlt Tausendsten Mal fragte er sich, was er Odin Gruber nur erzählen sollte? Ein saloppes „Theodor Kapp meldet sich zurück zum Dienst" würde in Anbetracht der Situation wohl kaum genügen. Schließlich hatte man ihn als Saboteur, Deserteur und vermutlich noch ein paar andere Dinge abgestempelt die auf "-teur" endeten. Er hatte keine Ahnung, wo Anskar und Leonora waren, wusste ja nicht einmal wie er wieder nach Walhalla 23 gekommen war. Seine Erinnerungen waren noch immer seltsam verschwommen, schlammig wie das Wasser im Becken einer Güllegrube. Ein Schauder überkam ihn bei diesem Gedanken und er unterdrückte eine Flut aus ungemein unangenehmen Bildern, die durch seinen Geist huschten.
Vielleicht sollte ich mich einfach auf die Knie werfen und kreischen: Ich bin unschuldig! Unschuldig! Diese zwei Irren haben mich entführt und an die Oberfläche verschleppt!
Der kleine Wartungstechniker lächelte in sich hinein. Schließlich würde er damit ja noch nicht einmal lügen. Nicht gerade heldenhaft, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Nur, dass er kein Teufel war und Fliegen mochte er überhaupt nicht. Maden auch nicht. Ein gutes Wurmsteak ab und zu ja, wer mag das nicht aber Fliegen. Niemals. Er verwarf den Gedanken, konzentriere sich auf das Hier und Jetzt, schüttelte den Kopf und hielt sich etwas aufrechter. Als ob Kniefall und Betteln schon jemals irgendjemandem in so einer Situation geholfen hatten. Nein, er würde seinem Schicksal gegenübertreten wie ein echter Mann – was immer das auch heißen mochte.
Der Moment der Wahrheit kam – so wie es Momente dieser Art an sich hatten – viel zu schnell, schlich sich geradezu heimtückisch an ihn heran, um ihn von hinten niederzuknüppeln. Von einem Augenblick zum nächsten ragte das Iris-förmige Sicherheitsportal zum Heiligtum des Odins vor ihm auf. Er glotzte die Bunkertür an, sein Herzschlag mit einem Mal laut wie die Schwingen eines Drachen in der Luft.
Wum-Wum-Wum...
Der kleine Wartungstechniker schluckte schwer, spielte noch einmal kurz mit dem Gedanken sein Heil in der Flucht zu suchen, als seine zwei steroidgeschwollenen Muskel-Monster in perfekter Synchronisation an ihm vorbei glitten und an den Seiten des Portals "Rührt euch!" - Stellung einnahmen. Ein Teil von Theodor verspürte den irren Drang ihnen zu applaudieren. Er hätte nicht gedacht, dass diese zwei gelenkig genug waren, um ihre Rinderflanken-Arme hinter den Rücken zu bekommen.
Der Moment geistiger Umnachtung verstrich jedoch schnell und er starrte das Doppelschott erwartungsvoll an. Er spürte Schweiß auf seiner Stirn und ihm war, als versuche eine Miniatur-Blaskapelle in seiner Brust seine inneren Organe musikalisch darzustellen. Bei Gott, er musste dringend auf die Toilette. Ein erneuter Schluckversuch den Kloß in seinem Hals los zu werden schlug fehl und er suchte händeringend nach einer Lösung zu seinem Dilemma. Was würden Anskar und Leonora wohl in seiner Situation machen?
Alle umbringen und danach Sex haben?
Nein, das geht nicht. Sein Gretchen war schließlich nicht hier, also musste er sich wohl oder übel etwas anderes einfallen lassen. Nur was? Was?! Bevor ein neuer Gedanke es auf die mentale Bühne in seinem Kopf schaffte, öffnete sich das Iris-Portal mit einem Zischen. Theo sprang vor Schreck fast aus seinen neuen Stiefeln. Einer der Thorianer-Fleischberge lachte – oder vielleicht ließ eine seiner überdimensionalen Drüsen auch nur Dampf ab, wer konnte das schon sagen?
So oder so war der Weg ins Nervenzentrum von Walhalla 23 nun frei ...
„Sch... Sch... Scheiße."
Es bedurfte alles von Theodors sich mühsam in der Einöde des Harzes erkämpften Mutes, um nicht kehrt zu machen und davon zu stürmen. Schweiß mäanderte in kleinen Bächen über sein Gesicht, doch er blieb wo er war, machte sogar einen Schritt vorwärts, dann noch einen, die mausgrauen Augen hinter den Brillengläsern vermutlich weit und voll von Furcht.
„H... H... Hallo?"
Keine Antwort.
Er schluckte schwer, sah sich zaghaft um. Das Büro des Odins hatte sich nicht geändert seitdem er das letzte Mal die zweifelhafte Ehre besessen hatte, hier seiner Arbeit nachzugehen. Ein großer Raum mit minimalen Möbeln und maximaler Persönlichkeit. Spartanisch-Viktorianischer Stil, konkave Metallwände in schimmernden Goldtönen, antike Lampen, ihr Licht warm und – Überraschung, Überraschung – golden. Es floss in den Gang und über Theodor, als hätte es ein Eigenleben.
„Los, rein mit dir", befahl einer der Titanen-Klopse und gab ihm mit seiner Bratpfannenhand einen Stoß.
Und Schwupps war er drinnen. Ein beständiges Tick-Tock-Tick-Tock begrüßte ihn und erinnerte Theodor an den Grund seines damaligen Wartungsauftrages. Es erfüllte ihn mit Stolz zu sehen, dass die große, viktorianische Standuhr noch immer funktionierte. Die einzigen anderen Möbelstücke im Raum waren ein gewaltiger Schreibtisch aus braunem Mahagoni, ein unsagbar unbequem aussehender Stuhl davor und ein unheimlich bequem aussehender Ledersessel dahinter. Damals war der Odin nicht zugegen gewesen und er hatte in Ruhe arbeiten können. Heute wartete der Herrscher von Walhalla in seinem Thron von einem Sessel, die skelettdünnen Finger vor der Brust aneinandergelegt.
Oh-Gott-oh-Gott-oh-Gott...
Theodor stieß einen kleinen, fiependen Laut aus und das Bedürfnis eine Toilette aufzusuchen nahm geradezu kosmische Ausmaße an. Statt zu rennen trugen ihn seine verräterischen Beine jedoch näher zum allmächtigen Herrscher unter dem Brocken. Er öffnete seinen Mund und sah für einen Moment vermutlich wie ein Fisch an Land aus, bevor die ersten zaghaften Laute über seine Lippen kamen. „Ma... Ma... Mein Odin?"
Keine Antwort.
Der Herr von Walhalla schien mit seinen zwei unterschiedlichen Augen durch ihn hindurch zu sehen. Das eine war kalt wie Stahl. Das andere war aus Stahl – ein seelenloser Orb, ohne Iris oder Pupille – das Auge des Odins, Zeichen seines Amtes und der wohl mächtigste miniaturisierte Supercomputer, der jemals gebaut worden war. Theo senkte seinen Blick, nur um verstohlen wieder aufzusehen.
Amadeus Regis Gruber ...
Eine wahrlich schmerzhaft dünne Präsenz, hochgewachsen und asketisch mager, gehüllt in einen schwarzen, makellos erhaltenen viktorianischen Dreiteiler. Sein einziges Zugeständnis zu Farbe war eine purpurne Krawatte, an welcher eine Diamantnadel glänzte. Purpur. Die Farbe der Könige, der Kaiser, und die des Todes, hatte Theos Großvater ihm einst gesagt. Eine weiße Mähne dünnen Haares fiel sanft auf seine Schultern und umgab ein Gesicht so hager, dass nicht mehr viel zum Totenschädel fehlte. Theodor fragte sich, ob andere beim Anblick des Odins auch an Abbildungen der apokalyptischen Reiter denken mussten. An Tod und Pest ... und ganz besonders Hungersnot.
Er schluckte schwer und holte tief Luft. „Ma... Mein Odin?"
Ein Zucken lief über die hagere Züge – dann schossen beide Augenbrauen in die Höhe, so als wäre der Herrscher von Walhalla überrascht, ihn vor sich zu finden. Lippen, dünn wie Skalpelle glitten auseinander und enthüllten gelbliche Zähne. „Theodor Kapp, es tut gut euch zu sehen, mein junger Freund." Die Stimme passte zum Erscheinungsbild – kalt, kultiviert und kratzig, wie das Rascheln von Blättern im Winterwind.
Die Begrüßung ließ Theodor überrascht blinzeln. „Huh?"
Der Odin erhob sich von seinem Sessel, ging um den Schreibtisch herum. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, mein junger Freund, wie die Dinge hier drunter und drüber gingen, seitdem ihr Walhalla 23 den Rücken gegehrt habt."
„Ich ... Ich wurde entführt!", begann Theodor, der spontan beschloss, dass jedwedes heldenhafte Getue doch nicht seine Sache war.
Die erhobene Hand des Odins schnitt seine Ausrede jedoch ab. „Ich weiß, ich weiß. Man hat euch gegen euren Willen von hier fortgebracht. Und was für ein unglücklicher Glücksfall es doch für uns alle war ... Aber wo sind nur meine Manieren? Setzt euch doch erst mal. Setzt euch. Ihr müsst nach eurer langen Reise noch immer erschöpft sein, insbesondere wenn man bedenkt, dass ihr nur um ein Haar der Sense des Schnitters entronnen seid. Einen Tag mehr und selbst die geballte Macht von Walhalla hätte euch nicht mehr retten können, aber genug davon: Kann ich euch eine Erfrischung anbieten? Einen Pfefferminztee vielleicht?"
„Erm ... Ähm ... Vielleicht ... eine ... Nein. Nein danke, mir geht es gut."
„Seid ihr euch sicher? Ihr transpiriert nicht gerade wenig, nicht dass ihr euch eine Erkältung eingefangen habt."
„Mir geht es gut!", fiepte Theodor, als der Odin hinter ihn trat und ihm seine skelettartigen Hände auf die Schultern legte. „Bestens sogar! Es ist nur ein wenig – Scheiße! – heiß hier. Ich muss wohl noch die Kälte der Oberfläche gewohnt sein."
Der Druck auf Theodors Schultern verstärkte sich und er wurde regelrecht in den Besucherstuhl gepresst. Wie erwartet, war dieser genauso unbequem wie befürchtet. Torquemada selbst hätte wohl seine Freude an diesem vierbeinigen Folterinstrument gehabt.
„In dem Fall vielleicht doch ein kleiner Tee. Aus meinem persönlichen Bestand, versteht sich. Sie werden sehen, er wirkt Wunder", sagte der Odin, als er zu seinem ohne Zweifel weit bequemeren Sessel ging. Ohne eine Antwort abzuwarten betätigte er eine Sprecheinheit. „Zwei Tassen Tee, bitte. Und vielleicht noch etwas Süßes zum Knabbern. Überraschen Sie uns, was Letzteres anbelangt. Ich bin sicher Herr Kapp liebt Überraschungen ..."
Er schluckte schwer. Oh nein, ganz und gar nicht.
Eine blecherne Stimme antwortete: „Kommt sofort."
Der Odin unterbrach die Verbindung und lehnte sich in seinen Bürosessel zurück, legte geschäftsmäßig die Finger aneinander und schenkte ihm die Art Lächeln, die normalerweise Kanarienvögel von Katzen bekamen.
Alle Alarmsirenen gingen in Theodors Kopf los. Jetzt kommt's ...
„Sie fragen sich bestimmt, warum ich sie zu mir bestellt habe ..."
„J... Jawohl, mein Odin."
„Nun, es fällt mir zwar nicht leicht, doch ein Mann in meiner Stellung muss immer dazu bereit sein, der harten Realität ins Auge zu sehen und die schwierigen Aufgaben zu erledigen – wie sehr sie einem auch missfallen mögen."
Oh-Gott-Oh-Gott...
Die Worte des Odins, beschworen Bilder von garstigen Folterinstrumenten in Theodors Kopf – wobei wohl nichts schlimmer sein konnte, als der Stuhl, auf dem er gerade saß. Er schluckte schwer und ein dicker Schweißtropfen rollte über seine Stirn und die Nase entlang, wo er hing wie ein Mann kurz vor dem Sturz in einen bodenlosen Abgrund.
Der Odin seufzte.
Der Tropfen fiel.
Die Welt hielt den Atem an.
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Jaja. Ich weiß, ein monströßer Cliffhanger, aber es wird sich bestimmt bald wieder was tun, was uns Grund zum Feiern gibt!
Dann gibt es auch mehr. xD
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